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Art. III. Wien, seine Geschicke und seine DenkwürdigEeiten. Im Vereine mit mehreren Gelehrten und Kunstfreunden bearbeitet und herausgegeben durch Joseph Freyherrn v. Hormayr, k. k. wirklichen Hofrath und Historiographen, Mitglied mehrerer gelehrten Gesellschaften. Wien, 1823 bis 1825. Im Verlage der Franz Härter'schen Buchhandlung. Gedruckt bey Franz Ludwig. Papier von Anton Strauß. Zwey Jahrgänge. Erster Jahrgang fünf Bände; jeder Band drey Hefte. Zweyter Jahrgang zwey Bände; jeder Band drey Hefte,

Auf der völkerwogenden Zuglinie zwischen Nord und Süd,—

aus dem Nebelgrau der Vorzeit erhebt sich Vindobona als uralte Niederlassung der celtogallischen Vindonen, und sie bleibt als Beherrscherin des mächtigen Stromes, eine von den Römern und allen ihren kaiserlichen Strategen ausersehene, geschäßte Celtenstadt, von dem Römerauge auch in den rauchenden Trümmern nie ganz verlassen, wie auch über ihre Thürme und Wälle hinwüthete der grauenvolle Nachtsturm der Barbarenwanderungen. In Vindobonas Straßen und in den Gefilden umher hatten einst gewandelt des alten Weltreichs Imperatoren, Tiberius, Ha drianus, Mark Aurel, Septimius und Alexander Severus, Gallienus, Diokletian, Galerius, Marimianus, Julianus, Valentinianus I., Gratia

Vindobonas Soldatenburg hatten gesehen Attila, Odoaker und der große gothische König Dietrich, während der unvergeßliche h. Severin im Drange aller Gräuel auch dieser Stadt ein schüßender Engel gewesen. In der grausen Nacht der Barbarey wußte St. Ruperts Licht Vindobonas kümmerliche Ueberreste zu finden; und auf der lezten longobardisch - hunivarischen Zertrümmerung gründete der große Imperator, Karl, auf Fabianas entblößten Grundmauern die vorzüglichste Ankerstelle jenem Einen und Einzigen, dem wahre Humanität und Völkerglück allein nur entfeimen, dem gottgesandten Christenthume; bis durch die ritterlichen Babenberger die römische Fabiana unglaublich schnell emporblühte als Oesterreichs Hauptstadt, als Residenz jenes erlauchten Geschlechtes, als Stadt der Kreuzzüge, Leben und Fülle saugend aus jenen Gotteszügen, als mächtige Ader des großen Welthandels, als lebenskräftiger Leitungspunkt zwischen Aufgang und Niedergang, zwischen Süd und Ost, und als Vereinigungsstelle jeglicher Kultur und Kunst, alles Großen und Edeln unter jenen durch charakteristische Persönlichkeit ausgezeichneten Titanen des Mittelalters, K. Heinrich III, Barbarossa und Friedrich II., Heinrich Jafomirgott und dem Vater des Vaterlandes Leopold dem Glorreichen; so daß das Losungswort bald von Munde zu

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Munde flog: »Wer sich zu Wien nicht nähren kann, ist überall ein verdorbener Mann!« Die hochsinnigen Habsburgerhielten sie diese Stadt nicht wie den Apfel ihres Auges? erhoben sie diese Stadt nicht durch väterlichen Schuß und milde Pflege zur Stadt der Wohlthätigkeit, zur Stadt der völkerbeglückenden Gesetzgebung? und in welchen Charakteren strahlen nicht diese gottbeschüßten Fürsten von den Zinnen dieser Strombeherrscherin weit über Länder und Völker hin der aufsteigenden Nachwelt entgegen!! Wie der mächtige Fels im Ocean inmitten der brüllenden Brandung unbeweglich — stand und steht diese kaiser= liche Stadt als Vormauer und Hort der abendländischen Christenheit da, und an ihren Wällen wurde der in drey Welttheilen sieghafte Troß des Osmanen gebrochen. In Wiens zweymali ger Belagerung durch Muhameds Barbaren und in der beyspiellos hartnäckigen Gegenwehr; in den ergreifenden Wechselgeschicken jener kaiserlichen Frau, der unvergeßlichen Mutter Theresia und ihres in der Schule der Leiden vielversuchten und als echtes Gold erprobten Enkels, Vaters Franz L., in Wiens zweymaliger Besißnahme durch die gallischen Heere und in der eisenfesten Treue dieser Residenzstadt, findet sich darin nicht das erschütternde Schauspiel des Riesenkampfes der Tugend gegen das dunkel waltende Fatum in großartiger und glänzender Weise abgespiegelt!

Es ist daher wahrlich eine herrliche Aufgabe, zu schildern die Geschicke Wiens, dieses Seelensizes eines großen Kaiserstaates, dieses Horts und dieser Burg der ersten Fürsten der Christenheit, dieser Hauptstadt des deutschen Vaterlandes. Und diese schöne Aufgabe auf eine ihrer Wichtigkeit und Größe würdige Weise zu lösen, war wohl schwerlich jemand mehr und eigentlicher berufen, als der sachgeübte Historiograph des kaiserlichen Hauses, der gelehrte Freyherr von Hormayr. Schon vor dem Jahre 1822, in welchem zuerst die Ankündigung, dann der Prospektus des ganzen Unternehmens erschien, hatte sich der Verfasser rustig gemacht, diesem, so zu sagen, aus dem Munde der Kaiserstadt selbst an ihn gerichteten Aufrufe und der gleich allgemein lebhaften Hoffnung der österreichischen Literatoren auf die vollständigste Weise zu entsprechen. Das vorliegende, an Umfang sehr bedeutende, schöne Werk, ist nun das Resultat der kräftigen Bemühungen des gelehrten Mannes; und wir erachten es als eine vorzügliche Pflicht, für alle patriotischen Literatoren des Vaterlandes, eine genügende Anjeige dieser wichtigen Erscheinung in österreichischer Geschichtsforschung in diesen Blättern niederzulegen, und sie darin mit der Aulage, Ausführung, mit dem Inhalte und mit den Vorzügen

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dieses Werkes umständlicher bekannt zu machen. Das große Ganze zerfällt in zwey Haupttheile, von denen der erste Theil umfasset: die Geschichte Wiens und ihre Verfasfung, der zweyte: Wiens Denkwürdigkeiten. Beyde dieser inhaltschweren Gegenstände werden in zwey Jahrgängen und nach einzelnen Heften umständlich bearbeitet. Wir wollen nuu beyde Jahrgänge durchgehen, und sowohl durch die Darlegung des Inhaltes, als auch durch einige wörtlich ausgehobene Stellen das Urtheil, wie dem gelehrten Verfasser die Löfung einer so großen und wichtigen Aufgabe gelungen sey, im Voraus begründen. Theils zur Berichtigung nicht ganz erschö= pfender Angaben, theils zur Aufhellung einiger noch in Dunkel gehüllten Ereignisse der vaterländischen Vorzeit, glauben wir uns die besondere Zugabe einiger Bemerkungen erlauben zu dürfen.

Der erste Jahrgang dieses bedeutenden Werkes in fünf Bänden, in funfzehn Heften, oder in zwölf Theilen, umfasset alle, die Kaiserstadt Wien unmittelbar und mittelbar berührenden Ereignisse, in chronologischer Ordnung und im pragmatischen Zusammenhange, aus den grauen Tagen der Vorwelt bis auf den Schluß des Wiener Kongresses, mit beständiger Rücksicht auf innere Verfassung, Bürgerleben, Gerechtigkeitspflege, Polizey, Kirchenwesen, Sitten, Gebräuche, Handwerke, Wissenschaften, Künste, Münzwesen, Handel und Judenthum. Alles dieses vereiniget sich unter der kunstgeübten Hand des gelehrten Verfassers zu einem großen und farbenreichen Gemälde, welches sich immer glänzender vor den Blicken des Lesers entfaltet, seine Gefühle oft mächtig ergreift, und seinem Interesse Belehrung in Fülle darbietet.

Das erste Heft des ersten Bandes umfasset die Vorzeit, bis alle Landestheile zwischen der Donau und den hohen Alpen. römisch geworden waren. Die Urzeit, wo alles ungewiß ist, und die Natur allein nur geschrieben hat in ihrem kurzen, aber ge= waltigen Alphabet, in weltalten Bergen, kaum ergründlichen Tiefen, dunklen Seen, in Urwald und Sumpf, — wird mit wenigen, aber sprechenden Umrissen bezeichnet. Was von unseren, an der Donau gelegenen, österreichischen Landstrichen die ewigen Alten sagen, der Vater Herodot, Polybius, Appianus, von Hyperboreern, Jlyriern, von Jason und von seiner Argonautenfahrt (von welcher uns Strabo hinweiset auf die πολλὰ τεκμήρια τῆς τοῦ ̓Ιάσονος στρατείας), von Celten u. f.. alles wird kurz und treffend angedeutet, und mit Recht daraus auf uralte, feste Bevölkerung der Donauufer geschlossen, lange bevor noch das Fischerdorflein Rom sich als Stadt an den Usern der Tiber erhob. Wir möchten jedoch nicht mit dem gelehrten

Verfasser die Einführung des Eisens, der Schrift und des Geldes in unsere Donauländer der frühen Verbindung derselben mit Griechenland zuschreiben; sondern vielmehr behaupten: alles dies sey schon zum Theil mit den ersten Urbewohnern aus dem mittleren Asien über die kaspischen und pontischen Binnenmeere, über jene Bühne der Völkerwanderung und Völkerbildung für das gesammte östliche und mittlere Europa, an die Donaugestade herangekommen. Auch sprechen ja eben die griechischen Alten schon im siebenten Jahrhundert vor Christus von den, den celtischen Völkern ganz eigenthümlichen Schriftzeichen. Die Ausdehnung des weiten Landes der Celten oder Gallen, Galater, Gallier, bezeichnet der Verfasser nach Polybius, Diodor, Strabo und Casar umständlicher, und beleuchtet die geographischen und ethnographischen Angaben dieser Alten durch die scharfsinnigsten Bemerkungen. Die Ueberwanderung_celtischer Völkerheere unter Belloves und Sigoves nach Italien und Germanien wird p. 18 umständlicher angegeben, um auf die wichtigen Folgen derselben, nämlich auf die zahlrei chere Bevölkerung der Donauufer durch die sigovesischen, und durch die von den Römern aus Italien über die Alpen wieder zurückgedrängten bellovesischen Celten hinzuweisen.— Worauf sich p. 18 die seltsame Angabe, »der aus Italien nach Gallien entflohene thuszische Arun sey von den Celten als Merkur, als Herkules, unter dem Bilde eines Kaufmanns verehrt worden,« stüße, ist uns eben so unbekannt, als wir sie nicht für erweislich halten. Auch können wir der Behauptung p. 20 durchaus nicht beystimmen, daß das heutige Land Baiern von den aus Italien flüchtigen Bojern bevölkert worden sey. Die erste Bevölkerung und Benennung Baioariens, so wie die des uralten Bojohemums, gehören dem grauesten Alterthume und den Tagen der ersten Völkerzüge von Osten her an. P. 22 werden über die nächst der österreichischen Donau seßhaften Völkerstämme, besonders über Carnunter oder Carner, Vinden oder Vindonen, sehr erwünschte topographische Bemerkungen gegeben, wodurch das Andenken an diese uralten Niederlassungen fort und fort erhalten worden zu seyn scheint. Daß die kleinere Bojer Wüste nach Versicherung des Verfassers p. 24 auf der theodosianisch - peutingerischen Tafel am NeusiedlerSee gegen Sabaria und Skarabantia ersichtlich sey, haben wir nach Beschauung mehrerer Ausgaben jener Tafel nicht bestätiget gefunden. Die Urgründung Vindobonas wird den figövesischen Vinden, Bindonen, Vendonen zugeschrieben, welche, der altergrauen Sage nach, auf dem sonnigen Hü gel hart an der Donau Fuß faßten, und von dem Fischfange,

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von der Jagd in den Auen und in dem nahen komagenischen Gebirge lebten. Nach der begründeten Meinung des Verfasfers aber ist dem nahe gelegenen Orte Karnuntum der Ruhm, die Hauptstadt der rund umher wohnenden celtogallischen Stämme gewesen zu seyn, schwer zu bestreiten. Er erklärt sich auch mit vollem Rechte gegen diejenigen, welche Vinden oder Venden mit den viel späteren Wen d-en, Slaven, vermischten. Weder Budinen, noch Wenden des Tacitus sind erweislich Slaven zu nennen, sondern wohl erst die Veneden des Jornandes. Bey der Bestimmung der Umgrenzung des alten Norikums erfreuet uns der Verfasser in der Anmerkung Nro. 9 mit ausführlichen, und früher wohl noch von Niemanden so genau gegebenen Bestimmungen. Jedoch scheint uns die Bezeichnung der celtischen Bergreihe da, wo sie sich von Nordost nach Südwest durch die heutige Steyermark ziehet und an die krainerischen Alpen anschließt, zu undeutlich und unbestimmt zu seyn, und folgende Berichtigung zu verdienen.

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Der Zug der cetischen Bergkette geht am natürlichsten von der Rar auf die Kampalpe und den Semmeringkogel; von diefem herüber auf den großen und kleinen Pfaff, auf die Spitalerund Predulalpe, auf den Fürsten- und Feichtenkogel, auf das Rennfeld und von dem Uebelstein über die Mur auf die Brucker Hochalpe, auf die Fenster-, Polster, Frott-, Pöllaalpe, auf den Speikkogel der Kleinalpe, auf die Rack, Stub- und Deigitschalpe, auf die Pack, Stock, Hoch-, Frauen- und Choroder Schwanbergeralpe, auf die Feistrißeralpen, auf den Radl, Rennscheick und Bacher, auf die Weitensteiner- und GonowigerPlanina, auf den Wotsch, und von dort östlich an der Sötla hinab, bis zu ihrem Einflusse in die Save, den krainerischen Alpen gegenüber. Nur die Höhen dieser bezeichneten Berge bilden vom Semmering bis an die Save hinab eine Linie, und sie mußten den Alten, von der Ferne im Osten angesehen, eben so als eine einzige fortlaufende Bergkette erscheinen, als sie sich heute noch in derselben Gestalt darstellen. Eine ge= nauere Bezeichnung der Norikum von Pannonien trennenden Gränzlinie läßt sich nicht mehr geben, viel weniger noch durch besondere Angaben der Alten nachweisen; und wir stimmen ganz der trefflichen Bemerkung des Verfassers bey, daß in jener altergrauen Zeit die Kunden der Geographie fast immer nur nach den Regeln der Theater Perspektive genommen werden müssen. Es bleibt aber auch von selbst ersichtlich, daß durch diese genauer bezeichnete Richtung der cetischen Berge keineswegs zugleich auch die absolute Trennungslinie zwischen tauris¡isch-norischen

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