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der Seele unvermerkt hinführen.« Dabey tritt einem Jeden der tiefste Grund der Sache wohl von selbst entgegen. »Die Kirche »foll man also mit größtem Ernst rein halten!« Um nächsten kommt der Verfasser wohl dem Gegenstande, den er im Auge hat, in folgenden Worten: »Diese musikalische Reinheit der Kirche saber würde von unendlichem Nugen seyn; denn unsre gut erzo»gene Jugend erscheint gewöhnlich in den Bildungsjahren nur in »den Kirchen gleichsam öffentlich. Bekäme sie also hier ihre er»sten großen musikalischen Eindrücke, so würde dieß für das ganze »Leben wirken« u. s. w. Sehr schön ist noch der Schluß: »>Ge= »fühlvolle Menschen, welche die echte Kirchenmusik ganz begriffen »haben, werden gewiß auch die genievolle, veredelte »weltliche Musik in hohen Ehren halten; aber je reiner sie fühlen, »desto mehr wird ihnen jede Mischung widerwärtig seyn« u. s. w. »Niemand kann zween Herren zugleich dienen. Dieß gilt überall, »wo von etwas Tüchtigem die Rede ist, und so auch im Fache der »Musik, welche veredelt die höchste Poesie, und verdorben das »gefährlichste aller moralischen Gifte ist.« Wie mancherley ist nicht hier berührt, worüber den Freunden der Musik eine wesentliche Belehrung zu empfangen Bedürfniß wäre. Wer würde die dabey sich aufdringenden Fragen gedankenvoller auf ihren Grund zurückgeführt, wer sie besser aus der Fülle kunstgeschichtlichen Wissens beleuchtet, und mit wärmereran den großen Meisterwerken fortwährend genährten Kunstliebe beantwortet haben, als unser Verfasser? »Veredelt ist also die Musik die höchste Poesie? eine höhere vielleicht als die Poesie, die höchste selbst ?« Wenigstens glauben dieß gar manche. Die Frage wird vielleicht von vielen von Poeten wie Musikern von ihrem besonderen Standpunkte aus als unerheblich ja ihre Aufwerfung schon als eine Stockung künstlerischer Empfänglichkeit und Produktivität betrachtet. Dem sey wie ihm wolle; es gibt nun einmal eine Art von Menschen, denen das Denken auch in diesen Dingen Bedürfniß ist, und die Erforschung der Natur und Abstammung einer Kunst, die Untersuchung über Endzweck und Gewalt derselben überhaupt, wie einer jeden insbesondere, erfordert auch Produktivitat. Schade nur, daß zu einer befruchtenden Aesthe= tik der Musik vorläufig so wenig Aussicht vorhanden ist. Auch die oben angeregte Frage nach dem ersten Plage unter den Künften ist, mannigfacher Vorarbeiten ungeachtet, was Musik betrifft, nicht zum Spruche reif. Indeß die Poesie wird wohl und eben nach der tiefsten und ausgreifendsten Erforschung, den Plah der Führerin der Schwestern ungetrübt behaupten. Es gefallen sich viele darin, der Musik im Allgemeinen das Beste und Höchste nachzurühmen sie gleichnißweise sehr hoch zu stel

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len, im Besonderen aber hat sie wenigstens in Deutschland seit und in ihrer gegenwärtigen Entwickelung, so viel Ref. bekannt ist, sich nicht des Antheils an der geistigen Pflege, wie z. B. Malerey, Bildhauerey und selbst Architektur, von Seiten der ersten Geister der Nation zu erfreuen gehabt. Das muß einen Grund haben und von Folgen seyn! Was ist z. B. Göthe noch jezt für die Malerey! Wie bewarben sich die ausgezeichnetsten Leute in ihrem Fache, um die unter seiner Autorität zuerkannten Preise! Wie ablehnend ist dagegen das Verhalten der Musiker gegen das Urtheil auch der Besten, wenn sie nicht vom Gewerbe sind, und muß man nicht in gewisser Beziehung sagen, mit Recht; denn welcher ausgezeichnete Laie hat sich denn von unserer Musik angezogen genug gefühlt, um sich mit den in ihr geltenden Grundgesehen so weit vertraut zu machen, daß ihm ein Urtheil möglich wäre oder zustände? Selbst von dem der allgemeinsten und reinsten Ausbildung seiner Selbst lebenden, von Göthe läßt sich dieß nicht behaupten. — Nun vergleiche man, was einem Nichtkünstler (Winkelmann) für eine andere Kunst zu leisten verliehen war! Und wenn wir in unseren Tagen die fast verlorene Hoffnung auf eine neue Epoche der, in Form und Gehalt zur Kunst sich erhebenden, Malerey wieder aufblühen sehen, dürfen wir das bey der Namen Friedrich Schlegel und Tieck vergessen? Die Musik scheint für solche Einflüsse nicht empfänglich, ihr scheint eine solche – wenn der Ausdruck hier verstattet wäre außere Anregung nicht bevorzustehen! Worin hat denn dieses wechselseitige Abstoßen seinen Grund? etwa in der derzeitigen Gestaltung dieser Kunst? – Aber nun höre man nur, wie herrlich es lautet, wenn von der hohen, der göttlichen Musika im Allgemeinen die Rede ist, von Shakespeare an bis auf Novalis und die Nachfolgenden herab; es scheint da bey oft eine Verehrung, eine Entfernung, mit einem Worte ein Gefühl zu Grunde zu liegen, welches auf eine hohe, unvergleichliche und besonders geheimnißvolle Natur der Verehrten hinweist. Vergleicht man die Gleichgültigkeit gegen alle unter uns eben ausgeführt werdende Musik mit der erwähnten Verehrung derselben Leute gegen Musik im Allgemeinen, so scheint es fast als gelte ihre Gunst einem gar nicht Vorhandenen, einem (verschleyerten oder erträumten) Ideale, dem sie dann aber anmuthen, das Sublimste, Geheimste, ja das Beste im Menschen, was noch, nachdem schon alle Schwester - Künste die menschliche Natur ausgelegt haben, zurückbleibt, auszusprechen: das Unaussprech liche eben soll also diese keusche und geheimnißvolle Sprache auszudrücken vermögen. Bey näherer Befragung haben die so Gesinnten denn doch ein Jeder von einem Stück der eristirenden sich

eine Brücke zu jener eingebildeten Musik geschlagen. So weisen z. B. die einen auf die Macht und Dauerhaftigkeit der Volkslieder hin. Finden nun oft unsere Musiker—wir haben dabey die besten im Sinne an solchen nicht Einen musikalischen Gedanken, so enthalten nach jenen diese Lieder gerade durch die Abwesenheit solcher pikanten Wendungen ihre höhere musikalische Natur am wirksamsten. Andere bauen zu jenem Ende auf die Gewalt des Tons an und für sich; wer je die alles übertreffende Macht einzelner Töne an der rechten Stelle und im rechten Augenblicke empfunden hat, begreift es kaum, sagen sie, wie eine Kunst mit diesen und anderen alles bewältigenden natürlichen Mitteln - in ihrer Ausbildung verhältnißmäßig so geringe Wirkung hervorbringt. Und, fügt man hinzu, verdankt nicht die PalestrinaMusik vielleicht die Hälfte ihres Ruhmes der, vorzugsweise auf dieses Element genommenen, Rücksicht? (hiemit stimmt die Bemerkung des vorzüglichsten unter den neueren Schriftstellern über Musik, wonach diese Gattung unter allen die vollkommenste A u sbildung des Tones von Seiten der Sänger erheische) und kommt nicht ein Theil der neuesten, fast überfeinen und detaillir= ten Musik durch ihre übertriebene, von der Mozartischen keineswegs in dem Grade und der Art erforderte, Anwendung des Piano und Forte, auf etwas ähnliches zurück? - Noch andere und die vielleicht größte Anzahl sieht in der alten geistlichen Vokalmusik am meisten von der transcendenten und spiritualistischen Natur jenes deals. Dagegen ist ihnen die beste heuttägige Instrumentalmusik schon etwas in diesem Sinne Unschöneszu körperlich, malend und leidenschaftlich während sie vom anderen Standpunkte aus das tüchtigste und karakteristischste Kunstwerk seyn kann u. s. w. Sey es nun mit dem allem wie es wolle, so bleibt das wahr: es gibt Augenblicke im Menschenleben, in welchen auch ein kräftiger und edler Geist des Trostes der Erhebung durch Poesie und Kunst nicht mehr fähig ist, wo diesen der Zugang zu dem schon erfüllten Gemüth verwehrt ist, oder dieses selbst doch sie nicht ertragen kann. Das Bedürfniß aber bleibt; hier tritt Musik vielleicht am ersten hülfreich ein, vorsichtig, milde, erhebend, ausgleichend und stärkend. Ein Rückblick auf die vorhandene von hier aus würde eigene Gattun= gen feststellen, und selbst interessante Betrachtungen über das menschliche Herz und seine Eigenheiten eingeben.

(Die Fortseßung folgt.)

Art. VI. Sammlungen für die Heilkunde der Gemüthskrank heiten. Herausgegeben von Dr. Marimilian Jacobi, königl. Preuß. Obermedicinalrath und Direktor der Irrenheilanstalt zu Siegburg (bey Bonn). Elberfeld, Schönian'sche Buchhandlung. Erster Band (XIV u. 484 S. mit zwen Steine abdrücken) 1822. Zweyter Band (X_u. 426 S.) 1825, gr. 8.

Wie Die Künste und Handwerke die Unbehülflichkeit, mit welcher sie anfangs ausgeübt werden, nicht eher ablegen, bis ihre ver schiedenartigen Verrichtungen unter mehr Arbeiter vertheilt wor den sind, so ist unstreitig auch für die Ausbildung der einzelnen Wissenschaften an sich eine immer fortschreitende Theilung der Arbeit überaus förderlich. Indeß stehen doch die verschiedenen Gebiete des Erkennens in weit innigerer Beziehung zu einander, als die verschiedenen Gattungen körperlicher Fertigkeiten. Eine zu spezielle Theilung wird deßhalb der Entwickelung der Wissenschaften schädlich werden können, und dieselben bedürfen eines Mittelpunktes, von welchem aus ihre vereinzelten Thätigkeiten übersehn, und für die Erreichung ihres gemeinsamen Zieles geregelt werden. Dieß nun ist die Aufgabe der Philosophie, und zwar eine ihrer hauptsächlichsten Aufgaben, wenn sie nicht in müßige Spekulationen sich verirren, sondern wahrhaft mit dem Leben in Verbindung bleiben will. Durch ihre tiefere Einsicht in die Na tur des menschlichen Geistes und dessen Verhältniß zur Welt wird sie eines unparteyischen Urtheiles über die allgemein - menschlichen Interessen, und einer klaren Voraussicht des, von jeder wissenschaftlichen Bestrebung zu erwartenden, günstigen oder ungünsti gen Erfolges in höherem Grade fähig, als die auf diese oder jene einzelne Wissenschaft Beschränkten; und indem sie das ganze Gebiet des menschlichen Erkennens mit aufmerksamem Blicke überschaut, ist sie, auch ohne spezielle Mitwirkung, hier von einem unfruchtbaren Felde die Arbeiter zurückzurufen, dort den Eifer derselben für ein reiche Früchte verheißendes Werk anzufeuern im Stande.

Diese Bemerkungen glaubte Rec. voranschicken zu müssen, theils zur Entschuldigung, daß er, ohne selbst Arzt zu seyn, der Beurtheilung eines der Seelenkrankheitkunde gewidmeten Werkes sich unterzogen, theils zur Bezeichnung des Gesichtspunktes, aus welchem diese Beurtheilung abgefaßt worden ist. Das in der Ueberschrift bezeichnete Buch gehört zu den interessantesten, welche dem Rec. feit langer Zeit vorgekommen sind. Der Verfasser, ein würdiger Sohn des berühmten Jacobi, hat seine Unterfuchungen mit einer Ruhe und Gründlichkeit, und zugleich mit einer Vorurtheilfreyheit angestellt, wie man dieselben leider nur sehr selten findet; und zeigt überall eine warme Begeisterung für

die Vervollkommung seiner Wissenschaft, so wie eine edle Humanität im Verhältniß zu den Unglücklichen, welchen dieselbe Hülfe bringen soll. Hiezu kommt das ausnehmende Interesse des Entwickelungspunktes, auf welchem jezt die Seelenkrankheitkunde sich befindet. Bisher, mit wenigen Ausnahmen, auf eine blinde Empirie beschränkt, glaubte man genug gethan zu haben, wenn man die in einer oberflächlichen Erfahrung wahrgenommenen Erscheinungen, psychische und somatische in bunter Mischung, wiedererzählte, und darauf, eben so ohne Zusammenhang, die Heilmittel namhaft machte, welche in diesem oder jenem Falle, oder auch wiederholt, bey der Genesung von einer Seelenkrankheit angewandt wurden; ohne genauer zu untersuchen, ob auch wohl wirklich diese Heilmittel, oder ob nicht vielmehr andere, von denselben unabhängige, Entwickelungen diese Genesung herbeygeführt, und ob diese Mittel nicht vielleicht in anderen Fällen Ursache der Verschlimmerung oder des Todes gewesen seyen. Dieses unverbundene und unverstandene Aggregat wurde von Geschlecht zu Geschlecht, von Lehrbuch zu Lehrbuch fortgepflanzt, ohne alle kritische Sichtung und ohne allen Zweifel an den zum Theil ziemlich abenteuerlichen Erzählungen und Heilveranstaltungen. Seit einiger Zeit nun hat sich dieses Verhältniß geändert. Die ausgezeichneten Fortschritte anderer Naturwissenschaften veranlaßten eine Vergleichung dieser mit der Seelenkrankheitkunde, welche, in Bezug auf die Methode, wie in Bezug auf die Resultate, nicht anders, als zum großen Nachtheile der letteren ausfallen konnte, und so ein lebhaftes Gefühl von der Nothwendigkeit ihrer Umgestaltung hervorrufen mußte. Die auf den ersten Anblick so unzusammenhängenden, so unerklärlichen Erscheinun= gen der Seelenkrankheiten müssen mit einander in Zusammenhang gebracht, müssen ihrer Natur und ihren ursächlichen Verhältnissen nach aufgeklärt werden; dies Bedürfniß empfindet man jest ziemlich allgemein und dringend. Von diesem Bedürfnisse sind denn auch die Arbeiten des Verfassers ausgegangen; welche uns zu einer um so vollständigeren Beurtheilung des Entwickelungspunktes, auf dem sich die Seelenheilkunde befindet, Gelegenheit geben, da der Verfasser englische und französische, das Ganze der Wissenschaft umfassende Schriften der neuern Zeit nicht nur berücksichtigt, sondern vollständig mittheilt.

Jedes Werk, welches nicht aus einem der Wissenschaft fremdartigen, sondern aus einem tief empfundenen Interesse der Wissenschaft selber hervorgeht, wird auf die Lösung gewisser Probleme hinarbeiten, die der Verfasser durch die bisherigen wissenschaftlichen Bestrebungen entweder gar nicht, oder doch nur

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