mufs in Gott jede Nothwendigkeit der Dinge, wie seine eigene, in der Nothwendigkeit eines Gedankens ihren Ausdruck haben. Mehr kann man von Spinoza nicht verlangen. Was wir sonst Selbstbewusstsein nennen, schliefst eine Empfindung des Ich ein, um die es sich in Gott nicht handelt. Wenn man noch den Gedanken des Gedankens (das Bewusstsein des Gedankens) fordert, so ist dieser dem Spinoza mit dem sich selbst offenbarenden Gedanken eins (eth. II, 21. schol. II, 43. schol.) (1). Indem Gott die Nothwendigkeit seines Wesens weifs, so weifs er auch damit dies Wissen; denn sonst wüfste er in seinem Wesen etwas noch nicht. Im Besondern spricht sich bei Spinoza diese Ansicht öfter aus. In Gott giebt es nothwendig, heifst es im 3ten Lehrsatz des zweiten Buchs, einen Begriff sowol seines Wesens, als alles dessen, was aus seinem Wesen nothwendig folgt (2). Gott wirkt mit derselben Nothwendigkeit, mit welcher er sich begreift (eth. II, 3. shol.) (3). Alle Vorstellungen, die in Gott sind, kommen mit ihrem Gegenstande überein (eth. II, 32. dem.), ein Ausspruch, der unmöglich wäre, wenn Gottes unendlicher Verstand nur die endlichen. Gedanken wäre; denn dann ständen Vorstellung und Gegenstand noch viel öfter in Widerspruch. In Gott giebt es eine adaequate Erkenntnifs der Weltordnung, heifst es an einer andern Stelle (eth. II, 30. dem.) (4), inwiefern er die Vorstellung aller Dinge und nicht inwiefern er blos die Vorstellung (') eth. II, 21. schol. Simulac enim quis aliquid scit, eo ipso scit, se id scire et simul scit, se scire, quod scit et sic in infinitum. Vgl. de intell. em. p. 425. (2) eth. II, 3. schol. In Deo datur necessario idea tam eius essentiae, quam omnium, quae ex ipsius essentia necessario sequuntur, vgl. II, 8. (3) eth. II, 3. schol. ostendimus (I, 16), Deum eadem necessitate agere, qua se ipsum intelligit, hoc est, sicuti ex necessitate divinae naturae sequitur (sicut omnes uno ore statuunt) ut Deus se ipsum intelligat, eadem etiam necessitate sequitur, ut Deus infinita infinitis modis agat. Vgl. epist. 22. 49. 60. Vergleicht man diese Stellen, so wird man sich überzeugen, dafs das deum se ipsum intelligere nicht blos aus der Vorstellung der Menschen aufgenommen ist, sondern in dem angegebenen Sinne zur Lehre des Spinoza gehört. (*) eth. II, 30. dem. p. 107. Qua autem ratione res constitutae sint, eius rei adaequata cognitio datur in Deo, quatenus earum omnium ideas et non quatenus tantum humani corporis ideam habet. In Gott also giebt es eine adaequate Erkenntnifs aller Dinge; in den Menschen von vielen Dingen nicht einmal eine inadaequate. Es ist in solchen Stellen ein Verständnis unmöglich, wenn man in Gott keine andern Gedanken annimmt, als die Gedanken der endlichen Geister, wenn man in Spinoza die moderne Lehre hineinlegt, dafs Gott sich erst im Menschen bewusst wird. des menschlichen Leibes hat. Vorstellungen, welche im Geiste inadaequat sind, sagt Spinoza anderswo (eth. III, 1. dem.), sind in Gott adaequat, inwiefern er auch die Geister der übrigen Dinge in sich zumal enthält (1). Offenbar würden Irrthümer in uns nimmer in Gott zur Wahrheit werden, wenn Gott das Nothwendige nicht in sich erkennete. Endlich liebt Gott sich selbst, wie Spinoza lehrt (eth. III, 35), mit unendlicher intellectualer Liebe; denn da die Vorstellung seiner selbst als seiner Ursache sein unendliches Sein begleitet, so entsteht die intellectuale Liebe Gottes zu sich selbst (2). Auf diese Weise kann es nicht ungewifs sein, was Spinoza meinte und nach dem Grundgedanken der beiden Attribute meinen musste. Und doch entsprechen sich, genauer genommen, die beiden Attribute, unendliches Denken und unendliche Ausdehnung, einander nicht so, wie sie sich in eigener Absicht entsprechen müfsten. Die unendliche Ausdehnung ist keine andere als der Inbegriff der endlichen Körper, ihrer Modi; aber das unendliche Denken kann nicht in gleicher Weise, wie es sein müsste, die endlichen Gedanken sein und darin aufgehen; während es die unwahren von sich ausschliefsen muss, nimmt es zwar die wahren, als ewige Weisen des Denkens, in sich auf; aber das unendliche Denken, die Nothwendigkeit des Ganzen, welche die Nothwendigkeit der Theile in sich trägt, ist ein anderer Gedanke als der Gedanke von vereinzelten und zerstreueten wahren Gedanken, die nur die lückenhafte Erkenntnifs einzelner Theile darstellen. Wir sind nach Spinoza Theile eines denkenden Wesens (alicuius entis cogitantis, de intell. emend. p. 441. vgl. ep. 15. p. 500). Aber unsere Gedanken sind ebenso irrig als wahr und noch mehr irrig als wahr. Wie stellen wir uns diese irrigen Gedanken als Theile des vollkommen denkenden Wesens vor? und wenn nur die wahren den unendlichen Verstand Gottes ausmachen, wo bleiben die irrigen? In den endlichen Geistern sind die wahren Gedanken Bruchstücke. Wenn nun die unendliche Ausdehnung keine andere ist, als diejenige, welche durch die endlichen Körper hindurchgeht: quae (1) eth. III, 1. dem. p. 133. inadaequatae sunt in mente (ideae), sunt etiam in Deo adaequatae, non quatenus eiusdem solummodo mentis essentiam, sed etiam quatenus aliarum rerum mentes in se simul continet. Es giebt also in Gott eine Vorstellung, die im Gegensatz gegen die vereinzelten Vorstellungen das Zusammenwirken der Dinge begreift. (2) eth. V, 35. dem. Dei natura gaudet infinita perfectione idque concomitante idea sui, hoc est, idea suae causae. D so müsste auch der göttliche Gedanke kein anderer sein, als derjenige, welcher durch die endlichen Geister hindurchgeht. Aber dann läuft der unendliche Gedanke Gefahr sich mit Irrthum zu versetzen und im Endlichen zu Bruchstücken ohne Zusammenhang zu werden. Es gilt vom Gedanken wie von der Ausdehnung, dass Gott alles Sein ist und aufser ihm kein Sein. Wo bleiben denn die irrigen Gedanken der endlichen Geister, die in dem unendlichen Denken keine Stelle haben können? Diese Frage greift schon in eine andere Seite ein. Wir betrachteten zuerst den Begriff Gottes, die eigentliche metaphysische Seite des Systems. Es handelt sich nun zweitens von der Erkenntnifs des Menschen und es kommt dabei zunächst auf das Wesen und den Ursprung von Vorstellen und Begreifen, imaginari und intelligere an, auf den Gegensatz jener Begriffe, in welchen Knechtschaft und Befreiung des menschlichen Geistes beschlossen liegt. Wir müssen sie daher untersuchen, und zu dem Ende zunächst fragen, wie Spinoza ihr Wesen und ihr gegenseitiges Verhältnifs bestimme. An vielen Stellen spricht Spinoza von der blofsen Erkenntnifs des reinen Verstandes und setzt sie der Vorstellung in Bildern nnd Worten entgegen (1). Es ist dadurch gesagt, was sie nicht ist, und zugleich angedeutet, dafs der Grund ihres Wesens in dem zu suchen ist, was über das Bild hinausliegt. Jedes Bild ist endlich; die Betrachtung des reinen Verstandes ist das Unendliche. Wo das Unendliche, das keine Vorstellung erreicht, die Bedingung der Erkenntnifs ist, da offenbart sich der Verstand (intellectus). Daher ist Gott, die unendliche Substanz, die Ursache seiner selbst, allein ein Begriff des Verstandes. Wenn wir in demselben Sinne die körperliche Substanz und die Quantität als unendlich und ewig und daher nicht als getheilt und beschränkt auffassen, so fassen wir sie als Attribut Gottes adaequat; wir stellen sie dann nicht unserer Einbildung vor, sondern begreifen sie (2). Es kommt daher darauf an, diese Betrachtung zur Grundlage zu (1) z. B. tractatus theologico politicus c. 4. p. 214. ed. Paul.: tum enim res intelligitur, cum ipsa pura mente extra verba et imagines percipitur. vgl. epist. 42. p. 600. sola puri intellectus cognitio. ep. 29. p. 529. de intell. emend. p. 447 u. s. w. (2) eth. I, 15. schol. p. 50. Si itaque ad quantitatem attendimus, prout in imaginatione est, quod saepe et facilius a nobis fit, reperietur finita, divisibilis et ex partibus conflata; si autem ad ipsam, prout in intellectu est, attendimus et eam, quatenus substantia est, concipimus, quod machen; und wenn Spinoza drei Stufen der Erkenntnifs unterscheidet, so geschieht dies auf jener dritten Stufe, auf welcher die Erkenntnifs von dem adaequaten Begriff der Attribute Gottes zu dem adaequaten Begriff des Wesens der Dinge fortschreitet. Spinoza nennt diese Stufe offenbar darum intuitive Erkenntnifs, weil sie von dem Blick des einfachen Ganzen bestimmt wird (1). Es liegt an dieser Stelle der Grund alles Nothwendigen, denn Gott ist das Nothwendige. Daher gilt intelligere und res sub specie aeterni contemplari dem Spinoza für gleichbedeutend. Nach dem oben angegebenen Zusammenhang folgt noch mehr, inwiefern alles Endliche, sei es Körper oder Gedanke, als Theil des Unendlichen betrachtet wird, und also das Unendliche das Ganze ist, auf welchem die Nothwendigkeit beruht. Denn was nun auf gleiche Weise im Theil wie im Ganzen erkannt wird, bildet einen adaequaten Begriff des Geistes (2). Dahin gehört namentlich die Erkenntnifs des ewigen und unendlichen Wesens Gottes, weil sie auf gleiche Weise im Theil als im Ganzen liegt und die Möglichkeit, dafs jeder der intuitiven Erkenntnifs theilhaft werden kann (3). Da unser Gedanke und unser Leib ein Theil des Ganzen ist und mithin in ihm das Ganze sich fortsetzt: so stammen daher unsere wahren Allgemeinbegriffe (notiones communes), welche die Grundlagen unsrer Schlüsse sind. Sie sind die eigene Macht des Geistes, an der alle Theil haben (4), und unterscheiden sich von den Universalien, welche verworrene Vorstellungen sind und dann entstehen, wenn sich die Bilder des Einzelnen zu unbestimm difficillime fit, tum, ut iam satis demonstravimus, infinita, unica et indivisibilis reperietur. Vgl.. besonders ep. 29. (1) eth. II, 49. schol. 2. (2) eth. II, 38. Illa, quae omnibus communia quaeque aeque in parte ac in toto sunt, non possunt concipi nisi adaequate. II, 44. coroll. 2. demonstr. Adde quod fundamenta rationis notiones sunt, quae illa explicant quae omnibus communia sunt quaeque nullius rei singularis essentiam explicant; quaeque propterea absque ulla temporis relatione sed sub quadam aeternitatis specie debent concipi. ... (3) eth. II, 46. dem. p. 120. — id, quod cognitionem aeternae et infinitae essentiae Dei dat, omnibus commune et aeque in parte ac in toto est, adeoque erit haec cognitio adaequata. vgl. II, 47. schol. . . . sequitur, nos ex cognitione hac plurima posse deducere, quae adaequate cognoscamus atque adeo tertium illud cognitionis genus formare. tractat. theol. polit. c. 1. p. 157. (*) de intell. emend. p. 456. vI. Ideae, quas claras et distinctas formamus, ita ex sola necessitate nostrae naturae sequi videntur, ut absolute a sola nostra potentia pendere videantur; confusae autem contra. Nobis enim invitis saepe formantur. vgl. ep. 42. p. 600. ten Gemeinbildern vermengen (1). Während diese ein Erzeugnifs der Imagination sind, inwiefern sie unvermögend ist, viele Bilder des Einzelnen neben einander vorzustellen, gehören jene dem Intellectus an und sind die Bedingungen alles Begreifens. Man darf daher dies Wesen der Dinge nicht mit abstracten Vorstellungen vermengen, welche aus vager Erfahrung entstehen, sondern man mufs von dem Quell und Ursprung der Natur ausgehen (2). In demselben Sinne tadelt z. B. Spinoza die Ansicht des Baco, nach welcher der menschliche Verstand alles nach der Analogie der eigenen Natur und nicht nach der Analogie des Universums bilde (3). Wenn es auch weit über die Kräfte des menschlichen Verstandes hinausgeht, alles zugleich und zumal aufzufassen, wie im Ewigen seiner Natur nach alles zumal ist (4): so betrachtet doch der Verstand die Dinge in demselben Masse klar und deutlich, als er sie von innen d. h. mehrere Dinge zugleich auffafst (5). In dieser Bestimmung, die Dinge zugleich aufzufassen, stellt sich äufserlich die Richtung auf das Ganze dar. Dieselbe Richtung erscheint in einer andern Beziehung. Weil alle Verwirrung daraus hervorgeht, dafs der Geist eine ganze Sache nur zum Theil kennt: so kann es folglich von einem einfachen Dinge nur eine klare und deutliche Vorstellung geben; denn ein solches Ding kann nicht theilweise, sondern entweder ganz oder gar nicht erkannt werden. Das Einfache wird daher begriffen (6). Es hängt damit zusammen, dafs die Substanz, deren Wesen das Dasein in sich schliefst, der eigentliche Gegenstand des Begreifens (intelligere), aus ihrem Begriff als einfach bestimmt wird (7). Als Begriffe, welche allein durch den Verstand und (1) eth. II, 40. schol. 1. (2) de intell. emend. p. 442. Oritur denique (deceptio) etiam ex eo, quod prima elementa totius naturae non intelligunt; unde sine ordine procedendo et naturam cum abstractis, quamvis sint vera axiomata, confundendo se ipsos confundunt ordinemque naturae pervertunt. Nobis autem, si quam minime abstracte procedamus et a primis elementis, hoc est, a fonte et origine naturae, quam primum fieri potest, incipiamus, nullo modo talis deceptio erit metuenda. (3) epist. 2. p. 452. (*) de intell. emend. p. 453. (5) eth. II, 29. schol. ... quoties interne, ex eo scilicet quod res plures simul contemplatur, determinatur ad earundem convenientias, differentias et oppugnantias intelligendum, .... |