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Ståmme theilen, aber diese Erscheinungen klären das aegyptische und Indische Castenwesen keinesweges auf, denn im erstern Falle waren es die Handthierungen selbst, welche mit ihren bestimmten Privilegien die Erblichkeit herbeiführten, ohne alle Unterordnung und ohne ein bindendes Oberhaupt; bei andern aber ging die Stammverfaßung aus dem patriarchalischen Beduinenleben hervor. Die Familien wuchsen heran und sahen mit Eifersucht auf die Nachbarstämme, welche sie zu bekriegen und zu verdrängen suchten; aber auch hier fehlt das Band, welches Alle zusammenhålt, es fehlt der erbliche Priesterstamm, der eine Unterordnung durch Religion sanctionirt, und die Schranken stellt, worüber die andern Stämme nicht hinaus dürfen. Der Priesterstand auf Otaheiti und bei den Israeliten war insofern ganz anderer Art, als er keine Unterwerfung der übrigen Stämme forderte, und sich erst spåter so weit organisirte, daß er ein entschiedenes Uebergewicht erlangen konnte, denn so weit sehen wir erst die Leviten zur Zeit der Abfaßung des Pentateuchs durchgedrungen, während sie noch in der beglaubigten Geschichte unter den ersten Königen ohne alles Ansehen auftreten. Uebrigens aber ist die Zahl zwölf bei der jüdischen Stammeintheilung eben so bedeutend, wie die zwölf Stämme der altèn Araber und alle Dodekarchien es sind, und wie die vier Casten der Inder auf religiöse Ansichten sich gründen. Die Indische Mythe führt diese Eintheilung in das Dunkel der Zeit zurück und weiß den Ursprung nicht mehr anzugeben, aber selbst die ältesten Schriften stimmen in Namen, Zahl und Pflichten der Casten überein, die wir zuvörderst vereinzelt betrachten müßen.

Die erste Caste bildet die der Brahmanen (Brahmanas), 'd. i. Abkömmlinge und Verehrer von Brahma, von den Griechen richtig Boazuaves, von Portugiesen und Britten zuerst ungenau Brahmen ausgesprochen, woher sich das falsche Brahminen eingeschlichen hat. Der Brahmanenstand macht gleichsam das Haupt des ganzen Staatskörpers qus, ist heilig und unverleßlich, eine Beleidigung gegen ihn ohne Sühne, und den Brahmanen auch nur mit einem Grashalme schla

würde die Verdammniß der Hölle nach sich ziehen **), den Priester aber kann bei den größten Verbrechen nur Geldstrafe oder höchstens Verbannung treffen. Die Brahmanen sollen Lehrer und Weise der Nation seyn, sollen Künste und Wissenschaften fördern, als Richter die Geseße handhaben 5o), als Minister den Königen zur Seite stehen, als Aerzte heilen, da Krankheiten nach der Ansicht des Alterthunis positive Strafen der Götter sind: und dieses Alles sollen sie thun als Mister der Gerechtigkeit, als wåren sie eine Verkörperung des himmlischen Richters Dharmas, und weil sie, wie es schon das Gesetzbuch ausspricht, mächtige Götter auf Erden sind 5). Sie können daher, obwohl selbst unter dem weltlichen Gesetze, durch ihr Anathema, durch Opfer, Flüche und Segnungen die größten Wunder in der Natur verrichten 52), und das jezige Volk führt deshalb folgenden Syllogismus im Munde: »die Welt kann ohne Götter nicht bestehen, die Götter lieben Gebete, diese werden gesprochen von Brahmanen, und so find mir die Brahmanen Götter 53).« Vor allem liegt den Brahmanen ob, die Religion zu bewahren, die Vedas eifrig zu lesen und zu erklåren 5a), und die Opferceremonien zu verz richten; ihr Leben muß strenge und tadellos, gleichsam eine Wanderung seyn ohne Heimath und Eigenthum, und ohne Schäße zu sammeln 55); Reinigkeit, durch ein peinliches Nitual mit Opfern und Waschungen bestimmt, sey ihr Hauptstreben; sie sollen oft fasten und beten, nichts Lebendes tödten

49) Manu 4, 165. 169.

50) Manu 8, 1.

51) Manu 1, 98. 4, 40. 9, 317.

52) Manu 11, 31. ff.

53) Dubois meurs etc. de Indiens I. p. 186:

Devadinam jagat sarvam,

Mantradinam tà devatàs,

Tam mantram brahmanadinam:
Brahmana mama devatâs.

54) Manu 1, 88.

55) Ebendas. 4, 4.

oder genießen, höchstens nur geweihtes Opferfleisch 5). Selbst vor der Geburt eines Brahmanen beginnen gewiße Feierlichkeiten, die sich mehren, sobald er in das Daseyn getreten: es werden Opfer gebracht bei seiner Geburt (jatakarma), sodann zehn oder zwölf Tage nachher bei dem Namengeben (namakarma), der beständig auf seinen heiligen Stand sich beziehen muß, da der Inder mit den Eigennamen sehr peinlich ist und eine Vorbedeutung an dieselben knüpft 57); ferner bey der ersten Tonsur im zweiten Lebensjahre 58), und wieder bei der Anlegung der heiligen Schnur. Früh schon tritt er als Brahmacharin in die Classe der Lernenden und erhält einen Lehrer (gurus, wörtlich gravis), der in den Vedas ihn unterrichtet und den er zeitlebens wie einen Vater ehren muß 59). Vom Sten bis 15ten Jahre kann die Brahmanenweihe er= theilt werden, wobei der Jüngling den geheiligten Gürtel erhält, den der Vater gleichwohl auf den minderjährigen Sohn bei seinem Tode vererben kann 6o). Es ist dieses eine Schnur, von der linken Schulter herab quer über der Brust getragen, bei den Priestern von Baumwolle, bei der zweiten Caste, welche im 22sten Jahre sie erhalten kann, von Kusagras und bei der dritten, die erst im 24sten Jahre mündig wird, von Wolle. Die Anlegung derselben, womit die Investitur der Parsen mit dem heiligen Gürtel, oder entfernter auch die Weihe des griechischen Jünglings zum Ephebos verglichen werden mag, wird als eine zweite Geburt betrachtet, und daher führen die drei höheren Casten den Namen dvijâs oder Zweigeborne, denn vor dieser Weihe stehen sie såmmtlich mit den Sudras, als Einmalgeborne (ekajâs), auf Einer Stufe 1). Der Brahmane hat nun mit den Jahren der

56) Manu 5, 32.

57) Ebendas. 2, 30.

58) Ebendas. 2, 65.

59) Ebendas. 2, 145. 225.

60) Theater der Hindus S. 259. Mauu 2, 36 bis 63.

61) Manu 2, 169. seq.

Reife die Verpflichtung, zu heirathen ""), und als Hausbewohner (grihasthas) der Frömmigkeit und dem Lesen der Vedas obzuliegen, Gutes zu thun, und über die Gottheit zu meditiren; oder er tritt in bestimmte Aemter ein und entsagt dem ausübenden Priesterstande, weil es den Brahmanen erlaubt ist, durch jedes nur irgend ehrbare Geschäft sich den Unterhalt zu erwerben 3). Man findet in einigen Gegenden Indiens Brahmanen, welche sich selbst als Packtråger den Reisenden verdingen, ungefähr Dreiviertel der ganzen Caste find in weltlichen Aemtern, und haben von ihrem Stande nur den Vortheil voraus, daß sie durch eine beßere Erziehung sich auszeichnen, daß ihre Ländereien frei von Abgaben seyn sollen, und daß sie die Erlaubniß haben, von milden Gaben sich nåhren zu dürfen, wenn sie völlig verarmen. Im Alter kann der Brahmane den höchsten Grad der Heiligkeit erlangen, wenn er als Einsiedler (vanaprastha) sich zurückzieht, oder als Sannyasi Büßungen sich unterwirft. Bei dem Amte

des ausübenden Priesters giebt es ebenfalls verschiedene Grade, die sich auf eine mehr oder minder tiefe Gelehrsamkeit in den Veden beziehen; am höchsten stehen die Gurus, am niedrigsten die Assistenten bei Opfern, Festen und Proceßionen. Der Guru mag gewißermaßen mit einem Bischofe verglichen wer den, weil er die Rechte aller Priester eines größeren Spren gels vertritt und von den Contributionen der Gemeinden lebt, oder von den Fürsten eigends befoldet wird; der Guru am Hofe von Tanzore erhielt, als Buchanan das Land bereisete, täglich 250 Pagoden oder 91 Pfund Reis von dem dortigen Raja, besonders wenn er den Fürsten mit seinem Besuche be= ehrte 64). Die Gurus reisen durch das Land mit großem Gefolge von Elephanten, Roßen, Palankins und Priesterlehrlingen, deren Geringster schon einen bedeutenden Grad von Heiligkeit hat; gegenwärtig geschieht dieses meist zur Nacht

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64) Buchanan travels in the Mysore 1, 22. seq.

zeit, um Europåer und Mohammedaner zu vermeiden und von ihrem Ansehen nicht einzubißen, weil jeder Hindu fich vor ihnen niederwirft, um einen Segen sich zu erbitten. Dieses ist das Ideal des Brahmanenstandes, wie es das priesterliche Gesetzbuch uns schildert, und wie es sicherlich einst in das Leben trat, da die Griechen im Allgemeinen mit dieser Schilderung stimmen. Die Sophisten oder Philosophen des Megasthenes nämlich sind die ausübenden Priester, unter allen am geehrtesten, wenn gleich an Zahl den übrigen Ständen nachstehend; sie verrichteten Opfer, wahrsagten, gingen einfach einher, denn yvurós ist keinesweges von der völligen Blöße zu verstehen, oder sie kleideten sich in Leinwand und Baumwolle, verweilten unter heiligen Bäumen und nährten sich größtentheils von Früchten 5). Andere, wie Strabo hinzufügt,'enthielten sich der Weider und schliefen auf Matten und Thierfellen (v sıßúoi xaì dopaïs), worin man die eigentlichen Sivabüßer erkennt, welche noch jezt ein Ziegerfell zu ihrem Size wählen 6). Bekannt waren dem Megasthenes ebenfalls die heiligen Weihen des Brahmanen im Mutterleibe und die verschiedenen Stufen des Unterrichts, denn es wurden Priester zu einer schwangern Brahmanenfrau geschickt und dem Kinde verschiedene Lehrer gegeben. Zur Brahmanencaste gehörten ferner die meisten Magistratspersonen, die Landespråfecten und Zollbeamte, vielleicht selbst die Offiziere und Admiråle (vavágz01), überhaupt das Hofpersonale des Fürsten (οἱ ὑπὲρ τῶν κοινῶν βελευόμενοι ὁμὲ τῷ βασιλεῖ), welde Ste= gasthenes deshalb vereinzelt aufführt, weil sie mit den amtlichen Priestern nichts mehr gemein haben, sondern nur der Abkunft nach zu ihnen gehören müßen: er stellt sie sämmtlich dar als Muster der Weisheit und Gerechtigkeit, welche die Wahrheit sich zum Hauptgesehe gemacht hätten *7). Bei dem Verfalle des Inderthums aber mogten gerade diese am meisten

65) Arrian Indica 11.

66) Asiat Res. V. p. 37. 67) Arrian Indic. 12.

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