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Juden, die bei diesen Kämpfen ums Leben kamen, war natürlich eine noch grössere und so kam es, dass die Provinz ganz entvölkert wurde, ein Uebelstand, dem eine vom Kaiser Hadrian i. J. 122 dahin gesandte Colonie *) nur wenig abhelfen konnte. Nimmt man dazu die häufigen Erdbeben, von denen Cyrenaika heimgesucht wurde, die fast stehenden Verheerungen durch ungeheure Heuschreckenschwärme, endlich die mit der sinkenden Vertheidigungsfähigkeit der Provinz sich mehrenden Einfälle barbarischer Wüstenstämme, so kann man sich leicht denken, dass diese einst so blühende Culturstätte im dritten und vierten Jahrhundert unserer Zeitrechnung, trotz der unverändert günstigen Verhältnisse des Bodens, von ihrer ehemaligen Grösse und Bedeutung blos noch den Namen und die Erinnerung gerettet hatte. Die Stadt Cyrene selbst war ganz heruntergekommen. Seitdem ihre ehemalige Hafenstadt Apollonia frei geworden war, war es mit ihrem Handel völlig vorbei. Sie hatte blos noch in Phykus (am Vorgebirge Ras Sem) einen unbedeutenden Stapelplatz. Sonst galt Ptolemais, das heutige Tolmita, in politischer wie kirchlicher Hinsicht als Metropole der Landschaft. Bei der neuen Organisation des Römischen Reichs unter Constantin wurde Cyrenaika von Creta getrennt und erhielt unter einem eignen Präses oder Präfecten den Namen Libya superior,**) bei der Theilung des Reichs unter die Söhne des Theodosius wurde es mit zum Oströmischen Reiche geschlagen.

Bald nach der Thronbesteigung des Arcadius beschloss der Senat von Cyrene einen Gesandten an den jungen Kaiser zu schicken und diesen um Berücksichtigung der übeln Lage, in welcher sie selbst wie andere Städte der Pentapolis sich befanden, und eine Ermässigung der drückenden Steuerlast zu bitten. Städte mit Municipalverfassung hatten das Recht

*) Euseb. chron. Ol. 225.

**) Böcking ad Not. dign. I, p. 137.

sich mit Gesandtschaften direct an den Kaiser zu wenden und sie machten nicht eben selten davon Gebrauch. Ihre Uebernahme gehörte mit zu den Liturgien, zu deren Ableistung die Decurionen verpflichtet waren, d. h. die Mitglieder des Municipal - Senats selbst, welche als die reichsten Einwohner ohnehin mit ihrem Vermögen für die Lasten und Verpflichtungen der Gesammtheit haften und nicht selten sogar den Ausfall der Steuern aus eigenen Mitteln decken mussten. Andere Liturgien waren wohl kostspieliger, aber sicherlich minder ehrenvoll. Denn man konnte nur geeignete Persönlichkeiten zu einer Gesandtschaft gebrauchen, die an Bildung und Redegabe vor ihren Mitbürgern voranstanden, und für diese war dann eine Gesandtschaft, ausser der mit ihr verbundenen Auszeichnung, auch insofern vortheilhaft, als sie durch dieselbe von weiteren Liturgien befreit werden konnten.**)

Der Senat von Cyrene übertrug die Gesandtschaft einem jungen Manne, Namens Synesius, dessen Biographie und ausführliche Charakteristik den Inhalt der nachfolgenden Darstellung ausmachen wird. Synesius gehörte einer der vornehmsten Familien der Pentapolis an und hatte sich trotz seiner verhältnissmässigen Jugend er war damals wohl nicht viel über dreissig Jahre alt durch seine philosophische und litterarische Bildung schon einen gewissen Ruf erworben. Wirkliche Gelehrsamkeit gehörte in jener Zeit ausserhalb des kleinen Kreises berufsmässiger Grammatiker und Rhetoren bereits zu den Seltenheiten und wurde deshalb nur um so mehr geschätzt, wenigstens in heidnischen Kreisen. Zum Heidenthum bekannten sich aber damals noch die meisten unabhängigen Familien senatorischen Ranges in allen

*) Cod. Theodos. XII, 12: de legatis et decretis legationum. Ueber das einzelne sind die Anmerkungen des Gothofredus zu diesem Titel zu vergleichen. **) Cod. Theodos. XII, 1, 25, 36 u. s.

grösseren Städten des Oströmischen Reichs. Durch ein Edict des Kaiser Theodosius vom 24. Febr. 391 war zwar alles Opfern und Beten in den heidnischen Tempeln verpönt worden, und am 10. November des folgenden Jahres wurde das Verbot auch auf die geheime Verehrung der heidnischen Götter im eignen Hause ausgedehnt, *) aber diese Verordnungen standen zunächst nur auf dem Papiere, und da man sich hütete mit wirklichen Gewaltmassregeln gegen die Heiden vorzugehen, so erhielt sich das Heidenthum auch ohne öffentlichen Cultus und Tempeldienst noch lange. In der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts gab es selbst im kaiserlichen Hofdienst noch viele Heiden, und wie in der Hauptstadt, so mussten sie auch in den Provinzen in den angesehensten Staatsämtern wenigstens geduldet werden. So wissen wir, um nur einige Beispiele anzuführen, dass der damalige Civilstatthalter von Antiochien, der Comes Orientis, ein Heide war.**) Ebenso Optatus, der Präfect von Constantinopel im Jahre 404. Erst unter Theodosius II. fing man allmälich an, die Heiden von öffentlichen Aemtern auszuschliessen. Auch die Familie des Synesius war eine althellenische und heidnische. Sie leitete ihren Stammbaum in gerader Linie von Herakles ab und konnte sich dieserhalb auf die noch vorhandenen öffentlichen Denkmäler der Stadt Cyrene berufen, ***) und manche ihrer Mitglieder waren auf diese vornehme Abstammung nicht wenig stolz. †) Synesius hatte in seinem elterlichen Hause eine sehr sorgfältige Erziehung erhalten und hatte sich dann zu seiner weiteren Ausbildung mit seinem älteren Bruder Euoptius††) nach

*) Cod. Theodos. XVI, 10, 10. 12. Zosim. IV, 33, 8.

**) Chrysost. Hom. XVI,, 1.

***) Synes. ep. 57, p. 197 C. 113, p. 254 C. catast. p. 302A.

†) Synes. ep. 3.

††) Dass Euoptius der ältere, und nicht wie es nach Tillemont's Vorgang noch bei Clausen de Synesio philosopho Libyae Pentapoleos metropolita, Hafn. 1831, heisst, der jüngere Bruder des Synesius war,

Alexandria begeben und hier unter der Leitung der Hypatia, der Tochter Theon's, seine wissenschaftlichen und philosophischen Studien vollendet. Der Name dieser Philosophin ist neuerdings durch die bewunderungswürdige Dichtung von Charles Kingsley, Hypatia or new foes with an old face, mit einem romantischen Nimbus umgeben und allen Freunden der schönen Litteratur bekannt geworden. Aus dem Alterthum selbst ist uns aber nur wenig über sie überliefert. Sie war hauptsächlich in den mathematischen Disciplinen bewandert, hatte jedoch auch den öffentlichen Lehrstuhl für Neuplatonische Philosophie in Alexandria inne. Wie weit sie dem System des Jamblichus huldigte, oder welche sonstigen Modificationen sie mit der Lehre Plotin's vorgenommen, ist nicht ersichtlich. Selbst über ihr Verhältniss zum Christenthum fehlt es uns an Nachrichten, da jedoch viele Christen mit ihr Jahre lang in freundschaftlichem Verkehr gestanden haben, so scheint. kaum anzunehmen, dass sie sich in eine offene Opposition gegen dasselbe eingelassen habe, so fremd sie ihm auch innerlich wie äusserlich gegenüber stehen mochte. *) Ebenso wenig wissen wir, ob sie Unterricht in der Rhetorik ertheilt hat.

Synesius war seiner schönen Lehrerin mit schwärmerischer Verehrung zugethan und auch sein später erfolgter Uebertritt zum Christenthum änderte nichts in seiner Gesinnung gegen sie. Andere Lehrer ausser Hypatia nennt er

geht deutlich hervor aus dessen ep. 94: ὅτι μὲν ἡμᾶς εἴκειν ἡγῇ τοῖς σαυτοῦ προστάγμασιν, οὕτω γὰρ γέγραφας, καλῶς γε ποιεῖς, καὶ δίκαια περὶ ἡμῶν φρονεῖς, καὶ πολλὰ κἀγαθά σοι γένοιτο διὰ τοῦτο. ὡς ἀπέχομέν γε τὴν χάριν, εἰ δή τις ὀφείλεται καὶ νεωτέρῳ παρ' ἀδελφοῦ πρεσβυτέρου τοῦ πείθεσθαι χάρις, ὡς οὐκ ἔγωγε οἶμαι. ἀλλ ̓ ἡμῖν εἰς ἀντίδοσιν ἀρκεῖ, τὸ μὴ ἀγνοεῖσθαι παρά σου τὴν ἔνστασιν ἡμῶν, ὅτι μόνῳ σοι τῶν ζώντων ἐκκείμεθα. Auf diesen Umstand hat bereits Druon Etudes sur la vie et les oeuvres de Synesius. Par. 1859, Seite 7 aufmerksam gemacht.

*) Die Nachrichten über Hypatia sind vollständig gesammelt von R. Hoche im Philologus XV, 3. 1859, S. 435 ff.

nicht. Wahrscheinlich rief ihn der inzwischen erfolgte Tod seines Vaters nach Cyrene zurück. Während Euoptius noch längere Zeit in Alexandria blieb, trat der jüngere Bruder zu Hause in die Functionen seines Vaters als Decurio ein. Mit den nöthigen Vollmachten versehen, zugleich beauftragt dem Kaiser eine goldene Krone zu überreichen -- dies erforderte das Herkommen bei derartigen Gesandtschaften — und ihm eine zweite in Aussicht zu stellen, wenn er bereit sei, der Stadt-Cyrene zu helfen, machte sich Synesius, wie es scheint ohne weitere Begleitung,*) etwa Ende 397 oder Anfangs 398, auf den Weg nach Constantinopel. Ob seine von ihm zärtlich geliebte Schwester Stratonice - er war galant genug gewesen, unter ein Bildniss von ihr, dass er hatte anfertigen. lassen, den Vers zu setzen: τῆς χρυσῆς εἰκὼν ἢ Κύπριδος ἢ Στρατονίκης -schon damals in Constantinopel verheirathet war, lässt sich nicht ermitteln. **) Jedenfalls fehlte es ihm in Folge seiner vornehmen Herkunft und seines längeren Aufenthaltes in Alexandria auch in der Hauptstadt des Reiches nicht an mancherlei Bekannten und Freunden.

*) Nach einem kaiserlichen Edict v. J. 380, Cod. Theodos. XII, 12, 7, mussten die Gesandtschaften der Städte aus drei Mitgliedern bestehen. Aber Synesius spricht, so oft er diese Gesandtschaft erwähnt, immer nur von sich allein.

**) Vgl. ep. 7. Der Gemahl der Stratonice hiess Theodorus und war kaiserlicher Officier (яioτýs ep. 75, dopuçópos p. 18A). Trotz seiner langen Dienstzeit war er selbst mehrere Jahre später noch nicht zur apostacía (zum decemprimatus oder primiceriatus?) avancirt, daher sich Synesius in einem Briefe an Nikander um eine Empfehlung seines Schwagers an Anthemius wandte, ep. 75. Von sonstigen Verwandten nennt uns Synesius noch den Herodes, einen Officier, den er ep. 38 an Aurelian empfiehlt, sowie den Diogenes (ep. 119, p. 257 A), ferner eine Nichte, die Tochter des Amelius, die mit bei ihm in Cyrene lebte, ep. 145.

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