Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

Auch die dorsiventralen Blütenstände der Lathyrus-Arten führen ganz ähnliche Entfaltungsbewegungen wie die von Vicia-Arten erwähnten aus. Die Krümmung erfolgt z. B. bei Lathyrus odoratus erst an der Basis. des Infloreszenzstieles und schreitet dann, während jener sich geradestreckt, nach oben fort. Da an horizontalen Trieben die Krümmungsrichtung oft der Zweigspitze zugekehrt ist (während sie ihr sonst abgewendet ist), so ist wahrscheinlich positiver Geotropismus bei der Einkrümmung beteiligt.

Bemerkenswert ist, daß im Herbst, am Schluß der Vegetationsperiode die Krümmung oft ganz unterbleibt (Fig. 82), oder doch viel geringer ist als im Sommer. Offenbar beruht das darauf, daß bei der starken Heruntersetzung des Wachstums die Verschiedenheit der beiden Seiten nicht oder nur in geringerem Maße hervortritt, die Krümmung also deshalb unterbleibt (vgl. das p. 150 u. 151 über Ampelopsis und über Bauhinia Gesagte). Die Schutzbedürftigkeit" wäre aber gerade in dieser Zeit eine größere als im Sommer.

Fig. 82. Lathyrus latifolius. Sproßende mit jungen Infloreszenzen im Herbst. Die Entfaltungskrümmung unterbleibt fast ganz.

Droseraceen.

Der cymöse Blütenstand erscheint seinen Symmetrieverhältnissen nach wie eine einseitige Traube, an welcher man in dem in Fig. 83 abgebildeten Entfaltungsstadi

[graphic][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small]

artig1). Bei beiden sind nämlich die Infloreszenzen zunächst eingerollt, wobei starkes epinastisches Wachstum und auch positiver Geotropismus in Betracht kommen. Bei Drosera capensis aber geht dieses Entfaltungsstadium verhältnismäßig rasch vorüber. Auf dem nächsten ist die Blütenstandsachse (Fig. 83 rechts) U-förmig nach unter gebogen, streckt sich dann gerade, worauf die Krümmung in die Stücke zwischen den Blüten verlegt wird, die ihrerseits sich später geradestrecken und zusammen mit den Blütenstielen die Aufrichtung der jeweils aufblühenden Knospen bedingen.

Bei Drosera spathulata (Fig. 84, 85) ist die Wachstumsverschiedenheit der beiden Seiten der Infloreszenzen eine größere. Es findet eine viel länger anhaltende schneckenförmige Einrollung meist in einer

[ocr errors]
[graphic]

Fig. 84. Drosera spathulata mit unentfalteten Infloreszenzen (dazwischen Sporogonien von Leptobryum pyriforme), etwa 2, nat. Gr.

Ebene, doch, wie auch die Abbildung zeigt, mit gelegentlichen Abweichungen statt. Man könnte vermuten, das bedinge, daß die Blütenknospen sich in besonders geborgener Lage befinden.

Die Infloreszenzachse ist aber so dünn, daß sie den von ihr locker umwickelten Blütenknospen wenigstens von den Seiten her keinen besonders wirksamen ,,Schutz" bieten kann. Daß es sich bei den mit Kelch und Blumenkrone versehenen Blütenknospen von Kap-Pflanzen oder australischen Drosera-Arten (wie Dr. spathulata) nicht um Kälte- oder Regenschutz handeln kann, ist ja eigentlich selbstverständlich. Eher würde man,

1) Unsere einheimischen Arten zeigen

nur in kümmerlicherer Ausbildung im wesentlichen dasselbe. Das wiederholt sich, wie unten zu erwähnen sein wird, wenn wir die Entfaltungsbewegungen von Geraniaceen wärmerer Länder mit solchen, wie sie z. B. Geranium Robertianum zeigt, vergleichen. (Vgl. auch K. TROLL, a. a. O. p. 541.)

z. B. bei Dr. spathulata, an einen Schutz der Blütenknospen gegen starke Besonnung denken können. Aber es ist auch diese Deutung nur eine nachträglich erschlossene, nicht

eine experimentell begründete.

Daß die Dorsiventralität der Infloreszenzachse in erster Linie für die Entfaltungsbewegungen in Betracht kommt, zeigt auch das Verhalten des unteren Teiles derjenigen von Dr. spathulata. Dieser legt sich nämlich bei etwas weiter entwickelten Infloreszenzen dem Boden an, ist also (bei Wachstum auf ebenem Boden) horizontal gerichtet (Fig. 86), während der obere Teil aufgerichtet und am Ende eingerollt ist. Ob eine ,,autonom" epinastische Bewegung oder Beeinflussung der Epinastie durch das Licht oder Transversalgeotropismus 1) in Betracht kommt, ist für unsere Fragestellung nicht von größerer Bedeutung. Offenbar handelt es sich aber im Basalteil um dieselbe Epinastie, welche weiter oben zur Einrollung führt, nur daß der negative Geotropismus hier nicht vorhanden ist, oder doch nicht zur Geltung kommt. Auch in dem eingerollten Teile der Infloreszenz überwiegt ja zunächst die Epinastie. Eine Einrollung ist in dem langsam und zum Teil interkalar wachsenden

[graphic][merged small]

basalen Teil nicht möglich. Was die teleologische Deutung des basalen horizontalen Teiles der Infloreszenz betrifft, der ja nicht dazu beiträgt, den Blüten- und den Fruchtstand in die Höhe zu bringen

[ocr errors]

so könnte man eine solche derart versuchen, daß man annimmt, die Infloreszenz sichere sich dadurch sozusagen eine festere Grundlage, auf welcher sie ruht. Aber die Infloreszenzachsen von Dr. spathulata sind derb und zäh genug, um ohne ein solches Fußstück festzustehen. Ich kann also in dem eigenartigen horizontalen Fußstück derzeit keine Anpassung erblicken.

2

Fig. 86. Junge Infloreszenz von Drosera spathulata.

1) Das letztere scheint mir schon deshalb ausgeschlossen, weil bei gegen den Horizont geneigt stehendem Substrat die unteren Teile der Infloreszenzachsen nicht horizontal stehen, sondern der Substratrichtung (selbst in einem Winkel von 45°) folgen ähnlich wie z. B. die Mantelblätter von Platycerium. Erscheinungen wie bei Drosera spathulata finden sich z. B. auch bei den Infloreszenzen von Plantago media.

Äußerlich ähnliche

Wenn (wie das zuweilen vorkommt) die basale Epinastiesei es nun eine,,autonome" oder eine induzierte -- frühzeitig einsetzt, liegen die jungen Blütenstände (mit dem eingerollten Teile nach unten) dem Boden an. Erst später richtet sich dann ihr oberer Teil auf. Die meisten aber sind anfangs aufrecht und zeigen die Lagerung des Basalteiles erst später. Daß zwischen der Blütenstandsentfaltung von Dr. capensis und Dr. spathulata nur ein gradueller Unterschied vorhanden ist, zeigt auch das weitere Verhalten der Spathulata-Blütenstände. Sie entrollen sich vielfach unter eigenartigen, hier nicht näher zu schildernden, manchmal korkzieherförmigen Verbiegungen (wobei auch die blütentragende Seite der Infloreszenz Lagenveränderungen erfährt) (vgl. Fig. 85) — derart, daß schießlich das in Fig. 83 für Dr. capensis abgebildete Stadium erreicht wird, dann krümmt sich der Stiel der ältesten, räumlich am weitesten nach oben stehenden Blüte nach oben, und das weitere Verhalten ist auch das oben kurz angedeutete 1). Es wäre leicht, mit einer eingehenden Schilderung der verwickelten Bewegungen dieser Blütenstände viele Seiten zu füllen. Ohne eine bestimmte Fragestellung würde das aber Kaum ersprießlich sein, und für die hier vorliegende genügen die gegebenen groben Umriẞlinien. Wenn man die umständliche und fast möchte man sagen mühsame Art, wie diese Blütenstände sich entfalten, ansieht, so meint man unwillkürlich, es müsse doch damit etwas Besonderes bezweckt werden. Nach dem in der Einleitung Angeführten ist das aber nur ein anthropomorphistischer Schluß. Wir sehen ja außerdem, daß andere Drosera-Arten auf einfacherem Wege dasselbe erreichen. Im Fruchtstadium ist die ganze (sympodiale) Infloreszenzachse geradegestreckt.

Ähnlich wie die von Drosera verhalten sich die Blütenwickel anderer Pflanzen (vgl. K. TROLL a. a. O.).

Umbelliferen.

Die Blütenstände der meisten Doldenpflanzen führen wenig auffallende Entfaltungsbewegungen aus. Doch sind einige, sowohl präflorale als postflorale, erwähnenswert.

Pimpinella saxifraga. Unter den einheimischen daraufhin untersuchten Umbelliferen sind P. saxifraga und Falcaria vulgaris die einzigen. mir durch die Nutation ihrer Infloreszenzen bekannten. Bei beiden geht die Krümmung in einer durch die Organisation der Pflanze bestimmten Ebene vor sich. Bei Falcaria kann man besonders deutlich an den Streifen der Internodien erkennen, daß die Konvexseite der Krümmung der Insertion des darunter stehenden Blattes gegenüberliegt. Da die Krümmung offenbar eine positiv geotropische ist, finden aber nicht selten (je nach der Lage des Sprosses) Torsionen statt.

Bei Pimpinella zeigte sich bei den seitenständigen Infloreszenzen (Fig. 87), daß die konvexe Seite dem letzten Scheidenblatt zugekehrt war. Die beiden Pflanzen blühen im Hochsommer. Von einem „,Schutz gegen Wärmestrahlung" kann also ebenso wenig wie von einem gegen Regen

1) Man könnte vermuten, die Streckung der Teile der Infloreszenzachse zwischen den einzelnen Blüten werde sozusagen von diesen geleitet, indem das folgende Internodium erst sich strecke, wenn die ihm vorhergehende Blüte „,fertig" ist. Ich entfernte deshalb die Blütenknospen teilweise, fand aber trotzdem Streckung und Aufrichtung der Infloreszenzinternodien eintreten mit Ausnahme eines Falles, in welchem vielleicht wegen zu starker Verwundung die Aufrichtung unterblieb. Übrigens entfalten sich die Blüten von Dr. spathulata (unter Vertikalstellung ihres Stieles) schon, wenn das vorhergehende Infloreszenzinternodium noch annähernd horizontal ist.

die Rede sein. Dasselbe gilt wohl auch für Chaerophyllum temulum und Scandix, von welchen VAUCHER) Nutation der jungen Dolden angibt.

Nach dem Abblühen richten sich, wie bei einigen anderen Umbelliferen, die Döldchenstiele auf.

Wir betrachten also wie bei Papaver die dolden tragenden Sproßachsen als in Beziehung auf das darunterstehende Blatt dorsiventral beeinflußt. Die Nutation wird vielleicht durch ein rascher verlaufendes Wachstum begünstigt, als ,,Schutz"bewegung ist sie derzeit nicht verständlich. Nicht damit zu verwech

seln sind natürlich die nyktinastischen Bewegungen junger Dolden von Chaerophyllum aromaticum, Daucus carota u. a. Mit deren Aufhören ist für den Hauptteil der Dolde die Entfaltungsbewegung beendigt; nicht so für die Doldenstiele. Diese krümmen sich bekanntlich nach der Befruchtung so zusammen, daß eine Art Nest entsteht, ein Vorgang, der bei anderen Doldenpflanzen, z. B. Heracleum sphondylium, in viel geringerem Maße auftritt. Auch er hängt mit Symmetrieverhältnissen zusammen. Die Dolden und Doldenstiele zeigen deutlich einen dorsiventralen Bau. Die Zusammenkrümmung erfolgt natürlich durch stärkeres Wachstum der Außenseite.

[graphic]

Die Früchte fallen gewöhnlich in den von den zusammengekrümmten Doldenstielen gebildeten Trichter hinein. Später breiten sich [wie VAUCHER schon bemerkt hat)] die Stiele nach ihrem Absterben wieder aus und gestatten so eine Weiterverbreitung der Früchte. Das letzte Stadium der Entfaltung ist hier also kein durch Wachstum vermitteltes mehr, sondern ein xerochastisches, wie schon VAUCHER richtig erkannt hat. Ein ,,Zweck" der Zusammenkrümmung ist nicht abzusehen, wenn man nicht etwa annehmen will, sie sei ein Schutz gegen allzu rasche Austrocknung oder bedinge, daß wenigstens ein Teil der Früchte (der aus dem Becher herausfallende) an Ort und Stelle ausgesät, der andere hauptsächlich in die Ferne verbreitet werde. Beides wäre damit ebenso wenig sichergestellt, wie z. B. die Annahme über den Nutzen der Schlafbewegungen bei Daucus

Fig. 87. Pimpinella saxifraga. Nutation der seitlichen Dolden (die zusammengesetzte Enddolde ist über das Nutationsstadium längst hinaus).

1) A. a. O. II, p. 636.

2) Später auch URBAN in Abh. des bot. Vereins der Provinz Brandenburg, XXII (1880), p. 19.

« VorigeDoorgaan »