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Urtheile in den alten Mallis und Placitis.

Vierter Artikel.
Gerichtliche Urtheilssprüche.
Inhalt,

IV. Arefta,Mandata, Prácepta,Pro-
visiones §. 373. 374.

V. Kirchliche und bürgerliche Sententia §. 375.376.

I. Urtheile, so in den alten Wallis oder
Placitis gefället worden §. 369. 370..
II. Judicia, Judicata §. 371
III. Recognitiones, Decreta u. f. f. VI. Definitiones, Expositiones, Pros
fessiones u. s. f. §. 377. 378.

S. 372.

N

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369.

Lachdem wir unsern Lesern einen kurzen Begrif von denjenigen Schriften beige: bracht haben, welche vor denhUrtheilen vorherzugehen pflegten: so müssen wir nunmehr auch auf die leßtern kommen. Unter der ersten und zweiten Linie der fränkischen Könige wurden die Versamlungen, worin man Rechtshändel zu ents scheiden pflegte, Mallus oder Mallum und Placitum genant. Diese lettere Bez nennung bezeichnete auch fast eben so oft die Urtheile selbst, die in diesen Versamlun gen gefället wurden; daher denn die Placita unsere Könige kommen, welche nichts anders waren, als Briefe oder Diplomen, die in den algemeinen Versamlungen des ganzen Volks ertheilet wurden, und worin man eine Streitigkeit zu entscheiden pfleg: te (a). Daher rüret denn, dem du Cange zu Folge, die Formel car tel est notre Plaifir; welches ursprünglich bedeutet, daß dies das Urtheil der Stände gewesen, quia tale fuit noftrum Placitum (6). Man gab den Namen Placita auch zus weilen den schriftlichen Schenkungen, Verträgen und Vergleichen; zuweilen aber auch den Statuten, welche diejenigen, die die Bischöfe einweiheten, ihnen als Regeln ihres Verhaltens ertheileten (c). Dergleichen Charten waren in Spanien unter den al ten westgothischen Königen nicht selten (d); ja fie sind noch bis in das zwölfte Jahrhundert üblich gewesen, wie aus dem zehnten Canone des Concilii zu Compostel im Jahr 1114 erhellet, welcher die Aufschrift hat, de placitis et caeteris fcripturis, woselbst verordnet wird, daß dergleichen Acten entweder von wirklichen, oder, daß wir uns der eigenen Ausdrücke dieses Canons bedienen, von authentischen Clericis, oder von den Richtern, oder auch von dem Archidiaconus oder Erzpriester des Orts auss gefertiget werden sollen; widrigenfals dieselben ungültig seyn solten (2). Sonst aber wurde diese Benennung mehr von gewissen Artikeln solcher Schriften, als von §. 370. den Schriften selbst gebraucht (e) (102).

(a) MABILLON de re diplom. lib. 1 cap. 2 n. 3. (b) CANGII Glosf. (c) BALVZII Capitul. tom. 2 p. 614. (d) Leges Wifigoth. lib, 12 .2 1. 16. (e) BALVZ, Capit. tom. 2 p. 614. (A) Placita et caetera huiusmodi fcripta ab authenticis Clericis, fiue iudicibus, vel ab Archidiacono, fiue ab ipfius loci Archipresby

tero fiant. Sin autem caffa habeantur, D'A-
GVIRRE Concil. Hifpan. tom. 3. p. 323.
(102) Mallus oder Mallum, welches der

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S. 370.

Dergleichen Acten, welche in der Aufschrift Placitum genant werden, nemen Fortsetzung. in dem Tert selbst die Benennungen Iudicium, Donatio, Conuentio, Recognitio, Scriptura profesfionis, Traditio, Recognitio euacuationis nebst vielen andern an (f). Es giebt daher ausser Spanien wenig Diplome, die in dem Tert selbst Placis tum heissen; ob wir deren gleich eine unzălige Menge angeben könten, wenn man sich nach den Aufschriften richten wolte, die ihnen die Samler der Urkunden ertheilet ha ben. Indessen finden sich doch manche, wo auch das Wort Placitum in dem Tert selbst vorkommt; alsdann aber ist solches nicht sowol eine Benennung der Schrift selbst, als vielmehr des darin befindlichen Urtheils, oder der Versamlung und des Ge: richts, von welchen dasselbe gefället worden. Eben dis könte man auch von den Schriften behaupten, welche Assisiå genant werden; auffer nur, daß man in England den verschiedenen Breveten oder Zeduln, die mit unsern verschiedenen Arten von Afs fignationen die größte Aenlichkeit haben, mit diesem Namen zu belegen pflegt. Die Assisiå Litrerd, eine Art von Briefen, die durch die Verordnungen unsrer Könige bekant worden, mus man ebenfals in keiner andern Bedeutung nemen (103),

S. 371.

Ohnerachtet der Ausdruck Judicius oder Judicium oft nur die Versamlung Judicia. der Richter oder auch die Handlung bezeichnet, in welcher sie einen Ausspruch für oder wider die streitenden Personen thun: so ist es doch nichts seltenes, daß dieses Wort auch diejenigen Schriften andeutet, welche dieses Urtheil enthalten. Viele von den alten Judiciis enthielten blos eine Erzälung der Ansprüche der streitigen Par:

Diplomen bedeuten, sagt Mabillon an dem von
den Verfassern angefürten Ort S. 4. Placita di-
cebantur Regiae litterae, quibus controuerfiae
iudicium in frequenti optimatum placito feų
conuentu definitum continebatur. Et erant
Comitum et Misforum dominicorum Placita;
von welchen Missis dominicis der frånkischen
Könige in der vorhinangefürten Differt. des du
Fresne S. 48 und in Pfeffingers Variar, il-
luftr. Th. 1 S. 223 gehandelt wird.

(f) Hift. de Langued. tom. 1 p. 99. 113. warscheinlichsten Meinung zu Folge von dem Morte Mal, fignum, abgeleitet wird, und das her locum fignatum, certum et conftitutum indicii bedeutet, war eigentlich ein algemeines Landgericht, so wie die mehresten Verfamlungen der alten Teutschen unter freien Himmel gehat: ten wurde. Van den Mallis und Placitis und deren verschiedenen Arten kan auffer dem Wör: terbuch des du Cange übrigens mit mehrern nachgesehen werden Haltaus im Glosf. S. 233 1298 f. 1932. S. 227.597.732. 1165.1775 u.f. f. Joban Jac. Sorberi Comm. de Comitiis vet. Germanor. Vol. II. Srankfurt und Leipzig 1749. S. 10. 51.69. 212 und S. 17. 145 f. Serm. Adolph Meinders Disf. de iudiciis centenariis et centumuiralibus vet. Germanor. Du Fresne Differt. von den ehemaligen Placitis ante portas in Wilh. Friedr. von Pt. florius! Amoenit. hiftorico- iurid. Th. 1. S. 74 f. u.a. m. Von den Placitis, so ferne folche

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(103) Der Hr. Verfasser des Chronici Gotis wie. verfichert Th. 1. S. 82 gleichfals, daß er die Benennung Placitum, eine gewisse Art von Diplomen zu bezeichnen, nirgends angetroffen habe; doch komme in einem Diplom Conrads 1, so in der Abtey St. Emmeran zu Regenspurg befindlich ist, der Ausdrück Complacitacio vor, wo es S. 129 heist: Et vt huius COMPLACI TATION 18 praeceprum firmum stabileque. permaneat u. f. f

Recognitio

Parteien nebst dem richterlichen Ausspruch, diese Ansprüche durch einen Eid zu bez kräftigen (g), oder, im Fal man den kürzern ziehen solte, die in den Gesehen verord nete Strafe zu ́erdulden (h); da hingegen derjenige, welcher alle Bedingungen des Eides erfüllen würde, den Handel gewonnen haben solte. Diese Eide wurden von einer gewissen Anzal von Eidesgehülfen innerhalb einer bestimten Zahl von Tagen und in denjenigen Kirchen abgeleget, die die Richter dazu ernant hatten. Von der Eidesformel wurden Acten ausgefertiget, denen man das Datum, wenn der Eid ab geleget worden, die Zeichen der Zeugen und die Unterschriften der Richter beizufü: gen pflegte; und dergleichen Schriften hiessen alsdann Conditiones facramentorum oder fagramentorum (i). Der blosse Ausdruck Judicium wurde besonders auch den Testamenten beigelegt (F), welches auch von den Benennungen Judicas tum und Decretum gilt, als welche gleichfals die Testamente und deren Verord: nungen bezeichneten. Judicarum wird ausserdem auch von den Sentenzen der Richter gebraucht. Man pflegte diesen Namen sonderlich denjenigen rechtlichen Aus: sprüchen zn geben, worin die Päpste solche Streitigkeiten entschieden, bey denen man fie zu Schiedsrichtern erwälet hatte, oder welche ordentlicher Weise für ihr Gericht gehöreten (1). Alle diese gerichtlichen Urtheile gehören in das höchste Altertum, und es giebt nach dem zehnten Jahrhundert nur noch sehr wenige Beispiele von densel ben. Ausserdem giebt es noch mehrere Arten solcher Sentenzen, welche eben so alt find. Judicium evinditale war ein Urtheilsspruch, wenn jemand widerspenstig gewesen und vor Gericht nicht erschienen war (m), (Jugemens par defaut), und eine solche Acte hies auch Charta jectiva oder jactiva (n). Judicium evindica. rum (o) und Judicium evindicati (p) haben gemeiniglich dieselbe Bedeutung. Durch einen solchen Urtheilsspruch wurde man in den Besiß der streitigen Sache ge fehet, oder es wurde auch dem Grafen einer gewissen Gegend aufgetragen, den Ge gentheil zur Befriedigung derjenigen Parten, die ein solches Judicium evindica, torium erhalten hatte, anzuhalten. In eben derselben Bedeutung sagte man auch Práceptum evindicatorium, oder evindicationis Charta, evindicatoria, oder auch nur schlechtweg evindicatorium. Das Judicium evindicatum de Colono, war ein Rechtsspruch, wodurch man wieder zu den Besiß eines vor Gericht überzeugten Leibeigenen gelangte (9).

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S. 372.

Wir wollen hier dasjenige nicht wiederholen, was wir schon anderwerts vonk nes, Decreta. den Relationen, die bey den Sentenzen befindlich waren, imgleichen von den Notiz tien in Form eines Berichts, die aber nichts anders als Urtheilssprüche der Richter waren, angemerket haben. Indessen können wir doch die verschiedenen Gestalten nicht unberüret lassen, unter welchen dergleichen Rechtssprüche, nach Masgebung der

SIRMOND. C. 40.

ver:

(9) MABILLON de re diplom. fupplem. p. 79. (h) Ibid. p. 81. 82. Formul. (i) Hift. de Langued. tom. 1. p. 28. 55. 124. (1) (1) Lib. Diurn. Rom. Pontif. p. 118. (m) BA. LVZ. Capitul. tom. 2. p. 395. (n) Ibid. p. 550. (0) Ibid. p. 487.

CANGII Gloffar.

(p) Ibid. p. 551.

(q) Ibid. p. 437.

verschiebenen darin enthaltenen Sentenzen erscheinen. Wenn jemand gewisse Güter als precaria besas, aber die Bedingungen des Vertrags nicht erfüllet hatte: so stel: lete er eine Recognitionem von sich, daß er dem Eigentümer so und so viel Jahre schuldig sen (r). Hatte jemand ein Gut unrechtmäßiger Weise in Besik, so muste er dasselbe in Gegenwart der Richter durch eine Acte abtreten, welche Recognitio evacuationis (6), oder auch nur Recognitio oder Scriptura profeßionis genantwurde. Wenn die Richter gewisse Güter, die sich jemand unrechtmäßiger Weise angemasset hatte, den rechtmäßigen Besitzern wiederzusprachen, so geschahe solches in einer Acte, welche Traditio hies (t). Dergleichen gerichtliche Urtheile aber sind unter den Benennungen der Decrete, Urets und Sentenzen am bekantesten. Die auf einer Kirchenversamlung befindlichen Bischöfe nanten ihre Rechtssprüche pontificale Decretum, Scriptură decretum oder auch nur blos Decretum; wenn sie gleich nur weltliche Sachen betrafen (u). Die Decrete der Fürsten waren nichts anders, als die Rechtssprüche selbst, die sie nach dem Verhör beider Parteien fälleten, wohin auch das Decret des Kaisers Constantii wider den Papst Côlestius (r) und des Königs Hunnerik wider die Rechtgläubigen in Africa gehöret (y).

S. 373.

Der Name Arestum ist griechischen Ursprungs und komt von dgesov, Placi- Aresta, Re: tum her. Es bezeichnet derselbe besonders die Rechtssprüche der Parlamente und corda, Pro andrer obern Gerichtshöfe, welche im Namen des Königs gefället werden, und von visiones. denen keine weitere Appellation statfindet. Herr du Cange bemerket, daß sie in den Parlamentsverzeichnissen Aresta, Judicia, Confilia, Prácepta oder Mandata genant werden; wozu man noch die Benennung Litterå fügen kan, als welche in einem Aret des Parlaments zu Paris vom Jahr 1372 allein und ohne einigen wei tern Beisah gebraucht wird. Eben dieser Verfasser unterscheidet die Aresta, Judi cia, Consilia und Mandata so, daß die erstern diejenigen Urtheile sind, welche öffent lich ausgesprochen werden, wenn die Sachwalter der Parteien ihre Gründe vor den Richtern angefüret haben; Judicia aber solche Urtheile, die nach Masgebung des schriftlichen Processes und auf eingeholten Bericht gefället werden. Die Confilia aber erkläret er durch Dilationes, die den Parteien ertheilet worden, und Mandata endlich durch Verordnungen der obern Gerichte an Amtleute, Seneschallen und an: dre Unterrichter (3) (104).

(r) Hift. de Langued. tom. I. p. 30. (3) Ibid. p. 128. tom. 2. p. 21.
Ibid. tom. I. p. 118. (u) Ibid. tom. 2. p. 45. 47.
(1) Ibid. tom. 4. p. 1138. 1141.

tom. 2. p. 1609.
tom. 3. p. 69. feqq.
(104) Du Cange leitet die Benennung der
Arets in seinem Wörterbuch daher, quod poft
varias ab inferioribus et pedaneis iudicibus de
re quapiam latas fententias, litem et contro-

7. Th. Diplom,

§. 374.

(t)

(t) Concil. LA B B.
(3) Hift. de Paris

uerfiam fupremo examine et iudicio definiant
ac decidant. Arrefter enim noftris eft decer
nere, ftatuere. Die Ableitung des Menage
im Diction. Etymol. von stare, ad und re, schei,

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Fortsetzung.

Kirchliche

zen.

S. 374.

Wir wollen noch das bemerken, daß Arestum in der Bedeutung, in welcher es heutiges Tages vorkomt, auf das späteste schon im dreizehnten Jahrhundert üblich gewesen (a), und daß nach der Verordnung Francisci 1 vom Jahr 1539 alle Areis in der französischen Sprache ausgefertiget werden. Indessen würde es unnötig seyn, wenn wir uns bey den königlichen Arets und ihren verschiedenen Arten aufhalten wolten, als wohin die Arêts fur requête, arêts interlocutoires, arêts par forclufion, arêts provifoires, arêts contradictoires, arêts de règlement u. f. f. gehören. Ueberhaupt sind die Arets nicht nur durch ihre verschiedene Be: nennungen, sondern auch in Betrachtung ihrer Formeln von einander unterschieden. Man darf nur des du Molin Tractat von den Arets ansehen, wenn man von ihrer Verschiedenheit überzeugt seyn wil (b). Wir können uns hier nicht bey einem Gegenstande aufhalten, welcher ein besondres Werk erfordern würde. Die Endurtheile, von welchen keine Appellation mehr starfand, wurden seit dem zwölften Jahrhundert besonders in England oft Recordum genant; so wie gewisse päpstliche und königliche Diplomen Provisiones hiessen und noch heissen. Sonst wurde der Nas me Provisiones auch den Decreten, Statuten oder Urtheilssprüchen der geistlichen und weltlichen Gerichte gegeben.

S. 375.

Die Aussprüche der untern Gerichte füren heutiges Tages den Namen der. und burgerki: Sentenzen; da sie ehedem nicht nur bey den obersten Gerichtshöfen, sondern auch che Senten in den geistlichen Gerichten üblich waren. Wenn vor Alters ein Bischof, Priester oder Diaconus abgeseht werden solte: so geschahe solches durch eine Acte, welche ben den Lateinern Sententia und bey den Griechen aróqασis (c) oder ñpos (d) und zuweilen auch nadaigeois (e) genant wurde. Der Ausspruch, worin die Kir chenversamlung zu Air la Chapelle dem König Lotharius erlaubte, eine andere Gemalin anstat der Königin Thiedberge zu heiraten, heist gleichfals eine Sententía.

(a) Hift. de Paris tom. 4. p. 516. (6) MOLIN. tom. 3. part. 6. tract. de for--
ma areftorum. (c) Concil. LABB. tom. 2. p. 794. tom. 3. p. 533. (0)
Ibid. tom. 3. p. 1597. tom. 5. p. 251. (e) Ibid. tom. 3. p. $49.

net ziemlich weit hergeholet zu seyn: dagegen
die von den Herrn Verfassern angenommene
Meinung in Absicht der Abstammung dieses
Worts schon vom Heinrich Stephanus in sei:
nen Etymologies Françoifes, Voßins de vitiis
fermon. S. 359 und Casencuve in den Origi-
nes de la langue Françoise behauptet worden;
daher es auch nur mit einem einfachen r ge:
schrieben werden mus. Die Formel der eigent:
lichen Arets nach des du Cange gemachten Ur:
terschied war: Quibs rationibus vtriusque
partis hinc inde auditis, dictum fuit per ar-

·

reftum curie u. f. f. Der Judicia: Vifa, inquefta et diligenter infpecta pronuntiarum fuit per Curiae iudicium u. f. f. Der Confilia aber: Dies confilii asfignata eft tali, fuper tali fite, ad aliud Parlamentum proximum, aut ad alios dies Trecenfes u. f. f. Und endlich der Mandata: Iniunctum eft Bailliuo tali u. f. f. S. du Cange Differt. von den Placitis ante portas mit des Herrn von Pifto:. rius Anmerkungen in des lehtern Amoenitat. Th. 1. S. 51. f.

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