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Die

Entfaltungsbewegungen
der Pflanzen

und deren teleologische Deutung

Ergänzungsband zur
„Organographie der Pflanzen“

Von

Dr. K. Goebel

Professor an der Universität München

Zweite neu bearbeitete Auflage

Mit 278 Abbildungen im Text

,,Die Natur tut nichts umsonst" ist ein altes
Philisterwort; sie wirkt ewig lebendig, über-
flüssig und verschwenderisch, damit das Un-
endliche immerfort gegenwärtig sei, weil nichts
verharren kann.

Goethe an Zelter 13. Aug. 1831.

SEMPER
BONIS

ARIBVS

Jena

Verlag von Gustav Fischer

1924

BIOLOGY

ALLE RECHTE VORBEHALTEN

G6

1924

BIOLOGY
LIBRARY

-

Vorwort zur zweiten Auflage.

Die erste Auflage dieses Buches war zur Überraschung des Verfassers kurz nach ihrem Erscheinen vergriffen, zur Bearbeitung einer zweiten aber konnte erst nach Beendigung anderer Arbeiten geschritten werden.

In dieser neuen Bearbeitung sind Änderungen eingetreten nicht nur durch zahlreiche Zusätze, sondern auch durch Einfügung eines neuen Abschnittes (Die Verschiedenheit in der Blütengestaltung der Papilionaceen und ihre biologische Bedeutung) sowie neuer Paragraphen (Einrollungsund Entfaltungsbewegungen ausgewachsener Grasblätter, Flankennutation, Abwärtsbewegung von Blättern infolge von Änderungen in der Wasserzufuhr, Drehung in der Knospenlage oder nach dem Abblühen, die Stylidiaceen u. a.), dementsprechend stieg die Zahl der Abbildungen von 239 der ersten Auflage auf 278 1).

Diese Zusätze beruhen auf im Laufe der letzten Jahre ausgeführten Untersuchungen. Bei diesen wurde der Verfasser von seinen Mitarbeitern am botanischen Institut und Garten (namentlich Herrn Dr. SÜSSENGUTH, bei einzelnen auch von den Herren Dr. HIRMER, Dr. KUPPER und Dr. SANDT) wesentlich unterstützt. Ihnen und dem Herrn Verleger, dessen Opferwilligkeit das Erscheinen einer neuen Auflage ermöglichte, möchte er aufrichtig danken. Wie sehr alle die behandelten Fragen eingehender weiterer Untersuchungen bedürfen, braucht kaum hervorgehoben zu werden. Was das Buch bezweckt, ist in dem unten abgedruckten Vorwort zur ersten Auflage erwähnt.

München, 13. Dezember 1923.

K. G.

Vorwort zur ersten Auflage.

Bei den Vorarbeiten zu der zweiten Auflage von des Verfassers „Organographie der Pflanzen" 2) ergab sich die Notwendigkeit, auch die in der ersten Auflage nicht berücksichtigten Entfaltungsbewegungen zu besprechen, denn diese stehen mit eigenartigen Organbildungen im Zusammenhang, über welche zwar viele Einzeluntersuchungen und Deutungen vorliegen, die aber niemals eine zusammenfassende vergleichende Besprechung gefunden haben.

1) Weggelassen wurde der Abschnitt über die Biophytumarten der bot. Gärten. 2) Jena 1913-1923.

633

Die eigenen Untersuchungen des Verfassers nahmen im Lauf der Jahre einen Umfang an, der über den eines Kapitels der „,Organographie" weit hinausging und eine besondere Darstellung zu rechtfertigen schien.

Dieser ist das vorliegende Buch gewidmet. Es versucht, ohne auf die eigentlich physiologischen Probleme einzugehen, die Art und Weise der Entfaltungsbewegungen zu schildern und namentlich die Frage zu prüfen, ob diese wie das meist als selbstverständlich vorausgesetzt wurde als Anpassungserscheinungen zu betrachten sind oder nicht.

Um diese Frage beantworten zu können, war es nötig, kurz darauf einzugehen, weshalb uns die teleologische Betrachtungsweise so im Blute liegt, daß wir glücklich sind, sie irgendwie auch wissenschaftlich rechtfertigen zu können. Die verschiedenen geschichtlichen Mitteilungen, welche der Darstellung beigegeben sind, zeigen, daß die in der Einleitung vertretene Ansicht, es handle sich dabei um einen unbewußten Anthropomorphismus, zutrifft.

Wenn der Verfasser zu dem Ergebnis kam, daß eine Anzahl teleologischer Deutungen der Entfaltungsbewegungen nach unseren jetzigen Kenntnissen als unrichtig oder unbewiesen zu betrachten ist, so ist damit keineswegs gesagt, daß bessere Einsicht nicht auch für diese Bewegungen noch eine Nützlichkeitsdeutung finden könne. Diese müßte aber experimentell erwiesen und nicht nur vermutet sein. Im übrigen handelt es sich bei den folgenden Darlegungen nicht um das Zustandekommen der Anpassungen überhaupt, sondern um das Problem von deren Mannigfaltigkeit.

Die vergleichende Betrachtung ergibt zwei, wie mir scheint, für unsere Auffassung der Anpassungserscheinungen wichtige Folgerungen. Einmal die, daß viele Anpassungen im wörtlichen Sinne das gar nicht sind, sondern eine Ausnützung" anderweitiger Vorgänge worauf der Verfasser seit Jahren wiederholt hingewiesen hat. Sodann die, daß es sich dabei nicht um eine ,,im Kampf ums Dasein" (durch Anhäufung kleiner nützlicher Abänderungen) erworbene Zweckmäßigkeit handelt, ebensowenig um eine zielstrebige. Es war also an einer Reihe von Beispielen auszuführen, daß diese Auffassung des Zustandekommens der Anpassungen unhaltbar geworden ist.

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Die Untersuchungen wurden soweit sie nicht schon lange zurückliegen in den Jahren 1913-1918 ausgeführt. Der Verfasser hatte sich dabei der Unterstützung seiner früheren Assistenten Dr. MERL und Dr. HIRMER zu erfreuen, bei Herstellung der Abbildungen 1) der der Präparatoren A. DORN und K. HÖRGER. Ihnen sowie der Bayr. Akademie, welche durch eine namhafte Unterstützung aus der Samsonstiftung die Veröffentlichung ermöglichte, möchte der Verfasser auch hier danken. Daß seinem Versuch sehr viele Mängel anhaften, dessen ist sich der Verfasser wohl bewußt.

Man könnte sagen: das Buch bringe multa non multum. Es liegt aber im Wesen des Vergleichs, daß er vielerlei heranziehen muß und viele Deutungen sind schon deshalb ohne weiteres als unzutreffend zu erkennen, weil man die Verbreitung der zu deutenden Lebenserscheinungen nicht berücksichtigt hat. Außerdem, so notwendig und interessant auch die Vertiefung in die Einzelheiten eines Vorgangs ist, sie bringt die Gefahr mit sich, daß man in diesen Einzelheiten stecken bleibt. Dieser Gefahr ist, wie mir scheint, auch die physiologische Forschung nicht immer ent

1) Von den Abbildungen sind 230 Originale, 9 (jeweils bezeichnete) Kopien.

gangen. Freilich müßten wir die Lebensbedingungen der verglichenen Pflanzen viel eingehender kennen, als dies bis jetzt der Fall ist, um überall eine sichere Grundlage zu haben. Vielleicht ist aber das vorliegende Buch auch deshalb nicht ganz nutzlos, weil es darauf hinweist, wie unvollkommen unsere Kenntnis der Lebensbedingungen bei den meisten Pflanzen noch ist, und wie unvollständig namentlich die Berichte über die der Tropenpflanzen sind, selbst solcher, die gemeine Unkräuter darstellen. Diese sind meist lehrreicher als die,,Eigenbrödler", deren Sonderbarkeiten eine so große Anziehung ausgeübt haben und die Paradebeispiele für merkwürdige Anpassungen darstellen. Vielleicht veranlaßt das doch ein oder den anderen Tropenbewohner oder Reisenden dazu, die großen Lücken unserer Kenntnisse mit ausfüllen zu helfen. Im übrigen sei nochmals betont, daß es sich bei dieser Darstellung nicht um physiologische, sondern um „ökologische" Fragen handelt und mit einem Forschungsreisenden des 18. Jahrhunderts 1) gesagt: „Sicubi vero Botanicorum expectationi minus fecero satis, confido fore, ut cum materiae amplitudo et diversitas, tum peregrinantis conditio, habeant aliquid legitimae excusationis."

1) N. J. JACQUIN, Selectarum Stirpium americanarum historia, Vindobonae 1763.
München, im März 1919.
K. G.

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