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Das ist besonders deutlich bei der auch sonst recht merkwürdigen Elsholtzia Patrinii, einer einjährigen Labiate, deren Blüten trotz ihrer Unscheinbarkeit, beiläufig bemerkt, sehr reichlich von Bienen besucht werden, wozu wohl der stark aromatische Geruch der Pflanze beitragen mag.

Die Blütenstände von Elsholtzia Patrinii sind ursprünglich aufrecht und mit vier Reihen von Hochblättern versehen, welche in rechtwinklig gekreuzten Paaren stehen. Vor der Entfaltung biegen sie sich horizontal und richten sich später wieder auf. Es treten in ihnen zweierlei Verände

Fig. 72

Elsholzia Patrinii. Infloreszenz von der blütentragenden Seite (nach der Entfaltung).

rungen ein 1): einerseits werden sämtliche in den Achseln der Deckblätter stehende Blütenknäuel nach einer Seite verschoben, andererseits erfahren die Hochblätter, welche auf der blütenleer gewordenen Seite stehen, eine Lagenveränderung. Beide Vorgänge sind in den Blütenständen der Labiaten nicht notwendig miteinander verbunden. Bei Teucrium scorodonia und Scutellaria altissima sind z. B. die Blütenknäuel auch nach einer Seite hin gekrümmt, die Deckblätter aber behalten ihre normal „dekussierte" Anordnung.

Die beiden sich so verschieden verhaltenden Seiten der Elsholziablütenstände

sind von vornherein bestimmt. An der endständigen Infloreszenz wird die bei der Entfaltungsbewegung nach oben gekehrte

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Seite die blütenleere, bei den seitenständigen ist es die der Hauptachse zugekehrte. Die Verschiebung der Deckblätter erfolgt so, daß ihre Spitze eine Drehung um etwa 90° erfährt. Ursprünglich ist ihre Oberseite dem Infloreszenzende zugekehrt. Später ist eine der beiden Blattkanten der Infloreszenzspitze zugewandt, die obere Hälfte des Hochblattes steht also an den aufgerichteten (vertikalen) Infloreszenzen fast vertikal. Diese Drehung erfolgt stärker abwechselnd bei je einem Blatt eines Paares. Wenn also a

1) Vgl. auch H. WYDLER, Über die symmetrische Verzweigungsweise dichotomer Infloreszenzen, Flora 34 (1857), p. 417.

und a1, b und b1 zwei aufeinanderfolgende Deckblattpaare sind, so wird a nach links, b nach rechts gedreht. Es erfolgt das durch stärkeres Wachstum einer Zone an der Basis des Blattes, die man schon mit bloßem Auge durch ihre hellere Farbe erkennen kann. Sie kann sogar etwas polsterförmig hervortreten. Das zweite Blättchen des Paares erfährt eine geringere Verschiebung.

Wir sehen also deutlich, daß die ganze Infloreszenz eine ausgesprochen dorsiventrale ist, die zwei angeführten Wachstumserscheinungen sind nur Äußerungen dieser Gesamtdorsiventralität. Das Eigentümliche des Falles

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Fig. 73. Elsholtzia Patrinii. Infloreszenz von der blütenleeren Seite.

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besteht darin, daß sich die Dorsiventralität nur an beschränkten Stellen - an der Anheftungsstelle der Deckblätter äußert. So kommt die sonderbare Anordnung zustande (Fig. 72): vier Reihen von Knäueln kleiner Blüten nach einer Seite hin, welche dem Lichte zugewandt wird, auf der anderen Seite die eigentümlich verschobenen Deckblätter (Fig. 73). Wie die Dorsiventralität zustande kommt - ob sie eine ,,autonome" oder „,induzierte" ist, wurde nicht untersucht. Eine Internodiendrehung wie bei Scutellaria galericulata1) ist bei Elsholtzia für die Änderung der Lage der

1) Vgl. NOLL, Über die normale Stellung zygomorpher Blüten. Arb. a. d. bot. Inst. Würzburg, III (1885), p. 237.

Hochblätter nicht maßgebend. Eine teleologische Deutung dafür scheint nicht versucht worden zu sein. Man kann annehmen, daß die kleinen Blüten durch ihre Zusammendrängung nach einer Seite hin für die Bestäuber auffälliger werden, als wenn sie rings um die Hauptachse der Infloreszenz herum verteilt blieben. Hier aber handelt es sich nur darum, daß der Zusammenhang der Entfaltungsnutation mit der Dorsiventralität der Infloreszenzen deutlich hervortritt, während diese bei Coleus Penzigii äußerlich nicht sichtbar ist.

Bei Lathraea Squamaria dagegen, welche auch dorsiventrale Blütenstände hat, äußert sich die Dorsiventralität auf andere Weise. Die Blattpaare sind schräg gekreuzt. ähnlich wie bei einer Selaginella. Die Blütenstände kommen gekrümmt aus dem Boden. Die Einkrümmung findet in der Symmetrieebene statt. Wenn die Blütenstände von Elsholzia unterirdisch angelegt würden, würde man ihre Entfaltungskrümmung wohl als Anpassung zum leichteren Durchbruch durch die Erde betrachtet haben.

Viel weniger auffallend ausgebildet als bei Elsholtzia Patrini ist die Dorsiventralität der Blütenstände bei E. Stauntoni, namentlich deshalb, weil die Deckblätter der Teilblütenstände bei dieser Pflanze viel kleiner sind als bei E. Patrinii. Die Blütenstände bleiben bei E. Stauntoni von Anfang an aufrecht. Nun ist E. Patrinii eine einjährige, E. Stauntoni eine ausdauernde Pflanze. Man könnte annehmen, die erstere habe einen zeitweiligen Schutz" der jungen Infloreszenz notwendiger als die letztere. Indes paßt dies nicht für andere Labiaten. Auch sprechen die klimatischen Bedingungen (soweit sie sich ohne Beobachtung an Ort und Stelle beurteilen lassen) nicht für eine besondere Schutzbedürftigkeit der jungen Infloreszenzen. Elsholzia gehört Mittel- und Ostasien, Coleus Penzigii der Erythrea an. Man wird also Standorte mit starker Belichtung voraussetzen dürfen, so daß man die zeitweilige Horizontalstellung der Blütenstände nicht etwa dem Streben nach zeitweiliger stärkerer Besonnung zuschreiben kann. Auch ist nicht einzusehen, daß dadurch ein „Schutz" der jungen Infloreszenzen bewerkstelligt werden sollte. Dagegen tritt die Beziehung der Symmetrie dieser Infloreszenzen zur Krümmungsrichtung deutlich hervor.

Diesen Infloreszenzen mag eine andere angeschlossen werden, bei der zwar die Spitze der Infloreszenz zeitweilig nach unten gerichtet wird, aber ein großer Teil der Infloreszenzachse doch fast horizontale Richtung annimmt. Es ist so ein gewisser Übergang zu der folgenden Gruppe hergestellt.

C. Silene viridiflora (mit einigen verwandten Arten) 1) bietet ein eigenartiges Beispiel für Entfaltungsbewegungen bei Gelenkpflanzen. Wie die Abbildung (Fig. 74) zeigt, kommt die Abwärtsbiegung des Infloreszenzendes zustande durch Mitwirkung einer ganzen Anzahl von Internodien, von denen die einen schief aufwärts (zum Teil fast horizontal), andere schief abwärts gerichtet sind. Durch die der Horizontale sich nähernde Lage erwecken die blühenden Sproßenden einen eigentümlichen Eindruck. Später richten die Internodien der Hauptachse und der Infloreszenzzweige sich auf, die Blüten bleiben aber nach unten gekehrt. Erst die Früchte richten sich wie so oft vertikal nach oben.

Bei anderen Silene-Arten tritt die Knickung der Infloreszenzachsen bei der Entfaltung nicht in diesem auffallenden Maße hervor.

1) Bei S. nutans z. B. geht die Entfaltungsbewegung ähnlich, nur viel weniger auffallend vor sich.

Sie ist offenbar bedingt dadurch, daß das Wachstum schon frühzeitig auf eine verhältnismäßig kurze Zone an der Basis der Internodien beschränkt wird. Es ist dieselbe, in der später das ,,Gelenk" auftritt. Aber man kann nicht sagen, daß dieses schon bei der Entfaltung mitwirke, da es zu dieser Zeit noch gar nicht ausgebildet ist. Das tritt erst später ein. Es sind also die Gelenke bei der Entfaltung eigentlich nicht

Fig. 74. Silene viridiflora. Entfaltungsnutation der Infloreszenz. (Verkl.)

beteiligt. Es kommt, wie es scheint, hier ,,darauf an", zuerst die Spitze der Infloreszenz und dann die einzelnen Blütenknospen mit der Spitze nach unten zu richten. Das geschieht, indem eine ganze Anzahl von Internodien sich daran beteiligen, ähnlich, wie man das vielfach bei der Aufrichtung vorher gelagerter Grashalme sehen kann nur in entgegengesetzter Richtung.

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§ 6. Nutationen von Blüten und Früchten 1).

1. Papaver.

Die Blütenstiele von Papaver führen bei den meisten Arten eine sehr auffallende Abwärtsbewegung aus, die kurz vor dem Aufblühen durch eine Aufwärtskrümmung ausgeglichen wird, so daß die Blüte auf einem geraden, annähernd vertikal stehenden Stiele sitzt.

Schon VAUCHER 2) wußte, daß nicht alle Papaver-Arten sich gleich verhalten. Er wirft die Frage auf: ,,Pourquoi certains pavots comme le Rhoeas inclinent et plient-ils même leurs tiges avant l'épanouissement, tandis que d'autres comme le bracteatum, par exemple, out constamment la tige redressée ?" Daß die Krümmung eine geotropische, nicht eine Lastkrümmung ist, ist längst festgestellt.

Dagegen fand die Frage keine Beachtung, ob die Krümmung in bestimmter Richtung erfolgt, ob also vielleicht eine dorsiventrale oder bilaterale Struktur des Blütenstiels vorliegt.

1) Vgl. K. TROLL, Die Entfaltungsbewegungen der Blütenstiele und ihre biolo

gische Bedeutung, Flora 115 (1922), p. 295 ff.

2) VAUCHER, Histoire physiologique des plantes d'Europe, I, p. 131 (1841).

Sieht man eine Endblüte von P. somniferum (Fig. 75) an, so zeigt sich, daß die Konvexität der Krümmung in der großen Mehrzahl der Fälle dem letzten Laubblatt zugekehrt ist. Bei Seitenblüten ist die Konvexseite des gekrümmten Blütenstiels der Hauptachse zugekehrt.

Ein Querschnitt durch den gebogenen Teil des Blütenstieles zeigt keinen kreisrunden, sondern einen auf zwei Seiten (oder einer) abgeflachten Umriß, und zwar liegt eine Abflachung auf der Konvexseite. Danach ist also anzunehmen, daß eine auf „inneren Gründen" beruhende Dorsiventralität vorliegt. Allerdings ist die angegebene Richtung keine stets vorhandene. Diese kann, auch abgesehen von Torsionen, welche sie verdecken können, durch innere oder äußere Einflüsse verändert werden. Manchmal ist die Krümmungsrichtung sogar parallel mit dem Laubblatt.

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Fig. 75. Papaver somniferum. Nutation der Blütenknospe. (Verkl.)

Unter den eine Abweichung bedingenden Faktoren wird namentlich das Licht in Betracht kommen, da die Blütenknospen positiv heliotropisch sind.

Indes ist die Zahl der Krümmungen, welche die angegebene Beziehung zu dem letzten Laubblatt aufweisen, eine so große, daß sie nicht wohl auf einem Zufall beruhen kann. Welcher Art diese Beziehung ist, kann dabei ganz unerörtert bleiben. Wirklich nachgewiesen werden könnte sie wohl durch Klinostatenversuche, bei denen die Einwirkung ungleicher Beleuchtung ausgeschaltet ist. Indes glaube ich, daß man die Annahme, es handle sich bei den Blütenstielen von Papaver nicht um radiäre, sondern um dorsiventral beeinflußte Organe, auch jetzt schon als eine begründete ansehen kann.

Ist diese Auffassung richtig, so muß im allgemeinen ein auf der dem obersten Blatte zugekehrten Seite der Infloreszenz angebrachter gerader Strich auch gerade bleiben. Das geschah auch meist. In anderen Fällen aber zeigte sich, daß Torsionen eingetreten waren, welche dann auch eine Veränderung der Krümmungsrichtung bedingten. Es wäre wünschenswert, daß Versuche in größerem Maßstab ausgeführt würden.

Für unsere Fragestellung ist die Entscheidung darüber nicht von wesentlicher Bedeutung. Wichtiger ist, ob die Abwärtsbewegung der Knospe oder die spätere Aufwärtsbewegung der Blüte die in dieser Stellung auch ihre Samen reift als Anpassungserscheinungen zu betrachten sind. Wenn die Blüte sich nicht aufrichten, sondern in ,,nickender" Stellung sich entfalten würde (wie das bei vielen anderen der Fall ist), so würde man darin natürlich einen Schutz" (gegen Regen u. a.) gesehen haben. Jetzt handelt es sich vor allem darum, ob die Abwärtsbewegung der Knospe eine notwendige oder doch vorteilhafte ist.

Man kann das dadurch prüfen, daß man die Abwärtskrümmung künstlich verhindert und feststellt, ob dadurch irgendwelche Schädigungen, sei es für die Knospe, sei es für die aus dieser später hervorgehenden Frucht, eintreten.

Die letztere Frage hat VÖCHTING 1) untersucht. Es zeigte sich, daß die Keimlinge aus ,,normal" entstandenen Samen oder solche, die aus auf

1) H. VÖCHTING, Die Bewegungen der Blüten und Früchte, 1882, p. 114.

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