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zum Grunde liegt. Deßhalb werde auch die umgebende Natur als mitfühlend und mitleidend in die Handlung gezogen, ihre Gestalt jedoch sowohl, als die der Ophelia skizzirt gehalten, wogegen das, was die Betrachtung über den Unglücksfall sagen kann, Ausführlichkeit und Gewicht bekommt. Das Wesentliche des Inhalts von dem folgenden Artikel: Wahl und Stellung des Chors, S. 63-64, ist vom Verfasser umständlicher unter »Behandlung« auseinander gesezt worden, die beyden Artikel aber, welche jenen sich anschließen, »tragisches Gefeß,« S. 64-66, und tragische Ironie, S. 67–72, gehören zu den vorzüglichsten der Abhandlung. Im ersteren zeigt der Verfasser zuerst die eigentliche Bedeutung von der Tragödie Ajax, und stellt zuletzt in einer tiefen und neuen Bemerkung die Methoden der älteren und neueren Tragiker einander gegenüber. »Das »Schicksal des Ajax, »fagt er,« wird vorausgesezt. Er hat eine »Feindin im Olymp, einen an Weisheit ihm überlegenen Feind auf der Erde, und ist unselig in blutigen Wahnsinn verirrt. Die »Tragödie beschäftigt sich damit, dieses Schicksal in seine Bestandtheile aufzulösen, und darzustellen wodurch es möglich wird. Indem der Dichter den Ajar anfangs als unglückliches, von »der übermächtigen Hand der Götter irregeleitetes Wesen zeigt, »späterhin aber verdeutlicht, daß er sehr wohl jenes Loos verdient hatte, gebraucht er zuerst das Mitleid, und dann die Furcht als »tragischen Hebel. Diese Reihenfolge der Empfindungen muß in »der Betrachtung des Zuschauers jenes schöne Gleichmaß hervor»bringen, welches die Griechen für die lehte Wirkung der tragi»schen Kunst ansehen. Zuerst muß der Held als ein der Theil»nahme bedürftiges Mitwesen erscheinen. Die hierdurch angeregte Sympathie wird sodann durch die Betrachtung dessen, wo»durch er furchtbar und hassenswerth erscheint, gemäßigt. Der »Dichter faßt seine Aufgabe umgekehrt wie das Leben. Im Leben regt eine tragische That zuerst Furcht und Abscheu, nur nach »und nach entwickelt sich das Mitleid, wenn die Anlässe deutlich »werden. So wirkt der rohe Stoff, den der Dichter bildet, in»dem er ihn sogleich in die Höhe der Betrachtung rückt, mit wel»cher der stoffartige Antheil schloß.«

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»Der alte Tragiker verfährt analytisch, wobey ihm die »Idee eines durch Orakel vorhergesagten Schicksals trefflich zu »Statten kommt; der neue geht synthetisch zu Werke« (beyde Ausdrücke gebraucht der Verfasser nicht im strengen philosophi schen Sinne, sondern nur gleichnißweise verwandte Dinge in der Poesie anzudeuten). »Einzelne Anlässe in oder außer dem »Helden werden nach und nach zusammengefügt, und daraus kon= »struirt der Dichter das Schicksal. Deßhalb arbeiten unsere Trauer»spiele vier Akte hindurch zu dem Punkt hin, wo bey den Gries

»chen die Tragödie begann. In beyden Methoden spiegelt sich »nur der allgemeine Charakter der Zeiten. Des Griechen Welt»betrachtung ist sinnlich, eine solche faßt ein Ganzes auf, wel»>ches, wenn es Gegenstand der Behandlung werden soll, in seine »Bestandtheile aufzulösen ist. Unsere Tragiker gehen dagegen in »der durch das Christenthum gegebenen Richtung fort, und suchen, da bey uns die geistige Betrachtung vorwiegt, und in die»ser sich unaufhörlich die äußeren Dinge zerseßen, durch allmä»liche Verbindung der Elemente, zur Darstellung eines sinnlich wahrnehmbaren Ganzen zu gelangen.<<

Im darauf folgenden Artikel zeigt der Verfasser das Vorwalten der Ironie in der Tragödie der Neuern, und zugleich im Ajax des Sophokles, wo er außer der direkten, welche in der Darstellung der Gegensäge von Seyn und Schein liegt, indem die prahlende Kraft des Helden vor unsern Augen zu Schanden wird, ohne daß er selbst es Anfangs bemerkt, noch eine indirekte unterscheidet, welche sich durch die Tragödie zieht, und welche darin besteht, daß der Dichter etwas Anderes zu erreichen strebt, als er sich vorzusehen scheint. Er scheint nämlich uns eine ganz besonders organisirte, wunderbar verirrte Menschennatur zu zeigen, den Fall derselben als Unglück für sie und als Glück für das Ganze darzustellen, indeß es ihm doch darum zu thun ist, uns erkennbar zu machen, daß der göttlichen Kraft und Einsicht. gegenüber jede menschliche zu nichts wird, und uns durch wiederholte Erinnerung an den jahrelang von Ajar genährten, unmuthschweren Groll es klar zu machen, daß der Tod eigentlich für ihn ein Glück ist, und dabey im Grunde nur die Griechen verlie= ren, indem ihnen vor der feindlichen Stadt ein so tapferer Held abstirbt. Der Schluß des Artikels enthält einige wahre Bemerkungen über das Vorherrschen der Ironie in Göthes Tasso, und in den meisten Stücken Shakespeare's, von welchen der Verfasser einige Beyspiele aus Romeo und Julie anführt, die erläuternd genannt werden müssen, bis auf das erste, für welches er den raschen Wechsel der Geliebten bey Romeo ansieht. Ironisch kann dieser aber auf keinen Fall genannt werden. Der Dichter wollte uns dadurch nicht etwas Anderes zeigen, als vor Augen liegt; er gibt uns vielmehr durch den meisterhaften Zug, daß Romeo mehrmal geliebt hat, Julie zum ersten Male liebt, die Bedingungen dieser Leidenschaft zwischen den gedachten Liebenden, und die Art ihres Liebesverhältnisses an. Fast alles Künftige ist nur dann vollkommen deutlich und erklärbar, wenn man auf jenen Hauptumstand Rücksicht nimmt.

Mit dem achten Artikel: Ist eine Nachahmung der alten Tragödie möglich? der von S. 72 bis zum Schlusse reicht, tritt die von uns in der Vorerinnerung aufgestellte dritte

Rücksicht ein. Der Verfasser beantwortet die obige Frage verneinend, und sucht den Grund dieser Verneinung einerseits aus den aufgestellten Prämissen, andererseits aus der Hinwei fung auf die Organisation der von ihm zergliederten Tragödie abzuleiten. Da die Prämissen nicht ganz richtig sind, so kann es begreiflicher Weise die aus denselben abgezogene Folgerung gleichfalls nicht seyn; in der zweyten Hinsicht ist die Beweisführung wieder unzuläßig, weil dabey die unrichtige Voraussetzung zum Grunde liegt, daß alle Tragödien der Alten dem rasenden Ajar des Sophokles vollkommen gleich konstruirt sind. Es ist nicht zu läugnen, daß die Sage vom rasenden Ujar, wie sie den Griechen entgegen kam, für uns so viel Fremdes habe, daß ein moderner Dichter sie in ihrer Einfalt und ohne Steigerung der Motive gar nicht hätte gebrauchen können; aber ist dieß auch mit der Mehrzahl der Tragödien des Euripides, mit den Oedipen des Sophoklesu. m. der Fall? Wenn der Verfasser wirklich er wiesen hätte, daß es den Neuern völlig unmöglich sey, eine Tra gödie, wie der rasende Ajar, zu erschaffen, würde er damit auch die Entbehrlichkeit des Studiums jener Tragödie, oder die Nothwendigkeit des verständigen Nachbildens anderer, welche das Alterthum uns überliefert hat, erwiesen haben? Die Vorschriften des Aristoteles, welchen Leffing die Gewißheit des Euklid verleiht, werden zu aller Zeit, unter allen Verhältnissen, für die Tragödie überhaupt, unentbehrlich bleiben, und doch hat sie Aristoteles größtentheils nur aus dem Studium der drey großen Tragiker der Griechen abgeleitet, welches der unwiderlegbarste Beweis für die Nothwendigkeit jenes Studiums und für die Anwendung desselben zu seyn scheint. "Daß eine ängstlich genaue Nachahmung der Formen der alten Tragödie nicht ráthlich sey, daran hat Niemand gezweifelt, und in so fern bedarf die Sache keiner erläuternden Untersuchung; kein Meister ist auf diesen Abweg gerathen; Schiller hat es in seiner »Braut von Messina« wohl theilweise, aber mit vollkommener Freyheit gethan, mit beständiger Rücksicht auf die Veränderungen, welche eine neuere Zeit nothwendig gemacht hat, und wenn in jener Tragödie etwas zu tadeln wäre, so wäre es gewiß eher die Vermengung des Antiken mit dem Modernen, als die Nachahmung des erstern.

Es ist schwer zu begreifen, wie der Verfasser, der doch nach seiner Aeußerung S. 6: »Man müßte den Athem des Polos »nius haben, um die Klassifikation aller der Deflamationsübun»gen und Rettungsgeschichten, welche uns als Schau- und »Trauerspiele geboten werden, so wie der Bonmots, Epigramme »und Fescenninen, welche wir gutmüthig genug sind, für Lustspiele »gelten zu lassen, vorzutragen;« den Grund und Grad des Uebels gut zu kennen scheint, der S. 7 ganz richtig, der unnatürlichen

Vermischung der Oper mit dem recitirenden Schauspiele, der verkehrten Leitung der Bühne durch ungeschickte Hände, der Dumpfheit der Schauspieler, der Lauheit der Großen, der Apathie des deutschen Publikums gegen alles, was ihm nicht mit einer gewissen Gewalt aufgedrungen wird, die Schuld an dem Verfall der tragischen Dichtkunst beylegt, der in den dramatischen Werken neuerer Zeit die tiefe und ernste Weltansicht, das Durchdringen menschlicher Verhältnisse, die Kühnheit der Phantasie vermißt, wie derfelbe Verfasser auf einmal die Vorliebe der neuern Tragiker für die Alten tadelnd bemerkt, welche gleichsam nur das einzige Mittel ist, uns zu dem, was mangelt, zu ver helfen, und welche allein die eigentliche Erbsünde neuerer Erschei nungen dieser Art: die Formlosigkeit heilen könnte. Was Der Verfasser S. 10 von der Nothwendigkeit der Originalität und Nationalität der Bühne eines Landes, bezüglich auf die deutsche sagt, kann unsere Meinung nicht entkräften. Jene Nationalität ist wohl wünschenswerth, wenn sie sich ungesucht entwickelt und bewahrt; aber jedes ängstliche Streben darnach ist verwerflich, wenn dabey nur Rücksicht auf dieses oder jenes Erzeugniß, und nicht auf den Grad seiner Vollendung überhaupt genommen wird. Die Originalität kann uns nicht für den Mangel eines nothwendigen Erfordernisses entschädigen, und die künstTerischen Erzeugnisse jedes Landes unterliegen zuleßt den Gesezen der Gattung des Kunstwerkes überhaupt.

Die Frage: ist eine Nachahmung der alten Tragödie möglich hätte daher, unserer Meinung nach, besser und zweckmäßiger in die: wie foll die Tragödie der Alten nachgeahmt werden, was kann und soll der tragische Dichter an ihr lernen? verändert werden sollen. Der Verfasser war ganz der Mann dazu, sie vollständig und belehrend zu beantwor ten, und damit wäre zugleich einem doppelten Uebel heilsam ge= steuert worden, an dem die Zeit krank liegt; einer verkehrten Nachahmung der Aeußerlichkeiten klassischer Tragiker, und einer Vernachläßigung ihres Studiums.

Was der Verfasser übrigens in dem lehten Artikel, seiner Abhandlung vom Epos und von der lyrischen Poesie, welche er für die einzigen reinen Formen der Dichtkunst hält, von der Entwicklung unsers Trauerspiels aus dem Epischen, und von der Wesenheit desselben überhaupt bemerkt, läßt in mancher Rücksicht bedauern, daß es ihm nicht gefallen hat, sich umständlicher darüber auszusprechen, als es in seinem kurzen Auffage geschehen ist. Deinhardstein.

für

Wissenschaft und Kunst.

Nro. XXXV.

Italienische

Literatur.

Kurze Uebersicht der italienischen Literatur während der Jahre 1821 bis 1825,

aus der

Biblioteca Italiana. Tomo XLI. Gennajo e Febbrajo 1826.

Milano.

(Schlu f.)

Ueber Optik und Astronomie erschien ein treffliches Lehrbuch von

Setele. Eine darin gegebene Darstellung und Erweisung des Kopernikanischen Systems hat außer dem Verdienste einer außerordentlichen Klarheit noch den besonderen Werth, in Rom gedruckt, und vom archiginnasio pontificio angenommen zu seyn. Die Versuche über Pendelverkürzung, welche Bouguer auf den Cordilleras in Amerika gemacht hat, sind von Carlini zum ersten Male in Europa auf einer Höhe von zweytausend Metri über dem Meere wiederholt worden 1) Auch Biot hat auf seiner Reise durch Italien im Jahre 1824 zu Mailand, Padua, Fiume und auf dem Aetna Beobachtungen über diesen Gegenstand angestellt. Da es nach älteren geographischen Untersuchungen in Ober-Italien schien, als ob daselbst die Nundung der Erdoberfläche und die Richtung der Schwere mehr als anderwärts von der allgemeinen Erdgestaltung abweiche, so sind von den Astronomen von Mailand, Pádua, Modena und Florenz genaue Längenmessungen unternommen worden, deren erste Resultate in den astronomischen Tageblättern Mailands 2) mitgetheilt sind. Italien hat in den letzten Jahren fast an seinen beyden äußersten Punkten zwey glänzende Sternwarten erhalten, die eine zu Turin bey dem königlichen Schloffe, in welcher die ausgezeichneten Instrumente des Professor Plana enthalten sind; die andere auf Capo di Monte bey Neapel. Da der begennene Bau eines dritten Observatoriums zu Lukka nicht vollendet wurde, so ging der aus Frankreich dorthin berufene Pons nach Florenz, nachdem er in Erwartung des periodischen Kometen, welcher nach Enke am 15. Julius zurückkehren sollte, einen neuen Kometen entdeckt hatte. Jener periodische aber‣ wurde erst am 7. August zu Mailand bemerkt Von astronomischen Schriften nennen wir nur noch die geistreichen Berechnungen des Mathematikers Mosotti über die Nesistenz des Aethers und die Beschleunigung, welche von demselben in der periodischen Zeit des Kome

1) Siehe Effemeridi astronomiche di Milano per l'annë 1824.

2) Appendici alle Effemeridi astronomiche di Milano per gli anni 1893, 25, 26.

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