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Die

Entfaltungsbewegungen
der Pflanzen

und deren teleologische Deutung

Ergänzungsband zur
„Organographie der Pflanzen“

STANFOR LIBRARY

Dr. K. Goebel

Professor an der Universität München

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Q K 7 7 G6

Alle Rechte vorbehalten.

267536

12

Vorwort.

Bei den Vorarbeiten zu der zweiten Auflage von des Verfassers Organographie der Pflanzen" 1) ergab sich die Notwendigkeit, auch die in der ersten Auflage nicht berücksichtigten Entfaltungsbewegungen zu besprechen, denn diese stehen mit eigenartigen Organbildungen im Zusammenhang, über welche zwar viele Einzeluntersuchungen und Deutungen vorliegen, die aber niemals eine zusammenfassende vergleichende Besprechung gefunden haben.

Die eigenen Untersuchungen des Verfassers nahmen im Lauf der Jahre einen Umfang an, der über den eines Kapitels der „Organographie" weit hinausging und eine besondere Darstellung zu rechtfertigen schien.

Dieser ist das vorliegende Buch gewidmet. Es versucht, ohne auf die speziell physiologischen Probleme einzugehen, die Art und Weise der Entfaltungsbewegungen zu schildern und namentlich die Frage zu prüfen, ob diese wie das meist als selbstverständlich vorausgesetzt wurde als Anpassungserscheinungen zu betrachten sind oder nicht.

Um diese Frage beantworten zu können, war es nötig, kurz darauf einzugehen, weshalb uns die teleologische Betrachtungsweise so im Blute liegt, daß wir glücklich sind, sie irgendwie auch wissenschaftlich rechtfertigen zu können. Die verschiedenen geschichtlichen Mitteilungen, welche der Darstellung beigegeben sind, zeigen, daß die in der Einleitung vertretene Ansicht, es handle sich dabei um einen unbewußten Anthropomorphismus, zutrifft.

Wenn der Verfasser zu dem Ergebnis kam, daß eine Anzahl teleologischer Deutungen der Entfaltungsbewegungen nach unseren jetzigen Kenntnissen als unrichtig oder unbewiesen zu betrachten ist, so ist damit keineswegs gesagt, daß bessere Einsicht nicht auch für diese Bewegungen noch eine Nützlichkeitsdeutung finden könne. Diese müßte aber experimentell erwiesen und nicht nur vermutet sein. Im übrigen handelt es sich bei den folgenden Darlegungen nicht um das Zustandekommen der Anpassungen, sondern um das Problem von deren Mannigfaltigkeit.

Die vergleichende Betrachtung ergibt zwei, wie mir scheint, für unsere Auffassung der Anpassungserscheinungen wichtige Folgerungen. Einmal die, daß viele Anpassungen gar nicht (im wörtlichen Sinne) solche sind, sondern „Ausnützung" anderweitiger Vorgänge worauf der Verfasser seit Jahren wiederholt hingewiesen hat. Sodann die, daß es sich dabei nicht um eine im Kampf ums Dasein" (durch Anhäufung kleiner nützlicher Abänderungen) erworbene Zweckmäßigkeit handelt, ebensowenig um eine zielstrebige. Es war also an einer Reihe von Beispielen auszuführen, daß diese Auffassung des Zustandekommens der Anpassungen unhaltbar geworden ist.

1) Erschienen ist bis jetzt: Teil I (Jena 1913), Teil II (Jena 1916–18).

Die Untersuchungen wurden so weit sie nicht schon lange zurückliegen - in den Jahren 1913-1918 ausgeführt. Der Verfasser hatte sich dabei der Unterstützung seiner früheren Assistenten Dr. MERL und Dr. HIRMER zu erfreuen, bei Herstellung der Abbildungen 1) der der Präparatoren A. DORN und K. HÖRGER. Ihnen, sowie der Bayr. Akademie, welche durch eine namhafte Unterstützung aus der Samsonstiftung die Veröffentlichung ermöglichte, möchte der Verfasser auch hier danken. Daß seinem Versuch sehr viele Mängel anhaften, dessen ist sich der Verfasser wohl bewußt.

Man könnte sagen: das Buch bringe multa non multum. Es liegt aber im Wesen des Vergleichs, daß er vielerlei heranziehen muß und viele Deutungen sind deshalb ohne weiteres als unzutreffend zu erkennen, weil man die Verbreitung der zu deutenden Lebenserscheinung nicht berücksichtigt hat. Außerdem, so notwendig und interessant auch die Vertiefung in die Einzelheiten eines Vorgangs ist, sie bringt die Gefahr mit sich, daß man in diesen Einzelheiten stecken bleibt. Dieser Gefahr ist, wie mir scheint, auch die physiologische Forschung nicht immer entgangen. Freilich müßten wir die Lebensbedingungen der verglichenen Pflanzen viel eingehender kennen, als dies bis jetzt der Fall ist, um überall eine sichere Grundlage zu haben. Vielleicht ist aber das vorliegende Buch auch deshalb nicht ganz nutzlos, weil es darauf hinweist, wie unvollkommen unsere Kenntnis der Lebensbedingungen bei den meisten Pflanzen noch ist, und wie unvollständig namentlich die Berichte über die der Tropenpflanzen sind, selbst solcher, die gemeine Unkräuter darstellen. Diese sind meist lehrreicher als die Eigenbrödler", deren Sonderbarkeiten eine so große Anziehung ausgeübt haben und die Paradebeispiele für merkwürdige Anpassungen darstellen. Vielleicht veranlaßt das doch ein oder den andern Reisenden dazu, die großen Lücken unserer Kenntnisse mit ausfüllen zu helfen. Im übrigen sei nochmals betont, daß es sich bei dieser Darstellung nicht um physiologische, sondern um ökologische" Fragen handelt und mit einem Forschungsreisenden des 18. Jahrhunders) gesagt: „Sicubi vero Botanicorum expectationi minus fecero satis, confido fore, ut cum materiae amplitudo et diversitas, tum peregrinantis conditio, habeant aliquid legitimae excusationis.“

1) Von den Abbildungen sind 230 Originale, 9 (jeweils bezeichnete) Kopien.
*) N. J. JACQUIN, Selectarum Stirpium americanarum historia Vindobonae 1763.
München, im März 1919.
K. Goebel.

Nachtrag zu p. 151.

Für Vallisneria wurde als letzte Äußerung der „Ziehharmonika-Fabel" eine Veröffentlichung aus dem Jahre 1883 angegeben. Wie ich neuerdings fand, hat sie TIMIRIAZEFF in seinem Buche „The life of the plant" London 1912 nicht nur p. 237 vorgetragen, sondern sogar abgebildet! (Fig. 67.)

Inhaltsübersicht.

Seite

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Erster Abschnitt: Einleitung

1. Die Anfänge teleologischer Betrachtung

2. Die Begründung der Teleologie und ihre Anwendung 3. Irrtümliche teleologische Deutungen.

4. Nutzlose Reizbewegungen

5. Nutzlose Bewegungen dorsiventraler Organe infolge von Lichtentziehung 6. Durch Licht bzw. Lichtmangel bedingte Entfaltungsbewegungen, die unter Umständen nützlich sein können.

7. Durchbruchskrümmungen bei geophilen Pflanzen

8. Mannigfaltigkeit der Anpassungen bedingt durch Ausnutzung

9. Darwinismus und Teleologie

Zweiter Abschnitt: Art der Entfaltung.

1. Allgemeines über Entfaltung, aktive und passive Beteiligung daran
2. Beispiele passiver Entfaltung, Mützenblüten und Fensterblüten .
3. Entfaltung durch ungleichmäßiges Wachstum

4. Entfaltung durch Turgordehnung.

5. Allgemeines über Gelenke

.

6. Passive Gelenke, Übergang zu reizbaren Gelenken in Orchideenblüten 7. Aktive Sproßgelenke

8. Einzelfälle von Sproßgelenken bei Dikotylen.

9. Gelenkbildung bei Gräsern

10. Dorsiventrale Sproßgelenke

§ 11. Rückblick auf die Bedeutung der Sproßgelenke

12. Blattgelenke

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§ 4. Infloreszenzen mit zeitweiliger Horizontalstellung (Lysimachia barystachia und einigen Labiaten)

104-110

§ 5. Nutationen von Blüten und Früchten (Papaver, Euphorbia, Ipomoea, Cobaea, Tropaeolum, Coniferen .

110-120

§ 6. Nutationen von Infloreszenzen (Papilionaceen, Droseraceen, Umbelliferen, Kompositen, Crassulaceen)

120-131

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7. Abwärtskrümmung durch Gelenke (Stellaria, Geraniaceen).
8. Impatiens noli tangere und andere Impatiens-Arten, Streptopus.
9. Asymmetrische Entfaltungsbewegungen bei Allium, Cyclamen, Vallisneria
10. Rückblick

131-139

139-143 144-153 153-155

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