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getragen," meint er in bezug auf Forbin und Clarac, ,,denn das ist ja das Wünschenswerteste in dieser armseligen Welt. Ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich mit diesen Herren gut übereinkäme. Es wird nur von ihnen selber abhängen, einen trefflichen Hausstand mit mir zu führen, denn ich bin willens, alles was an mir liegt, dazu beizutragen.“ Seine Briefe1) an Doudeauville und an Blacas sind wahre Denkmäler der Erkenntlichkeit, in der er ja zeitlebens die heiligste Pflicht des Menschen erblickte. Blacas' Erwiderung zeigt, dass er durch Doudeauville von allen Intriguen unterrichtet war. „Ich bin fest überzeugt", schreibt er am 6. Juni, ,,dass Sie durch Tatsachen alles Lügen strafen werden, was Bosheit über Ihr System und Ihre Grundsätze zu verbreiten gesucht hat."

Auch die letzte Aufgabe, das Zusammenpassen und Kopieren der auf den erwähnten 17 einzelnen Blöcken befindlichen Inschrift von Karnak war längst erledigt, aber die trostlose Zeit des Wartens auf das Schiff hatte noch immer kein Ende; doch wurde ihm am 17. Juni eine schöne Ablenkung zuteil: die Besichtigung des grossartigen Festes der Luminara zu Pisa! Zu dieser, damals alle drei Jahre stattfindenden nationalen Feier begab sich eine wahre Völkerwanderung von nah und fern und auch Champollion fuhr schon tags zuvor mit Rosellini zu dessen in Pisa wohnender Familie, wo er sich zwei Tage lang der herzlichsten Gastlichkeit erfreute. Der Grossherzog ebenfalls nahm ihn dort stark in Anspruch und stellte ihn seiner Schwester und seiner Schwägerin vor, denen er eingehend über sich und seine Arbeiten berichten musste. Da wegen des kirchlichen Jubiläumsjahres die volkstümliche Feier), die sich um die breiten Quais des Arno gruppierte, ganz besonders prachtvoll gestaltet war, so hatte sich auch der Papst dazu eingefunden, und einer Überlieferung zufolge benutzte er diese Gelegenheit, um mit Champollion, den er ,,mit Aufmerksamkeiten überhäufte," über das Obeliskenwerk zu sprechen.

Der Ägypter" weilte mit Vorliebe in der selbst heute

1) Die Entwürfe dazu liegen vor.

2) Sie pflegte der Stadt jedesmal einige hunderttausend Lire zu kosten und musste deshalb i. J. 1860 abgeschafft werden.

noch

ganz eigenartigen Stadt Pisa, und der mit seltener Treue an alten Überlieferungen haftende Sinn ihrer Bewohner war ihm äusserst sympathisch. Die an die Prachtfülle der Szenen aus,,Tausend und eine Nacht" erinnernden Stunden. und Tage, die er aber diesmal in ihr und mit ihr erleben durfte, bildeten zeitlebens einen glanzvollen Punkt in seinen Erinnerungen. Die Familie Palli ebenfalls und der Prinz Caradja, bei dem sie im Palast Lanfranchi1) zu Gaste war, wetteiferten mit Rosellini, um Champollion diese festliche Zeit zu einer unvergesslichen Feier zu gestalten. So

es ihm auch vergönnt, vom Balkon dieser fürstlichen. Wohnung aus bis tief in die Nacht das wunderbare Schauspiel zu betrachten, das die hohen Ufer des Arno darboten, wo durch eine besonders effektvolle Art von Illumination hin und wieder flutende Lichtwellen herrliche Blumengewinde und die Wasser des Stromes in märchenhafter Beleuchtung hervortreten liessen.

Aber die innere Ungeduld trieb den Ägypter" bald wieder nach Livorno zurück, das Schiff war noch nicht da! Schon einige Wochen vorher, als er einmal, um seiner verzehrenden Ungeduld zeitweilig zu entgehen, einen Ausflug nach Pisa unternommen und plötzlich, vom Campo Santo ab, den Kanonendonner der Livorner Zitadelle vernommen hatte, war ihm die Erlösung als gewiss erschienen. In atemloser Hast zurückkehren, mit einer Barke an eingetroffene französische Kriegsschiff heransegeln, war das Werk weniger Stunden gewesen. Doch ach, an Bord der ,,Cherrette" hatte man ihm mitgeteilt, dass die Korvette gekommen sei, um eine Gemäldesammlung für die Stadt Montpellier abzuholen! Und nun, einen Monat später, stand er auf demselben Punkt und gedachte mit nagendem Schmerz der Obelisken Roms.

Seine vielen Livorner Freunde bemühten sich, ihn über die nutzlos ihm verrinnende Zeit hinwegzutäuschen; auch der Gouverneuer tat sein Äusserstes, und an dessen gastlichem

1) Noch unverändert vorhanden; am Lungarno' Mediceo gelegen und jetzt Palazzo Toscanelli benannt. Er soll von Michel Angelo erbaut sein und wurde vier Jahre bevor Champ. in ihm weilte, von Lord Byron bewohnt.

Hartleben. Champollion. I.

Tisch traf er u. a. mit dem König von Württemberg zusammen, der sehr lebhaftes Interesse bekundete,,für die ägyptische Politik der alten und neuen Zeit." Leopold II. seinerseits sandte ihm anregende Besucher zu, da es ihm daran lag, mit dem ihm liebgewordenen Gaste seines Landes in Verbindung zu bleiben.

Endlich traf am 24. Juni abends statt der stündlich erwarteten,,Panthère" die ,,Durance" ein und die Einschiffung des pharaonischen Regimentes", oder der ,,ägyptischen Idole“1), wie man in Livorno sagte, sollte zur Wirklichkeit werden. Doch hatte der Wartende nicht so bald an seine Erlösung) zu glauben begonnen, als das ,,furchtbare Wort: Quarantäne" von den Hafenbehörden laut wurde. Aber ein Befehl des Grossherzogs liess dies Schreckgespenst wieder verschwinden, das Einladen begann und war am Abend des 8. Juli mit soviel Sorgfalt beendet, ,,dass selbst die allerkleinsten Leute nichts von der Nachbarschaft der grossen Herren zu fürchten hatten." In aller Form wurden darauf die ,,ägyptischen Truppen" dem Kommandanten Maulac, der sie nach dem Hâvre führen sollte, übergeben, nachdem sie ihrem ägyptischen Kriegsherrn ein Jahr lang die ganze Skala von Lust und Leid, von Hoffnung und Enttäuschung hatten auskosten, und ihn volle acht Monate seines kurz gemessenen Erdendaseins unwiederbringlich hatten verlieren lassen.

Doch nur um so teurer war ihm die Sammlung hierdurch geworden; auch gedachte er eifersüchtig diesen Schatz zu hüten und hatte deshalb die nötigen Maassnahmen getroffen, damit sie, wie die vorausgesandten Papyri ,,bei der Ankunft nicht durch die Hände der Profanen, die aus ihrer Geringschätzung gegen sie ein Gewerbe machen, besudelt würden!"

Aber noch lag die „,Durance" auf der Reede von Livorno, als er im Geiste bereits ein anderes Schiff erblickte, das ihn selber, den,,Ägypter", nach seinem alten Lande führen würde, um dort neue.Ideen, neue Erfahrungen, neue Denkmäler zu

1) Gl'idoli d'Egitto.

2) Aspettare e non venire è cosa d'à morire!" 19. Juni.

finden. Das wird die letzte meiner Karawanen sein," versichert er am 28. Juni und wagt, etwas schüchtern, die dringende Bitte, schon jetzt diese ernste Angelegenheit ins Auge fassen zu wollen, indessen er selber Blacas dafür zu gewinnen hoffte. Neben allerlei Aufträgen für sein zukünftiges Museum, das er in würdigster Weise herzustellen wünschte, und für welches er Dubois, als den genialsten der Pariser Zeichner, anzustellen bat, trat er auch energisch für ein Geschenk des Ministers an Pietro Santoni ein, etwa eine goldene Schnupftabaksdose'), wie er meinte. Mit einer solchen hatte Ludwig XVIII. als Auszeichnung einst ihn selber bedacht, wie erwähnt worden ist, was mehr als

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zwei Jahre später, und komischer Weise zu eben der Zeit, als er zum Bruder über den schlechten Tabak Sr. Sard. Majestät" klagte, den Tabakshändler Suriray in Bordeaux zur Übersendung einer Probe von seiner feinsten Ware bestimmte. Dem Geschenk lag ein origineller Brief bei, in dem es heisst: . . Wäre ich der König, so würde ich gerecht sein und Ihnen die Tabaksdose gewiss nicht gegeben haben, ohne sie mit gelbem Ophirsand oder Paktolusstaub zu füllen! Das Schicksal hindert mich, so trefflich handeln zu können, als wäre ich Finanzkontrolleur! . . . Aber sie werden mir wenigstens erlauben, Ihnen die königliche Dose mit Nicotianapulver zu füllen, das ihrer würdig ist.“ Bei Santoni konnte vom Ophirsand abgesehen werden; neben seinen grossen irdischen Gütern besass er jedoch einige seelische Eigenschaften, die ihn Champollion, der soviel von Gemütstiefe hielt, mit der Zeit wirklich lieb gemacht hatten. Dies merkte er besonders beim Abschied, der ihm überhaupt, trotz seiner Eile, nach Rom zu gelangen, mehr als er gedacht hatte, zu Herzen ging. Hierzu trug auch das gewissermaassen liebevolle Interesse bei, das die Livorner Bevölkerung für sein eigenes und seiner Sammlung Wohl und Wehe gezeigt hatte. Gelegentlich seiner Ausgänge, auf denen er, wie als Student schon, an keinem Unglücklichen mit geschlossener Hand" vorüberzugehen vermochte, näherte

1) Der Minister gab ihm eine Münzensammlung.

sich ihm das Volk zutraulich, aber respektvoll'), um den Fremden, von dem man soviel Aufsehens machte, in der Nähe zu sehen oder ihn gar wohl zu begrüssen, wobei es nicht an komischen Szenen fehlte. Die Abfahrt der ,,Durance" mit den oft besprochenen „Idolen“ an Bord verursachte starke Aufregung, da man gar nicht mehr an deren Entführung denken mochte, und die allgemeine Wehmut war um so grösser, als sich jeder sagen musste, dass auch „der gute Maestro" nun bald auf immer von Livorno scheiden würde.

Um sieben Tage Zeit zu ersparen, hatte sich dieser in eine römische Feluke werfen, und so in drei Tagen,,des Romulus Stadt" erreichen wollen, doch wegen der gefährlichen Kleinheit dieser Fahrzeuge ebensowohl als wegen der Seeräuber wurde dies trotz seiner Bitten nicht zugegeben. Er trat daher mit Rosellini den Landweg über Pisa nach Florenz an, wo er Leopold II. zwar nicht antraf, trotzdem aber einige schöne Stunden verlebte, teils in der Galerie, teils bei der Marquise Carlotta Lenzoni, die ihn seit Wochen schon für diese Gelegenheit hatte einladen lassen. Bei ihr fand er eine wahre Blütenlese der toskanischen Geistes- und Geburtsaristokratie versammelt; auch der Cavaliere Buonarotti, letzter und einziger Erbe des Namens und Vermögens Michel Angelos, war geladen worden, und da die Marquise ihrerseits der letzte direkte Nachkömmling des mächtigen Geschlechtes der Medici war, so stand Champollion den ganzen Abend hindurch im Bann dieser beiden grossen Namen.

Für die Langwierigkeit der Landreise entschädigte ihn reichlich die längst ersehnte Gelegenheit, das Land der Etrusker, wenn auch in Eile, durchqueren zu können. Er hatte schon in Turin, und später in Florenz, Sebastiano Ciampi3) in dem Bestreben aufgesucht, dem damals lebhaft entbrannten Kampf der etruskischen Forscher, von denen die einen ihre Vorfahren zu Schülern, die andern zu Lehrern Griechenlands machten, nahezutreten. Ciampi entschied dahin, dass

1) Hierbei ist nicht an Bettelei zu denken; Livorno war damals ebensosehr durch den stolzen Sinn seiner Bevölkerung, wie durch seinen ausserordentlichen Reichtum und Wohltätigkeitssinn bekannt. 2) Geb. 1769 zu Pistoja, seit 1822 in Florenz, gest. 1847.

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