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Und dennoch, dennoch wandlich über Leichen;
Wer mir gewogen, muß zur Nacht hinab;
Und doch ließ jene Macht sich nicht erweichen,
Die mir so viel der sichern Pfänder gab;'

Mein Bräut'gam, Er, mein Einz'ger muß erbleichen
Der erste Schuß und offen winkt das Grab

Die Wunde wird im Busen ewig brennen

Und - Hohn und Spott die ewige Braut mich nennen! (If ohne es zu wissen vor einen Spiegel gekommen, und gewahrt die mit Edelsteinen durchwundene Brautkrone, welche sie im hochaufgeflochtenen Haare trägt.) Was willst noch du in diesen schwarzen Ringen,

Die selbst der Neid, die Abgunst Seide pries?
Wann wird für mich das Brautgeläut erklingen,
Das mir am Morgen Wiedersehn verhieß?

Nie! Hin ist hin! Nichts kann ihn wieder bringen!

Herab mit dir, da Alles mich verließ!

Verdorre Kranz! verdorrt ihr Myrten alle,

Daß keine Braut zum Traualtar mehr walle.

(Sie hat den Kranz abgerissen, serpflückt ihn, und wirft ihn zu Boden.) Dieser Monolog ist außerdem auch noch in psychologischer Hinsicht ausgezeichnet. ́Alle Bestandtheile von Ellas Charakter werden darin wahrgenommen, und ihre Verbindung zu einem Ganzen wird wahrscheinlich und deutlich gemacht. Ella ist nicht böser Art, aber immer so sehr von ihrer Vortrefflichkeit überzeugt, daß sie jede ihrer, auch nicht zu billigenden, Handlungen zu entschuldigen weiß. Immer ist sie geneigt sich selbst zu täuschen, und prunkt daben mit ihrer Schuldlosigkeit und Herzensgüte. Mitten im heftigsten Schmerz wird sie von ihrer Erbsünde, der Eitelkeit, überrascht, sie ist überzeugt, »feltne Reize« zu besigen, sie preist die Farbe ihres Haars, und es fällt ihr, aller Heftigkeit der Empfindung ungeachtet, ein, daß selbst der Neid und die Abgunst sie Seide preisen mußten. Sie erkennt die Kränkung nicht, welche Joseph durch sie erfahren hat, und hält die Erfüllungen der Prophezeyungen Rachels für Pfänder einer höhern Macht. Die Qualen, welche sie über Wilhelms Verlust durchtoben, lassen sie immer noch an den Spott und Hohn der Nachbarn denken, und an das Empfindliche des Beynamens der vew"gen Braut.« Da ihr das Vertrauen an die Güte und der Glaube an die Weisheit und Gerechtigkeit der Vorsehung fehlen, so bemächtigt sich wilde Verzweiflung ihrer Seele, sie erblickt in Wilhelms Tode nichts als die Grausamkeit des Himmels, welcher ihr den Geliebten entriß, und indem sie gewaltsam die Brautkrone zerstört und zu Boden wirft, erkennen wir den unbändigen Aufruhr, der in ihrem Innern vorgeht.

Wenn wir das Gesagte zusammenfassen, so finden wir, daß das Volkstrauerspiel schön Ella zwar nicht alle jene höheren Anforderungen, die man an das Trauerspiel überhaupt stellen muß, befriedige und erfülle, daß der Dichter durch ein zu

Laßt uns oft den ernsten Blick
In die Nacht der Gräber senken!
Laßt uns liebevoll zurück
An geliebte Todte denken;
Daß wir in Bereitschaft steh'n,
Muthig ihnen nachzugeh'n.

zuweilen fast bis zum möglichsten Grade gesteigert, wie z. B. in dem Gedichte »d as Grab« S. 162, wo er das Glück der Todten preist und nach einer fantasiereichen und doch dabey verständigen Steigerung mit den Versen endet:

Kränzet die Thore des Todes mit Palmen!

Und singet der ewigen Freyheit Psalmen!
Und steuert muthig zum Hafen hinein!

Das Grab, das Grab foll Triumph-Thor seyn!

Aber auch selbst dort, wo der Dichter beym Beginnen des Gedichtes nicht von jenem Ernst und jener Liefe des Gefühls durchdrungen zu seyn scheint, welche die vorgenannten Gedichte auszeichnen, wo er heiter, ruhiger, in einer milderen Stimmung ans Werk geht, wird er bald, fast wie unwillkürlich von der Eigenthümlichkeit seiner Gemüthslage gleichsam überrascht, und die tiefere Bedeutung des Gegenstandes dringt sich ihm zur Auffassung und zur Erklärung auf, wie z. B. in den Gedichten: Amor und Psyche, Seite 17; Abendlied an Minna, S.43; an Cora, S. 54; Liebeszauber, S. 58; an Lina im Herbst, S. 62; der Erndte Kranz, S.77; Glück im Vertrauen, S. 84; Ermuthigung, S. 107; der Veilchenkranz, S. 122; Erinnerung, S. 117; Klagen einer Ephemere, S. 123; Frage und Antwort, Seite 129. Ja sogar dort, wo sich die Laune einfindet, bleibt der Ernst nicht aus, obschon er sich bey einer solchen Gelegenheit nur ungefähr wie das erfahrne Alter im Kreise munterer Jugend benimmt, ihre Spiele überwachend, ohne sie zu stören. Sucht nach Belehrung, unzweckmäßiges Vermengen heterogener Theile finden wir nicht; das Lächeln unsers Dichters ist einfach, unschuldig und doch voll Bedeutung. Selbst im Weinliede, S. 51, wird er mitten im Preisen der Freuden des Bechers zum Ausdrucke frommer und gemäßigter Empfindungen getrieben. Der Dichter hat gezeigt, daß man auch ohne das herkömmliche Lob des Bacchus ein gutes Weinlied schreiben könne; wir möch ten das seinige im Gegensaße der gewöhnlichen ein christliches Weinlied nennen. Im Reich der Freude, & 67, finden wir, ungeachtet der launichtesten Stellen, wie z. B. S. 68:

Beym großen Faß zu Heidelberg

Berathe der Senat,

Und auf dem Schloß Johannisberg
Der Hochwohlweise Rath!

Der Herrn Minister Regiment
Sen beym Burgunderwein,

Der Kriegsrath und das Parlament
Soll in Champagne seyn.

auch folgende:

Das Leben wird, der Traube gleich,
Gekeltert und gepreßt;

So gibt es Most, wird freudenreich,
und feyert manches Fest!

Drum zag' ich nicht, engt mir die Brust
Das Schicksals Unmuth ein;

Bald braus' ich auf in Lieb' und Lust
Und werde reiner Wein.

Diese Vermengung der Lust mit dem, man könnte sagen, ironischen Ernste, zeigt ganz die poetische Eigenthümlichkeit der Natur unsers Dichters, und er ist deßhalb sehr zu loben, daß er ihr keine Gewalt angethan und den Ausbruch seiner Empfindung nach den Vorschriften gewisser Kunstformen modificirt, sondern sie rein und ungeschwächt, wie sie in ihm erwachte, und ihren Ausbruch versuchte, ausgeströmt hat.

Auch die Gedichte vom kleinsten Umfange, welche diese Sammlung schmücken, sind von dieser Art. Flüchtiges, Schales und Alltägliches vermissen wir durchgehends. Wir machen in dieser Beziehung besonders auf zwey aufmerksam: an Leonore, Seite 114, und auf das Grab eines geliebten. Kindes, S. 151, wovon wir das erste der besondern Innigkeit der Empfindung wegen, die es ins Leben rief, und wegen der Zartheit der Behandlung mittheilen:

Dein Liebling kostete den Kelch des Lebens,

Da schmeckt' er seine Bitterkeit und wand

Sein Köpfchen schnell hinweg, sein Auge blickte

Voll Sehnsucht zu dem Himmel auf, da drückte
Ein Engel es ihm freundlich zu!

Ach Mutterherz, was weinest du?

Die übrigen Gedichte sind gleichfalls lyrischer Art, hin und wieder mit Hinneigung zum Didaktischen. Die vorzüglichsten darunter sind unstreitig die, in welchen die erhabenen Gefühle sich mit den religiösen verschwistern. Weniger durch einen besonders fühnen und gewaltigen Aufflug der Phantasie, als durch Tiefe und Erhabenheit der Empfindung ausgezeichnet, nehmen sie meistens den Charakter der Hymne an. Die Verschiedenartigkeit wird ihnen weniger durch den Inhalt als durch die Art der Durchführung des Grundgedankens und die ihm beygemischten Nebengedanken verliehen. Eine kunstgerechte Steigerung des Gefühls muß in den meisten als ein besonderer Vorzug bemerkt werden. Besonders ausgezeichnet erscheinen: Sternhelle

starkes Häufen des Grauenhaften und Schauerlichen, und dadurch, daß er die Bühnenwirkung zu sehr im Auge gehabt hat, dem Kunstwerke geschadet habe, daß sich in Rücksicht der Form hin und wieder kleinere Mängel zeigen, aber daß dem ungeachtet das Ganze ein sprechender Zeuge der poetischen Natur des Verfassers sey, daß davon bey der nöthigen Vorsicht einer guten Darstellung, und einer geschickten Anordnung des scenischen Theils eine bedeutende Bühnenwirkung zu erwarten stehe, und daß sich besonders in der Ausarbeitung, dem Wechsel und der verständigen Verbindung der Begebenheiten jene künstlerische Kraft, die der Verfasser oft uns bemerkbar macht, in diesem Werke wieder finde, so daß es allerdings, wenn auch nicht zu den bedeutendsten, doch zu den interessanteren Erscheinungen der neuern Zeit gezählt werden muß. Dem Trauerspiele sind vier Gedichte angehängt, wovon wahrscheinlich die drey ersten die Quellen angeben sollen, aus denen der Dichter geschöpft hat, das vierte aber eine im Stücke vorkommende Stelle erklärt. Das erste dieser Gedichte, Lenore, ist aus Achim v. Arnim, und Clemens Brentanos Wunderhorn, Heidelberg bey Mohr und Zimmer 1808, Bd. 2, S. 19 genommen; das zweyte des füßen Wilhelms Geist aus Sweet Williams ghost in Percy's Reliques Vol. III, pag. 126 überseht von Justi, und das dritte, der Ritter Aage und Jungfrau Else, aus den altdänischen Heldenliedern, Balladen und Märchen überseht von Wilhelm Karl Grimm. Heidelberg, bey Mohr und Zimmer, 1811, S. 73 und 505. Sie halten alle weder der Tiefe und dem Interesse des Inhalts, noch der Kraft der Behandlung nach, nicht den geringsten Vergleich mit der Bürgerschen Ballade aus, und man sieht daraus, wie so ganz und gar Bürger. Meister feines Stoffes gewesen. Indeß verdient, wenn man sie mit einander vergleicht, das zweyte den Vorzug, wird aber wieder weit von dem lehteren der kranke Ritter vom Verfasser überboten. Der Inhalt dessen ist von vielem Interesse und meisterhaft durchgeführt. Nur erscheinen in der sechzehnten Strophe S. 242, in welcher der Ritter erzählt, daß seine Geliebte ihm seine Haarlocke geraubt habe:

Ich nahm den Helm vom Haupte

und beugte mich vor ihr;

Sie führ daher

Mit einer Scheer

Und lieblich kosend raubte

Das Scheitelhaar sie mir.

der dritte und vierte Vers um so störender, da Alles übrige des Gedichtes zwar in einem der Natur desselben entsprechenden einfachen, aber doch dabey edlen und würdigen Tone gehalten ist.

2. Gedichte von August Mahlmann. Halle, in der Rengerschen Buchhandlung, 1825. 8, 188 S.

Das Erscheinen lyrischer Gedichte eines geachteten Schriftstellers ist um so erfreulicher in der jeßigen Zeit, in welcher Erzählung und Drama so sehr auf Kosten jener Dichtungsweise gepflegt und gesucht werden, daß Leser und Buchhändler schon vor dem Namen: lyrische Gedichte,« zurückschrecken. Der Grund davon ist vielleicht weniger als man glaubt darin zu su= chen, daß der Deutsche bey einer entschiedenen Vorliebe für epische und dramatische Dichtungsart, von den Werken der Dichtkunst eine gewisse Masse des Inhalts und einen größern Umfang begehrt. Vergißt er auch der bedeutenderen lyrischen Dichter einer frühern Periode, eines Uh, Hagedorn, Gleim und all der liederreichen Sänger jener Tage; erinnert er sich auch kaum mehr einer noch älteren, vielleicht nicht minder guten Zeit; so hält er doch die Poeten, welche ihm näher liegen, im Andenken fest. Er kennt Bürger, Hölty, Mathisson u. a. nicht nur dem Namen nach, er verehrt Göthe, Schiller, Schlegel, Tied auch in Rücksicht ihrer lyrischen Erzeugnisse, und die ein fachen Gesänge des freundlichen Wandsbeker Bothen vermögen noch immer ihn tief und innig zu durchdringen. Jener Grund, warum lyrische Gedichte in der gegenwärtigen Zeit nicht nur nicht beachtet, sondern wohl gar geflohen werden, liegt viel mehr in der unseligen Schreibelust unferer Tage, in der Menge von Taschenbüchern, Almanachen, Zeitschriften u. dgl., welche sämmtlich von dieser leichten Waare angefüllt sind, er liegt in dem dünkelhaften Troße des, meist jugendlichen, Dichterheeres, mit wel chem es dem Publikum seine unreifen Erzeugnisse mit Gewalt aufdringen will, und dabey nur auf den Vortheil, sich gedruckt zu sehen, Rücksicht nimmt, auf jeden andern verzichtend. Das Publikum, welches sich das eine geraume Zeit lang gefallen ließ, wurde, da ihm bey jedem Schritt ein Gedicht entgegen trat, da es die Poeten dugendweise, wie Pilze aus der Erde steigen sah, dann durch die Subscriptions- und Pränumeranten - Betteleyen der Autoren, den einzig möglichen Weg, solcher Waare Absaz zu verschaffen, von einem Widerwillen gegen die Gattung erfüllt, die sich begreiflicher Weise bald bis zum wirklichen Ekel steigerte. Weder dazu geeignet, noch dazu aufgelegt, durch einé forgliche Prüfung einzelne bessere Arbeiten aus der Menge elender auszuscheiden, und in der Wahl noch obendrein durch den Unverstand der Kritiker in den Flugschriften, welche die ohnmächtigsten Erzeugnisse der Mittelmäßigkeit lobpreisend erhoben, getäuscht, verwarf man Alles was Gedicht hieß im Allgemeinen, und nahm es höchstens dann in die Hand, wenn der Name des Verfassers aus einer frühern Zeit vortheilhaft bekannt war, wo

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