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liebe sie so sehr, dass ich sie am liebsten von der Philosophie adoptiren und unter die Zahl meiner echten Kinder aufnehmen liess. Allein dies werden, so sagt man, schon die bürgerlichen Gesetze nicht erlauben, welche die rechtmässige Abstammung sorgfältig überwachen. Wenigstens kommt ihr das zu Gute, was ich ihr heimlich zuwende. So habe ich denn manches von der ernsten Seite in sie hineingelegt. Wenn Du es nun für gut befindest, so theile die Schrift den Hellenen mit. Verwirfst Du sie, so möge sie zu dem zurückkehren, der sie Dir gesandt hat. Man sagt, dass die Affen, wenn sie geboren haben, unverwandt ihren Blick auf ihre Kinder, wie auf Kunstwerke richten, voll Bewunderung für ihre Schönheit. Die Liebe zu den eigenen Kindern ist eben etwas Natürliches. In den andern Kindern erblicken sie das, was sie sind, nämlich Kinder von Affen. So muss man denn das Urtheil über seine Erzeugnisse andern überlassen. Denn das eigene Wohlwollen ist erfinderisch in Fälschung des Urtheils. Deshalb hat ja auch Lysipp den Apelles vor seine Gemälde geführt, und umgekehrt Apelles den Lysipp."

Dieser sophistische Brief, der übrigens mit seinem Affengleichniss nahe an das Gebiet des xaxólov anstreift, lässt uns keinen Zweifel darüber, dass Synesius nicht ohne eine gewisse Selbstgefälligkeit auf seine Leistung blickte und sich schon im voraus des Eindrucks freute, den sie auf die geschickt captivirten Freunde in Constantinopel hervorbringen. würde. Allerdings ist es wirklich staunenswerth, was Synesius in seiner Rede alles zu sagen gewusst hat, ohne dass sich etwa behaupten liesse, er habe Fremdartiges hineingezogen und sei vom Thema abgeschweift. Dennoch aber steht das Lob der Kahlheit hinter der Königsrede, wie hinter der Schrift von der Vorsehung, an Gedankengehalt unstreitig zurück, und bekundet selbst auf rein formalem Gebiete keinen eigentlichen Fortschritt des Verfassers zu Höherem. Auch würde er schwerlich mit den sophistischen Bestrebungen, denen er huldigte,

je zu etwas Höherem gekommen sein. Sie gewährten ihm eine augenblickliche Anregung, aber keine anhaltende Befriedigung, um eine solche aber war es dem Synesius doch eigentlich zu thun.

SIEBENTES CAPITEL.

Wir haben im bisherigen das Leben des Synesius und seine schriftstellerische Thätigkeit von seinem Auftreten in Constantinopel an etwa einen Zeitraum von sechs Jahren hindurch in leidlicher Ordnung verfolgen können. Für die nächsten sechs Jahre fehlt es uns an sicheren chronologischen Anhaltspunkten. Wir wissen eben nur, dass sein Leben äusserlich dasselbe blieb, dass er sich auch nach d. J. 404 gegen die Maceten zu vertheidigen hatte, dass ihm seine Gattin mehrere Kinder gebar, dass er fortfuhr an seine Freunde fleissig zu schreiben, dass seine freie Zeit nach wie vor der Jagd und den Büchern gewidmet war, dass er aber zuletzt aus seinem Landsitze vertrieben wurde, wahrscheinlich also seinen bleibenden Wohnsitz in Cyrene genommen hat.

Hier traf ihn i. J. 409 die Berufung auf den bischöflichen Stuhl in Ptolemais, der kirchlichen wie politischen Metropole der Pentapolis,*) - und Synesius nahm sie an, wenn auch nicht ohne Zögern und mancherlei Bedenken. Nach dem ausdrücklichen Zeugniss des Photius und Euagrius fiel seine Taufe, zu der er sich überreden liess, mit seiner Ordination zusammen. Er war also noch nicht wirklich Christ in jener Zeit, kann aber immerhin der christlichen Kirche bereits als Katechumene sich angeschlossen haben. Sicherlich muss er aufgehört haben, ein Gegner des Christenthums oder wenig

*) Das chronologische Datum nach Clausen's wahrscheinlicher Berechnung de Syn. p. 92. Später als 410 ist sie auf keinen Fall zu

setzen.

stens des Mönchthums und der christlichen Theologie im Allgemeinen zu sein, als welchen ihn uns sein Dio und der bei Gelegenheit seiner Uebersendung an Hypatia geschriebene Brief gezeigt haben, denn einem Gegner des Christenthums in seiner wissenschaftlichen Form konnte man doch unmöglich das Amt eines Bischofs, ja Metropoliten antragen, ebensowenig konnte Synesius dasselbe bei seinem aufrichtigen, wahrheitsliebenden Charakter annehmen, ohne sich selbst untreu zu werden und den Verdacht zu erwecken, als sei blos eitler Ehrgeiz und die Aussicht auf eine glänzende äussere Stellung das Motiv seines Uebertritts zum Christenthum gewesen. Vielmehr müssen wir annehmen, dass sich in der Zeit von 403 bis 409 eine allmäliche innere Umwandlung seiner Ueberzeugung vollendet hatte, durch die er schrittweise dem Christenthum näher geführt war, so dass es eben nur noch einer letzten äusseren Veranlassung bedurfte, um ihn völlig auf Seiten der christlichen Kirche zu stellen, der er bereits innerlich angehörte. So ergiebt sich aber für uns die Aufgabe, den Spuren dieser allmälichen Annäherung nachzugehen, um sie in ihrer inneren Nothwendigkeit zu begreifen.

Seit dem Uebertritt Constantins und dem Verbot der heidnischen Culte durch Theodosius war der Griechisch-Römische Polytheismus als Religion so gut wie vernichtet. Das Heidenthum konnte sich fortan nur noch in der Form behaupten, in der es sich zu allen Zeiten bis auf unsere Tage herab mehr oder weniger behauptet hat, als Religionslosigkeit, um mich dieses Ausdrucks zu bedienen. Bei der ungebildeten Masse ist Religionslosigkeit meist gleichbedeutend mit Gleichgültigkeit gegen alle höheren, sittlichen Aufgaben des menschlichen Lebens, sie führt zur Bestialität, die sich selbst vernichtet, oder zu kindischem Aberglauben. Bei den Gebildeten dagegen vertritt in diesem Falle mehr oder weniger die Philosophie die Stelle der Religion. Die Philosophie aber als das Streben aus eigenen Mitteln des vernünftigen Denkens die

sich von allen Seiten aufdrängenden Räthsel der Welt zu lösen, muss bei diesem Versuche, der bestehenden Religion gegenüber, in ein theils feindliches, theils freundliches Verhältniss treten, je nachdem sie dabei von einer materialistischen oder spiritualistischen Grundanschauung ausgeht. Denn im ersten Falle bekämpft sie die vorhandene Religion als Wahn und Aberglauben, im letzteren erkennt sie ihr eine gewisse Berechtigung zu, das metaphysische Bedürfniss der ungebildeten Menge durch allegorische Mythen und Symbole zu befriedigen, zu deren richtigem Verständniss freilich erst von ihr der Schlüssel entlehnt werden muss. Dies war denn auch die Stellung, welche der auf dem Boden des Polytheismus erwachsene Neu-Platonismus diesem als einer immerhin noch bestehenden Religion gegenüber einnahm. Er rechtfertigte durch seine metaphysischen Speculationen ihre substantielle Grundlage, den Glauben an viele Götter, wusste den mythologischen Vorstellungen durch allegorische Erklärung einen tieferen Sinn unterzulegen, und führte auf dem Wege mystischer Contemplation seine Anhänger aus dem Pantheon der römisch-griechischen Götterwelt zur intuitiven Erkenntniss des einen höchsten Gottes empor, aus dessen unendlicher Fülle die ganze Menge der unsichtbaren und sichtbaren Götter, der Daemonen, Heroen und Einzelseelen bis herab zu den elementaren kosmischen Mächten emanirt sei. So war er in der That geeignet auch in weiteren Kreisen sich Eingang zu verschaffen und das religiöse Bedürfniss der Gebildeten zu befriedigen, die zwar noch traditionell an der bestehenden Religion, als dem geheiligten Glauben der Vorzeit, festhielten, aber doch innerlich längst mit ihr zerfallen waren. Gerade am NeuPlatonismus gewannen sie das, wonach sie verlangten, und im verschwommenen Wirrwarr der bestehenden Culte vergebens verlangten, nämlich religiöse Erkenntniss und somit die Möglichkeit, ihren bisherigen Vorstellungen eine tiefere

Bedeutung unterzulegen und sie dadurch vor sich selbst zu rechtfertigen.

Aber weil der Neu-Platonismus das Heidenthum zu seiner Voraussetzung hatte, konnte er sich in der That nur so lange halten, als dieses selbst bestand. Von dem Augenblicke an, als die heidnischen Tempel geschlossen, heidnische Opferculte verboten wurden, war auch dieser Philosophie der Lebensboden entzogen, sie musste auf weitere Verbreitung und die Gewinnung neuer Anhänger verzichten, ja der Kreis derer, die sich für sie interessirten, musste täglich kleiner werden, und allmälich aussterben. Das Christenthum hatte die römischgriechische Welt vollständig erobert, und hatte mit seiner theologischen Wissenschaft, deren formelle Waffen zum Theil der neuplatonischen Philosophie selbst entlehnt waren, dieselbe bereits überholt, seinem siegreichen Vorgehen konnte dieselbe schon längst keinen erfolgreichen Widerstand mehr entgegensetzen, ja sie musste darauf bedacht sein, ihm gegenüber ihre eigene Berechtigung nachzuweisen, und das eben vermochte sie nicht. So konnten sich ihre Anhänger wohl noch eine Zeit lang über ihre eigene geistige Ohnmacht täuschen, aber allmälich mussten auch się der besseren Erkenntniss zugänglich werden und dann konnten es nur äussere Rücksichten sein, die einen Uebertritt zum Christenthum verhinderten. Gerade diejenigen Neu-Platoniker aber, denen es um religiöses Leben und praktische Frömmigkeit mehr zu thun war als um rein speculative Erkenntniss, für die also im Grunde die Philosophie nur als Religion, gewissermassen als Anleitung zum gottseligen Leben, von Interesse war, konnten am wenigsten dem Einfluss des Christenthums sich entziehen, weil dieses seinen gläubigen Bekennern in reicher Fülle gerade das zu Theil werden liess, was der Neu-Platonismus seinen Anhängern nur als mögliche Belohnung einer ununterbrochenen Tugendübung in Aussicht stellte, nämlich die Gewissheit einer

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