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Bey dem Beweis der ächten Richtigkeit der Urkunden mus man notwendig Entwurf dice durch zuverlässige Regeln geleitet werden. Wie wird man aber diese fer Abhands Regeln benötigten Fals gebrauchen können, wenn man die Quellen nicht lung. weis, aus denen sie geschöpft werden müssen? Wir müssen daher unsere Aufmerksamkeit vornemlich darauf richten, wie wir diese Regeln nicht nur entdecken; sondern sie auch so viel als möglich ist, jederman leicht und verständlich machen mó: gen. Sie beziehen sich auf sieben Stücke, und betreffen die Materie, worauf man geschrieben, die Werkzeuge und Dinte, womit die Diplomen geschrieben worden, die Gestalt der dazu gebrauchten Buchstaben, die Siegel, die Schreibart und die Fors meln, deren man sich dabey bedienet. Wir werden uns bey den drey ersten Umståns den nicht so weitläufig aufhalten; weil sie lange nicht so fruchtbar sind, als die übriz gen. Die Gestalt der Buchstaben bietet uns nicht nur Reichtümer von allen Urten dar; sondern scheinet auch uns sehr wichtige Entdeckungen zu versprechen. Die Kunstrichter, welche keine hinlängliche Kenner der Ultertümer sind, beschäftigen sich allein mit der Untersuchung der Siegel, der Schreibart und der Formeln; ohnerach: tet die vier ersten Stücke und besonders die Lehre von den Buchstaben niemals mit zu vieler Sorgfalt abgehandelt werden kan. Und dieses, nebst den drey folgenden Merkmalen der Diplomen, sind wir entschlossen in ein so helles Licht zu sehen, als die: se Gegenstände nur fähig sind. Was die Materie, die Instrumente und die Dinte betrift, werden wir in einigen wenigen Abschnitten abzuhandeln suchen; dages gen aber werden wir der Untersuchung der Schrift, der Siegel und der Formeln ganze Hauptstücke widmen müssen. Was die Schreibart anbetrift, welche in der Rechtsgelehrsamkeit mit den Formeln verwechselt wird: so kommen ihre Begriffe in allen Stücken so sehr miteinander überein, daß es unmöglich ist, beyde in dem Vors trag voneinander abzusondern. Wenn aber die Schreibart, so wie dieser Ausdruck von den Sprachlerern genommen wird, gar leicht von den Formeln unterschieden werden kan, ja mit der Schrift selbst in einer genauen Verbindung stehet: so stehet sie auch in einem noch weit genauern Verhältnis mit den Formeln. Und aus diesen zweien Diplom. I. Th. Nnn Gesichtss

Aenffere Merkmale der Diplo:

men.

mans.

Gesichtspuncten werden wir ein Unterscheidungsmerkmal betrachten, welches in einem diplomatischen Lehrgebäude nicht aus der Ucht gelassen werden darf; ob es gleich in manchen Absichten unerschöpflich genant werden kan.

S. 521.

Die jetzt angefürten sieben algemeinen Merkmale können von einer gedoppelten Seite betrachtet werden. Die fünf erstern sind aufsere, die beiden lehtern aber in: nere Merkmale. Durch innere Merkmale verstehen wir solche, welche sich bey jeder Charte befinden, welche von derselben unzertrenlich sind, und allemal bey derselben angetroffen werden, unter was für einer Gestalt dieselbe auch zum Vorschein kommen mag; welche folglich auch den Abschriften eben sowol eigen sind, als den Originalen. Im Gegentheil sind die äussern Merkmale so genau mit diesen lehtern verbunden, daß sie den Copien niemals mitgetheilet werden können. Wenn es scheint, daß eini: ge derselben auf diesen lehtern angetroffen würden: so geschiehet solches doch allemal auf eine unvolkommene Art, die den Originalen jederzeit einen sehr groffen Vorzug übrig lässet. So brauchbar nun auch die innern Merkmale bey dem Unterschied des Wahren von dem Falschen seyn mögen: so haben doch die äussern gemeiniglich etwas vorzügliches an sich, welches die Kenner der Altertümer auf eine weit zuverläßigere und geschwindere Art entweder zum Vortheil oder auch zum Nachtheil derjenigen Ur funden einnimt, die man ihnen zur Prüfung vorlegt.

S. 522.

Widerlegung Wenn Herr Heuman, Lehrer der Rechte auf der Universität zu Altorf, feine Herra Heus Leser ersucht, sich nicht über ihn zu entrüsten, daß er die äussern Merkmale der Ur kunden, ausser dem Verhältnis mit den innern betrachtet, oft für betrüglich und unzuverläßig hält (A): so geschiehet dieses nicht sowol aus einem Vorurtheil wider die aussern Merkmale der Urkunden, die zu untersuchen er zu seinem nicht geringem Ver: drus keine Gelegenheit gehabt (a); sondern vielmehr aus einer gewissen besondern Neigung für die innern Merkmale, bey welchen er seinen Wiß auf eine ungezwun genere Art üben können. Wir sind nicht willens mit einem Man zu zürnen, wels cher wegen des richtigen Gebrauchs seiner weitläufigen Gelehrsamkeit und einer ihm besonders eigenen Bescheidenheit eine vorzügliche Achtung verdienet. Wir ersuchen ihn nur, sich zu erklären, ob er durch die bey Seit gesetzten innern Merkmale eine blosse Abstraction von denselben verstehe; oder ob er gewisse Umstände anneme, da sie eben kein vortheilhaftes Urtheil von einer Urkunde gewären. In dem erstern Fak können wir seinem Sah unmöglich beitreten. Denn es würde daraus folgen, daß die äussern Merkmale in den Händen der Altertumskündiger sehr unzuverläßige Mittel wären, die Warheit oder Unrichtigkeit der Diplomen zu beurtheilen. Wenn aber, nach dem zweiten Fal, alle innern Merkmale wider eine Charte streiten solten; wenn sie wesentliche Feler derselben erweislich machen solten: so würde ihr dadurch ohne

3weis

(a) 10. HEVMANNI Commentarii de re diplom, praef. pag. 5. (2) Neque ideo mihi quisquam fuccenfeat, fepofitis, faepius fallere poffe arbitrer. I fi externos diplomatum characteres, internis dem p. 4.

Zweifel ein Nachtheil zuwachsen, der durch die äussern Merkmale, womit sie bekleis det zu seyn scheinet, aber es wirklich nicht ist, niemals gehoben werden könte.

S. 523.

Herr Heus

man.

Das wichtigste bestehet indessen darin, daß unser Gelehrter, wir wollen eben Zuverläßig nicht sagen, wirklich behauptet, sondern nur zu behaupten scheinet, daß eine Urkunde keit der auf unrichtig seyn könne, wenn gleich das Pergament, die Schrift, das Monogram und sern Merk das Siegel unverdächtig ja volkommen richtig seyn solten (B). Wenn das Perga male, wider ment gut und åcht (membrana proba), das heist alt ist, als z. B. von fünf oder sechs und vielleicht noch mehrern Jahrhunderten: wie hätte man wohl nach so vielen Jahren unbeschriebenes Pergament von einem solchen Alter finden können, um ver mittelst desselben eine falsche Urkunde zu schmieden? Wenn die Schrift åcht und un: tadelhaft ist (fcriptura recta), das heist, wenn sie nicht nur solche Merkmale und Züge hat, die mit dem Altertum ihres Datum bestehen können, sondern wirklich so alt sind: wie hat sie denn so viele Jahrhunderte hernach so genau nachgeamet wer: den können? Wenn das Monogram richtig ist (monogramma verum), das heist, wenn es wirklich von dem Fürsten, oder auf dessen Befel von seinem Kanzler oder einem andern Bedienten gemacht worden: wie könte es denn möglich seyn, daß es dennoch nicht wirklich von ihnen herrüren solte? Kan ein solches Monogram wohl ácht und falsch zu gleicher Zeit seyn? Wenn endlich das Siegel im geringsten nicht verdächtig ist (figillum haud fufpectum), auch nicht in Betrachtung der Art, wie es einem Diplom beigefüget ist: wie kan es demohnerachtet falsch seyn; gesetzt, daß es viele Jahrhunderte nachher untergeschoben worden? Wenn man auch wirklich den Stempel eines Siegels aus dem zwölften Jahrhundert gehabt hätte; wie hätte man denn dem neuen Wachs eine so grosse Aenlichkeit mit altem Wachs ertheilen wollen, daß auch die scharfsinnigsten und geschicktesten Kenner des Altertums dadurch hinter gangen werden könten? Was mus nun wohl die Verbindung aller dieser Merkmale nicht für eine kräftige Wirkung haben; da bereits jedes einzele Stück derselben mit unüberwindlichen Schwierigkeiten verknüpft ist?

S. 524.

Wolte man vielleicht antworten, daß jedes Jahrhundert Leute hervorgebracht, Fortsetzung. welche in der Nachamungskunst ungemein geschickt gewesen: so wird die Schwierig: keit dadurch noch nicht gehoben (C). Man kan zwar alte Stücke nachamen und sie den åchten bis auf einen gewissen Grad änlich machen: wird man diese Aenlichkeit aber wohl so weit treiben können, daß auch nicht der geringste Unterschied zwischen einer Copie und dem Original mehr übrig bleiben solte, den auch die geschicktesten Kenner nicht gewar werden könten? Wenn aber auch dis geschehen könte: so wird es doch bey den alten Schriften unmöglich seyn. Es ist hier noch nicht hinlänglich, wenn einer oder der andere Buchstab aus einem Alphabet nachgemacht wird: son: Nnn 2

(B) Membrana proba, recta scriptura, mo nogramma verum, figillum haud fufpectum; et tota tabula ficta. lbidem.

dern

(C) Omnis aetas homines in manuum artibus imitandis fat exercitatos protulit. lbi. dem.

dern es ist hier die Rede von dem ganzen Umfang der Buchstaben und Züge in einer Schrift. Ein Original im Ganzen betrachtet, kan dem Betrüger bey weitem nicht fo zu einem Muster dienen, als bey einem Gemälde in Absicht des Malers statfine det. Denn wenn der Betrüger eine ächte Charte in Händen hat, welche seinen Absichten volkommen gemás ist: aus was für Ursachen solte er denn wohl eine falsche fchmieden? Er mus also notwendig seine Einbildungskraft zu Hülfe nemen. Hier aber wird sich er aller seiner Bemühungen ohnerachtet verraten müssen. Das Unsehen des Altertums, welches er den neuen Zügen und Buchstaben zu gleicher Zeit mit: theilen mus, legt der verwegensten und geschicktesten Hand unüberwindliche Hinder: nisse in den Weg; wenn anders seine unächte Arbeit von einem geübten und vorsichtigen Kenner des Altertums beurtheilet werden solte. Wenn ein Mabillon, Bas luze, Martene und Muratori nicht allemal im Stande gewesen, aus den äusern Merkmalen ein zuverläßiges Urtheil von denjenigen Urkunden zu fällen, die sie in Händen gehabt (D): so würde der Rath, den Herr Heuman seinen Lesern giebt, ihrem Ansehen und ihrem Urtheil zu folgen, nicht volkommen gegründet seyn; indem schon ein jeder für sich eine Charte aus ihren innern Merkmalen beurtheilen kan.

§. 525.

Beitere Vielleicht hat aber unser scharfsinniger Rechtsgelehrter solche unächte Charten Fortjehung gemeinet, die wirklich in dem Jahrhundert, in welches ihr Datum gehöret, geschmie: det worden. In diesem Fal würde man aber durch die innern Merkmale wenig mehr ausrichten, als durch die äussern. Indessen scheinet es doch, daß er die Entdeckung der Unrichtigkeit einer solchen Urkunde allein von den erstern erwartet, mit Ausschless fung der lehtern. Wenn indessen ein Betrüger mur ein wenig geschickt ist, so wird er, wenn er eine Charte in dasjenige Jahrhundert datiret, in welchem er lebet, gewis auch die Schreibart desselben nachamen. Der blosse Gebrauch kan ihm dieselbe zum Theil an die Hand geben, und er hat volkomne Gelegenheit, diejenigen Formeln, die er nicht weis, die aber wirklich üblich sind, zu lernen. Ja es wird so gar sehr schwer seyn, daß er wider die Geschichte felen solte; wenigstens in Absicht solcher Umstände, die die Gelehrten auch noch nach mehrern Jahrhunderten gar leicht entdecken köns ten. So brauchbar übrigens auch die innern Merkmale der Urkunden seyn können, die Unrichtigkeit eines Originals zu beweisen, welches wirklich so alt ist, als in dem Datum desselben angegeben wird; wenn nemlich, wie vorausgeseht wird, die Materie and Schrift derselben so beschaffen sind, wie sie seyn sollen, das heist, wenn sie wirk lich aus derjenigen Zeit sind, als in dem Datum angegeben wird: so wird doch we nigstens die Unrichtigkeit des Siegels und des Monogram unmöglich geleugnet wers den können. In Absicht des Monogram ist solches augenscheinlich; man müste denn eine gut nachgemachte Unterzeichnung schon für eine ächte und wahre ausgeben wollen. Man kan daher das Monogram unmöglich als ächt voraussehen. Die Un richtigkeit des Siegels wird sich eben so leicht erweisen lassen; wenn es auch gleich

(D) Mabillonii, Baluzii, Martenii, Muratorii aliorum (que) fidem fequimur. Vt viris litterarum tam peritis acutior habçare,

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fruftra forte contendis, etiamfi autographa plurima infpicias. Ibid. p. z.

1

von einem achten Diplom abgerissen und an ein unächtes befestiget worden. Wenn es gleich derjenigen Person zugehöret, welcher es zugeschrieben wird: so wird man doch ein solches Siegel nicht für schlechterdings richtig halten können, dessen Bånde oder Art der Befestigung an der Urkunde unrichtig sind. Es wird also die Unrichtigkeit derselben von einem geschickten Man auch hier eben so leicht entdecket werden, als solches aus den innern Merkmalen möglich seyn möchte. Man mus sich folglich auch auf diese leßtern nicht allein und zum Nachtheil der übrigen verlassen. Man handelt am weislichsten, wenn man beide Arten der Merkmale niemals voneinander absondert; wenn gleich zuweilen eine schon allein hinreichen solte, die Unrichtig: keit mancher Urkunden zu beweisen.

S. 526.

Alle diese Merkmale zusammengenommen, machen den Probierstein der Richtig: Juhalt dieses keit oder Unrichtigkeit der Urkunden aus (E). Sie werden daher auch den GegenBuchs. stand unsrer zwen folgenden Bücher abgeben. Das gegenwärtige zweite Buch wird die fünf äussern Merkmale betreffen und aus vier Hauptstücken bestehen. Allem Ansehen nach hätten wir einem jeden dieser Merkmale ein besondres Hauptstück widmen sollen. Weil aber einige dieser Merkmale ungemein weitläufig, andere hingegen desto kürzer sind: so haben wir uns nicht einer Eintheilung bedienen köns nen, welche die Natur der Sachen selbst vorzuschreiben schien. Wir werden die drey erstern Merkmale insgesamt in einem einigen Hauptstück abhandeln. Dagegen wird. uns die Lehre von den Buchstaben den Stof zu zweien liefern; da wir denn die Lehre von den Siegeln für das vierte versparen wollen. Wir müssen gestehen, wir würz den unsre Abhandlung von der Gestalt der Buchstaben nicht in zwey Hauptstücke abs getheilet haben, wenn es möglich gewesen wäre, dieselben noch mit in unserm ersten Theil zu bringen. Indessen ist bey dieser Theilung nichts gezwungenes. Das zweite Hauptstück enthält eine kurze Abhandlung von dem Ursprung der Buchstaben und von den Schriften derjenigen alten Völker, von welchen wir die unsrigen bekommen haben. In dem dritten Hauptstück werden wir nicht nur die römischen Buchstaben beschreiben, sondern auch alle Arten derselben insbesondere durchgehen. Es wer den also die auswertigen Buchstaben entweder Europens, oder doch solcher Völz fer, welche mit demselben in einem genauen Verhältnis gestanden haben, in diesem ersten Theil unsrer Diplomatik erscheinen, Die lateinischen und daraus abstammenden Buchstaben werden den zweiten Theil anfangen. Wenn wir die Handschriften völlig aus unserm Werke verbannet hätten, so würden wir uns auch die Mühe ersparen können, die uns die auswertigen Arten zu schreiben gekostet haben. Allein die Buchstaben der Diplomen leiten uns notwendig auf die Buchstaben der Handschriften, diese aber wiederum auf die Züge, die sich in den Ueberschriften nicht nur der marmoruen und metalnen Denkmåler, sondern auch der Münzen finden. Nnn 3 Und

(E) Non ex fola fcriptura, neque ex vno folo characterifmo, SED EX OMNIBVS

SIMVL, de vetuftis chartis pronunciandum,
MABILLON de re diplom. p. 241.

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