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den, lange Perioden bildenden Participial - Konstruktionen feltfam genug gegen den nichts weniger als antiken, zu oft höchst belustigenden Inhalt ausnehmen. Es ist aber damit völliger Ernst, und auch diese ernsten und mühsamen Spielereyen sind nur die Frucht des abgeschlossenen Arbeitens, da dergleichen im Vortrage, wenn es nicht eben echt antike Dramen sind, niemals Glück machen. Schiller nähert sich mitunter diesem Style, z. B. in der Braut von Messina, er weiß aber immer wieder die fremden Formen durch uns gefälligere Wendungen zu verschmelzen. Oft mag sich dieser antike Pathos bey Immermann unwillkürlich durch die seltsamen Konstruktionen gebildet haben, zu denen ihn der Vers verleitet, indem dessen mechanische Kraft ihn mit sich fortreißt.

In den spätern Dramen hat der Dichter offenbar an Sprachfertigkeit gewonnen; die weicheren Partien gelingen ihm, aber zu allerlegt scheint er in einen neuen Irrthum zu gerathen, der wiederum eine Wirkung des abgesonderten Stubenfleißes ist. In feinem Cardenio und Celinde kommen gereimte Jamben vor, die Versschlüsse klingen also an sich schon bedeutend hervor. Um den Abschluß noch vollständiger zu machen, hat er sich bemüht, die Gedanken in bestimmte Verse einzupressen. Dieß bewirkt eine Regelmäßigkeit und Monotonie, die beym stillen Lesen sich wohlgefällig, beym Vortrage und namentlich auf der Bühne aber unausstehlich ausnimmt. Als Muster der aus wahrem Leben eigentlich nur zufällig zur Schrift übergegangenen Dramen betrachte man die Shakspearschen, und nur selten wird man in allen feinen Stücken diese Vers- und Gedankenabrundung zugleich finden. Es gibt Momente, wo sie, aufgespart, von der höchsten Wirkung seyn kann, allein in der eigentlichen dramati schen Entwickelung durch den Dialog hemmt sie das lebendige Fortschreiten. Die Kürze und Präcision der Verse ist sonst nur zu loben; mit noch größerem Lobe wäre aber zu nennen, wenn Kürge und Prâciion bey jener Berftimelçung des Berfes mit dem Gedanken den Dichter nicht allzuhäufig zum Haschen nach Sentenzen verführt hätten.

Immermann hat sich von den Verirrungen freygehalten, in welche jene obengenannten talentvollen Männer in der Schöpfung ihrer Dramen verfielen. Er hat nicht auf mystische Träumereyen, nicht auf eine falsche Sentimentalität, auch nicht auf roh kriminalistisches Blutinteresse seine Tragödien gebaut, eben so wenig als er sie nur wie Erempel für Begriffe hinstellt. Ihm galt es, den tiefern Gehalt des Lebens, das Menschlichwahre in allen Verhältnissen und Konflikten zu zeichnen. Er hat keines jener künstlichen Mittel hervorgesucht, um das beson

dere Interesse zu erregen, ihm fehlte es dabey nicht an Kraft und Talent, und dennoch ist es ihm eben so wenig, als den Dichtern vor ihm gelungen, eine neue gesunde Richtung deutscher Dramen zu begründen.

Daß ein gewisser Stolz, der selten getrennt ist von dem Alleinstehen eines kräftigen Geistes, sich in seinen gesammten Dramen ausspricht, wird dem aufmerksamen Beobachter nicht entgehen. Nimmt man auch an, daß r Shakspeare und Göthe als Vorbilder ehrt, so hat er sich doch eine eigene Bahn gebrochen, und daß dies Bewußtseyn bey ihm klar geworden, Leuchtet aus seinen Dichtungen selbst hervor. Spricht doch auch der an sich geringfügige Umstand, daß er sie meist ohne Vorrede in die Welt schickt, dafür, indem Vorreden bey Dichtungen, welche von den vorhandenen in so mancher Beziehung abweichen, wohl an ihrer Stelle wären. Das Brechen der eignen Bahn ist das Werk des Genius; stolz auf dieser Bahn fortschreiten, ohne sich umzublicken, ob sie von allen Bahnen abführt, ohne durch Vergleich die Richtigkeit der eigenen Richtung zu messen, einen so einseitigen Hochmuth wird der wahrhafte Genius immer verschmähen. Hätte Immermann nicht allein gestanden, hätte ihm das Glück die Gesellschaft kritisch strenger, auch allzustrenger Freunde beschieden, die festen und schroffen Seiten wären gewichen und das wahre Leben hervorgetreten. Noch vortheilhafter, wenn ein Theater, sey es auch das schlechteste, vor seinen Augen eines seiner Stücke in die Scene gesezt hätte. Mit dem echten Leben wäre auch das dramatische herausgewachsen. Statt dessen sehen wir, wie dieß in seinen Tragödien mehr und mehr verschwindet, wie die Einheit der Handlung (die, richtig aufgefaßt, in keinem Drama fehlen darf) mangelt, wie die Handlungen zersplittern und das Interesse zerfällt. Kernige Scenen, schöne Dialoge, treffliche Monologe erinnern überall an dramatische Anlage; aber die dramatische Durchführung mangelt. Hier zu viel, dort zu wenig, wo das richtige Maß aus der Er fahrung und Anschauung leicht gewonnen wäre. Da Mangel und Ueberfluß, ursprünglich nach Willkür ausgetheilt, in den gesammten Dramen ziemlich gleich vertheilt ist, so bekommen sie einen Anstrich von Seltsamkeit, der in Verbindung mit der vorhin gerügten Form und einem noch zu erwähnenden Umstande sich zu einer Art Originalität steigert, die nicht zu den Verdiensten der Dichtungen Immermanns gehört.

Wäre auch die Einheit der Handlung da, so fehlt doch eine gewisse Einheit der Behandlung, hervorgehend aus der idealen Auffassung des Gegenstandes. Man denke sich eine zwiefache, die alte schlichte der Zeiten, wo es noch und nur Naturdichter

geben konnte. Hier galt es, der Natur einen Spiegel vorhaltend, die Erscheinungen nach der allgemein gültigen Wahrnehmung aufzufassen, und zu einem Ganzen so zu verarbeiten, daß auch der Totaleindruck gewissermaßen ein Spiegelbild der Natur in umfassendem Sinne wird. Zu dieser einfachen Dichtungsweise, der ursprünglich echten und wahren, wurde Immermann nicht geboren, und es ist ihm auch nicht gelungen, sich zu dieser Homerischen Einfalt und Shakspearschen Treue wieder hindurch zu arbeiten. Der neuern Zeit war es vorbehal ten, sich durch die Kunst in eine andere Natur hinüber zu arbeiten, deren Grundgesez ist: daß eine Wahrheit den Hintergrund fülle, nicht die Wahrheit der Erscheinung, sondern der Idee. Wie Calderon und viele Spanier sich bereits ihre eigene Natur, hervorgehend aus der Konsequenz ihrer konventionellen Ansichten, erschaffen haben, ist bekannt. Dem Calderon ist diese Natur zur sogenannten andern Natur geworden. Er verehrt sie unverbrüchlich in ihren vier Haupterscheinungen, dem Gesez der Religion (fe), des Königes (lealtad), der Liebe (amor) und der Ehre (honor). Über die Ideen sind mannigfaltig, und wir fehen viele, zur andern Natur geworden, bey den verschiedenen Dichtern, ohne daß sie bey Einem so festen Charakter gewonnen, wie bey dem Spanier. Die Idee der humoristischen Auffassung der Welt, im Kleinen oder im Großen, ist neuerdings vielfach beliebt geworden. Niemand hat es hierin Tieck gleich gethan. Sein gestiefelter Kater, seine verkehrte Welt, sein Zerbino, sind völlig in ein neues Leben der Laune übergegangen, weil sie durchaus aus dem Leben der Erscheinung ausgetreten sind. Und doch herrschen, trog der anscheinenden Regellosigkeit, alle Gefeße des Lebens in diesen vollendet phantastischen Gemälden.

Immermanns Dramen gehören einem Zwittergeschlecht an. Er stellt sich mit wahrer Begeisterung auf den Standpunkt seiner Personen, er vertieft sich in ihre Motive, Ansichten, Handlungen, es gelingt ihm, uns selbst mit fortzureißen; dann aber vergißt er plöglich die Heptarchie der Sachsen, Korinth und Bologna, und tischt uns Betrachtungen und Späße über die modernsten Angelegenheiten auf. Solch ein Spiel des Herausreißens aus Zeit und Dertlichkeit mitten unter ernsten Interessen kann wohl auf Augenblicke gefallen, es gilt auch wohl eine Zeitlang als der Stempel des Genius; der wahre nach Dauerndem. ringende Genius wird indessen zuleht es doch als das endliche Ziel der Poesie anerkennen, eine neue Wahrheit zu schaffen, das erscheinende Leben geadelt nach den Gefeßen der Poesie, zu reproduciren, und dieses kennt in seinem oft wunderbaren, immer aber

einfachen Gefeßen der Entwickelung unterthan bleibenden Laufe nicht dieses wilde willkürliche Zusammenwerfen des Fremdartigen. Wer wollte einzelne Scherze, der heutigen Mode entnommen, den Männern aus Karl des Großen Zeit verargen; Shakespeare läßt seine Clowns in Rom und Griechenland Londoner Straßenwige sprechen; hier häufen sich aber diese Scherze oft zu solchen Gebäuden an, daß sie in das Wesen des Drama hineingreifen, und selbst der Idee nach mit ihm verwach sen scheinen.

Man glaubt demnach, gewiß dem Bestreben des Dichters entgegen, keinen großen Guß, kein Ganzes in den Tragödien zu finden. Der Leser muß bald hier bald dorthin mit dem Dichter springen, in das Antike, Romantische und Moderne, aus dem Ernst in die Persiflage, welche selbst jenen oft zweifelhaft erscheinen läßt, wiewohl dieß nicht in der Absicht des Dichters gelegen. Dabey fehlt die Leichtigkeit in der Bewegung und im Humor. Es ist nicht das Zaubernet des parodischen Scherzes über das Ganze ausgesponnen. Das Resultat ist, wir finden nicht die einfache Wahrheit einer getreu geschilderten Natur und nicht, vom Surrogat, eine durchgeführte Auffassung unter der magischen Beleuchtung einer selbstgeschaffenen Idee. So ist das Trauerspiel Edwin am zerrissensten, weil wir nicht wissen, woran uns zu halten? Daß Immermann's neuestes: Cardenio und Celinde am freysten von der bizarren Vermischung des Fremdartigen ist (vielleicht nicht nur deßhalb, weil es Ort und Zeit nach da spielt, wo das Verschiedenartige dem natürlichen Gange zufolge am leichtesten zusammentreffen kann), erweckt die Hoffnung, daß er sich mehr und mehr davon losmachend zur Verehrung der im Leben erscheinenden Natur hindurcharbeiten werde.

Jede Tragödie hat ihre komischen Scenen und Charaktere; aber auch abgesehen von den eben besprochenen Wißspielen, scheinen sie großentheils willkürlich eingelegt. Man ist gewohnt, die Scherzauftritte der Gracioso's, Clown's, Kasperle's u. f. w. als Kontraste oder Parodie zu dem vorhergehenden Ernste anzu sehen. Diese Bedeutung kann ihnen immer nur spätere Auslegung beŋlegen, ihre Entstehung darf keiner solchen Absichtlichkeit bengemessen werden. Weil der Geist in der allerernstesten heiligsten Stimmung sich wohl zum Scherze aufgelegt fühlt, weil die Natur, der alle Monotonie verhaßt ist, sich rächt, wenn das Gemüth sich anstrengt, nur der einen Richtung zu folgen, schießt mitten unter den feyerlich-tragischen Bewegungen die gaukelnde Lust hervor. Diesem der Natur angemessenen Drange hat Shakespeare Raum gegeben; so erscheinen seine humoristis

schen Volksscenen mitten in der Tragödie wie muntere und üppige Auswüchse, welche aber organisch völlig mit dem Hauptstamme zusammenhängen. Nicht so bey Immermann. Der Dichter glaubte, nöthig zu haben, burleske Figuren zwischen den tragischen einzuschieben, und den Scherz mit Ernst zu unterbrechen; daher stehen die Bedienten- und Volksauftritte, wenn auch an sich nicht ohne Wih, oft leer und traurig da. Es ist der Hülfsbedarf einer wohlfeilen gemeinen Kritik, jedem dramatischen Dichter, der in der Tragödie auch dem Humor freyen Lauf läßt, vorzuwerfen, er shakspearisire, ein Modevorwurf, dem bey gewissen Kritikern auch der nicht entgehen wird, dem die Lust frisch und grün aus demselben Holze wächst mit dem Ernst. Hier aber sind die komischen Scenen in der That nicht der Erguß einer reichen Laune, ja bey vielen trifft die Rüge, daß es lediglich Nachahmung Shakspearescher Vorbilder sey, nur zu bestimmt.

Im Ganzen charakterisirt den Dichter mehr der Gedankenreichthum als die Fülle der Phantasie. Er malt wenig, und auch in den Bildern spricht sich eine gewisse Gedrängtheit aus. Daß die Schilderungen nicht immer die lebendigsten sind, daran ist wohl mit die Trennung des Dichters von der Bühne schuld. Die Gedanken ermangeln nicht der Kraft und Originalität des Ausdrucks. Der Geist der sittlichen Ordnung waltet in den Tragödien vor; aber wir vermissen, was so häufig Dramen, die nur hinter dem Schreibtisch und für den Druck gedichtet werden, auszeichnet, einzelne große Charaktere, Lieblingshelden, in deren umständlicher oder strahlender Ausmalung die nicht für die Bühne berechnenden Dramatiker sich so gern sehen lassen. Was sonst zu bemerken ist, wird sich bey den einzelnen Stücken vorfinden.

Das Thal von Ronceval eröffnet den Reigen der 1822 erschienenen Trauerspiele. Ein Name, der große Erwartungen erregt, die aber wenig befriedigt werden. Das Thema ist natür= lich der Untergang des durch die Poesie so viele Jahrhunderte lang gefeyerten Helden Roland. Ob dieser Schlachtenuntergang aber dramatisch war? Er konnte wenigstens dramatisch werden. Ist es aber dem Dichter gelungen, die dramatische Theilnahme zu erwecken, und dieses Eine durchdringende Interesse, diesen rothen Faden durch die verschlungenen Gewebe hervorzuheben?

Karl der Große steht in der spanischen Mark mit dem Mohrenkönige Marfilius im Kriege. Er siegt und ist im Vordringen, als ihn der Ueberdruß seiner Franken, und die Nachnicht vom Einfall der Sachsen zurückruft. Es gilt, das eroberte Land, die Schußmauer der Christenheit gegen die Araber, einem tüchtigen Fürsten zuübergeben. Sein früheres, dem schwachen,

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