den allerbilligsten Forderungen der Schule nicht nachkam; hoffentlich wird im Laufe der Zeiten auch der erste Band mehr Zusätze erhalten. Die Einleitung in der neuen Form genügt Schulzwecken vollständig, zudem hat sie an litterarischen Nachweisen gewonnen, die auch dem angehenden Philologen als Ausgangspunkt seiner Studien dienen könnten, zu welchem Zwecke auch in dem Kommentar die Namen von Forschern und Kritikern jetzt mit den betreffenden Schriften zugleich genannt werden. In der Textgestaltung hat sich Widmann zunächst nicht allzusehr von Böhme, welcher an der Überlieferung oft mit einer gewissen Zähigkeit festhält, abgewandt. Erst im weiteren Verlauf der Bearbeitung scheint Widmann die Lust gekommen zu sein, Neues an die Stelle des Alten zu setzen, sei es dafs die von Böhme gegen die Vulgata nur angedeuteten Bedenken ihn veranlafsten, sei es dafs Stahls grammatische Forschungen und die von ihm wie von den Holländern geübte Kritik ihn überzeugten. Die Orthographie hat er noch beibehalten, wie sie in der Böhmeschen Textausgabe vom Jahre 1880 lautet, obwohl er die Stahlschen Aufstellungen als richtig anerkennt. In der Folgezeit wird sich Widmann wohl veranlafst fühlen, hier Wandel zu schaffen. 11. Thucydidis de bello peloponnesiaco libri octo. Ad optimorum librorum fidem editos explanavit E. F. Poppo. Editio tertia, quam auxit et emendavit J. M. Stahl. Vol. I. Sect. I. Lib. I. Lipsiae 1886, Teubner. IV, 360 S. 8. 12. Idem. Vol. III. Sect. I. Lib. V. Ed. II. Ibid. 1879. IV, 194 S. 13. Idem. Vol. III. Sect. II. Lib. VI. Ed. II. Ibid. 1880. 219 S. 14. Idem. Vol. IV. Sect. I. Lib. VII. Ed. II. Ibid. 1882. 208 S. Blätter f. bayer. Gymn. 1883. S. 464-472, J. Sörgel. Ztschr. f. österr. Gymn. 1881. S. 819-821. 331-336; 1884. S. 583-585, W. Jerusalem. Wochenschr. f. klass. Philol. 1884. I. Nr. 52. Sp. 1633 -1646, H. Schütz; 1887. IV. Nr. 34. Sp. 1035-1039, J. Steup. Unter den lebenden Thukydidesbearbeitern der thätigste und verdienstvollste ist unstreitig J. M. Stahl. Ihm verdanken wir seit lange den relativ besten Text, wie er seit Bekkers Kollationen nicht eifriger revidiert und ohne Künstelei scharfsinniger rekonstruiert worden ist, zudem eine Reihe von Specialuntersuchungen, die für Grammatik und Orthographie fast durchweg als ausschlag- und mafsgebend sich Bahn gebrochen haben. Alle Verdienste Stahls um den Autor finden sich beisammen in der staunenswert sorgfältigen und alles durchdringenden Bearbeitung der trefflichen Popposchen editio minor, welche demnächst vollständig es fehlt nur noch Vol. I. Sect. II. Lib. II in neuem Gewande, den Resultaten der neueren Forschungen überall wo es nötig schien, angepasst vorliegen wird. Am meisten ist von denselben beeinflufst und im einzelnen erheblich umgestaltet der zuletzt veröffentlichte erste Teil des ersten Bandes. Vorangeht, mit Kommentar versehen, 1. Μαρκελλίνου ἐκ τῶν εἰς θουκυδίδην σχολίων περὶ τοῦ βίου αὐτοῦ θουκυδίδου καὶ τῆς τοῦ λόγου ἰδέας. Rücksichtlich der Person des Markellinos bemerkt Stahl im Hinblick auf die bisherigen Ansichten: multo probabilior est Schumanni (de Marcell. quae dicitur vita Thuc. Progr. Colmar 1879) sententia, qui ex rerum verborumque consensu p. 22 sq. coniecit hunc Marcellinum eundem esse qui scholia in Hermogenis status (apud Waltz. Rhet. Gr. IV) scripsisset. Doch was noch weiter von der kritischen und exegetischen Thätigkeit Stahls für die vita Thuc. erwähnt werden könnte, gehört unter den Abschnitt Biographie dieses Jahresber. Nur erwähnen will ich eine Konjektur Steigs zu § 52, wo nicht blofs tỷ nadaiã, sondern auch ἣ τὸ ξ ἀντὶ τοῦ σ παρείληφεν von Stahl eingeklammert wird, nämlich unter Belassung des Relativsatzes die Änderung des nachfolgenden γράφη in γράφει, so dafs mit και ein Relativsatz im freiesten Anschlufs folgen müfste: et (secundam quam sc. vetustam dialectum Atticam) Thucydides scribit diphthongum a pro a, alɛé pronuntians; dann wäre wohl vorzuziehen ᾗ (statt ), sc. χρώμενος, τὸ ξ ἀντὶ τοῦ σ παρείληφεν, ὅτε . καί . . . γράφει, so dafs dem αἰεὶ λέγων entspricht nach welchem, sc. dem Dialekt, er, sc. Thuk., ein für allemal das für das o übernommen hat. 2. Θουκυδίδου βίος, scriptoris incerti vita Thuc. 3. Thuc. historiae emendandae et illustrandae fontes et subsidia. a) De codicibus Thuc. collatis. In der richtigen Annahme, dafs Bekkers Wertschätzung der Hdschr. Poppos Urteil über dieselben überholt habe, hat Stahl jetzt seine eigenen Ansichten über Ansehen und verwandtschaftliche Beziehungen der Hdschr. zu einander eingesetzt und somit auch den geringeren unter ihnen Zugeständnisse gemacht. Demnach haben wir jetzt eine Einteilung in 7 Klassen: 1. Libri mscr. ante edit. Dukeri inspecti (1-7, [6 = CIN apud Shilleto]), 2. a Dukeri aetate usque ad edit. Gailii collati (8—13), 4. a Bekkero collati (23-27, It. [= Cisalp. apud Croiset], Vat., Laur., Marc., Pal.), 5. in Popponis usum comparati (28-31, Lugd., Monac. m et b, Cant. = T, cfr. Shilleto), 6. ab Arnoldo comparati (32-41), 7. a Julio Eggelingio collatus codex musei Britannici M (Nr. 42 in der mit orientierenden Notizen versehenen Aufzählung), quem Stahlius editioni Tauchnitzianae adhibuit (eiusdem cod. 1. VIII contulit Herwerdenus. Vide eius stud. Thuc. p. VI sqq.). Dieser Codex steht an Alter kaum dem It., Vat., Laur., Palat., August. nach, »contaminatam quandam memoriam praebet partim cum bonis partim cum deterioribus libris consentientem«. Im übrigen wird Bekkers Urteil »praestantissimum omnium Vaticanum esse« bestätigt; »praeter Vaticanum imprimis ratio habenda est libri Laurentiani«. Beachtenswert ist das Wort: ne deteriores quidem libri solis vitiis ab optimis differunt; inveniuntur loci ubi veram scripturam in optimis libris corruptam unus vel complures eorum praebeant (vgl. zu Croiset). b) De libris editis, interpretationibus, aliis scriptis Zunächst werden die Ausgaben nach dem Alter und dem Grade ihrer Nützlichkeit charakterisiert: 1. Von der Aldina bis zur Hervagiana und der Benutzung der letzteren durch H. Stephanus. 2. Von H. Stephanus ed. II bis auf Duker. 3. Von Duker bis auf Bekker. 4. Von Bekker bis heute. In der weiteren Thukydideslitteratur (bis 1885) wird manche Einzelheit vermifst, und ich weifs nicht, ob es recht ist, nach subjektivem Ermessen bei derartigen Aufstellungen wegzulassen »quae nullius aut minimi pretii esse viderentur«. (Vergl. als partielle Ergänzungen dazu die Litteratur in meinen Ausgaben, besonders im Anhang zu Buch VI »Litteratur zur Sprache des Thuk.« und zu meinen Dispositionen z. d. Red. bei Thuk.«) In die zwischen Text und Anmerkungen stehende, jetzt durch Weglassung von Unnötigem vereinfachte scripturarum discrepantia hat Stahl die Lesarten des Cod. mus. Brit. M aufgenommen. Der Kommentar ist unter Wahrung seiner ursprünglichen Eigenart auf Grund neuerer Forschung nach jeder Seite hin, namentlich auch nach der historischen und antiquarischen, erweitert. Für grammatische Erklärungen sind die inzwischen in vermehrter Auflage erschienenen quaestiones grammaticae von Stahl im voraus mafsgebend gewesen, nach denen auch die in ausgedehnterer Weise als in den voraufgegangenen Ausgaben vorgenommenen orthographischen Änderungen ihre Begründung finden. Während wir bei Classen eine mehr oder minder konservative Textbehandlung gewohnt sind, sehen wir bei Stahl immer mehr die Neigung zu durchgreifenderer Umgestaltung der Überlieferung hervortreten, so dafs seine eigene Textausgabe (Lpz. 1873 und 1874, Tauchnitz) in gar vielen Fällen heute anders lauten müfste. Dafs Stahls Kritik grofse Überzeugungskraft besitzt, kann nicht geleugnet werden, und gewifs würde auch Poppo ihm in manchen Stücken nachgegeben haben. Bei der Schärfe seiner Beweisführung, bei der Tiefe und Weite seiner Kenntnisse, bei der Klarheit seines Verständnisses ist es durchaus nicht zu verwundern, wenn man ihm zu folgen williger bereit ist als jedem andern; aber überallhin geht's doch nicht. Nicht gerade sanft wird derjenige angefafst, welcher Stahl zu widersprechen wagt oder ungenügende Gründe für seine Abweichung von ihm unterbreitet oder selbständig zu anderen Resultaten gelangt, die Stahl nicht anerkennen zu dürfen meint. Daher wird denn mancher Straufs im Kommentar ausgefochten und dabei manches Kompliment ausgeboten, welches in der lateinischen Hülle oft bitter klingen mag, aber nicht so böse gemeint zu sein scheint. 15. Θουκυδίδου ξυγγραφή. Mit erklärenden Bemerkungen herausgegeben von K. W. Krüger. Ersten Bandes zweites Heft (III.—IV. Buch). 3. Auflage, besorgt von W. Pökel. Leipzig 1885, K. W. Krügers Verlagsbuchhandlung. II, 219 S. 8. Wochenschr. für klass. Philol. 1886. III. Nr. 38. Sp. 1185-1187, S. Widmann. Neue Philol. Rundsch. 1887. Nr. 24. S. 373-374, E. Eichler. Es ist ein dankenswertes Unternehmen von Pökel, den Thuk. seines Freundes aufs neue herauszugeben und so zu verhüten, dass diese eigenartigste aller Ausgaben, für den Forscher ein wahrer Schatz seit ihrem ersten Erscheinen, nachkommenden Generationen weniger zugänglich sei. Nicht radikal umarbeiten und verbessern wollte Pökel die vergriffene Ausgabe, sondern nur den alten Krüger mit den notwendigsten Änderungen in Einzelheiten ausgestattet und, wo es not that, dem Standpunkte heutiger Forschung angepasst neu beleben. Und das ist dem Hrsgb. soweit gelungen, wie es unter pietätsvollster Wahrung des Charakters der Ausgabe nur möglich und im allgemeinen wünschenswert sein konnte. Abgesehen von äufserlichen Berichtigungen und besseren Schreibweisen hat Verf. zunächst die von Krüger der zweiten Auflage des Heftes v. J. 1858 angehängten Verbesserungen und Zusätze mit grofsem Geschick in den Kommentar selber eingereiht. Die Änderungen des Textes, welche nur bei sorgfältiger Vergleichung der zweiten Auflage erkennbar werden, sind nicht sehr zahlreich: III 23, 1 ἀνεβεβήκεσαν, wie IV 69, 3 ἀπετετέλεστο. IV 1, 2 [αἱ] πληρούμεναι nach Madvig, desgl. III 31,1 οἱ Λέσβιοι [οἱ] ξυμπλέοντες. IV 30, 2 ἀξιόχρεων. IV 104, 2 ἐκ τῶν ̓Αθηνῶν, wo sich ἐκ Twv 'Advaíwv sehr wohl verteidigen liefs, vgl. Bekkers Konjektur I 110, 4 Ex Twν Adyov. IV 24, 3 ist ré hinter 'Advaíos, was alle Codd. haben, nach Classen (Stahl und Meineke) entfernt worden. Im Kommentar werden zahlreichere Vermutungen und Änderungen älterer und neuerer Kritiker zur Kenntnis des Lesers gebracht. Mafs und Auswahl ist natürlich von dem subjektiven Ermessen des Hrsgbrs. abhängig, wie hier so auch in der Nennung von Hülfs- und Erklärungsschriften, in der Citierung von Stellen aus Thuk. und aus anderen Autoren und in der Übersetzungshülfe, worauf gleichfalls Rücksicht genommen worden ist, während die sachlichen Anmerkungen keine wesentliche Änderung erfahren zu haben scheinen. 16. Thukydides' zweites Buch, Kap. 1-65. Erklärende Ausgabe nebst Einleitung in die Thukydideslektüre für den Schul- und Privatgebrauch von Franz Müller. Paderborn und Münster 1886, Ferd. Schöningh. X, 144 S. 8. 17. Derselbe, Thukydides' zweites Buch, Kap. 1-65. Schulausgabe nebst Einleitung in die Thukydideslektüre. Ebenda 1886. II, 54 S. kl. 8. Neuer Philologischer Anzeiger 1886. Nr. 1. Sp. 5 f., H. Ziemer. Berl. Philol. Wochenschr. 1886. VI. Nr. 24. Sp. 748-750, G. Behrendt. Wochenschr. für klass. Philol. 1886. III. Nr. 38. Sp. 1185 -1187, S. Widmann. Neue Jahrb. für Philol. u. Pädag. 1886. S. 358-360, H. Vogrinz. Blätter für höheres Schulwesen 1886. III. Nr. 10. Sp. 168. Gymnasium 1887. V. Nr. 3. Sp. 85-89, Tegge. Neue Phil. Rundsch. 1887. S. 369–373, A. Nieschke. Jahresber. über das höhere Schulwesen 1886. I. S. 183, A. von Bamberg. Korresp.- Blatt für die Gelehrten- u. Realschulen Württembergs 1887. Nr. 7/8, Graf; vgl. daselbst 1887. Nr. 11/12. S. 552-557. Blätter f. d. bayer. Gymnasialschulwesen 1888. XXIV. Nr. 8. S. 453 f. Bei der Herausgabe des vorliegenden Abschnittes und der vollständigen Bücher VI und VII (in gleichem Verlage 1888 und 1889) hat mich einerseits die Rücksicht auf die Schule geleitet, für deren Bedürfnisse die bisherigen Ausgaben als durchweg zu wenig passend erachtet worden sind, anderseits wollte ich namentlich jüngeren Philologen, die auf der Schule den Genufs der Thukydideslektüre leider oft nicht gehabt haben, die erste Anleitung geben. Demgemäfs bringt der Text der möglichst objektiv dem Standpunkte der Wissenschaft gemäfs entworfenen Einleitung nur das Notwendigste und für Anfänger Wissenswerteste aus der in den letzten Jahren stark angewachsenen, in vielen Punkten noch nicht abgeschlossenen oder gar keines Abschlusses fähigen Litteratur über Leben, Denk- und Schreibweise des Thuk., während die Zusammenstellung der wichtigsten Hülfsmittel, deren Suchen gerade Anfängern oftmals erhebliche Schwierigkeiten macht, zu einem Einblick in die Streitfragen verhelfen soll, die selber nicht behandelt, höchstens nur angedeutet werden konnten. Der mit mancherlei sinnerklärenden Druckmalen versehene Text ist im allgemeinen nach der Stahlschen editio stereotypa gegeben; nur da, wo die Hdschr. Änderungen zulassen oder gar fordern, schrieb ich meist zum Zweck des bequemeren Verständnisses und im Gefolge von Autoritäten anders. Der Text ist mit gekürzter Einleitung und einer Zusammenstellung der Abweichungen von Stahl für Schulzwecke auch besonders erschienen. Ich werde in diesem Berichte ab und zu Gelegenheit haben, meine Schreibweisen auch gegen Ausstellungen der Recensenten in Schutz zu nehmen. |