doch zu mildern (1). Aber nach dem Grundgedanken giebt es von der Seele zum Leibe, vom Denken zur Ausdehnung und umgekehrt keinen Causalnexus. Jener Satz, dafs die Ordnung und der Zusammenhang der Vorstellungen derselbe ist, als die Ordnung und der Zusammenhang der Dinge, soll nach der Ableitung (eth. II, 7) nicht eine Wirkung des Einen auf das Andere bezeichnen, sondern vielmehr dafs sie ohne Zusammenhang unter einander nur zwei gleiche Ausdrücke Eines und desselbigen sind. Von diesem innern Punkt der Einheit ordnet sich daher beides zugleich, und es ist dem Grundgedanken entgegen, dafs das intelligere etwas ordne oder dafs wir das Eine nach dem andern ordnen. Wenn man auf die Sache sieht, und nicht auf den die Sache hie und da verhüllenden Ausdruck, so empfängt hier das intelligere an und für sich betrachtet, die mens in se sola considerata, eine in das Leibliche übergreifende Kraft. Spinoza darf auch eigentlich nicht von Affectionen des Körpers sprechen, welche das Denken hindern, wie er es doch thut (eth. V, 10. dem.). Wo Spinoza die Macht der leidenden Zustände darstellt (B. 3 und 4) und dabei immer den Körper und seine Kraft thätig zu sein als die durchgehende Voraussetzung und das Thema der Affecte festhält: da hilft derselbe Satz der Einheit, das Geistige dem Materiellen gleich zu setzen (vgl. z. B. eth. III, 2. schol.). Hier wird er umgekehrt angewandt, um dem intelligere eine Macht über die leidenden Zustände des Leibes zu verleihen. Daher geht von diesem Punkte ein Schwanken aus. In der Betrachtung der frühern Bücher überwiegt die blind wirkende Ursache des Leiblichen, die sich von selbst in der Vorstellung wieder spiegelt, in dem fünften Buche überwiegt hingegen die Einsicht in diese wirkende Ursache; in jenen ist die Vorstellung, der Ausdruck im Denken, nur ein Zweites und Folgendes; in diesem sind die leiblichen Affectionen, die sich nach der Einsicht ordnen, ein solches Consequens. Beides fällt von dem allgemeinen Grundgedanken ab. Aber die Sache ist auch im Einzelnen schwierig, wenn man nämlich darauf sieht, wie diese Einsicht geschehe. Der Geist kann bewirken, lehrt Spinoza, dafs alle Affectionen des Körpers oder Bilder der Dinge auf Gottes Vorstellung zurückgeführt werden; denn es giebt keinen Zustand des (1) eth. V, 20. schol. quod mens in se sola considerata adversus affectus potest. Körpers, von dem wir nicht einen klaren und deutlichen Begriff bilden können (eth. V, 14. vgl. V, 4) (1). Wenn wir unsere Affecte klar und deutlich einsehen, so freuen wir uns und diese Freude ist von der Vorstellung Gottes begleitet - welches der Ursprung der Liebe zu Gott ist. Jene Zurückführung auf die Vorstellung Gottes, die Betrachtung unter der Form des Ewigen, ist, wie oben erhellte, in ihrem Grunde die Erkenntnifs des Nothwendigen. Es ist daher eine grofse Verheifsung, dafs der Geist alle Affectionen des Körpers klar und deutlich einsehen und in ihrer Nothwendigkeit begreifen könne. Woher nähme er zu einer solchen vollendeten Erkenntnifs des Leiblichen die Mittel, zumal sie erst mit der vollendeten Erkenntnifs der ganzen Natur möglich wäre? Die Erfahrung zeigt uns hier überall Schranken, an deren Erweiterung das Menschengeschlecht fort und fort arbeitet. Welche Mittel weist denn Spinoza zu einer solchen Erkenntnifs nach? Vergebens betrachten wir den Beweis jener Sätze. Spinoza geht darin über metaphysische Allgemeinheiten nicht hinaus, die noch dazu so dürftig bleiben, wie der begründende Satz, dafs, was allen gemeinsam sei, also der Körper, nur adaequat gefasst werden könne. Man vergleiche den Beweis des vierten Lehrsatzes im fünften Buch und die dabei zu Hülfe gezogenen Sätze eth. II, 12 und lemma 2 nach II, 13. Die reale Möglichkeit, der Weg einer solchen Erkenntnifs ist dort mit keiner Silbe angedeutet. Wenn es auch in Gott eine solche Erkenntnifs giebt und der menschliche Geist ein Theil des unendlichen Verstandes Gottes ist: so hat man dadurch doch keine Einsicht in den Vorgang, durch welchen die verworrene Vorstellung, die den leidenden Zustand ausmacht, in die klare und deutliche verwandelt, das Leibliche auf Gott zurückgeführt, und das Endliche und Zufällige von der Substanz aus erkannt werde (2). (') eth. V, 14. Mens efficere potest, ut omnes corporis affectiones seu rerum imagines ad dei ideam referantur; welches auf den Satz zurückgeht V, 4: Nulla est corporis affectio, cuius aliquem clarum et distinctum non possumus formare conceptum. (2) Damit man sich überzeuge, wie auch in diesem wichtigsten Punkt, dem Ursprung der intellectualen Liebe, die Sache nur formal gehalten ist, heben wir die Momente heraus, auf welche Spinoza zurückweist. Zu dem Satz eth. V, 4 Nulla est corporis affectio, cuius aliquem clarum et distinctum non possumus formare conceptum wird als Beweis hinzugefügt: Quae omnibus communia sunt, non possunt concipi nisi adaequate; vgl. II, 38. illa, quae omnibus communia quaeque aeque in parte ac in toto sunt, non possunt concipi nisi adaequate; und Das intelligere ist noch nach einer andern Seite thätig, indem es den Trieb der Selbsterhaltung über das Eigenleben hinausführt und die Begriffe der sittlichen Gemeinschaft gründet. Dies geschieht auf folgende Weise (1). Die wirkende Ursache, die bei Spinoza allein berechtigte Betrachtung, fafst sich, wenn wir sie auf das Wesen des Einzelnen beziehen, in der Macht (potentia) eines jeden zusammen. Indem jeder in seinem Sein zu beharren strebt, welches das durchgängige und unbedingte Naturgesetz des Menschen ist trachtet er diese Macht zu mehren und alles, was sie mindert, auszuschliefsen. Seine Macht ist sein Recht. Aber die Macht wächst durch Vereinigung. Wenn sich z. B. zwei Individuuen derselben Natur zusammen verbinden, so bilden sie ein Individuum doppelt so mächtig als der Einzelne. Daher können die Menschen, um ihr Sein zu behaupten, nichts Besseres wünschen, als eine solche Übereinstimmung aller in allem, dafs aller Geister und Leiber gleichsam Einen Geist und Einen Leib bilden und alle zusammen nach dem gemeinsamen Nutzen aller streben. Was Eintracht erzeugt, erzeugt gröfsere Macht und ist das was zur Gerechtigkeit, Billigkeit und Sittlichkeit gehört. Es folgt daraus, dafs vernünftige Menschen d. h. Menschen, welche vernünftig ihren Nutzen suchen, nichts sich selbst begehren, was sie nicht auch andern wünschen und dafs sie eben deswegen gerecht, treu und rechtschaffen sind (2). Die Selbsterhaltung und der eigene daraus wird jener Satz durch die blosse Rückbeziehung auf eth. II, 12 und das darauf folgende lemma 2 geschlossen. Dieses bietet nur den Satz: omnia corpora in quibusdam conveniunt; jene propositio lautet: quidquid in obiecto ideae humanam mentem constituentis contingit, id ab humana mente debet percipi sive eius rei dabitur in mente necessario idea, hoc est, si obiectum ideae humanam mentem constituentis sit corpus, nihil in eo corpore poterit contingere, quod a mente non percipiatur, was zuletzt wiederum zurückgeführt wird auf jenes allgemeine (II, 7) ordo et connexio idearum idem est ac ordo et connexio rerum. Erst wenn der Körper dem Geiste durchsichtig würde, erfüllte sich diese metaphysische Verheifsung. Und doch kommt jene selige Beruhigung (acquiescentia) des Geistes immer darauf zurück, das Wesen des Körpers unter der Form der Ewigkeit aufzufassen, eth. V, 29. vgl. V, 31. demonstr. Mens nihil sub aeternitatis specie concipit, nisi quatenus sui corporis essentiam sub aeternitatis specie concipit. Soll die ethische Befreiung von der Einsicht in das Naturgesetz des Körpers abhängen, so ist der Weg dazu in Wahrheit lang, und Spinoza's metaphysischer Sprung erreicht das Ziel nicht. (1) vgl. eth. IV, 15 ff. p. 215 ff. tractat. theolog. polit. c. 16. p. 359 ff. tractat. polit. c. 2. p. 306 ff. epist. 50. (2) Dieser Grund des Sittlichen wird mit obigen Worten bezeichnet eth. IV, 18. schol. Nutzen bleibt hiebei die Grundlage; denn da Tugend Macht ist, so kann es keine Tugend geben, die früher wäre, als dieser Trieb der Selbsterhaltung. Der erkennende Geist sucht ebenso in seinem Sein zu beharren (1), und es entspringen daher aus der Erkenntnifs neue Strebungen. Das intelligere wird das Mafs des Guten und Bösen; und es folgt daraus, dafs das höchste Gut allen gemeinsam ist (eth. IV, 36. schol.). Wenn erkannt wird, dafs die Übereinkunft aller in allem die Macht verstärkt, so wird der Vernünftige dahin streben, dafs die Menschen keinen Leidenschaften unterworfen sind; denn durch die Leidenschaften sind sie einander feindlich; er wird folglich die Leidenschaften auch in sich selbst bekämpfen (eth. IV, 32). Inwiefern daher die Menschen vernünftig leben, thun sie insofern nothwendig das, was der menschlichen Natur überhaupt und daher jedem Menschen nothwendig ist d. h. was mit der Natur eines jeden Menschen übereinstimmt (eth. IV, 35. demonstr.). Wenn nun die Triebe und Strebungen nicht aus verworrenen Vorstellungen entstehen, sondern von adaequater Erkenntnifs erzeugt werden, so sind sie keine leidende Zustände, sondern werden der Tugend zugerechnet (2). Auf diese Weise folgen Handlungen aus solchen Affecten, welche auf den Geist, insofern er Einsicht hat, zurückgeführt werden und Spinoza begreift Handlungen dieser Art mit dem Namen der Seelenkraft (fortitudo) und theilt dieselbe in muthige und in edele Gesinnung (animositas und generositas). Unter muthiger Gesinnung (animositas) versteht er das Bestreben, wodurch jeder sein Wesen nur nach der Vorschrift der Vernunft zu behaupten trachtet; unter edeler Gesinnung (generositas) das Bestreben, wodurch ein jeder nur nach der Vorschrift der Vernunft andere zu unterstützen und sich zu Freunden zu machen trachtet. Die Handlungen, welche p. 216. vgl. eth. IV. append. c. 15. p. 262. Quae concordiam gignunt, sunt illa, quae ad iustitiam, aequitatem et honestatem referuntur. Spinoza setzt in die Bestimmung, welche von dieser Einsicht ausgeht, das ex ductu rationis vivere. Denn es ist im Unterschied von jener höhern intuitiven Erkenntnifs, welche von der Anschauung der Substanz und ihrer Attribute ausgeht, und von jener sinnlichen Erfahrung des Einzelnen, welche unbestimmt und verworren ist, Sache der ratio, richtige Gemeinbegriffe zu haben. eth. II, 40. schol. 2. (1) eth. IV, 26. demonstr. hic intelligendi conatus primum et unicum virtutis funda mentum. (2) eth. V, 4. schol. Appetitus seu cupiditates eatenus tantum passiones sunt, quatenus ex ideis inadaequatis oriuntur, atque eaedem virtuti accensentur, quando ab ideis adaequatis excitantur vel generantur. unter dieser Bedingung allein den Nutzen des Handelnden bezwecken, gehören hiernach der muthigen Gesinnung (animositas) an, welche aber den Nutzen des andern bezwecken, der edeln Gesinnung (generositas); Mäfsigkeit z. B., Geistesgegenwart u. s. w. sind Arten der erstern; Bescheidenheit, Güte u. s. w. Arten der letztern (1). Die Tugend kann dieselbe Aussenseite haben, wie ein leidender Zustand, der lediglich aus dem Streben der Selbstbehauptung entspringt; aber sie ist im Grunde verschieden. Z. B. aus dem Naturgesetz, dafs wir ein Wesen nicht hassen können, das wir bemitleiden (eth. III, 27. cor. 2), folgt die natürliche Grofsmuth eines Mächtigen, inwiefern er mehr Grund hat, einen Schwachen zu bemitleiden, als zu hassen. Aber von dieser natürlichen Grofsmuth, die aus entgegengesetzten Strebungen entsteht, ist die edle Gesinnung der Grofsmuth verschieden, die aus der Einsicht (dem intelligere) stammt. Auf diese Weise gewinnt Spinoza, dem alle Tugend in selbstsüchtige Selbsterhaltung zu entweichen drohte, die Tugend wieder, die nun ihren Ursprung im intelligere hat und zwar in der Erkenntnifs, dafs durch Vereinigung die menschliche Macht wachse und für die Vereinigung nur das zu erstreben sei, was mit der menschlichen Natur überhaupt übereinkomme. In diesem Allgemeinen hat die Selbsterhaltung eine höhere Richtung. Wenn es nun darauf ankommt, das zu thun, was mit der menschlichen Natur überhaupt übereinstimmt, und wenn darauf allein die Vernunft hingeht so ist der allgemeine Begriff des Menschen das Vorbild, dem wir uns nähern müssen, der Zweck, dem wir nachstreben. Von hier aus kehrt die von Spinoza verworfene Endursache (causa finalis) dennoch in die Betrachtung zurück (2). Daher finden sich bei Spinoza solche Ausdrücke, wie (1) eth. III, 59. schol. Omnes actiones, quae sequuntur ex affectibus, qui ad mentem referuntur, quatenus intelligit, ad fortitudinem refero, quam in animositatem et generositatem distinguo. Nam per animositatem intelligo cupiditatem, qua unusquisque conatur suum esse ex solo rationis dictamine conservare. Per generositatem autem cupiditatem intelligo, qua unusquisque ex solo rationis dictamine conatur reliquos homines iuvare et sibi amicitia iungere. Eas itaque actiones, quae solum agentis utile intendunt, ad animositatem, et quae alterius etiam utile intendunt, ad generositatem refero. Temperantia igitur, sobrietas et animi in periculis praesentia etc. animositatis sunt species; modestia autem clementia etc. species generositatis sunt. (2) Nachdem Spinoza in der Vorrede zum 4ten Theil der Ethik den Zweck und die Musterbilder der Dinge und darnach Vollkommenheit und Unvollkommenheit, gut und böse für blosse Weisen des Vorstellens erklärt hat, sagt er p. 202 einlenkend: Verum quamvis res ita se habeat, |