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Ueber den Einfluss des rothen und blauen Lichtes auf die Strömung des Protoplasma in den Brennhaaren von Urtica und den Staubfadenhaaren der Tradescantia virginica.

Von Dr. Chr. Luerssen.

(Hierzu Tafel I und II).

Ueber die Wirkung des farbigen Lichtes auf Protoplasmabewegungen in Pflanzenzellen lagen bis zum Herbste 1867 keine Beobachtungen vor. Alle Untersuchungen bezogen sich entweder auf die Massenbewegungen freier Plasmagebilde unter dem Einfluss des farbigen oder weissen Lichtes (Treviranus, Thuret, Nägeli, Cohn, Famintzin), oder auf die Einwirkung des weissen Tageslichtes auf die Plasmaströmungen in den Zellen. Die einzige hierauf bezügliche Stelle in Hofmeister's Handbuch der physiol. Botanik (I, pag. 49) berücksichtigt nur das Letztere und lautet: Vom Einfluss des Lichtes ist die Geschwindigkeit der Protoplasmabewegung nicht merklich abhängig. Ihre Beschleunigung erfolgt in Haaren von Cucurbitaceen und von Tradescantia ganz in der gleichen Weise, mögen dieselben im Tageslichte oder im Dunkeln erwärmt werden."

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„Ich sah sie in vollkommener Dunkelheit (nachdem ich Tradescantia vier Tage im völlig dunkeln Raume hatte stehen lassen) in dem Oeffnen nahen Knospen ebenso im Gange, wie in solchen, die unter freiem Himmel sich entwickelt hatten. Tradescantiahaare, die dreissig Stunden lang im dunkeln Raume gelegen hatten, zeigten die Strömung in noch unveränderter Geschwindigkeit. Nur bei sehr lange dauernder Lichtentziehung erlischt die Protoplasmaströmung mit der Vegetation der Pflanze überhaupt, bei Chara nach 23 Tagen."

So weit Hofmeister.

Erst im Herbste 1867 erschien die erste und, so viel ich weiss, bis jetzt einzige Arbeit auf dem oben bezeichneten Gebiete von El. Borščow, Privatdocenten in Kiew, betitelt: „Wirkung des rothen und blauen Lichtstrahles auf das bewegliche Plasma der

Brennhaare von Urtica urens." 1) Die erhaltenen Resultate fasst Borščow selbst am Schlusse seiner Arbeit mit folgenden Sätzen zusammen : 2)

„1) Eine anhaltende Wirkung des rothen Strahles auf das Zellenplasma der Brennhaare von Urtica urens erzeugt in demselben eine tief eingreifende Störung der Molecular structur, deren erstes Kennzeichen eine Verlangsamung der Bewegung und das Endresultat eine vollständige Desorganisation der Plasmamasse und ein Absterben der Zelle ist."

,,2) Der Grundcharakter der dabei stattfindenden Molecularmetamorphose besteht, wie es scheint, in einer bedeutenden Verdichtung der ganzen Plasmamasse, in dem Uebergange ihrer Molecule aus dem labilen Gleichgewichtszustande in einen stabilen der Bewegung; Bildung von Kugeln und Vacuolen sind die äusseren Symptome einer derartigen Veränderung.“

3) Die Geschwindigkeit, mit welcher im Zellenplasma alle stattfindenden Veränderungen auf einander folgen, scheint, ceteris paribus, hauptsächlich vom Alter der Zelle abhängig zu sein."

,,4) Sämmtliche, durch die Einwirkung des rothen Strahles in dem Zellenplasma hervorgerufenen Erscheinungen sind denen bei der Wirkung inducirter electrischer Ströme auftretenden sehr ähnlich."

,,5) Gleich den freien Plasmagebilden, wie Euglena, Diselmis, vielen Zoosporen und Antherozoiden, scheint auch das Zellenplasma sich der Einwirkung des rothen Strahles zu entziehen."

,,6) Dagegen strömt es den blauen Strahlen, welche die Bewegung und die Molecularanordnung desselben nicht beeinträchtigen, entgegen, und es ist also die Wirkung dieser Strahlen auf das Zellenplasma eine in ähnlicher Weise anziehende, wie auf freie, bewegliche Plasmamassen."

,,7) Die vorhergehende Beleuchtung mit blauen Strahlen schützt zwar das Zellenplasma gegen die nachfolgende, plötzlich eintretende Wirkung des grellen, gemischten Lichtes, ist aber nicht im Stande, die zerstörende Wirkung der nachfolgenden Beleuchtung mit rothen Strahlen zu hindern."

Da diese Versuche schon an und für sich viel Interesse erregen, so übernahm ich gerne auf Veranlassung meines hochverehrten Lehrers, Herrn Prof. Dr. Pringsheim, im pflanzenphysiologischen Laboratorium zu Jena eine Revision der Untersuchungen, die im Allgemeinen zu den von Borščow gewonnenen Resultaten führte, aber auf noch andere Arten derselben Gattung, sowie auf Tradescantia virginica ausgedehnt wurde, und noch einige andere, von Borščow nicht beobachtete Erscheinungen ergab. Im Wesentlichen wurde dabei die Methode der Untersuchung von Borščow befolgt, zu der ich noch Folgendes bemerken will.

1) Mélanges biologiques tirés du Bulletin de l'acad. imp. des sciences de St. Pétersbourg. Tome VI. pag. 312. 2) a. a. O. pag. 329.

Um die Verletzung der Brennhaare von Urtica zu verhüten, wurde ein Stück Epidermis mit einer genügenden Anzahl von Haaren vorsichtig von dem betreffenden Pflanzentheile abgezogen und in einen grossen Tropfen Wasser gebracht. Das Auflegen des Deckglases muss vorsichtig geschehen, damit nicht etwa durch zu starken Druck das Endknöpfchen des Haares abbricht oder sonstige Störungen eintreten. Zwischen abgestorbenen und verletzten Haare fanden sich auf dem in dieser Weise behandelten Epidermisstückchen stets noch einige Haare mit Plasmaströmung, von denen wieder das beste Exemplar für den anzustellenden Versuch verwendet wurde. Eine geringe mechanische Erschütterung schadet hierbei, wie Borščow ebenfalls beobachtete, 1) nicht; die Strömung des Protoplasmas wird durch dieselbe in keiner Weise. gestört. Bei Tradescantia wurde aus einem Staubfaden vorsichtig eine Lamelle mit den daran sitzenden Haaren quer herausgeschnitten.

In Bezug auf das zum Präparate verwendete Wasser kann ich Borščow völlig darin beistimmen, dass destillirtes Wasser ,,die Bewegungen des Zellenplasmas durchaus nicht beeinträchtigt, vorausgesetzt, dass es lufthaltig ist und seine Temperatur in denjenigen Grenzen liegt, innerhalb welcher das Protoplasma überhaupt nicht afficirt wird." 2) Die Temperatur des Wassers schwankte während der ganzen Versuchszeit vom 8. Mai bis 10. Juli 1868 zwischen 18 und 24° Cels., während die Zimmertemperatur in derselben Zeit 19,75 bis 26° Cels. betrug.

Damit nun das Präparat vor dem Austrocknen geschützt blieb und doch das fortwährende Zusetzen von neuen Wassertropfen vermieden wurde, bediente ich mich des mit Wasser füllbaren Objectträgers von H. L. Smith. 3) Derselbe scheint, trotz seiner grossen Bequemlichkeit und ausgezeichneten Brauchbarkeit noch nicht so bekannt zu sein, wie er es verdient; ich gehe daher noch eine kurze Beschreibung, sowie eine Abbildung desselben. Auf eine quadratische oder rectanguläre Platte von reinem, weissem, nicht zu dickem Glase, deren Grösse sich nach derjenigen des Objecttisches richtet, kittet man mittelst Canadabalsam oder Asphaltlack vier schmale Glasleistchen am Rande wasserdicht auf, so dass ein niedriger Glastrog entsteht. Dieser wird durch eine aufgekittete zweite, dünne Glasplatte, an welcher die eine Ecke kurz abgestutzt und die dieser diagonal gegenüberliegende Ecke durchbohrt ist, geschlossen. Der so erhaltene Objecträger (Fig. 4) wird von der offenen Ecke (Fig. 4a) aus mittelst eines Glasrohres mit Wasser gefüllt, ohne dass Luftblasen im Innern bleiben, zu welchem Zwecke man bei der Füllung den Objectträger etwas geneigt hält. Das Präparat wird in die Nähe des Loches b (Fig. 4) wie gewöhnlich in einen Tropfen Wasser ge

1) a. a. O. pag. 313.

2) a. a. O. pag. 314.

3) H. L. Smith in Sillimann's American Journal of science and arts. Vol. XI, Septemb. 1865, pag. 241. Vergleiche auch Max Schultze's Archiv für mikrosk. Anatomie, Bd. II, pag 160.

legt und nun mit einem etwas grösseren Deckglase (Fig. 4 c) so bedeckt, dass die Oeffnung in der oberen Platte des Objectträgers (Fig. 4b) unter die eine Ecke des Deckglases zu liegen kommt. Dadurch tritt das Wasser in dem Objectträger mit demjenigen unter dem Deckglase in Communication (wobei darauf zu achten ist, dass eine etwa in der Durchbohrung bleibende Luftblase jedenfalls entfernt wird), und das am Rande des Deckglases verdunstende Wasser wird nun continuirlich durch aus dem Objectträger aufsteigendes Wasser ersetzt, so lange, bis die in Folge der Verdunstung des Wassers durch a in den Objectträger dringende grosse Luftblase die Durchbohrung der oberen Glasplatte erreicht. Um dieses recht lange zu verzögern, macht man den Objectträger thunlichst gross und bringt die Durchbohrung der oberen Platte möglichst weit in die äusserste Ecke, in weiteste Entfernung von dem Ausschnitt a, da das hinter b befindliche Wasser keinen Einfluss auf die längere Erhaltung des Präparates hat. Objectträger von 40 mm. im Quadrat konnte ich über 48 Stunden bei ziemlicher Zimmerwärme frei liegen lassen, ehe das Präparat einzutrocknen begann; in der später zu beschreibenden Dunkelkammer wurde, der geringen Verdunstung wegen, diese Zeit bedeutend verlängert. Auch kann man noch die Verdunstung dadurch verzögern, dass man nach der Füllung des Objectträgers die von der oberen Platte abgeschnittene Ecke wieder jedoch nicht hermetisch anpassend auflegt.

Zur Herstellung des dunkeln Raumes, in den nur die bestimmte Lichtsorte zum Präparate zugelassen wird, wurde anfänglich der von Borščow vorgeschlagene Apparat verwendet. Wenn das betreffende Präparat auf dem Objecttische des Mikroskopes festgeklammert worden war (wobei man auf genaue Lage im Gesichtsfelde zu achten hat), wurde auf den letzteren ein lichtdichter, innen geschwärzter Kasten aus Pappe, mit schwarzem, glanzlosem Callico überzogen, gestellt. Die Ränder dieses Kastens umschlossen fest den Rand des Objecttisches, mittelst eines Falzes über diesen nach unten weggreifend, und auch der Tubus des Mikroskopes bewegte sich lichtdicht durch die mit Sammet ausgelegte kreisrunde Oeffnung in der oberen Decke des unten offenen Kastens. Nachdem dieser kleine Kasten über das Präparat gestellt worden war, wurde das Mikroskop - ohne den Tubus in einen grösseren schwarzen Kasten mit grosser seitlicher Thür gestellt und nun erst der Tubus durch eine kreisrunde, ebenfalls mit Sammet ausgelegte Oeffnung in der Decke des grossen Kastens eingeschoben, durch das Tubusrohr des Stativs hindurch in den kleineren Kasten hinein, und nun das zu beobachtende Haar scharf eingestellt. Darauf wurde die Thür des Kastens verschlossen und vor einen in der Höhe des Spiegels in der Vorderwand des Kastens angebrachten quadratischen Ausschnitt die die farbigen Flüssigkeiten enthaltenden Apparate gestellt. Diese bestanden in gewöhnlichen vierseitigen Flaschen von etwa 3 Centimeter kleinerem senkrechten Durchmesser, welche in aussen und inwendig geschwärzten Kästen so steckten, dass das Licht durch eine genügend grosse Durch

brechung der Vorder- und Hinterwand derselben durch die far bige Lösung hindurch auf den Spiegel fallen konnte, ohne dass fremdes (weisses) Licht in den Apparat gelangte. Zu diesem Zwecke griffen auch ein paar seitliche schwarze Leisten der Kästen lichtdicht über die Seitenwände des grösseren Mikroskopkastens. Die Apparate waren so genau gearbeitet, dass das weisse Tageslicht völlig ausgeschlossen wurde. Eine kleine, gut eingepasste Klappe in der Höhe der Mikrometerschraube ermöglichte von Zeit zu Zeit die genaue Einstellung des Objectes.

Dieser, mit einigen Abweichungen nach den Angaben Borščow's 1) construirte Apparat ist in den Fällen, in denen die zu beobachtende Haarzelle keinen grösseren Raum einnimmt, als das Gesichtsfeld des Mikroskops (wie z. B. bei den Zellen der Staubfadenhaare der Tradescantia virginica bei nicht zu starker Vergrösserung), sehr gut brauchbar. In solchen Fällen jedoch, wo, wie gerade bei Urtica, und namentlich bei starken Vergrösserungen, nur ein kleines Stück der Haarzelle auf einmal übersehen wird, ist derselbe nicht anwendbar oder doch unpraktisch und unsicher. Zwar giebt Borščow an 2), dass er das Präparat vorsichtig hin- und herbewegt habe, so dass bald dieser, bald jener Theil des Haares beleuchtet wurde, indessen ist dieses ohne Oeffnung des Apparates für längere Zeit nicht wohl gut möglich und ein langes Eindringen weissen Lichtes dabei unvermeidlich, es sei denn, dass man die zweite Vorrichtung Borščow's anwende und das Mikroskop nur mit schwarzem Callico umwickele 3). Um diesem Uebelstande abzuhelfen, wurde, hauptsächlich nach den Angaben von Professor Pringsheim, von Herrn Mechanikus Carl Zeiss in Jena ein Apparat 4) construirt, den ich kurzweg als

Pringsheim's Dunkelkammer

bezeichnen will, und der alle Vorzüge einer sehr bequemen Handhabung, völligen Ausschluss weissen Lichtes, sichere Verschiebung des Objectes ohne Oeffnung des Apparates u. s. w. besitzt. Derselbe zeigt folgende Einrichtung (Taf. I, 1-4): Ein kreisrunder, innen überall geschwärzter Messingkasten (Fig. 1, A; Fig. 2. in der Ansicht von oben nach entferntem Deckel) von dem grössten Durchmesser des betreffenden Objecttisches besitzt einen lichtdicht in einem Falz liegenden Messingdeckel, der, genau centrirt, eine mittlere Oeffnung mit geschlitztem Cylinderaufsatz hat (Fig. 1), durch welchen der Tubus des Mikroskopes lichtdicht sich in den Kasten, wenn dieser auf dem Objecttische befestigt ist, einführen lässt. Sollte dieses durch die Messingfassung allein noch nicht

1) a. a. O. pag. 315.

2) a. a. O. pag. 322.

3) Borščow a. a. O. pag 316.

4) Herr Zeiss fertigt den Apparat in eleganter Ausstattung (ohne Etuis, doch mit solider Verpackung) für Stative von mittlerer Grösse zum Preise von 6 Thlr; für grössere Stative ist der Preis etwas höher. Das Mikroskop muss dabei eingesendet werden. Ebenso sind von Herrn Zeiss die oben beschriebenen füllbaren Objectträger zu einem geringen Preise zu beziehen.

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