nicht durch die Vorstellung erreicht werden können, bezeichnet Spinoza beispielsweise substantia, aeternitas (1), welche das Unendliche ausdrücken, aber weder enwickelt er noch entwirft er vollständig die Begriffe des reinen Verstandes. Da alle klare und deutliche Vorstellungen, welche wir bilden, aus andern klaren und deutlichen Vorstellungen, welche in uns sind, stammen, und keine andere äufsere Ursache kennen: so hängen sie allein von unserer Natur und ihren festen Gesetzen d. h. von unserer Macht und nicht vom Zufall ab (2). Der Verstand bildet einige Vorstellungen ursprünglich, andere aus andern, z. B. die Vorstellung der Quantität ursprünglich, unabhängig von andern Vorstellungen, hingegen die Vorstellung der Bewegung nur dadurch, dafs er auf die Vorstellung der Quantität achtet. Die Vorstellungen, welche er ursprünglich bildet, drücken die Unendlichkeit aus, während er die begrenzten und endlichen (ideas determinatas) aus andern bildet, und da sie nicht ursprünglich sind, auf mannigfache Weise ableitet. Indem nun das Unendliche schlechthin die Bejahung des Daseins ist und das Endliche theilweise Verneinung (eth. I, 8. schol.): so bildet er die bejahenden Vorstellungen früher, als die verneinenden (3). Durch den Gegensatz gegen den intellectus ergiebt sich schon die Natur der imaginatio als einer Quelle der inadaequaten Vorstellungen. Wenn der intellectus da sein Wesen hat, wo es sich um das Unendliche handelt, so bewegt sich die imaginatio nur im Endlichen. Wenn der intellectus das ungetheilte und einfache Sein erfafst, so betrachtet die imaginatio das Seiende nur in der Weise des Theils. Während die adaequate Vorstellung, vom Intellectus ausgehend, das Gemeinsame zum Gegenstand hat, was auf gleiche Weise im Theil wie im Ganzen gilt (aeque in parte ac in toto): entsteht die inadaequate Vorstellung, wenn nur der Theil betrachtet wird. Daher gilt es gleich, eine Sache nur zum Theil oder inadaequat auffassen. Dies geschieht dann, wenn wir nicht blos eine Vorstellung haben, welche das Wesen des menschlichen Geistes ausmacht, sondern welche zugleich mit dem menschlichen Geiste auf ein fremdes Ding geht (4), wenn also nicht (1) epist. 29. p. 529. (2) epist. 42. p. 599. vgl. de intell. emend. p. 440. (3) de intell. emend. p. 455, wo Spinoza zum Schluss das Eigenthümliche des intellectus zusammenfasst. (*) eth. II, 11. coroll. Hinc sequitur mentem humanam partem esse infiniti intellectus Dei; der Theil aus dem Ganzen, sondern nur ein Theil mit einem andern aufgefasst wird. Indem das Getheilte und Endliche Gegenstand der Imaginatio ist, wird Zahl und Mafs zu nichts anderm, als zu Weisen des Imaginirens; denn sie dienen dazu, die Affectionen der Substanz zu determiniren (1); sie sind die Hülfsmittel der Imaginatio; und wer aus ihnen die Substanz, die nur dem Intellectus zugänglich ist, verstehen und den Fortschritt der Natur begreifen will, verwickelt sich in Ungereimtheiten und Widersprüche. Während der Intellectus die Dinge als nothwendig und in der Weise des Ewigen fafst, stammt aus der Imagination das Zufällige, die contingentia im Gegensatz gegen die aeternitas. Es ist die Sache der Vernunft, die Dinge nicht als zufällig, sondern als nothwendig zu betrachten. Aber inwiefern die Imagination, wenn dieselbe Sache in verschiedener Zeit wahrgenommen wurde, eine verschiedene Erwartung der Zeit mit der Sache verknüpft und ihr daher die Vorstellung der Zeit schwankt: so entsteht die Vorstellung des Zufälligen (2). Während die klaren und deutlichen Vorstellungen des Intellectus allein von dessen Macht und Natur abhängen und insofern in sich wahr sind: so tritt der Geist, wenn er imaginirt, vielmehr in das Verhältnifs eines Leidenden, indem zufällige und vereinzelte Sinneswahrnehmungen das Bestimmende werden (3). Es entsteht eine verworrene Vorstellung, so oft der Geist ac proinde cum dicimus, mentem humanam hoc vel illud percipere, nihil aliud dicimus, quam quod Deus, non quatenus infinitus est, sed quatenus per naturam humanae mentis explicatur sive quatenus humanae mentis essentiam constituit, hanc vel illam habet ideam; et cum dicimus Deum hanc vel illam ideam habere, non tantum, quatenus naturam humanae mentis constituit, sed quatenus simul cum mente humana alterius rei etiam habet ideam, tum dicimus mentem humanam rem ex parte sive inadaequate percipere. (1) epist. 29. p. 529. Ex quibus clare videre est, mensuram, tempus et numerum nihil esse praeter cogitandi seu potius imaginandi modos; und bald darauf: auxilia imaginationis, vgl. ep. 40. p. 592. ep. 41. p. 595 sq., woraus erhellt, dafs der Begriff des Theils nicht in Gott, also nicht in der Wahrheit der Substanz gedacht werden kann. (2) eth. II, 44. coroll. 1. Hinc sequitur a sola imaginatione pendere, quod res tam respectu praeteriti quam futuri ut contingentes contemplemur. In dem angefügten Scholion wird die Vorstellung des Zufälligen eigentlich aus dem Gesetze der später sogenannten Ideenassociation abgeleitet. Wenn eine Sache öfter und zwar zu verschiedenen Zeiten wahrgenommen ist, so schwankt die Vorstellung der Zeit in der Erinnerung und Erwartung. Indem die bestimmte Zeit gegen das Ding gleichgültig wird, erscheint es als zufällig. (3) de intell. emend. p. 441. ostendimusque quod ideae fictae, falsae et caeterae habeant suam originem ab imaginatione, hoc est, a quibusdam sensationibus fortuitis (ut sic loquar) von aufsen, nämlich aus dem zufälligen Zusammentreffen der Dinge dies oder jenes zu betrachten bestimmt wird, und nicht vielmehr von innen, indem er mehrere Dinge zugleich betrachtet, um ihre Übereinkunft und ihre Unterschiede zu verstehen (1). Wie die Vorstellungen inadaequat werden, weil sie statt des Ganzen nur einen Theil fassen: so geschieht dies dadurch, dafs wir uns selbst nur als Theile verhalten. Wenn es, sagt Spinoza, zur Natur eines denkenden Wesens gehört, wahre oder adaequate Gedanken zu bilden so ist es gewifs, dafs die inadaequaten Vorstellungen nur daraus in uns entstehen, weil wir ein Theil sind eines denkenden Wesens, von dem einige Gedanken ganz, andere nur theilweise unsern Geist ausmachen (2). Die Vorstellungen sind daher nur inadaequat und verworren, inwiefern sie nicht auf Gott, d. h. das Nothwendige und Ganze, sondern lediglich auf den einzelnen Geist eines Menschen bezogen werden (3). Nach diesem Zusammenhang geht alles Verständnifs auf das Ganze, aller Irrthum auf den Theil zurück. Es fragt sich daher, was der Theil im System des Spinoza bedeuten könne. Es giebt nur Eine Substanz; und daher sind die Theile nichts Wirkliches in sich, sondern werden nur als Art und Weise an der Substanz unterschieden (4). In der sich fortsetzenden Verkettung der wirkenden Ursache giebt es keinen Theil, der etwas für sich atque solutis, quae non oriuntur ab ipsa mentis potentia, sed a causis externis, prout corpus sive somniando sive vigilando varios accipit motus. p. 449. scopus itaque est claras et distinctas habere ideas, tales videlicet quae ex pura mente et non ex fortuitis motibus corporis factae sunt. p. 447.... animam circa imaginationem tantum habere rationem patientis. Vgl. eth. IV. app. c. 2. P. 259. (1) eth. II, 29. schol. ... sed confusam tantum cognitionem quoties ex communi naturae ordine res percipit, hoc est, quoties externe, ex rerum nempe fortuito occursu, determinatur ad hoc vel illud contemplandum et non quoties interne, ex eo scilicet quod res plures simul contemplatur, determinatur ad earundem convenientias, differentias et oppugnantias intelligendum; quoties enim hoc vel alio modo interne disponitur, tum res clare et distincte contemplatur. (2) de intell. emend. p. 441. Quod si de natura entis cogitantis sit, uti prima fronte videtur, cogitationes veras sive adaequatas formare, certum est, ideas inadaequatas ex eo tantum in nobis oriri, quod pars sumus alicuius entis cogitantis, cuius quaedam cogitationes ex toto, quaedam ex parte tantum nostram mentem constituunt. (3) eth. II, 36. dem. Ideae, quatenus ad Deum referuntur, sunt verae, adaequatae; adeoque nullae inadaequatae nec confusae sunt, nisi quatenus ad singularem alicuius mentem referuntur. (*) vgl. z. B. eth. I, 15. schol. p. 50. unde eius (materiae) partes modaliter tantum distinguuntur, non autem realiter. sein könnte. Und doch ist in dieser Verbindung dem Theil als solchen eine wichtige Wirkung zugeschrieben, die verwirrende Thätigkeit des Irrthums. Wie ein Theil, der in sich keine Sache ist, sondern nur als Art und Weise unterschieden wird, dennoch diese Kraft habe: das hätte wol der Erörterung bedurft. Es ist die imaginatio dem intellectus, die Vorstellung im Bilde dem Begriffe entgegengesetzt. Wenn aus jener, inwiefern sie für sich thätig ist, die inadaequate Weise der Erkenntnifs stammt, so giebt es doch auch Vorstellungen der Imagination, welche mit dem Intellectus übereinkommen (1). Es sind offenbar diejenigen Vorstellungen, die in demselben Verhältnifs aus einander folgen, als in den Gegenständen die Wirkung aus der Ursache. Hiernach hat nothwendig die imaginatio auch ein positives Verhältnifs zum intellectus, und sie wird nicht einseitig nur an verworrenen Vorstellungen schuld sein, sondern sie wird auch klare und deutliche zulassen oder erzeugen. Die Imagination des Geistes in sich betrachtet, sagt Spinoza (eth. II, 17. schol.), enthält keinen Irrthum, sondern nur inwiefern sie die Dinge, welche sie sich als gegenwärtig vorstellt, als wirklich setzt und dabei der Vorstellung entbehrt, welche dies Dasein verneint. Denn wenn der Geist, indem er sich, was nicht da ist, als gegenwärtig vorstellt, zugleich wüsste, dafs jene Dinge in Wahrheit nicht da sind: so würde er eine solche Kraft zu bilden sich zur Tugend und nicht zum Fehler anrechnen; insbesondere wenn dieses Vermögen zu bilden von seiner Natur allein abhinge d. h. wenn die Imagination des Geistes frei wäre (2). Wenn wir fragen, wo denn die Imagination diese freie Kraft ist, Bilder entwerfend, ohne, was sie vorstellt, als ein daseiendes Ding zu setzen: so müssen wir, scheint es, an das mathematische Gebiet denken, auf welchem das Bild der Vorstellung mit dem Be (1) de emend. intell. p. 447. nec etiam mirabimur, cur quaedam intelligamus, quae nullo modo sub imaginationem cadunt, et alia sint in imaginatione, quae prorsus oppugnant intellectum, alia denique cum intellectu conveniant. (*) eth. II, 17. schol. p. 98. . . . . . notetis velim, mentis imaginationes in se spectatas nihil erroris continere, sive mentem ex eo, quod imaginatur, non errare; sed tantum, quatenus consideratur, carere idea, quae existentiam illarum rerum, quas sibi praesentes imaginatur, secludat. Nam si mens, dum res non existentes ut sibi praesentes imaginatur, simul sciret res illas revera non existere, hanc sane imaginandi potentiam virtuti suae naturae, non vitio tribueret; praesertim si haec imaginandi facultas a sola sua natura penderet, hoc est, si haec mentis imaginandi facultas libera esset. griff des Verstandes in Übereinstimmung zu kommen vermag. Indem der Verstand die unendliche Quantität unter dem Begriff der Ursache auffasst, wie z. B. wenn er sie durch die Bewegung eines Punktes determinirt: bildet er durch die Imagination klare und deutliche Vorstellungen (vgl. de intell. emend. p. 455 f.). Spinoza hat oft genug auf die Mathematik, welche die Lehrmeisterin des Nothwendigen sei, hingewiesen, und wir haben dadurch in seinem Sinne das Recht, Zahl und Mafs, wenn sie von ihm für Hülfsmittel der Imagination, für Weisen des Entwerfens (modi imaginandi) erklärt werden, dessenungeachtet nicht für Ursachen der verworrenen Vorstellungen zu halten. Wir sind indessen zu einem Punkt gelangt, auf welchem der Zusammenhang abbricht. Spinoza hat weder gesagt, wie sich der Begriff zum Bild, der intellectus zur imaginatio verhalte, noch auch wie das Unendliche sich zum Endlichen determinire. Der Verstand (intellectus), sagt Spinoza (de intell. emend. p. 455), bildet die positiven Vorstellungen früher als die negativen. Es ist dies folgerecht, da die Substanz, sein eigentlicher Gegenstand, unendlich ist und das Unendliche, welches durch und durch Bejahung ist, keine Verneinung in sich trägt. Aber Spinoza zeigt nicht, wie denn der Verstand vom Unendlichen zum Endlichen, von den positiven Vorstellungen zu der Begrenzung der negativen übergehe. Wenn in der Figur der Verstand die unendliche Quantität als determinirt durch die Bewegung z. B. eines Punktes auffafst, so ist doch nirgends nachgewiesen, woher er die Bewegung habe (1) und wie die Bewegung oder irgend etwas anderes das Unendliche und nur Positive determiniren könne. Ebenso wenig zeigt Spinoza, wie die unendliche Substanz dazu komme sich in das Endliche zu fassen. Jede Bestimmung ist dem Spinoza Verneinung. Omnis determinatio negatio. Wenn das Unendliche, die absolute Bejahung des Daseins, alle Verneinung von sich ausschliefst (vgl. z. B. eth. I, 8. schol. 1): so hätte gezeigt werden müssen, woher dennoch die Besonderung und Bestimmung zum Endlichen stamme (2). Weil das Princip der Unterscheidung in der (') Auch in den Körpern ist dieser wichtige Begriff als durch sich bekannt vorausgesetzt und auf keine Weise abgeleitet. s. eth. II. nach prop. 13. lemma 1. dem. p. 90. (2) Noch im Jahre vor seinem Tode antwortet Spinoza auf die Frage, wie sich aus der Ausdehnung die Mannigfaltigkeit der Dinge ableiten lasse, sehr unbestimmt. Sed de his forsan aliquando, si vita suppetit, clarius tecum agam. Nam hucusque nihil de his ordine disponere mihi licuit. epist. 72. p. 680. E |