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sein Recht im Gegensaß gegen den allzeit gerechten Kaiser, stolz und kräftig darstellen zu können, verräth den Dichter. Auch wie er zum Verräther wird, und sein Ausgang, harmonieren mit dem Ganzen.

Bischof Turpin ist würdig gehalten; die Seite der Mohren kommt bis auf Zoraiden wenig in Betracht. Die Franken stören den Eindruck des Mährchens, ohne das Dramatische zu fördern. Dagobert, Thürsteher des Kanzlers, als Vertreter des pedantischen Rechts in seinen juristischen Formeln, soll zwar auf die Hauptidee hinarbeiten, dieß hätte aber auf andere Weise besser geschehen können. In welchem Zusammenhange steht endlich die verabredete Subpartie einiger fränkischen Marodeure gegen de Magus im Walde mit der Haupthandlung? An sich ist sie zu unbedeutend, um episodisches Interesse zu gewinnen, es wäre denn die theatralische Vorstellung, wie die Bösewichter, vom Magus gefoppt, zu Grunde gehn.

Zur folgenden Tragödie Edwin finden wir eine Zueignung an Göthe, in Ottaverimen, welche uns über das Verhältniß des Dichters Licht geben soll. Sie gewinnt selbst daran bey mehrerem Durchlesen. Verschwindet aber auch die Unklarheit, so tritt doch jene gerügte Anmaßung hervor, welche in den Götheschen, in Form poetischer Selbstbekenntnisse geschriebenen Gedichten, die offenbar Immermann hier vorgeschwebt haben, sich so selten ausspricht. Hr. Immermann möchte jest vielleicht manchen Vers gestrichen haben, wie so manchen Dichter in spätern Jahren die stolzen Selbstbekenntnisse in Prologen und Vorreden reuen, die er früherhin für höchst nöthig erachtete, um ja die ästhetischen Richter mit den Selbstkämpfen, die er zu bestehen hatte, bekannt zu machen. Hier bricht noch der Wanderer zum alten Meister in folgende Kla

gen aus:

90 Ist das des'

Nufes hohe Zauberkraft,
Der zu dem Dienst des Tempels mich beschieden?
priesthab' ich mich darum freudig aufgerafft,

Und Spiel und Tanz, sorglose Lust gemieden,
Daß mir verdorren müssen Mark und Saft,
Weil im erhißten Fleisch die Adern sieden?
Daß ich versprengt in diesem Sande stehe,
Dahin und dorthin schweifend untergehe?
Ihr Götter wißt, wie ich seit frühen Zeiten
In keuscher Stille mich zum Werk gespart,
Wie ich vor leerem Tand und Eitelkeiten
Verachtend stolz mein junges Herz bewährt,

Wie, angestachelt um hinauszuschreiten,
Ich stets durch leise Scham gehalten ward!
Bis mich der Geister übermächtger Drang

In diesen Mantel und zur Wandrung zwang!

An Göthe werden wir in einigen Stanzen sehr lebendig erinnert, aber zum Guten. Nur selten gelingt es indessen dem Schüler, jenen harmonischen Wohlflang seines Musterbildes, den seine didaktischen Ansprüche der Art begleiten, zu erreichen. Am meisten dürfte er sich in folgenden trefflichen Worten des Meisters befunden:

Ein wackrer Mensch verschwendet an das Irren
Nicht seine Zeit, noch seines Leibes Blut.
Kann das Verdienst des Größern dich verwirren,
So hast du nicht einmal zum Kleinsten Muth.
Was hilfts nach Rauchgestalten matt zu girren?
Am Meister dir erscheint das höchste Gut.
Vernimm anjeßt ein streng Gebot der Geister:
Es ringt der Schüler, es vollbringt der Meister,
Ich werde dich nicht auf die Schulter laden,
Ich stelle dich auf deine Füße hin!
Fällst du, so trägst du selber allen Schaden,
Doch kommst du weiter, hast du den Gewinn.
Und wird dir endlich durch erhabne Gnaden
Ein neuer Pfad gezeigt, folg immerhin!

Ehe unser Pfad uns zur Betrachtung der Tragödie selbst führt, können wir unmöglich die Kritik unserer selbst, sofern wir unter die Recensentenschaar gehören, stillschweigend übergehen. Sollte der Meister nicht noch dem Wanderer die Weisung gegeben ha ben, seinem Beyspiele folgend, gegen die »possenhafte Menge« niemals auszuschlagen? Es ist nicht der niedrigste Fußschemmel zu Göthes Größe, daß er, gegen alle Unfälle schweigend, nicht einmal seine Verachtung dagegen laut werden ließ:

Welch eine bunte, possenhafte Menge

In Laub und Gras, in Strauch und Bäumen heckt!
Welch ein Gezwitscher, Treiben und Gedränge!
Welch ein Pygmäenvolk sich hier entdeckt!

Figürchen sind es all von Kindeslänge,

Ein Greisenhaupt auf jedem Rümpfchen steckt.
Am Boden gibt sich Klett' und Dorn zu spüren,
Getreten sticht's und quäkt: Wir recensiren!

Unter allen Trauerspielen des Dichters ist Edwin das bunteste und zerrissenste. Es hat eine praktische und historische Grundlage, aber vielfältige Nebeninteressen und Absichten lassen weder dem historischen Stoffe Gerechtigkeit widerfahren, noch die Haupt

fabel des Stückes zur Ausbildung kommen. Diese ist ernster Art, und könnte, gehörig zusammengefaßt und hervorgehoben, von großem Interesse seyn; aber sie spaltet sich selbst; ein großer Moment, auf den man wartet, das Zusammentreffen des Usurpators mit dem königlichen Sohne des Waldes findet nicht Statt. Frostig in jeder Hinsicht geht die lebendig begonnene Handlung zu Ende, und wir müssen uns, statt einer Entwickelung und Wiedergestaltung durch Handlung mit einer Rede voll kalter Resignation aus dem Munde des neuen Königs begnügen.

Der Dichter führt uns in die Zeiten der sächsischen Heptarchie über England, eine Zeit, die freylich an Gräueln reich ist, wo somit das Schuld- und Vergeltungsthema gut abgehandelt werden kann, der aber große Lichtpunkte, mithin die Erhebung, so nöthig zum Trauerspiele, fehlen. Dabey die vorherrschende Barbaren, die weder durch ritterlichen Sinn, noch durch den Strahl des Glaubens, nicht einmal durch allgemeine VaterLandsliebe, erhellt wird. Selbst die gefundenen Elemente des germanischen Lebens schienen auf einige Zeit unter der Anhäufung blutdürftiger und zielloser Frevel untergegangen, bis der große Alfred einen freyern und reinern Sinn in Wort und That befundete.

König Wella von Deiri, ein strenger Mann, ist mit Hinterlassung eines einzigen Söhnleins, Edwin, vor drey Jahren gestorben. Dessen Oheim, König Udalfried von Northumberland, ein gewaltiger, grausamer, aber tapfes rer Fürst, derselbe, welcher historisch die ganze Mönchsbevölkerung des großen Klosters Bangor in einer Schlucht niedermegeln lassen, bemächtigt sich mit Hülfe des wilden Räubers Redwald, der Vormundschaft über Deiri. Bald nach dem Lode seiner Mutter verschwindet auch der junge Thronerbe; er ist plößlich gestorben. Das Gerücht sagt, König Udalfried habe ihn einem fächsischen Manne übergeben, um durch die Ermordung des Knaben vom Thronprátendenten und Mündel zugleich befreyt zu werden. Adalfried regiert als Despot und Wütherich. Ein Volksaufstand bricht aus, an dessen Spize sich der schlaue und verwegene Redwald stellt, weil er sich nicht genug vom Könige belohnt hält, und auch in der Absicht selbst König zu werden. Anhang und den Schein des Rechtes verschafft der Name Edwin dem Rebellen. Edwin lebe, wenn die Zeit gekom men, werde er hervortreten. Die Empörer siegen; der Usurpator schickt endlich seinen Sohn Oswy ihnen entgegen. In seiner finstern, mit jedem Argwohn geschwängerten Besorgniß hat er bey Todesstrafe die Ablieferung aller Waffen befohlen. Da wird Waldmann, der Pflegefohn eines wilden Forstbewohners, des

Sachsen Offa, ein starker, kecker Jüngling, der Sohn der Natur und des Waldes, eingefangen, als er mit seiner Armbrust dem Weidwerk nachgeht. Anfangs vor Oswy, dann vor den Richter von Kendal geführt, wird er zum Tode verurtheilt; seine Riesengestalt, seine außerordentliche Aehnlichkeit mit König Aella, der allgemeine Ruf, er sey der todtgeglaubte Edwin, veranlaßten den Usurpator um so weniger, die erbetene Gnade ihm zu ertheilen. Aber Oswy, ein edler, rascher Jüngling, von Redwald und den Rebellenführern in den Hinterhalt ge= lockt, ist indessen geschlagen und gefallen. Redwald, nun nicht mehr des vorgeschobenen Namens Edwin bedürfend, ist eben im Begriff die Maske abzuwerfen; er erklärt, wie Edwin gestorben sey, als von Waldmanns Pflegebrüdern die mit Blizesschnelle verbreitete und überall Glauben findende Nachricht ihm gebracht wird, daß Waldmann Edwin sey, daß es gelte, ihn aus der Hand des Henkers zu befreyen. Da Redwald und seine Schuldgenossen zaudern, verläßt sie ihr ganzes Heer, und Edwin wird in dem Momente zum Könige erhoben, als er den leßten Gang antreten soll. Edwin, schon früher im Gefängniß, durch eine Vision seines Vaters Aella, von seinem hohen Stande und Berufe unterrichtet, handelt sogleich als geborner König, Redwald und seine Genossen, deren Tücke er durchschaut, werden zurechtgewiesen; doch dankt er ihnen für ihre geleisteten Dienste, er vergibt seinen Feinden, und beschickt seinen Oheim Adalfried, um für die Handlungen seiner Vormundschaft Rechenschaft zu fordern. Dieser ist verstockt, der Krieg geht fort, Redwald und sein Genosse Ugly wollen den rüstigen Fürsten, der so ganz ihre Plane kreuzt, ermorden, werDen aber ergriffen. Ein verrätherischer Northumbrier, der, von Edwin aus seiner Gefangenschaft entlassen, zu Adalfried zurückkehrt, raubt jenem den einzigen Sohn, einen Knaben, und bringt ihn dem Usurpator. Adalfried, im Grimm über den Verlust seines Oswy, durch Gewissensbisse und Schmerz zur Starrheit des Wahnsinns gebracht, ermordet das Kind. Da dringt Edwin, ohne Widerstand zu finden, ein, fordert versönlich Rechenschaft von dem Oheim und Vormund. Ein Zweykampf, wird ausgemacht, soll entscheiden. In diesem fällt Adalfried, und Edwin erhält die Kronen von Deiri und Northumberland. Den Leichnam seines Kindes sendet er dessen Mutter, die, eine Tochter Offa's, sich von ihm geschieden hat, und tröstet sich mit den die Tragödie schließenden Worten: Und ich?

Allein wer sagt dir, eigennüßig Herz,

Daß dieser Erde Bau in Trümmer falle,

Weil dir dein kleines Glück zu Trümmern ward.

Gewiß, ein so reichhaltiges Thema als je das einer Tragödie. Aber dem Dichter dünkte es nicht genügend, und er stattete das Stück noch mit mannigfachen Episoden aus. Adalfrieds Sohn, Oswy, tritt Anfangs ganz so auf, als sollte er, wo nicht der eigentliche Held, doch eine Hauptperson im Drama werden. Er ist der edle Sohn des bösen Vaters. Die Phantasie des Lesers kann erwarten, er werde wirksam dem rechten Erben des Thrones, Edwin, gegenüber treten, sie kann auf einen schönen Konflikt hoffen, des Edelmuthes und des Rechtes. Vergeblich. Oswy lebt, und wird zur Hälfte nur deßhalb mit allen Rittertugenden begabt, damit sein Vater über den Tod des Lieblings in Starrsucht und Verzweiflung versinken könne.

Die andere Hälfte seines Lebens ist der Liebe gewidmet. Ein sinnlich inniges Verständniß knüpft ihn an Rosalinden, des Kanzlers Edmund Tochter. Eine Abschiedsscene, und sie folgt ihm verkleidet als Knappe, um bey seinem Tode zu seyn, und endlich für ihn kämpfend vom Rebellen Redwald erstochen zu werden. Statt des nicht unbedeutenden Raumes, den diese Liebesgeschichte des Prinzen einnimmt, jenes vorhin angedeutete Verhältniß hervorgehoben, und nichts wäre verloren! Für die Entwickelung der Haupthandlung ist die Episode von keiner Bedeutung, und an sich nicht lebendig genug ausgebildet, um selbstständig zu fesseln. Das Beste ist noch Rosalindens Lied, im echten deutschen Balladenton:

Es wirbt ein schöner Knabe

Da über'm breiten See
Um eines Königs Tochter;
Nach Freud geschah ihm Weh!

Ach Knabe, lieber Buhle,
Wie gern wär' ich bey dir!
So fließen nun zwey Wasser
Wohl zwischen mir und dir.

Das eine sind die Thränen,
Das andre ist der See,
Es wird von meinen Thränen
Wohl tiefer noch der See.

Dazu tritt noch der Vater der Rosalinde hervor, als Leidtragender und zugleich als Repräsentant einer weisen Staatskunst. Er dient dem Usurpator treu bis zum Tode, nach dem Spruche:

Schlecht ist der König, aber besser er,

Als ohne König ein verwirrtes Land.

Eine, hätte er weiter ausgeführt werden können, ganz interessante Figur; allein in diesem Quodlibet bleibt er versteckt und

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