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finder von San Quintino letzthin in Lucca, Pisa und Florenz auf den Schild gehoben und im voraus der Förderung seiner Interessen durch Lanci in Rom versichert worden war. Seyffarth seinerseits hatte, den Rivalen fern wissend, im Juni,,sein neues Evangelium" in Turin gepredigt und besonders an Peyron und Gazzera eifrige Zuhörer gehabt. Denn er erklärte alles durch die semitischen Sprachen und übersetzte sämtliche Inschriften des Museums, mit Ausnahme der bilinguen Texte der ägyptisch-griechischen Mumie.

Als er dann aber laut verkündete, Champollion selber habe die Papyri in Fetzen zerrissen oder sonstwie veruntreut um damit die Möglichkeit einer Kontrolle über seine Übersetzungen verschwinden zu lassen1), da zogen ihn die beiden Freunde strengstens zur Rechenschaft. Doch setzte er der Anklage starres Schweigen entgegen. Dass ihm San Quintino, nachdem er anfangs auch ihn mit äusserster Schroffheit zurückgestossen, eine Anzahl von Papyrusfragmenten aushändigte, die er dem „Ägypter" vorenthalten hatte, machte ihn vollends siegesgewiss und nachdem ihm die auf mechanische Art bewerkstelligte Zusammensetzung der Stücke und Stückchen des Königskanons überraschend gut gelungen war), glaubte er, dem verhassten Mitbewerber die Palme der ägyptischen Forschung auf immer entrissen zu haben; auch schreibt er: „Überall bin ich sehr ehrenvoll au genommen; wie ein Wundertier haben sie mich angestaunt. Man konnte es nicht begreifen, dass einer klüger als Champollion sein könnte . . ."

Der schweren Mühen eingedenk, die ihm aus der Veröffentlichung des ersten Bandes von Spohns Schriften (De lingua et lit. vet. Aeg. usw.) erwachsen waren, hatte er die Herausgabe der eigenen Resultate, die mit dem zweiten und dritten Bande Spohns zusammenfallen sollten, beschleunigt und harrte nun der internationalen Anerkennung „für seine Nation". In Florenz hatte er sich sehr neugierig gezeigt, Champollion kennen zu lernen: Er hat vorgegeben, eine

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1) Vergl. u. a. Die Grundsätze der Mythologie usw. Leipzig 1843, p. 265, oben.

2) Näheres in Kap. IX.

ganz besondere Zuneigung für mich zu hegen, aber schleunigst die Reise nach Rom angetreten, als er vernommen, ich sei in Livorno," schreibt dieser. Nun ereilte ihn in der Vaticana sein Geschick in einer Weise, dass kein Entrinnen möglich war: „Wenn er aufrichtig ist, was ich glaube, so werde ich ihn bekehren," schrieb der Ägypter" an seinen Bruder, nahm sich jedoch vor, den Gegner,,am Fusse des Kapitols zu opfern," falls er in seiner Irrlehre beharren wolle. Seyffarth dagegen, der von dem „,Unbekannten", dem er die Tür geöffnet hatte, aussagt, dass er ihn mit finsterem Blick angestarrt habe, bemerkt über die erste Begegnung: „Dies ist ominös. Es scheint, als ob der Zufall hätte sagen wollen: Durch ihn (meine Rudimenta) gehts ein in die Geheimnisse Ägyptens!"

Dennoch verlief dieses erste Zusammensein recht friedlich, ebenso dasjenige an der Tafel des französischen Gesandten und an der des Grafen Italinsky. Dann aber kamen ernste Stunden: Des russischen Diplomaten kühner Drang nach Wahrheit begehrte nämlich, die beiden Widersacher den Kampf um die Echtheit ihrer Doktrinen vor berufenen Zeugen ausfechten zu lassen. Er hatte Seyffarth und Lanci willig sein Ohr geliehen, jetzt aber forderte er selber sie in die Schranken, damit sie dem Autor des Briefes an Dacier gewappnet entgegenträten. Wieder fanden sich sämtliche „Archäologiko-Diplomaten“ Roms zu diesen ägyptologischen Konferenzen zusammen, die diesmal in den überaus ernst blickenden russischen Gesandtschaftsräumen stattfanden 1). Lanci hatte, wie im Vorjahre, eine Entschuldigung für sein Nichterscheinen eingesandt, Seyffarth erschien auf dem Plan, aber völlig verschüchtert durch die Präzision und Klarheit von Champollions Darstellungen. Dieser warf ihm in erster Linie vor, in den 37 Paragraphen, die eine Über

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1) Da Seyffarth und Nibby über das Verhalten Champollions und Italinskys während dieser Diskussionen derbe Unwahrheiten zu Gunsten des „Pseudoägypters" verbreiteten, so zog der am Erscheinen verhindert gewesene Sir Gell bei den Diplomaten Erkundigungen ein und gab dann mit edlem Freimut selbst Young gegenüber der Wahrheit die volle Ehre. Es stellte sich dann u. a. heraus, dass Italinsky keineswegs zu Seyffarth gehalten hatte.

sicht der Grundlage seines Systems geben, weder die Autorität der Denkmäler, noch diejenige der alten Autoren angerufen zu haben. Er sah daher eine a-priori-Methode darin, und der Umstand, dass Seyffarth weder die Gemischtheit des hieroglyphischen Systems, noch überhaupt andere als lautliche Zeichen in ihm erkannt hatte (wodurch alle Determinative usw. wegfallen) und dass er, ferner, das Demotische als Urform hinstellt und die drei Schriftarten demgemäss behandelt, machte die Kluft zwischen den beiden Methoden unüberbrückbar. Völlig unverständlich waren ihm ferner die 6000 alphabetischen Zeichen, von denen keines einen ständigen Wert besitzen, sondern je nachdem bis zu sechs verschiedene Buchstaben vorstellen sollte. Zwar hatte Spohn,,dank einer algebraischen Formel den Altägyptern sogar 675 000 Schriftzeichen verliehen", doch selbst von Seyffarths 6000 meinte Champollion, der auf zahllosen Originalmonumenten nur zwischen acht- und neunhundert hieroglyphische Zeichen gefunden hatte, etwa sechs Siebentel als gar nicht existierend verwerfen zu müssen. Der „Ägypter“ beschuldigte also den,,Pseudoägypter", den man in Turin die Sphinx nannte, in öffentlicher Sitzung, mit seinem System in direktem Gegensatz zu den Autoren, zu den Tatsachen und zum gesunden Verstand zu stehen, weder die Denkmäler, noch die hieroglyphischen Formen, noch auch das Koptische zu kennen und einer ,,Halluzination" zu fröhnen, ,,die keine Grenze kennt und die sich auf nichts stützt.",,Ich habe ihm ohne Schonung die ganze Gebrechlichkeit seiner Sache gezeigt und ihm mit Beweisgründen zugesetzt, auf die er gar nichts erwidern konnte: Der Gerichtshof hat sein Schweigen. gerichtet; ich sehe ihn nun täglich, aber von Hieroglyphen ist nicht mehr die Rede!

Unnütz, mit Unvernünftigen vernünftig zu disputieren! Sein einziger Anhänger hier ist Lanci, der ihm beitritt, ihn dirigiert, ihn Dummheiten machen und sagen lässt. In Rom ebenso, wie in Turin und in Florenz hat Seyffarths Anwesenheit den Ruhm, zu welchem Parteigeist und Beschränktheit ihm verhelfen wollten, vollständig ruiniert. In Italien ist er ein gefallener Mann, in Deutschland hat man ihn bereits gerichtet und, falls er nach Frankreich kommt, wird

man ihm dort bald den Prozess machen trotz [Raoul Rochette] und anderer Opponenten dieser Art."

Tatsächlich war es nicht nur Rochette, der sich San Quintinos und durch dessen Vermittlung auch Seyffarths als Werkzeug bediente, um Champollions Autorität auf dem ägyptischen Forschungsgebiet zu unterminieren. Die erwähnten Artikel im Monthly Magazine sowie die Übersetzung davon ins Französische waren diesen Bestrebungen sehr förderlich gewesen, und verschiedene Akademiker in Paris. blickten bereits mit interessierter Teilnahme der Ankunft Seyffarths dort entgegen. Auch San Quintino war in den Vordergrund des Interesses getreten, seitdem man entdeckt hatte, dass Champollion ihn durch Ausschreiben" seines Eigentums,,beraubt" hatte (vergl. Band II p. 27).

Blacas, andrerseits, hatte auf der Durchreise nach Neapel die Diplomaten Roms über die Pariser und Londoner Intriguen gegen seinen Schützling gründlich aufgeklärt und dieser meldete seinem Bruder freudig:,,Meine Hörer von 1825 sind mir treu geblieben und die Diplomaten Deutschlands, u. a. die Geschäftsträger von Preussen und von EnglandHannover, haben an die betreffenden Höfe Briefe geschrieben, in denen sie die völlige Niederlage des armen Seyffarth ankündigten und sich mehr als je für das französische System erklärten." Bunsen und Kestner drangen sogar mit grosser Beharrlichkeit darauf, dass er dem falschen System. ihres Landmannes durch eine Druckschrift den Gnadenstoss geben möchte, doch weigerte er sich, dies zu tun, da es ihm genügte, dass jener,,sich selbst gerichtet" habe und „völlig begraben" sei.

Seyffarth selber war anderer Ansicht, und es ist nur billig, auch ihn reden zu lassen: „. . . Es dauerte nicht lange," schreibt er, ,,da mussten wir vor Ministern und Gesandten disputieren . . . Ich sagte wenig . . . doch erklärte ich den einzelnen, dass auf solche Weise nichts erreicht werde und dass ich aus Schonung ihn nicht habe prostituieren wollen. In der Tat hätte ich von Champollion mehr und anderes (sic!) erwartet, als ich gefunden habe. Er behauptet das albernste Zeug, . . meint, dass die alte Sprache Ägyptens die neue koptische sei . . . usw. Dabei

sprach er mit einer Anmaassung und Unverschämtheit, der nur ein Franzose oder ein Champollion fähig ist. So sagte er z. B., er spräche das Koptische so gut gut als das Französische usw., und wusste nicht einmal dass aspho Jahr bedeutet. Kurz und gut, ich bin sehr gegen Champollion

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eingenommen. Nur soviel habe ich bemerkt, dass er voll Ängstlichkeit war und von mir seine Entlarvung fürchtete, daher er gewissermaassen zu solchen Mitteln schreiten musste und vielleicht einige Entschuldigung verdient . . .“

Hatte bei Italinsky,,das Turnier der beiden Entzifferer" stattgefunden, so kamen beim Grafen Funchal verschiedentlich

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