Vorwort. Ich übergebe der Öffentlichkeit hiermit den Versuch, aus einigen M65968 Nachsicht zu erlangen, wenn er seine Aufgabe nicht vollkommen erfüllt haben sollte. Der Gang der Untersuchung ist der in der „Dramaturgie der Classiker“ eingeschlagene und bewährt befundene. Ich habe mich wohl gehütet, allgemeine Geseze über das Wesen der Oper aufzustellen, ohne daß ich versucht hätte, sie am einzelnen Beispiel zu entwickeln. Ihr Gebiet ist noch so wenig nach allen Richtungen durchgearbeitet, daß die Gefahr, Behauptungen aufzustellen, denen die Fülle der vielartigen Erscheinungen der Oper widerspricht, allzu nahe liegen würde. Auch sollten meines Erachtens alle künstlerischen Geseze auf dem Wege der Induction gefunden werden. Was am Beispiel dargethan klar und überzeugend wirkt, verliert seine Beweiskraft, wenn es von der Welt der Erscheinungen losgelöst zum Begriff entkörpert wird, und Geseze zu erfinden und den einzelnen Fall hinunterzuzwängen, er mag wollen oder nicht, ist nicht des Verfassers Art. Durch jahrelange Gewöhnung, jedes für die dramatische Darstellung geschaffene Kunstwerk auch unter den praktischen Bedingungen seiner Darstellbarkeit zu betrachten, hat sich die Überzeugung in ihm befestigt, daß Zeit und Umstände verschiedenster, oft persönlichster Art mit der Form auch den Geist der Kunstwerke beeinflussen und daß die allen gemeinsamen Merkmale verschwindend gering, dann aber auch ihrem Wesen so eingeboren sind, daß ihre Verlegung sofort ein Versagen der Wirkung zur Folge hat. Diese Grundgeseze zu finden wird im Laufe dieser Betrachtungen hoffentlich gelingen. Eine Musikgeschichte erwarte man nicht! Sie zu schreiben lag außerhalb des Vermögens und der Absicht des Verfassers. Doch hat er, wo es ihm nöthig schien, kurze geschichtliche Darstellungen eingeschaltet, die sich theils auf eigene Untersuchungen gründen, theils bekannten grundlegenden Werken auf diesem Gebiete, die der Verfasser namhaft gemacht hat, entnommen sind. Eine breite Behandlung historischer Détailfragen schien ihm dem Zweck und dem Charakter des Buches zu widersprechen, und aus dem vielseitigen Streit der Meinungen durfte er nur die Ergebnisse mittheilen, sofern er sie anerkennen konnte. Daß er die Biographieen der großen Meister, mit denen sich das Buch vor Allem beschäftigt, benuht hat, versteht sich von selbst. Das, was ihm die Hauptsache war, die dramaturgische Betrachtung der Oper, von der das musikalische Urtheil unzertrennlich ist, ist sein ausschließliches Eigenthum, und dies, hofft er, werde im Stande sein, das Werk zu empfehlen, das für Musiker, Operncomponisten, Regisseure, Sänger und den weiten Kreis der musikliebenden Theaterfreunde gleichermaßen bestimmt ist. Die Untersuchungen gelten zunächst nur der deutschen Oper. Daß die angezogenen Werke nicht wahllos zusammengestellt sind, wird man leicht erkennen. Von Gluck bis Wagner ist ein Entwicklungsgang nachweisbar, der nur von Meyerbeer durchbrochen wird. Und doch war seine Betrachtung hier unerläßlich, wenn sie auch nur erfolgte, um die Gegenwirkung, die er hervorrief, in ein helleres Licht zu stellen. Immerhin war auch er ein Glied in der Kette, und ohne ihn wäre Wagner nicht völlig verständlich. Vieler trefflicher Meister, Spohrs, Marschners und Anderer, konnte nur vorübergehend gedacht werden. Doch ließe sich, was hier versäumt bleiben mußte, nachholen, wenn das Buch so freundlich aufge |