scheinen, daß es Müller in der Zeit von 1885-1903 nicht gelang, wenigstens einen Band druck fertig zu machen. Zum Teil ist gewiß seine vorsichtige, etwas ängstliche Natur daran schuld gewesen. Handschriften wurden zwei-, dreimal verglichen, immer wieder stellten sich Zweifel ein, die er lösen wollte; auch alle Vorarbeiten anderer wollte er lückenlos beiziehen, Bücher und Aufsätze, die nur entfernt nach ihrem Titel irgendeinen Beitrag zu seinem Arbeitsgebiet enthalten konnten, wurden sorgfältigst auf Zetteln notiert und durchgearbeitet. Das Streben, ganze Arbeit zu machen, verhinderte ihn so am Abschluß. Auch machte ihm wohl die Arbeit an den Handschriften selbst mehr Freude als der Weiterbau auf den durch sie gewonnenen Grundlagen. Dazu kamen mannigfache äußere Hindernisse. Auf Gelzers Veranlassung, den er in Paris kennen gelernt hatte, wurde er 1888 als Leiter der Universitätsbibliothek nach Jena berufen, anfangs als Oberbibliothekar, später mit dem Titel Direktor und Hofrat. Diese neue Tätigkeit ließ ihm sehr wenig freie Zeit für eigene Studien, zumal da auch der Neubau der Bibliothek hinzukam. Auch die Ordnung der Münzsammlung der Universität, die er als guter Numismatiker er hatte selbst eine ansehnliche Sammlung und stets hilfsbereit, wie er war, gern übernahm, die Vorbereitungen zum Jenaer Bibliothekstag (1902), die Herausgabe der Jenaer Liederhandschrift nahmen seine Tätigkeit zu sehr in Anspruch. So wurde die Arbeit in der Jenaer Zeit verhältnismäßig wenig gefördert, und auch bei seinem Tode war nichts druck fertig. Un fangreiche Vorarbeiten, namentlich äußerst sorgfältige Kollationen. sind vorhanden, die jetzt (1910) Herr Dr. Friedr. Mezger in München übernommen hat, um die Arbeit zu vollenden. Überhaupt war die Jenaer Zeit seiner Produktionstätigkeit nicht günstig. Während er früher auch auf anderen Gebieten der klassischen Altertumswissenschaft manche handschriftliche Beiträge lieferte, veröffentlichte er seit 1889 sehr wenig. Die Artikel über Kriegsschriftsteller bei Pauly-Wissowa werden neben der Jenaer Liederhandschrift wohl das einzige sein, was er in dieser Zeit publizierte. Wohl hatte er vor, den Anonymus Mai Tepi ToλTeías, dessen Handschrift er im Vatikan wieder auffand, herauszugeben, was nach der sehr lückenhaften und mangelhaften Ausgabe Mais sehr notwendig war, und seine Abschrift der sehr schwer zu lesenden Handschrift jetzt im Besitz von Professor Prächter in Halle zeigt, wie sehr der Text durch ihn gefördert worden wäre; aber zum Abschluß kam er auch hier nicht. Allein ging er durchs Leben, aber nicht einsam. Treue Anhänglichkeit verband ihn mit seiner Mutter und Schwester; seinen Vater hatte er schon im zehnten Jahre verloren. Eine stille Natur, schloß er sich nicht leicht an, war aber ein dankbarer, stets hilfsbereiter Freund. Im Bären in Jena, wo sich eine Gesellschaft unverheirateter Dozenten regelmäßig traf, hat er manchen Freund gefunden, der ihm treu blieb bis zu seinem frühen Ende. An einem akuten Darmleiden starb er, noch nicht 50 Jahre alt, am 15. Juni 1903. Quellen: Mitteilungen seiner Mutter, Frau Prof. Fr. Müller in Würzburg, sowie persönliche Erinnerungen. 1877. De arte critica Cebetis tabulae adhibenda. Virceb. 1877 (Doktorschrift). Bibliographie. 1878. Nachträge hierzu im Philolog. Anzeiger IX, 1878, S. 269 f. 1879. Zur Kritik des Cebes: Zeitschrift für d. oestr. Gymn. 30, 1879, S. 241-252. 1884. Relieffragment mit Darstellungen aus dem Пlívat des Kebes. a) „Deutsche Literaturzeitung“ V, 1884, Sp. 1068 f., 1109. b) Archäologische Zeitung" 42, 1884, Sp. 115-128. 1884. Besprechung neuerer Literatur über Kebes in der Philolog. Rund schau IV, 1884, Sp. 1417-1424. 1884. Besprechung von „Kéßytos nívat edidit G. Barone": Berliner philolog. Wochenschrift IV, 1884, Sp. 1437 ff. Universitätsjubiläum. 1882. Verzeichnis der Festschriften zur 3. Säkularfeier der Universität Würzburg: Neuer Anz. für Bibliographie 1882, S. 373-378. 1882. Ehrungen unserer Hochschule bei ihrer 3. Säkularfeier in „Alma Julia, illustr. Chronik ihrer 3. Säkularfeier", 1882, S. 140 f., 162 f., 179. 1882. Alma Julia, Festbericht: Ph lologische Wochenschr. II, 1882, Sp. 1291-1297 und 1322-1328. Griechische Kriegsschriftsteller. 1880. Ein griechisches Fragment über Kriegswesen. 1880. S. A. aus der Festschrift für L. v. Urlichs", S. 106—130. 1882. Eine griechische Schrift über Seekrieg, zum ersten Male hrsg. 1882. S. A. aus der „Festgabe zur 3. Säkularf. d. Jul.-Maxim.Universität zu Würzburg", dargebracht von Gramich, Haupt, Müller, S. 1-53. 1883. Handschriftliches zu den Poliorketika und der Geodäsie des sog. Hero: Rhein. Museum, N. F. 38 (1883), S. 454-463. 1884. Sur les manuscrits de Polyen in Mélanges Graux", 1884, S. 723 "" bis 729. 1884. Zu Polyän: Rhein. Museum, N. F. 39 (1884), S. 467. 1892 ff. Artikel über griech. Kriegsschriftsteller in Pauly - Wissowas Realenzyklopädie der klass. Altertumswissenschaft. Münzfunde. 1885-86. Römische Münzfunde in Thüngersheim: Wochenschrift f. klass. Philologie II, 1885, Sp. 1152 f.; III, 1886, Sp. 824 f. 1886. Talerfund in Ochsenfurt: Neue Würzburger Zeitung, 1886, Nr. 262. Verschiedenes, 1878-79. Referate über den die klass. Altertumswissenschaften betr. Inhalt einer größeren Zahl von Zeitschriften: Revue de philol. (Revue des Revues, II, III, 1877-78) 1878-79. 1880. Fragmente von Homilien des Photius: Zeitschrift für Kirchengeschichte IV, 1880, S. 130-136. 1881. Zu den Planudischen Exzerpten im Codex Palatinus 129: Rhein. Museum, N. F. 36, 1881, S. 145-150. 1883. Besprechung der deutschen Literaturdenkmale, hrsg. v. B. Seuffert, 7. 8. Frankfurter gelehrter Anzeiger 1772: Berl. Philolog. Wochenschrift, III, 1883, Sp. 513 ff., 1627 ff. 1883. Besprechung von Wolfs Philol. Vademecum: Berl. Philolog. Wochenschrift, III, 1883, Sp. 1300-1304. 1881. Zu Julius Africanus: Jahrbücher für protest. Theologie, III, 1881, S. 759 f. 1884. Neue Mitteilungen über Janos Laskaris und die Mediceische Bibliothek: Zentralblatt f. Bibliothekswesen, I, 1884, S. 333 bis 412. (Vgl. Berl. Philol. Wochenschr. IV p. 125.) 1885. Zu Heidenheimer: Die Korrespondenz Sultan Bajazets II: Zeitschrift f. Kirchengeschichte, VII, 1885, S. 152 f. 1896. Die Jenaer Liederhandschrift. Fritz Pradel. Geb. 4. Januar 1877, gest. 17. Dezember 1909. Von H. Freund in Breslau. Durch Fritz Pradels plötzlichen, jähen Tod hat die Wissenschaft wie die Schule einen gleich schweren Verlust erlitten. Beiden widmete er seine unermüdliche Arbeitskraft, seine reiche Begabung ausschließlich, ohne andere Beschäftigungen oder Vergnügungen zu kennen. In der Durchdringung wissenschaftlicher und praktischer Tätigkeit, in der Abwechslung zwischen beiden fand er Befriedigung und Lebensglück, und wenn er auch viele seiner Studien und Entwürfe nicht vollenden konnte, so hat er doch einige Arbeiten veröffentlicht, die zeigen, wie hohe Gaben er besessen hat. Sie bauen sich auf fleißiger Sammlung und genauer Kenntnis des Materials auf, das er mit scharfem Verstande durcharbeitete. Frei von Einseitigkeit, befaßte er sich mit Aufgaben aus verschiedenen Gebieten der Altertumswissenschaft nicht nur, sondern er zeigte und betätigte auch großes Interesse an den Bestrebungen der schlesischen Gesellschaft für Volkskunde, in deren Mitteilungen er mehrere Abhandlungen veröffentlichte. Er ließ seine Arbeiten ruhig heranreifen, ohne ihren Abschluß zu beschleunigen. In wiederholter Beschäftigung mit ihnen strebte er danach, den Problemen von allen Seiten zu Leibe zu gehen. An seiner Arbeit aber hatte sein Herz gleichen Anteil wie sein Verstand. Denn er sah in den Aufgaben, die ihn beschäftigten, nicht nur Rätsel, an denen sich seine Geistesschärfe erproben konnte, sondern von Liebe zum klassischen Altertum erfüllt, das zu studieren ihn innere, freie Neigung getrieben hatte, betrachtete er seine Tätigkeit als den Weg, der ihn zum tieferen Verständnis der Antike in ihrer ganzen Entwicklung führte, wie sie sich im Fühlen und Glauben des Volkes sowohl, wie in den Werken ihrer großen Männer offenbart. Und dieses Eindringen war bei ihm nicht nur ein geistiges Erfassen, sondern ein von feinem Takt und Herzenswärme erfülltes Mit- und Nachempfinden, so daß die Erkenntnisse, die sein Geist gewann, zu lebensvoller Anschauung sich ihm gestalteten. Diese seine Begeisterungsfähigkeit, seine Lebendigkeit und Frische, Eigenschaften, denen sich eine sonnige Heiterkeit des Wesens ein echter Humor zugesellte, machten ihn auch zum Lehrer so geeignet,, der aus der Fülle seines Wissens schöpfend, anregend und begeisternd wirkte und frei von Schärfe und Kleinlichkeit sich das Vertrauen seiner Schüler wirklich gewann. Auch das Verständnis für das Seelenleben der Kleinen, die Gabe, sie zu gewinnen und an sich zu fesseln, ihnen Liebe zur Sache einzuflößen, war ihm in hohem Grade eigen. So reich sein geistiges Leben war, so wenig ist von seinem äußeren zu berichten. Am 4. Januar 1877 zu Goldberg in Schlesien geboren, früh des Vaters beraubt, besuchte er zunächst die Schwabe-Prisemuthstiftung seiner Heimatstadt, deren Leiter, Herr Dr. Zinner, seine Gaben erkannte und ihn in väterlicher Weise förderte. Von dort kam er auf das Gymnasium in Jauer, das er zu Ostern 1896 mit dem Zeugnis der Reife verließ, um in Breslau und während eines Semesters in Berlin klassische Philologie zu studieren. In jener Zeit widmeten sich nur wenige diesem Studium, ein Umstand, der ihm zugute kam. Von Anfang an Mitglied des philologischen Seminars. von seinen Lehrern bald geschätzt und gefördert, konnte er seinem Studium die wissenschaftliche Grundlage und Richtung geben, der er treu geblieben ist. Am engsten schloß er sich von seinen Lehrern an Skutsch und Kroll an, von denen der erstere ihn zur Beschäftigung mit der römischen älteren Poesie, die stets sein Hauptgebiet geblieben ist, leitete und ihm kürzlich die Neubearbeitung der lateinischen Sprichwörter von Otto übertrug, der letztere ihm die Herausgabe der griechischen und süditalienischen Gebete anvertraute. Im Jahre 1901 promovierte er, im folgenden Jahre bestand er das Staatsexamen, um dann von Ostern 1902-03 sein Jahr bei den Königsgrenadieren in Liegnitz zu dienen, wo er später Offizier wurde. Ostern 1903 trat er das Seminarjahr am pädagogischen Seminar in Breslau, Ostern 1904 das Probejahr am Kgl. Gymnasium in Brieg an, während beider Jahre als Hilfslehrer praktisch tätig, erst am Wilhelmsgymnasium in Breslau, später in Brieg. Ostern 1905 wurde er zum Oberlehrer am Kgl. evang. Gymnasium in Glogau ernannt, an dem er bis zu seinem in der Nacht vom 16. zum 17. Dezember 1909 erfolgten Tode tätig war. Auf seinen Wunsch wurde er auf dem Garnisonkirchhofe in Glogau am 20. Dezember bestattet. Folgende Arbeiten hat er veröffentlicht: De Praepositionum in prisca Latinitate vi atque usu. Supplementbd. |