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solches Terrainverhältniss waren wir durchaus nicht vorbereitet gewesen, und dennoch jetzt so nahe dem Ziele konnte ich unmöglich ohne ein wirkliches Resultat diesen interessanten Platz verlassen. Die mich begleitenden Gauchos verspürten aber nicht die mindeste Lust, mir bei dieser Arbeit behülflich zu sein; in diesem Falle hatten Geld und Cigarretten keine Wirkung mehr. Bote, auf denen man den Thieren von der Wasserseite aus hätte nahe kommen können, waren ebenfalls nirgendswo vorhanden, so dass also nur der eine Weg übrig blieb, wenn überhaupt ein Resultat erzielt werden sollte, sich zur Zeit der Ebbe an einer entsprechenden Vorrichtung hinunter zu lassen und unten auf dem Strande den passenden Schussmoment abzuwarten. Woher ich aber eine solche Vorrichtung erhalten sollte, zumal in einer Gegend, wo die stete Antwort auf alle derartige Wünsche immer nur Nada Señor, no hay lautete, das wusste ich selber nicht. Doch sollte mir ein solches Glück rascher zu Theil werden, als ich erwarten durfte.

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Nachdem ich mehrere Male an die Küste geritten war und mich, so gut es von oben mit Hülfe eines Opernglases möglich war, mit dem Leben und Treiben der Thiere vertraut gemacht hatte, traf ich eines Tages ganz zufällig mit einem Gaucho im Campo zusammen, der mir mittheilte, dass er in früheren Jahren öfters auf diese Thiere der Felle halber Jagd gemacht habe, indem er sich an einer langen Soga, d. h. an einer aus vielen Kuhhautstreifen gefertigten Schnur herabgelassen und die Robben dann im Schlafe mittelst eines Schlages auf die Nase getödtet habe. Natürlich suchte ich mir diesen Mann sofort zum Freunde zu machen, der mir denn auch versprach, mir eine solche Soga zu verschaffen und bei dem Erlegen der Thiere behülflich zu sein. Leider aber wurde er verhindert, sein Versprechen zu erfüllen, und so musste ich mich denn mit dem Empfange einer 200 Fuss langen Soga begnügen. Es handelte sich also jetzt darum, dass mein Chasseur sich mit Büchse und Munition an der 160 Fuss steil abfallenden Küste herabliess. Das Unternehmen war jedenfalls ein gewagtes, zumal die Gesteinsmasse bröckelig war und dem Fusse keinen sicheren Stützpunkt gewährte; oben war der Boden bereits durch die fortwährende unterminirende Arbeit des Meeres von mehreren Längsspalten durchzogen und das ganze Terrain erinnerte mich an das so überaus stark unterminirte Cap de la Hêve bei Hâvre. Beim Heruntersteigen konnte ich mit einigen Gauchos meinem Jäger wohl behülflich sein, aber nicht beim Hinaufsteigen, so dass ich sehr wohl die Verantwortlichkeit empfand, wenn ich ihn zur Ausführung des

Unternehmens aufmunterte. Die grossartige Scenerie dort unten zog aber auch ihn so an, dass er sich endlich entschloss, nachdem wir ausser der langen Soga auch noch mehrere Lassos zum Umbinden des Körpers herbeigeschafft hatten, das Experiment auszuführen. Es ging auch alles so weit gut, nur eilten die Thiere bei dem ungewohnten Anblicke, den wir ihnen leider nicht verbergen konnten, sofort in den Ocean und vereitelten insofern unsere Absicht; doch war ich vorläufig zufrieden, dass mein Chasseur durch den ersten glücklichen Versuch Muth bekommen hatte. Wir hatten schon die Tage zuvor beobachtet, dass die beste Jagdzeit jedenfalls Morgens in aller Frühe sei, wo einige der Thiere stets schlafend am Strande lagen. Wir ritten also hinfort mit Sonnenaufgang aus unserem Rancho, der Lehmhütte in der Pampas, und waren dann schon gegen 6 Uhr an der Küste.

Nach einigen vergeblichen Versuchen gelang es denn, zunächst ein ausgewachsenes Weibchen in unseren Besitz zu bekommen, das mittelst dreier Pferde und einiger Lassos die steile Küstenwand hinaufgezogen wurde. Es war dieses das Weibchen von Otaria leonina, welche Species die Gauchos wegen ihrer einfachen Haarart ohne Unterwolle Lobo marino con uno pelo heissen im Gegensatze zu Otaria falklandica, welche eine röthlichbraune Unterwolle besitzt und deshalb Lobo marino con dos pelos genannt wird.

Darauf erhielten wir ein junges Männchen derselben Art, dessen Schädel vornämlich wegen seines Milchgebisses von zoologischem Werthe war.

Nächstdem erlangten wir ein schönes ausgewachsenes Exemplar der Otaria falklandica, welche Species dort viel seltener ist, eben weil gerade ihr wegen des vorzüglichen Felles besonders nachgestellt wird. Jener obenerwähnte Gaucho, der seit 20 Jahren diese Thiere beobachtet hatte, theilte mir mit, dass alle von ihm erschlagenen Thiere dieser Art stets Männchen gewesen, dass dagegen die Weibchen ihm vollständig unbekannt seien. Wir hatten unser schönes Exemplar schon vollständig präparirt, und es bedurfte nur noch des Trocknens, als ein anhaltendes Regenwetter eintrat und uns volle 5 Tage an unsere kleine Hütte band, worin ich auch die verschiedenen Thierbälge aufbewahrte. Als ich nach Beendigung des Unwetters die präparirte Otaria falklandica genauer untersuchte, musste ich zu meinem grossen Leidwesen entdecken, dass trotz aller angewendeten Vorsichtsmassregeln bereits zwischen den Vorder- und Hinterflossen ein vollständiger Zersetzungsprocess eingetreten war

und mir nichts übrig blieb, als den noch unbeschädigten Kopf, allerdings den charakteristischsten Theil des Körpers, von dem Rumpfe zu trennen. Auch die Rückenseite war noch ziemlich unbeschädigt und ich konnte sie noch benutzen, um wenigstens die Farbe und Zusammensetzung des Pelzes zu erkennen. Beide Theile liegen jetzt gut präparirt neben dem unverletzten Schädel ebenfalls im Museo publico zu Buenos Ayres.

Je länger und je öfter wir aber an der Küste verweilten, um so mehr musste ich bemerken, dass sich die Thiere allmälig immer mehr von ihrem gewohnten Aufenhaltsorte entfernten. Hauptsächlich wünschte ich noch ein ausgewachsenes Männchen der Otaria leonina, denen aber von Anfang an stets am schwierigsten beizukommen war. An einem schönen Morgen jedoch, als wir auch schon gegen 5 Uhr an der Küste waren und Rundschau hielten, bemerkte ich längs des ganzen Strandes kein einziges Thier, dagegen auf jenem aus dem Ocean hervorragenden Toskafelsen, der selbst bei der Ebbe noch von dem Wellenschlage bespült wurde, ein altes Männchen der Otaria leonina im anscheinend tiefsten Schlafe liegen. Kaum hatte ich meinen Jäger darauf aufmerksam gemacht, als dieser sich auch schon anschickte, den verhängnissvollen Gang nach unten anzutreten. In nicht minder grosser Spannung stand auch ich, mein Opernglas stets nur auf den einen Punkt gerichtet; denn wachte das Männchen auf, so war alles wieder vergebens, und wer konnte wissen, ob wir bei den immer schwieriger werdenden Verhältnissen jemals ein solch' schönes Exemplar wieder antreffen würden. Während ich so einerseits das Thier in Auge hatte, andererseits jedem Schritte meines Jacomin's folgte in Besorgniss, dass ein Fehltritt seinerseits ein Steinchen der so bröckligen Toskamasse loslösen könnte, dessen Fallen alsdann das Thier wahrscheinlich aufwecken würde, befand ich mich in einer wahrhaft fieberhaften Aufregung, wie ich solche in meinem Leben seither noch nicht gekannt hatte. Nachdem ich so wohl über eine halbe Stunde vergebens auf einen Schuss gewartet, knallte es zum ersten und sogleich auch darauf zum zweiten Male, und siehe da, der grosse Koloss, dessen Länge volle 10 Fuss betrug, lag regungslos auf dem Toskablocke da, der so schmal war, dass eine einzige kräftige Bewegung des Thieres genügt haben würde, es schliesslich dennoch vor unserer Nachstellung zu retten. Die beiden Kugeln hatten aber dieses Mal zu gut getroffen, nämlich in den Hals und in die Brustseite, so dass sofort die ganze Lebenskraft gebrochen war. Der gewaltige Blutstrom, welcher sich über den

ganzen Felsen ergoss, lockte aber auch alsbald eine grosse Anzahl Weibchen herbei, während die Männchen sich fern hielten. Sie suchten unter fürchterlichem Gebrüll und Geschnaufe mit Hülfe der an dem Felsen sich brechenden Wellen, welche von Minute zu Minute immer höher gingen, da die Fluthzeit bereits eingetreten war, die obere Platte zu erreichen und ihren Sultan, wenn auch todt, seinem natürlichen Elemente zurückzuerobern und unserem Besitze zu entreissen. Es war dieses eine der interessantesten Scenen, welche mir je vorgekommen sind.

Einige der Weibchen zeigten aber in höchst ungnädiger Weise ihr wohlversehenes Gebiss und schienen vor lauter Wuth alle Menschenfurcht verloren zu haben. Inzwischen hatte Jacomin jedoch seine Büchse wieder geladen, um im günstigsten Falle auch noch ein zweites Weibchen zu erhalten; doch dieses gelang nicht, und er musste sich damit zufrieden geben, dass die Weibchen hinfort jenen Felsblock nicht weiter bestürmten.

Da einerseits die Fluth immer höher ging und ich nicht wissen konnte, ob das Wetter auch noch am kommenden Tage unserem Unternehmen günstig sein würde, andererseits es mir im Augenblicke an der nöthigen Mannschaft fehlte, um auch dieses Exemplar gleich den früheren hinaufzuziehen, so beschloss ich, mich zunächst vor allem in den Besitz des Kopfes zu setzen, da dieser von dem an jener überaus ungünstigen und schwer zugänglichen Stelle gelegenen Körper am leichtesten zu trennen war. Nach mehreren vergeblichen Versuchen des Hinaufziehens hatten wir schliesslich denn doch die Freude, diesen durch die hoch aufgeworfene Schnauze so interessanten Kopf, wonach das beifolgende Bild entworfen ist, in unserem Besitz zu haben und an einen Lasso gebunden gleichsam als Siegestrophäe nach unserer Estancia heimzubringen. Die Versuche, welche wir am folgenden Tage machten, um auch den übrigen Körpertheil zu erlangen, scheiterten leider an der Unzulänglichkeit der mir damals zu Gebote stehenden Hülfsmittel.

Die Erlegung dieses letzten Exemplares hatte aber zur Folge, dass sich die Thiere immer mehr und mehr von jenem Küsteneinschnitt entfernten und in die offene See zurückzogen. Ich durfte für die nächstfolgende Zeit nicht mehr darauf rechnen, die Robben wie seither in ungestörter Ruhe theils am Strande theils auf den einzelnen Toskafelsen beobachten zu können, und musste mich mit den gewonnenen Resultaten begnügen.

Zunächst war ich darüber gewiss geworden, dass an der Ost

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küste Südamerikas nur zwei Robben-Arten vorkommen und dass von der Otaria falklandica sich dem Auge wenigstens nur das Männchen zeigt. Ich habe diese letzteren Thiere Stunden lang beobachtet, sowohl im Wasser, als am Strande, stets aber fand ich sie vollständig isolirt sowohl von dem Männchen als von dem Weibchen der Otaria leonina. Dem Schwimmen dieser gewandten Männchen zuzusehen ist eine wahre Lust, auch sind sie an ihren wahrhaft künstlerischen Bewegungen im Wasser sofort von der anderen Species zu unterscheiden; besonders scheinen sie es zu lieben, sich auf die eine Seite zu legen und, indem sie den hinteren Körpertheil ein wenig aus der Meeresoberfläche heben, nach allen Richtungen hin die raschesten Bewegungen auszuführen. Ihre gedrungene Körperform, die im Vergleiche mit der anderen Art eine viel schlankere ist und überhaupt dem Auge bei weitem mehr zusagt, unterstützt sie wesentlich hierbei. Der spitzzulaufende Kopf mit dem schönen Auge erinnerte mich am meisten an einen Fuchskopf, und es wird demselben durch

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