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in eine hohe Urzeit sollen zurückgeschoben werden, wie es mit andern Schriften geschehen sey, die einem alten Weisen bei gelegt worden, um ihnen Eingang und Ansehen zu verschaffen 2). Das Ganze zerfällt in zwölf Bücher, welche das öffentliche und Privatrecht in allen Beziehungen umfassen: mit einer Schöpfungssage beginnend, handelt das Werk über die Erziehung, geht dann über zu den Heirathsgesehen, den häuslichen Pflichten, den Fasten und Reinigungen, der Gottesverchrung, der Regierung und Gesetzgebung, zur Handhabung der Geseze; sodann zum Handel, zu den gemischten Casten, zur Buße und Sühnung, und schließt endlich mit der Seelenwanderung und dem Leben nach dem Tode. - Ein reichhaltiges Thema, deffen Ausführung nicht das Werk Einer Zeit und Abfaßung seyn konnte, denn manches Gewohn heitsgeseh mußte lange als Herkommen sich fortgepflanzt, und die vielen Ceremonien besonders konnten erst im Laufe der Zeit sich ausgebildet haben, bevor sie das Gesetz zu einer feften Norm für die Zukunft vorzeichnen und feststellen durfte; auch ist es dem scharfsinnigen Rhode nicht entgangen, wie eigentlich in diesem Coder die theokratischen Gesetze mit den civilen gemischt seyen, und ein Streben sichtbar werde, die Monarchie mit dem Priesterthume zu vereinen und, wo môglich demselben unterzuordnen 3). Betrachtet man die Gesetzsammlung von dieser Seite, als den Code einer überwiegenden Priesterschaft, so gewinnt man einen richtigen Maaßstab 'um die grausame Härte desselben zu würdigen; denn der Brahmanenstand tritt hier in seiner furchtbaren Größe auf, und vor ihm, dem allgebietenden Stellvertreter der Gottheit,

2) S. Asiat. Res. VIII. p. 203. 412.

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Man hat mit dem Manus

nicht uneben den Gesezgeber Minos auf Kreta, den Manis der alten Phrygier (Plutarch Isis p. 360), den aegyptischen Menes (Herodot 2, 4), und den Mannus der alten Germanen verglichen (Tacit. German. 2: Celebrant carminibus antiquis, quod unum apud illos memoriae et annalium genus est, Thuistonem Deum, terra editum, et filium Mannum, originem gentis conditoresque). Daß nur im Sanskrit der Name eine hohe Bedeutung zulasse, sahen wir Theil I. S. 219. 3) Rhode über religiöse Bildung u. s. w. der Hindus II. S. 588. ff.

muß die Menschlichkeit verschwinden: Recht ist hier nur, was mit der Theologie übereinstimmt, jedes Verbrechen ist gegen den Himmel begangen, und die Begriffe von Recht, Tugend und Frömmigkeit (dharma) fließen, wie in jeder Theokratie, völlig zusammen, gehen aber meist auf eine harte Askesis hinaus, um das ganze Volk dem Stolze der Priester zu uns terwerfen. Der Brahmane darf dieselbe Verehrung, wie die Gottheit erwarten; Alles wird zu seinen Gunsten gewendet; wer gegen ihn sich vergeht, oder die heiligen Veden verräth, wird mit dem Ausschneiden der Zunge und andern grausamen Strafen gezüchtigt, und wären diese Gesetze jemals in ihrer ganzen Strenge in das Leben getreten, so würde schwerlich das Indische Volk sich zu derjenigen Bildung erhoben haben, die wir unlåugbar antreffen; denn wo viele Geseze und Anordnungen sind, sagt Platon, bei denen ist das Leben be schwerlich: in Indien wäre es vollends unerträglich geworden. Allein von der einen Seite mögen selbst die harten Geseße einige Entschuldigung finden, wenn sie für den rohen Zustand der Indischen Urvölker, oder selbst für die eigene unmündige Nation, als deren Erzieher die Brahmanen sich aufwarfen, gegeben wurden, und es konnte allerdings weise seyn, zu einer religiösen Thätigkeit aufzumuntern, wenn das Volk, von den blutigen Fehden gegen Nachbarstämme heimkehrend, die Stunden der Indolenz mit Hazardspielen ausfüllte und berauschenden Getränken sich hingab. Gegen beide Laster find die Indischen Geseze unerbittlich, und fast mögen wir das bei den Culturzustand der halbwilden Nordamerikaner voraussehen, oder an die harten Strafen der sonst so sanften Peruaner uns erinnern 4). Von der andern Seite aber fann man diese Gesetsammlung als Ideal betrachten, wie herrschsüchtige Priester den hierokratischen Staat eingerichtet wißen wollen, ihn jedoch eben so wenig durch das ganze Indien verwirklichen konnten, als es die levitische Theokratie in Palåstina vermogte; denn schon die milden monarchischen Ge

4) S. Robertson Gesch. von Amerika I. S. 460. ff. II. S. 358.

fege ") bilderen eine kräftige und, wie weiterhin erhellen wird, in der Wirklichkeit bestehende Reaction gegen die Priesterlichen, und so verschmolzen beide Legislationen in ein für das Gemeinwohl ersprießliches Ganze. Schon die alten Commentare können dieses bezeugen, da sie Manches milder auffassen, überall das Zweckmäßigste herausheben, und ganze Geseze aus diesem Coder abrogiren, weil sie nur für ein früheres Zeitalter passend gefunden worden ); die barbarischen Strafen kommen vollends nicht in Anwendung, weil sie größtentheils auf Verbrechen gesezt sind, zu denen der sanfte Inder wenig Veranlassung und Beweggründe hat, zumal da ihn schon fein religiöser Glaube in Schranken hålt. Endlich noch hat man übersehen, daß bei vielen dieser Strafen keinesweges Ernst obwalten kann, da sie einzig und allein von der Sprache und durch Wortspiele bedingt werden, und daß sie da, wo sie etwa ernstlich gemeint seyn mögen, wie die altdeutschen Rechtsformeln mit ihren Alliterationen '), am häufigften überirdisch sind und um so leichter anzudrohen waren. soll derjenige bei der Seelenwanderung zur Eidechse (godha) werden, der eine Kuh (go) gestohlen ); derjenige zum Vogel Vaka, der Feuer (pavaka) entwandte 9); derjenige Schönheit (rûpya) erhalten, wer Silber (rûpya) gespendet 1o). Manches Ungereimte fällt demnach auf Rechnung der Paronomasie, während andere Vorschriften durch alte Vorurtheile und Gewohnheiten gerechtfertigt werden, oder mit Indischen Vorstellungen so zusammenhängen, daß sie nothwendige Folgen von religiösen Ideen seyn mußten: übersieht man jedoch das Ganze, so muß wol, wie es ebenfalls ein beson

So

5) Sie stehen bei Manu, Buch VII bis IX.

6) S. Jones general note am Schluße des Gesezbuches. 7) S. Grimm Deutsche Rechtsalterthümer. Gött. 1828.

8) Manu 12, 64.

9) Manu 12, 66.

10) Manu 4, 230. vergl. 11, 49. 94. 134.

nener Historiker bemerkt 11), zugegeben werden, daß diese Gesetzgebung im Allgemeinen der Indischen Vorzeit, aber eis nem bereits civilisirten Volke angehöre.

Eine durchgeführte Vergleichung der brahmanischen Geseße mit denen anderer Nationen des Alterthums kann nur von einem gelehrten Sachkenner angestellt werden: schon Priests ley nahm bey der levitischen Legislation auf die gleichartigen Rechtsbestimmungen des Manu Rücksicht, und die anziehenden Vergleichungen, welche Bunsen und Gans für das Erbrecht der Hindus, und Kalthoff für die Ehegesehe derselben gewinnen, lassen überall dieselben Prinzipien erkennen. Um meisten stimmen, wie es bei gleicher Verfaßung nicht anders. erwartet werden darf, die altindischen Gesezé mit denen, welche uns von den Griechen als aegyptische überliefert worden, nur daß die Legislation im Nilthale eine größere Bildung zu verrathen scheint: indessen ist hier erst Diodor von Sicilien weitläuftiger, und seine Zeit gegen die des Manu doch gewiß eine junge zu nennen, welche in so vielen Fällen mit ausländischer, besonders hellenischer, Sittigung geschmückt uns entgegen tritt 12). Hier möge nur eine summarische Zusammenstellung genügen, da wir bei den speciellen bürgerlichen Verhältnißen stets auf das Gesetzbuch zurückblicken müßen. Manu sowohl als die Aegypter dringen auf Ehrfurcht gegen die Eltern so sehr, daß bei Lehteren sogar der Leichnam des Vaters als das sicherste Pfand eines Schuldners angesehen wurde 13), dagegen wurden hier die Fremdlinge vormals den Göttern geopfert, während Manus eine Reihe von Vorschriften zur Beförderung der Gastfreundschaft gegen jeden Menschen aufstellt 14). Wer in Aegypten das Leben eines Andern håtte retten können, wurde hart bestraft, und jede Ortschaft mußte zur allgemeinen Sicherheit diejenige Leiche

11) Schlosser Universalhistorie. I. S. 122.

12) Diodor. Sicul. I, 77. seq.

13) Herodot 2, 80.

14) Manu 2, 124. vergl. Theil I. S. 60.

königlich bestatten lassen, welche etwa in ihren Grenzen gefunden wurde 15); auf den Mord sowohl des Freien als des Sclaven stand der Tod, während im Indischen Geseße das Leben eines Sudras, und noch mehr des. Paria, dem eines Insektes gleich steht, aber keine Todesstrafe erfolgt hier auf die Tödtung eines heiligen Thieres, wie es wieder im Nilthale der Fall war, wenn nicht Sühnopfer durch Priester eintraten 16). Hart war es auch, den Aegypter mit dem Tode zu strafen, der nicht angeben konnte, wovon er sich nåhre 1), jedoch erklärt sich diese Bestimmung aus dem Castenwesen hinlänglich, da das Vergehen doch eigentlich in dem Verlassen der Caste bestehen mußte. Das aegyptische Gesek von den privilegirten Dieben ist von Einigen geläugnet, oder dahin modificirt worden, daß man räuberische Beduinen möge geduldet und mit ihren Anführern contrahirt haben 18): in der That aber weiset noch Ives im südlichen Indien Etwas Aehnliches nach, und den Poligars auf Koromandel ist der Raub eine ehrenvolle Beschäftigung 19). Es gab ein eigenes Handbuch für Spizbuben, und der Gott Kartikeya war Schuhpatron des Handwerks 20), aber das alte Gesetzbuch kennt darüber keine Vorschriften und bestraft im Gegentheil den Diebstahl mit Hårte. Zu den Hauptverbrechen zählen die Indischen Geseze den Mord, Ehebruch, den Genuß berauschender Getränke, das Hazardspiel, das Verlassen der Caste, das Zerstören der öffentlichen Gebäude und Anlagen, die Münzverfälschung, Bedrückung von Seiten der Fürsten und Gebietiger, Gewaltthaten gegen Priester, gegen Büßende, gegen Ackerbauer

15) Herodot. 2, 90. Diodor a. a. D.

16) Herodot 2, 65.,

17) Ebendas. 2, 177.

18) Diodor, 1, 79. 80. Gellius Noct. Attic. 11. 18. S. Roos über das privilegirte Spißbubenhandwerk. Gießen 1811. und Voß Auge= meine Staatswirthschaft. V. S. 282.

19) Ritter im Berl. Kalender 1830. S. 108.

20) S. Theater der Hindus I. S. 142.

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