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Der Rath stüßt hier seine Befugniß auf den unvordenklichen Besitz und auf die fürstliche Bestätigung der städtischen Gerechtsame, also auch des Hammenstedter Weggeldes; auf Erläuterung des Ursprungs läßt er sich nicht ein, wiewohl ihm im städtischen Archiv ein reicheres historisches Material zu Gebote stand, als mir, der ich den unerseglichen Verlust desselben in den Flammen des Jahrs 1832 erlebt habe. Ob ihm die Bedeutung des bis jest erhaltenen SteinheiligenStockes und der erst 1737 abgebrochenen Capelle zum Heiligen-Kreuz auf der Langen - Brücke 1) bereits verdunkelt gewesen, lasse ich dahin gestellt sein. Aber das versichere ich, daß er durch beider Denkmale Erhaltung weit in die Reformationszeit herab einen Wink über den Ursprung des Weggeldes mir hat zu Theil werden lassen.

17. Seit dem 23. Juli 1850 hat die Erhebung des städtischen Weggeldes aufgehört, nachdem der Stadt eine jährliche Entschädigung aus Landesmitteln zugesichert worden. Diese Gerechtsame wird nun bald in Vergessenheit gerathen; für Freunde des Alterthümlichen habe ich diese Abhandlung ver. faßt. Daneben sollte durch dies Beispiel nachgewiesen werden, wie es den Räthen der Städte im Mittelalter gelingen konnte, sich einträgliche Gerechtsame anzueignen, deren anfängliche Begründung in unscheinbaren Dingen wurzelte, vermöge einer der Gegenwart unbekannten Selbsthülfe aber zu nachhaltigen Erträgnissen führten, wobei der Austausch der allgemeinen fürstlichen Bestätigung städtischer Rechte gegen die dann gutwillig geleistete Erbhuldigung eine wirksame Rolle spielte 2).

1) Ihre Stelle auf der 1828 abgebrochenen alten Langen - Brücke bezeichnete eine auf dem diesseitigen dritten Pfeiler befindliche halbrunde Auslage nach der Ostseite stromaufwärts. Diese alte Brücke war im Jahre 1568 neu gebaut worden: es muß damals auch die Capelle zum Heiligen - Kreuz wieder aufgerichtet worden sein, — gewiß in keiner andern Absicht, als um die Erinnerung an den vormaligen Opferstock und die frühere Verwendung der Opfer zu Wegen und Brücken zu bewahren, wie es auch mit dem s. g. Steinheiligen - Stock geschah. (Vat. Arch. 1834, 552.) 2) Vergl. Vaterl. Archiv, 1841, 65 und 78 in der Note.

VI.

Ueber den Ursprung der Familie von Hagen.

Wer mit der braunschweigischen Geschichte und insbesondere mit der Specialgeschichte von Wolfenbüttel nicht ganz unbekannt ist, weiß, daß die vormalige Burg, woraus das herzogliche Schloß in Wolfenbüttel nach und nach zurecht gebauet ist, etwa 150 Jahre lang einer Familie zugehört hat, welche sich, nach dem Namen der Burg, von Hagen genannt bat. Woher diese reiche Familie stamme, und wie sie zu dem Besize der Burg gelangt sei, ist schon lange ein Gegenstand geschichtlicher Forschung gewesen, aber bis jezt noch nicht recht ergründet.

Die gewöhnliche Meinung, daß der Markgraf von Thüringen und Herzog von Sachsen, Ekbert I, welcher zu Braunschweig residirte und 1067 daselbst starb, den Bau der Burg angefangen, und daß sein Sohn und Nachfolger Efbert II, welcher, wie Rehtmeier in seiner Chronik Th. I. S. 269 umständlich erzählt, im Jahre 1092 auf Anstiften des Kaisers Heinrich IV in der Mühle zu Eisenbüttel bei Braunschweig ermordet ist, den Bau der Burg vollendet babe, ist nicht historisch bewiesen und hat keine innere Wahrscheinlichkeit. Beide, sowohl Ekbert I, als auch Ekbert II, residirten in Braunschweig, und waren Regenten des Landes von Wolfenbüttel bis zur Weser 1). Daß sie in Wolfenbüttel, wovon damals erst die Altstadt vorhanden war, oder nahe bei Wolfenbüttel allodiale Besizungen gehabt hätten, und daß ihnen namentlich der Zollen auf dem Damme, zu dessen Schuße, wie verschie dene Schriftsteller erwähnen, die Burg im Hagen erbauet sein soll, zugehört habe, findet sich nirgend. Sie hatten also gar keinen Beweggrund die Burg im Hagen zu bauen. Es findet

1) Rehtmeier's Chronik Th. I. S. 257. Note c.

sich auch gar keine Nachricht, daß sie Braunschweig verlassen und auch nur zeitweilig auf der Burg im Hagen _residirt hätten.

Dazu kommt noch der erhebliche Umstand, daß es ganz unglaublich ist, daß sie ihren höhern Titel eines Markgrafen von Thüringen und Herzogs von Sachsen aufgegeben und dagegen den Titel von Hagen angenommen haben sollten, zumal da Ekbert II den hohen Gedanken hegte, einmal Kaiser zu werden 1).

Wollte man gleichwohl annehmen, daß die Burg im Hagen bei Wolfenbüttel eine Allodialbesigung der beiden Ekberte gewesen sei: so müßte man auch ferner annehmen, daß die Besigung nach dem Tode Ekberts II an dessen Schwester, und nach deren Tode an die beiden Töchter derselben gekommen sei. Denn der ermordete Ekbert II hatte keine Kinder, und sein Nachlaß kam an seine Schwester, die heilige Gertrud. Diese vermählte sich 1094 mit Heinrich dem Feisten aus dem Geschlechte der Nordheimer, und hat aus dieser Ehe eine Tochter, Namens Richenza, nachgelassen. Nachdem dieser Gemahl 1101 gestorben war, vermählte sich die reiche Witwe anderweit mit dem Grafen Dietrich von Katlenburg, welcher aber schon 1107 starb. In dieser Ehe ist eine Tochter, Namens Gertrud, erzeugt. Die Mutter starb als Witwe 1117, nachdem sie vorher 1114 das Egidienkloster in Braunschweig gestiftet hatte. Die Haupterbin ihrer bedeutenden Güter wurde ihre Tochter erster Ehe, Richenza, welche in der Folge mit Lothar aus dem Hause Supplingenburg sich vermählte.

Da sich in der Geschichte durchaus nicht findet, daß die ältere Gertrud, oder eine von ihren beiden Töchtern, oder auch einer von ihren beiden Ehemännern, die Burg im Hagen und die damit verbundene Advocatie über Wolfenbüttel je besessen habe; so kann man als gewiß annehmen, daß die Burg im Hagen bei Wolfenbüttel ein Besigthum der beiden Ekberte von Thüringen nicht gewesen sei, und daß die gewöhnliche Meinung, wonach Ekbert I und Ekbert II die Burg im Hagen erbauet haben sollen, auf einem Irrthume beruhe.

1) Rehtmeier's Chr. Th. I. S. 268.

Bei diesen Umständen ist es von hoher Wichtigkeit und sehr beachtungswerth, daß ein in der alten braunschweigischen Geschichte wohlerfahrner Mann, nämlich Scheidt, in seinen Anmerkungen und Zusäßen zu Moser's Einleitung in das braunschw. Staatsrecht folgende Aeußerungen niedergeschrieben hat:

1) daß Wolfenbüttel von den vielen Wölfen in der Umgegend den Namen erhalten habe, sei zweifelhaft, obgleich vor Zeiten Wolfenbüttel durch vadum lupi übersegt sei. Viel natürlicher sei es, daß man die Benennung von dem Eigennamen Wolf oder Wolfgang, den vermuthlich der Erbauer der Burg getragen habe, herleite: denn daß der gemeinen Sage nach der Markgraf Ekbert I das Schloß erbauet habe, sei unerweislich.

2) daß er geneigt sei zu muthmaßen, daß einer aus der Wolfenbüttelschen Familie die Burg gebauet habe, daß der Erbauer Efbert geheißen, deren es in der Familie von Wolfenbüttel viele gegeben habe, und daß man nachher aus Uebereilung diesen Ekbert von Wolfenbüttel mit dem Markgrafen Ekbert von Thüringen verwechselt habe.

Diese Vermuthung eines geachteten Geschichtsforschers hat an sich innere Wahrscheinlichkeit. Daß die Burg im Hagen bei Wolfenbüttel von einem Privatmanne gebauet sei, ist schon deshalb anzunehmen, weil uns sichere Nachrichten über ihre Entstehung fehlen, obgleich sie nicht sehr alt ist und erst gegen Ende des 11. Jahrhunderts, oder vielleicht noch etwas später, ihr Dasein erhalten hat. Wäre sie von einem regierenden allgemein bekannten Herrn, sei es ein Herzog von Sachsen oder ein anderer Regent, gebauet: so würden die Geschichtschreiber jener Zeit nicht verfehlt haben diese Thatsache zu bemerken und die Zeit der Erbauung anzugeben. Ueber die von Privatleuten zu Stande gebrachten alten Bauwerke fehlen nicht selten alle Nachrichten, weil Niemand die Thaten dieser Privatleute aufzeichnete.

Daß der Erbauer der Burg im Hagen, wie Scheidt ferner

vermuthet, zu der Familie von Wolfenbüttel gehöre, wird sich zwar nicht historisch beweisen lassen, weil bis jezt noch kein Document aufgefunden ist, das den Erbauer der Burg namhaft macht, hat aber doch den Umständen nach große Wahrscheinlichkeit.

Um das Jahr 1090, also gegen Ende des 11. Jahrhunderts, um welche Zeit die Burg im Hagen entstanden ist.. lebte in Wolfenbüttel, wovon damals aber erst die Altstadt oder die nachherige Dammfestung existirte, ein Mann, der sich Widekindus de Wulverbutle nannte. Dieser hatte, wie Rehtmeier in seiner Chronik Th. I. S. 270. Note d. sich ausdrückt, Wolfenbüttel inne. Aus diesen von Rehtmeier gebrauchten Worten muß man abnehmen, daß er die Altstadt Wolfenbüttel als sein Eigenthum besessen habe. Er muß aber noch viele andere Güter gehabt haben. Denn er wird von Reiske in Historia Guelph. castri und andern Schriftstellern ein Dynast genannt, und es wird von ihm gesagt, daß er reich und mächtig (opulens et potens) gewesen sei. Daß dies keine übertriebene Wahrheit sei, geht daraus hervor, daß er mit seinen Knechten im Jahre 1093 den Braunschweiger Bürgern beistand, als sie die kaiserlichen Soldaten, welche Braunschweig im Namen Kaisers Heinrichs IV. in Besiz genommen hatten, wieder vertrieben und die nach Walle an der Schunter geflüchtete Gertrud, als ihre rechtmäßige Regentin, zurückholten und sodann ein Bündniß mit ihm schlossen 1).

Wie sehr der Kaiser dieses Bündniß fürchtete, ist daraus abzunehmen, daß er sich bemühte den reichen Wittekind von Wolfenbüttel auf seine Seite zu ziehen. In dieser Absicht, und gewiß nicht, um Wittekinds Anhänglichkeit und Treue gegen die Gertrud, wie einige Schriftsteller erzählen, zu belohnen, machte er ihn zu seinem Vasallen und gab ihm große Güter zu Lehn, wodurch er noch mächtiger, aber auch zugleich dem Kaiser dienstpflichtig wurde. In dieser Freigebigkeit lag für den Kaiser kein großes Opfer. Denn Wittekind hatte keine

1) Rehtmeier's Chr. Th. I. S. 270.

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