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Es kann nur diese drei Stellungen von Gedanken und Kraft geben; und da nur Eine der drei möglichen die wirklicke und wahre sein kann, so sind die Systeme, je nachdem sie eine der drei sich einander auschliefsenden Stellungen durchführen und zum letzten Stützpunkt ihrer Bewegungen machen, in einem durchgehenden Streit begriffen.

Bis Spinoza handelte es sich um die beiden ersten Auffassungen. In den materialistischen Systemen erfüllte sich die erste Möglichkeit, in welcher die Kraft der wirkenden Ursache als das Ursprüngliche vor und über den Gedanken gestellt wird; in den idealen Systemen, im Platonismus, zu welchem der Aristotelismus, die Stoa und die Philosophie der christlichen Kirche wie Verwandlungen einer Grundgestalt gehören, erfüllte sich die andere Möglichkeit, in welcher der Gedanke als das Ursprüngliche vor und über die Kraft gestellt wird, sie richtend und regierend.

Bei Spinoza erscheint die dritte Möglichkeit mit der vollen Wucht ihrer Eigenthümlichkeit. In Cartesius, von dem Spinoza ausging, war der ursprüngliche Gegensatz von Neuem scharf hervorgetreten und zwar in der Gestalt zweier Substanzen, der denkenden und der ausgedehnten, der substantia cogitans und der substantia extensa, die sich einander schlechtweg ausschliefsen. Dieser Dualismus, schroff im Princip, ist von Cartesius durch die Annahme einer dritten Substanz, die über beiden steht, durch die herbeigerufene Substanz Gottes, der die beiden andern äufserlich zusammenbringt und vermittelt, nur scheinbar gemildert und eigentlich nur für das schwächere Auge verwischt worden. Daher weckte er in dem schärfern Geiste das Bedürfnifs der innern Einigung desto entschiedener.

In Spinoza erscheint nun derselbe Gegensatz; er erscheint als Denken und Ausdehnung, cogitatio und extensio. Aber Spinoza greift ihn eigenthümlich und in einer Weise, welche allein noch nicht vertreten war. Wenn bis dahin in den Systemen Gedanken und blind wirkende Kraft dergestalt mit einander gestritten hatten, dass entweder, wie in den teleologischen seit Plato, der Gedanke über die Kräfte, oder, wie in den mechanischen seit Demokrit, die Kräfte über den Gedanken siegen wollten: so fafste Spinoza ohne solche Überordnung und Unterordnung beide in eins. Es wirkt weder das Denken auf die Ausdehnung, noch die Ausdehnung auf das Denken; es tritt weder der Gedanke vor die Kraft, noch die blinde Kraft vor den Gedanken. Sie sind in ihrem Grunde nicht verschieden; denn sie drücken Eine

Sache nur auf verschiedene Weise aus. Denken und Ausdehnung sind nur die beiden nothwendigen Weisen, unter welchen sich der Verstand das Wesen der unendlichen Substanz vorstellt. Indem Spinoza seine ganze Lehre auf dieser Grundlage bauet, erfüllt er die dritte, oben bezeichnete Möglichkeit.

Es wird zweckmäfsig sein, zunächst diesen Grundgedanken in Spinoza nachzuweisen und in seinen nächsten Folgen darzulegen, damit die Thatsache feststehe und ihre Bedeutung erhelle.

Es kann in Wahrheit, lehrt Spinoza, nur Eine Substanz geben, wenn es anders ihr Wesen ist, dafs sie keines andern bedürfe, sondern schlechthin in sich sei und aus sich begriffen werde. Diese Eine Substanz, Gott, ist alles Sein und aufser ihr ist kein Sein; alles Endliche ist als solches nicht aus sich, sondern in ihr als Weise, als Modus des Daseins. Attribut der Substanz ist dasjenige, was der Verstand als ihr Wesen ausmachend an der Substanz denkt. Während nun die Eine Substanz, Ursache ihrer selbst, schlechthin unendlich ist, sind die Dinge begrenzt und bestimmt (res determinatae). Diese Bestimmung geschieht in den beiden Attributen des Denkens und der Ausdehnung und innerhalb derselben; aber jedes Attribut der Einen Substanz mufs aus sich selbst begriffen werden (eth. I, 10) (1). Die Bestimmungen des Einen Attributs bedingen nicht die Bestimmungen des andern (eth. II, 6) (2); sie sind grundverschiedene Anschauungsweisen des Wesens.

In der Auffassung von Seele und Leib stellt sich dies allgemeine Verhältnifs im Besondern dar.

Der Leib drückt Gottes Wesen, inwiefern er als ausgedehnt betrachtet wird, auf bestimmte und begrenzte Weise aus; die Seele hingegen als bestimmte Weise des Denkens (modus cogitandi). Die endlichen Modi als Leib und Seele drücken nur Eine und dieselbe Sache aus, die einmal von der Seite der Ausdehnung und dann von der Seite des Denkens aufgefafst wird, und im ersten Falle Leib, im zweiten Seele heifst. Was der Leib der wirklichen Gestalt nach ist (formaliter), das ist die Seele in der Weise des

(') Eth. I, 10. Unumquodque unius substantiae attributum per se concipi debet. (2) Eth. II, 6. Cuiuscunque attributi modi Deum, quatenus tantum sub illo attributo, cuîus modi sunt, et non, quatenus sub ullo alio consideratur, pro causa habent.

Denkens (objective nach dem damaligen Sprachgebrauch). Was in der Ausdehnung vorgeht, geht auch im Denken vor. Es kann weder der Körper die Seele zum Denken, noch die Seele den Körper zur Bewegung und Ruhe bestimmen (eth. III, 2). Alle Weisen des Denkens haben Gott, inwiefern er unter dem Attribut des Denkens, und nicht unter einem andern Attribut betrachtet wird, zur Ursache; und umgekehrt haben alle Weisen der Ausdehnung Gott nur, inwiefern er unter dem Attribut der Ausdehnung betrachtet wird, zur Ursache. Hiernach laufen in beiden Attributen die Modi mit einander parallel; aber die Erklärung in dem einen Attribut kann nicht auf das andere übertragen werden. Diese Übereinstimmung in beideu Attributen ist der eigentliche Sinn des aus Spinoza oft angeführten Satzes, dass die Ordnung und der Zusammenhang der Vorstellungen derselbe sei als die Ordnung und der Zusammenhang der Dinge (1).

Aus diesem Grundverhältnifs ergeben sich unmittelbar die wichtigsten Folgen und Spinoza zog sie wirklich.

Indem das Denken nicht auf die Ausdehnung wirkt, kann es den Begriff nicht geben, der voraussetzt, dafs ein Gedanke, eine Idee, die Gestalten der Ausdehnung in ihrem Wesen bestimme. Der Zweck ist daher nach dieser Ansicht nur eine menschliche Erfindung. Wie Gott um keines Zwekkes willen da ist, so wirkt er auch um keines Zweckes willen. Alle Philosophen irren, die, wie Plato that, behaupten, dafs Gott nach der Idee des Guten wirke (eth. I, 33 schol. 2). Das Gute wäre durch den Zweck bestimmt. Vielmehr ist das Gute, wie der Zweck, nichts Wirkliches in den Dingen, sondern nur eine Weise des Denkens. Das wirkliche Sein der Dinge, inwiefern sie nicht Weisen des Denkens sind, folgt nicht deswegen aus der göttlichen Natur, weil diese die Dinge vorher erkannt hätte (eth. II. 6. coroll.) (2). Es kommt vielmehr der Natur eines Dinges nichts zu, was nicht aus der Nothwendigkeit des Wesens der wirkenden Ursache folgt; und was aus der Nothwendigkeit des Wesens der wirkenden Ursache folgt, das geschieht nothwendig. (eth. IV. praef.)

Dem Begriff des Zweckes ist kein anderer an Bedeutung zu verglei

(') Eth. II, 7. Ordo et connexio idearum idem est ac ordo et connexio rerum. (2) Eth. II, 6. coroll. Esse formale rerum, quae modi non sunt cogitandi, ex divina natura, quia res prius cognovit.

non

sequitur ideo

chen, wenn man ihn nur nicht im Sinne des äufsern Nutzens, sondern des innern Wesens nimmt. Ohne ihn giebt es namentlich kein Organisches; und wenn das Ethische ein frei gewordenes Organisches ist, auch kein Ethisches, kein Ideales in der Natur und im Menschengeiste. Daher hat für Spinoza, wie bereits an einem andern Orte gezeigt ist (1), die Aufhebung des Zwekkes die ausgedehntesten Folgen, welche in seiner Lehre sich nirgends verläugnen. Die Sätze z. B. über den menschlichen Leib, welche Spinoza im 2ten Theil der Ethik als Lemmata und Postulate einschiebt (eth. II. vor prop. 14), zeigen durchweg die mechanische Auffassung. Es giebt überhaupt für Spinoza keine innere Übereinstimmung in der Natur der Dinge. Ordnung und Verwirrung bedeuten nichts, wenn man an sich die Dinge betrachtet, und beziehen sich nur auf unsere Vorstellung (Brief 15) (2). Wenn die Schönheit einen innern Grund hat, so liegt er ohne Zweifel im Organischen; sie ist unter dieser Voraussetzung die Erscheinung harmonischer Zwecke. Aber in Spinoza hat eine solche Betrachtung keinen Ort. Die Schönheit kann ihm nicht die erscheinende Idee sein. Sie ist ihm keine Eigenschaft des Gegenstandes, sondern nur eine Wirkung der Dinge in dem Beschauer. Die Dinge, in sich betrachtet oder auf Gott bezogen, sind weder schön noch häfslich (3).

Indem umgekehrt auch die Ausdehnung nicht auf das Denken wirkt, mufs nach dem Princip jene Ansicht fern bleiben, welche den Gedanhen als ein Accidens der materiellen Kräfte betrachtet, der Materialismus, der deutliche Ausdruck dieser Folge ist der Satz, dass weder der Körper

(1) Logische Untersuchungen II. S. 39 ff.

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und

(2) Der 15te Brief ist belehrend, weil darin die Frage beantwortet wird, wie es zu denken sei, dafs die Theile der Natur mit ihrem Ganzen zusammeustimmen. p. 498. ed. Paul. — prius monere velim, me naturae non tribuere pulchritudinem, deformitatem, ordinem atque confusionem; nam res non nisi respective ad nostram imaginationem possunt dici pulchrae aut deformes, ordinatae aut confusae.

(3) Brief 58. vgl. eth. I. append. besonders p. 74. ed. Paul. Wenn bei Plato die Idee des Guten die Weltbildung leitet und das Gute wiederum in Wahrheit, Ebenmals und Schönheit zerlegt wird: so kann man in diesem Zusammenhang auch die Schönheit als Grund der Weltbildung ansehn. Gegen eine solche Auffassung thut Spinoza in dem Brief 58 Einsage p. 648.

mundum naturae divinae necessarium esse effectum u. s. w. p. 649. pulchritudo non tam obiecti, quod conspicitur, est qualitas, quam in eo, qui conspicit, effectus. . . . . . adeo ut res in se spectatae vel ad Deum relatae nec pulchrae nec deformes sint.

den Geist zum Denken, noch der Geist den Körper zur Bewegung oder Ruhe bestimmen kann (eth. III, 2) (1).

Auf diese Weise offenbart sich der angegebene Standpunkt, indem er Teleologie und Materialismus gleicher Weise verneint; und er darf in seiner Eigenthümlichkeit, wiewol es oft geschehn ist, nicht verkannt werden. Jacobi z. B. macht das System des Spinoza schlechthin zu einem System der mechanischen Ursachen. Er schreibt in den Beilagen zu den Briefen über Spinoza (2): „Eine nicht mechanische Verkettung ist eine Verkettung nach Absichten oder vorgesetzten Zwecken. Sie schliefst die wirkende Ursache, folglich auch Mechanismus und Nothwendigkeit nicht aus, sondern hat allein zum wesentlichen Unterschied, dafs bei ihr das Resultat des Mechanismus als Begriff vorhergeht und die mechanische Verknüpfung durch den Begriff, und nicht, wie im andern Fall, der Begriff im Mechanismus gegeben wird. Dieses System wird das System der Endursachen oder der vernünftigen Freiheit genannt; jenes das System der blos wirkenden Ursachen oder der Naturnothwendigkeit. Ein drittes ist nicht möglich, wenn man nicht zwei Urwesen annehmen will". Indessen nimmt Spinoza, wie gezeigt wurde, gerade eine dritte Stellung ein. Nur inwiefern er den Zweck in Abrede stellt, geräth er in die nächste Verwandtschaft mit den Systemen der blos wirkenden Ursachen; und es konnte daher leicht geschehen, dafs er früh für einen Materialisten erklärt wurde (3). An sich ist Spinoza von dem Materialismus wie von der Teleologie gleich weit entfernt. Jedes Attribut der Einen Substanz mufs aus sich begriffen werden (eth. I, 10); die Erzeugnisse des Gedankens aus dem Attribut des Denkens, die Gestalten der Ausdehnung aus dem Attribut der Ausdehnung; und man kann von Spinoza nicht sagen, dass bei ihm der Begriff im Mechanismus gegeben wird.

Es fragt sich nun, wie es dem Spinoza gelinge, diesen eigenthümlichen Grundgedanken, nach welchem Denken und Ausdehnung nur ein verschiedener Ausdruck einer und derselben Substanz sind, sowol in sich als den Erscheinungen gegenüber durchzuführen. Es fragt sich, wie weit er

(1) Eth. III, 2. Nec corpus mentem ad cogitandum, nec mens corpus ad motum, neque ad quietem, nec ad aliquid (si quid est) aliud determinare potest.

(2) Jacobi, Werke IV, 2. S. 95.

(3) vgl. z. B. Colerus, das Leben Spinoza's, deutsch mit Anm. 1733. p. 15. Anm. e. Jacobi Bruckeri historia critica philosophiae. 1744. IV, 2. p. 707.

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