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Lage!] Doch wenn der gesunde Verstand siegt, so kann ich mich allenfalls darüber trösten, auf Kosten aller meiner Arbeiten fünf Monate mit dem Warten auf dies Ergebnis verloren zu haben! . . . Wenn die Sache scheitert, darf ich nicht mehr wagen, den Fuss nach Italien zu setzen, [da Durand überall öffentlich von diesem Ankauf gesprochen hat!]." Nachdem er noch flehentlich um eine Entscheidung, ,,als Wohltat des Himmels" gebeten, damit er nicht wie Homers Bellerophon sein Herz verzehren müsse, meinte er: ,,Ich merke an dem Interesse, das ich am Ordnen und an der Entwicklung einer Sammlung nehmen würde, dass ich nicht aus dem Holz bin, aus dem man heutzutage einen Konservator schnitzt. Da muss man den Konservatoren Roms gleichen . . .1).“

,,Nichts wird mich schützen vor den giftigen Zungen," ruft er verzweifelnd aus, und dann wieder: ,,Ich bin wie eine lebende Forelle mitten in der Bratpfanne!" Aber trotz der schmerzlichen Aufregung gedenkt er der italienischen Freunde und dringt darauf, dass Inghirami in Florenz zum Dank für die von ihm nach Paris gesandten etruskischen Bücher ein passendes Gegengeschenk erhalte: ,,die Gerechtigkeit will es so!" Ferner sollte Figeac dafür sorgen, dass irgend ein ,,Phönizier," etwa Garcin de Tassy,,,dem armen Mai" in Rom in seinem Kampf gegen Lanci zu Hilfe käme. Den Blick nach Paris wendend, riet er bereits Ende Januar, bei der Nachricht von Denons) Erkrankung dazu, dessen kostbare demotische Papyri bei Zeiten anzukaufen3). So konnte ihm selbst die starke Erregung während dieser Prüfungszeit den freien Blick nicht trüben, mit dem er gewohnt war, alles zu umfassen.

1) „Qui, succédant aux droits du Sénat, et chargés ordinairement de défendre les libertés publiques, se contentent de veiller à ce que la mule du St Père ne fasse point de faux pas dans les grandes cérémonies de l'Eglise."

2) Denon war als Direktor des Musée Napoléon dem Studenten einst sehr förderlich gewesen und hatte ihn alle seine äg. Privatpapiere nach Belieben durcharbeiten lassen. Er starb, 78jährig, am 27. März 1826.

3) Er empfahl besonders dringend den Papyrus datiert: zur Zeit Alexanders, des Sohnes Alexanders.

Am 20. Februar endlich erfuhr er, dass ihm der König 5000 Franken bewilligt habe, um die Livorner Sammlung zu bearbeiten und den Kaufpreis endgültig abzuschätzen. Aber er traute dem Frieden noch nicht recht: erst als am 25. seine Kassette und alle nötigen Papiere ankommen, atmet er auf von schwerem Druck und trifft in Eile seine Vorbereitungen, um sobald als möglich die „balsamische Luft Ausoniens" wieder zu atmen.

,,Die Besuche gewisser Prinzessinen beim Signor Passalacqua werden also die Mumien von Livorno keineswegs hindern, nächstens zu Wasser oder zu Lande nach Paris zu wandern," schreibt er sogleich hocherfreut an Gazzera, bittet ihn aber, die Verschwiegenheit der Turiner Presse zu veranlassen, da die Nachricht von seiner Ankunft in Livorno und von der „,Besitznahme des Museums Santoni“ erst durch eine offizielle Notiz im Moniteur den Pariser Intriganten aufs Haupt fallen solle.

Nachdem er noch eine vergleichende Tabelle der drei koptischen Hauptdialekte beendet hatte, reiste er am 1. März frühmorgens nach Chambéry ab, etwas zu spät oder viel zu früh, für eine einwandfreie Fahrt, da die Poststrasse1) über eine sieben bis zehn Meter hohe Schneedecke führte, die langsam zu schmelzen begann. Zwei Lawinen waren bereits niedergegangen, viele andere drohten, und stündlich wuchs die Gefahr. Da sie jedoch mindestens bis Ende Mai anhielt und der Col di Tenda-Pass noch gefährlicher erschien, so musste die Fahrt gewagt werden. - Der letzte Gruss galt wie immer dem Bruder, dessen unermessliche Mühsale in der jüngsten heissen Fehde François zu Herzen gingen: „Ruhe dich aus, nun alles im Gange ist und lass uns hoffen, dass dies unser letztes kritisches Jahr sein möge. Es wäre wirklich Zeit, ein wenig Ruhe kosten zu dürfen."

In Chambéry wartete seiner eine grosse Überraschung. Sein einstiger Schulkamerad Avet hatte ihm zu Ehren alle Notabilitäten der Stadt, unter ihnen auch andere Mitschüler

1) Bekanntlich ist der Mont-Cenis ein 2091 m hoher Alpenpass über die Hauptwasserscheide der Alpen und nicht eigentlich ein Berg.

vom Lyceum her, zu einem Festessen versammelt und obwohl er schon beim Kaffee sich wieder losreissen musste aus dem trauten Kreise, wollte er doch nicht scheiden, ohne sich Avet erkenntlich gezeigt zu haben. Daher noch von Chambéry ab ein letztes flüchtiges Wort an den Bruder, eine dringende Bitte, gewisse Interessen des Schulfreundes, die sein durch Teilnahme noch geschärfter Blick sofort als gefährdet erkannt hatte, beim Minister energisch zu ver

treten.

Trotz eines Abenteuers an den Abhängen der MontCenis-Strasse, das leicht zum Schlimmsten hätte führen können, traf der Reisende am 3. März frühmorgens in Turin ein, wo ihm mit Arbeit') und mit dem Wiedersehen der Freunde, denen sich interessante neue Bekannte, u. a. Sir Forster, zugesellten, die Zeit bis zur Weiterreise wie im Fluge verging. Sämtliche Diplomaten Turins, ihnen voran der päpstliche Nuntius, Monsignor Tosti, bestürmten ihn mit Einladungen, als wollten sie ihn darüber hinwegtäuschen, dass der Hof auch jetzt wieder seine Anwesenheit ignorierte. Mit einer Freude, als hätte er sie nie zuvor gesehen, begrüsste Champollion aufs neue die Drovettiana, die freilich immer noch unter der Tyrannei der Hyk-Schôs" stand, und spähete sogleich danach, ob mit der endlichen Rückkehr des Direktors auch die grossen hieratischen und hieroglyphischen Papyri wieder in der Sammlung erschienen wären! Den Pharao Osymandias" fand er jetzt mit Matten (stuoie) umhüllt, was ihn eine fortschreitende Besserung in der bedrängten Lage des Kolosses hoffen liess. Champollions Absicht, durch eine Küstenfahrt

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Genua nach Livorno den ihm verhassten ,,1001 Zollämtern Italiens zu entgehen," wo überdies die Strassen sehr schlecht waren, und wo man in Zeit von einer halben Stunde ,,ein grosses Königtum, ein mächtiges Reich und ein gewaltiges Herzogtum durchkreuzen" konnte, gab er in letzter Stunde auf und reiste über Alessandria, Genua, Spezzia, Massa, Lucca und Pisa nach seinem Bestimmungsort, wo er am

1) Die 12. Pantheon - Lieferung und das System der Zahlen und Monate.

15. März um vier Uhr morgens im Gasthause „,Aquila Nera" nahe dem Hafen'),,auf ein gutes Bett niederfiel."

Aber von freudiger Unruhe gepeinigt, stellte er sich schon wenige Stunden später bei Pietro Santoni ein, der ihn begrüsste, ,,wie ein Bankier einen Sack voll Geld empfängt!" und ihn sofort nach dem Hafen führte, um ihm einige mittlerweile noch eingetroffene grössere Stücke zu zeigen, vor allem den herrlichen Kolossalsarg des,,RamsesMeïamoun", dessen Anblick ihm ,,eine ebensolche Riesenlast" von der Seele nahm, da er gefürchtet hatte, Salt könnte sich geirrt, und den Sarg eines Privaten für den eines Königs gehalten haben. Jetzt sah er mit Freude, dass dieses Prachtstück, obwohl der Deckel dazu von Belzoni nach England transportiert war, an sich schon für die Hälfte des gesamten Kaufpreises aufkam. - Nun ging es, bis zum Abend hin, an die Inventaraufnahme und so beglückt fühlte er sich, dass er dem Bruder schreibt: [Ich wünsche Herrn Dacier und Dir], Tage zu haben, wie der meinige heute war."

Inzwischen war der Bericht von Blacas in Paris veröffentlicht; auch hatte ,,Durands Zentaurenstimme in allen Tonarten das Lob der Sammlung gesungen," so dass der Ankauf derselben durch Karl X. nunmehr völlig gesichert war. Da sich die Kataloge Salts und Santonis als unzutreffend erwiesen, so mussten nun alle Nummern (mehr als 4800), Stück für Stück aufgenommen werden. Er hielt darauf, für den Fall eines Unglücks, vor der Verpackung alle Inschriften und die wichtigsten Papyri selber kopiert zu haben, und der Eifer für seine Mission verlieh ihm eine so erstaunliche Frische, dass er schon bald nach dem Beginn seiner Tätigkeit die Verladung für den Monat April in Aussicht stellen konnte. Er wollte überdies keine Stunde verlieren, denn Rom stand ihm bereits wieder vor Augen; und besonders noch, seitdem ihm Kossakowsky der eigens zu diesem Zweck nach Turin gekommen war die Wiederaufnahme des Projektes von der Veröffentlichung der römischen Obelisken verkündet hatte, wünschte er sehnlichst noch vor Eintritt der Fieberluft mehrere Wochen in der

1) Das Haus existiert noch. Später wohnte er Nr. 585, Via Borra.

ihm teuer gewordenen Stadt verleben, und dort das Werk persönlich zum Abschluss bringen zu können.

Schon am 20. März durfte er die Papyri der drei ägyptischen Schriftsorten als erledigt ansehen, denn er hatte bis dahin, die Brüder Santoni ausgenommen, keine Bekannte und arbeitete selbst abends noch in der Niederlage. Desto dringender bittet er daher um Briefe von Paris, da ihm ,,beim Heraustreten aus dem ägyptischen Staube und Rost" kein anderes Vergnügen zuteil werde. Dies änderte sich jedoch sehr schnell, denn nicht nur kam eben dann Peyron aus Turin zur gemeinsamen Durchsicht der wenigen, aber sehr interessanten griechischen Papyri, sondern auch Ricci aus Florenz traf ein und beide beeilten sich, ihn mit der Livorner Akademie der Wissenschaften bekannt zu machen, der er unmittelbar darauf, am 27. März, für seine Aufnahme zu danken hatte.

An diesem Tage erschien, von Leopold II. gesandt, der Dr. phil. Ippolito Rosellini, Professor der orientalischen Sprachen in Pisa, mit der Bitte bei ihm, sein Schüler sein zu dürfen. Der liebenswürdige 25 jährige Philologe, der sich seit Jahresfrist mit den Hieroglyphen beschäftigt und den Entzifferer bereits gegen Lanci verteidigt hatte'), gefiel Champollion sehr gut. Die Unterweisungen begannen sogleich und schon in seinem nächsten Brief an Figeac stellt er dem fleissigen Pisaner, dem die in der Sammlung zugebrachten Stunden sehr kostbar dünkten, über Geist und Gemüt ein treffliches Zeugnis aus.

So verlebte nun dieser erste Schüler vier volle Tage wöchentlich in Livorno bei seinem ,,lieben Meister", dem er übrigens eine ausgezeichnete Empfehlung in Gestalt seines italienisch verfassten Abrisses des hieroglyphischen Systems) überbrachte, welcher dies letztere dem Verständnis aller zugängig zu machen bestimmt war und Rosellinis Landsleuten eine klare Idee von der Sache geben konnte, ohne sie zum Durchlesen eines dicken Bandes zu verpflichten. 1) Siehe Antologia 1825, Sept. Vol. 19, No. 57, p. 57-68. 2) Il sistema geroglifico del signor [Champollion], dichiarato ed esposto alla intelligenza di tutti. Pisa, 1825, in 8°. 48 Seiten mit zwei Tafeln.

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