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eine andere Art zu beweisen; indem man eine gewisse Stelle des Hincmar auf hun: derterley Art herumdrehet, worin dieser Verfasser behauptet, daß die Clerici zu Rheims manche Pergamente und Blätter aus Handschriften hundert Jahr vor ihm zu Beutel verbraucht (y). Folglich, schliest man daraus, waren diese Geistlichen von der Unbrauchbarkeit ihrer Urkunden hinlänglich überzeugt., Doch ben die: sem Zeugnisse bleibt man nicht alleine stehen. Wenn die Kirchenversamlung zu Agde im Jahr 506 (3) diejenigen Geistlichen, die die Urkunden der Kirche unterdrückt oder an die Weltlichen ausgeliefert hatten, in den Ban thut und sie zur Wiedererstattung anhält; so macht man daraus den Schlus, daß damals die Urkunden unterdrückt worden, und daß folglich keine mehr übrig wären. Wenn Carl der kahle den Bi: schöfen befielet, die Freiheiten der Påbste und die Urkunden unsrer Könige mit vieler Sorgfalt zu bewaren, vigili folertia cuftodiant (a); so schliesset man daraus, daß sie bis auf diese Zeit sehr nachläßig in acht genommen worden. Wenn manche Schrift: steller versichern, daß die Urkunden im eilften Jahrhundert in Gewölben eingeschloß fen gewesen, und wenn man sich genötiget siehet, mit ihnen zuzugeben, daß damals die Urkunden mit vielem Fleis bewaret worden; so wil man daraus den Schlus her: leiten (b), daß solches nicht vorher geschehen, und daß man daher die alten Urkuns den nach Maasgebung ihres Altertums für verdächtig halten müsse. Ein Sah, den man ohne Unterschied auf alle Arten von Urkunden anzuwenden sucht; obgleich Marsham, der Urheber desselben, ihn nur allein auf die angelsächsischen Urkunden angewandt hat.

• S. 138.

Was aber das vom Hincmar angefürte Beispiel betrift; so ist noch zu zweifeln, Deffen ob diese Pergamente (Chartå), Urkunden von Ländereien gewesen, so der Kirche zu Beantwor Rheims zugehöret, oder ob es gar Urkunden gewesen. Wenigstens hat Hincmar tung, in diesem Stücke nichts bestimmet. Gefeßt aber auch, daß man solches zugeben wolte, so könte man demohnerachtet mit gutem Gruude behaupten, daß er nur eini ge Stücke gemeinet habe, die unter den Ausschus geworfen worden; oder vielmehr, daß es gewisse historische Stücke gewesen, die das Leben und die Wunder des heil, Remi, von welchem allein die Rede war, einiger Massen erläutern können. Wenn indessen auch die Geistlichen zu Rheims des achten Jahrhunderts, die Hincmar als sehr unwissende und ungesittete Leute beschreibet, die Urkunden ihrer Kirche vernich tet hätten; so würde daraus noch nicht folgen, daß man es bey allen übrigen Kir chen eben so gemacht habe: man müste denn die Art, von dem Besondern auf das Algemeine zu schliessen, für volkommen rechtmäßig halten (c). Man hat aber Grund zu mutmassen, daß sich der unrechtmäßige Besther Milon, der sich alle Grundstü cke der Kirche zu Rheims angemasset hatte, auch aller ihrer Urkunden werde bemäch tiget

(1) GERMON. Difcept. 1. p. 23. (3) Concill. LABB. tom. 4. col. 1387. can. 26.
(a) BALUZ. Capitular. tom. 2. col. 214. (b) GERMON. Discept. 2, p. 33. 34.
(c) FONTANINI Vindic. p. 52.

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Verhältniss

bliebenen Originale.

tiget haben. Sie waren also nicht mehr in den Händen der Geistlichen. Wie has ben sie denn Beutel daraus machen können?

2. Giebt man sich vergebliche Mühe, das Unsehen der Kirchenversamlung zu Agde kraftlos zu machen, welche sowol wider diejenigen Geistlichen eiferte, die die Urkunden ihrer Kirchen von sich gegeben oder unterdrückt hatten, als auch wider die Weltlichen, die sie dazu überredet hatten. Man verschweiget daben, daß diese Kir: chenversamlung im Anfang des sechsten Jahrhunderts gehalten worden, und daß sie folglich älter ist, als alle alte Originale, die wir noch in Frankreich übrig haben. Es muste also die Ehrerbietung, die man damals für die heiligen Canones hegte, ihre gehörige Wirkung haben und die Geistlichen sowol vermöge ihrer Pflicht, als auch um eines gedoppelten Nußens willen zur genauen Bewarung ihrer Urkunden bewegen. 3. Carl der kahle gab kein Capitulare heraus, dergleichen Misbräuche abzustellen; folglich waren die Geistlichen nicht in dieselben verfallen. Er suchte nur die Bischöfe zur sorgfältigen Erhaltung ihrer Archive anzuhalten. Hieraus folget aber noch nicht, daß dieselben allenthalben vernachläßiget worden. Eine gewisse Gleichgültigkeit gegen die Archive, die an manchen Orten herrschen mochte, konte ein hinlänglicher Bewegungsgrund zur Abfassung dieses Gefeßes seyn. Man darf also auch nicht vorgeben, daß die Sorgfalt für die Archive erst im eilften Jahrhundert ihren Anfang genommen.

S. 139.

Wenn es möglich ist, verseket man (d), daß einige alte Originale in den Krie mäßige Anzal gen und Feuersbrünsten erhalten werden und den Würmern und Raßen, der Feuch der übrigge tigkeit, der Treulosigkeit und dem Geiß derer widerstehen können, denen an ihrer Vernichtung gelegen seyn muste; so ist solches doch wenigstens sehr schwer. Was nun nicht anders als sehr schwer geschehen können, darf nicht ohne Beweis für rich: tig angenommen werden. Von neuern Originalen lässet sich deswegen eine grössere Unzal aufweisen: 1. Weil man erst in den lehtern Jahrhunderten angefangen diese Stücke höher zu schäßen. 2. Weil es nicht so ausserordentlich ist, daß sie etliche hundert Jahr hindurch für die Wuth der Zeit gesichert werden können; als wenn folches durch einen Raum von tausend Jahren geschehen seyn solte: und zwar um so vielmehr, weil sie in den ältesten Zeiten sehr nachläßig bewaret worden.

ten.

Allein, was folgt daraus, wenn man auch zugiebt, daß die alten Urkunden eis ner grossen Menge von Zufällen ausgesetzet gewesen? läßt sich wohl daraus schliessen, daß gar keine mehr übrig seyn können? Man unterstehet sich nicht, solches zu behaup Man giebt nur vor, es sey sehr schwer, daß noch jeßt einige übrig seyn könten. Wenn die Sache nur mit Schwierigkeiten verknüpft ist: so lässet sich aufeine rechtmäßige Art nichts weiter daraus folgern, als daß die Anzal der übriggebliebenen Ur kunden, geseht es wäre in einem jeden Jahrhundert eine gleich grosse Menge dersel ben ausgefertiget worden, heutiges Tages mit der grössern oder geringern Entfer nung der Zeit von einem jeden dieser Jahrhunderte in einem Verhältnis stehen müß

(d) GERMON. Difcept. 1. p. 26.

fe.

k. Dies läst sich aber in Betrachtung der Unzal von Urkunden, die bis auf unfre Zeit erhalten worden, wirklich beweisen. Aus dem vierten und vorigen Jahrhun derten ist keine einige, weder auf Pergament, noch auf Papier mehr vorhanden. Das fünfte wird kaum noch ein Dußend alter Originale aufzuweisen haben. Kaum wird man aus dem sechsten Jahrhundert zweimal so viel zusammenbringen können. Wenn uns das siebente etliche hundert liefert, so ist es viel. Aus dem achten sind vielleicht nicht mehr als noch tausend übrig. Es würde unnötig seyn, diese Berech nung weiter zu treiben. Wir wollen nur noch anmerken, daß sich die vielen Urkun den aus dem eilften Jahrhundert sehr schwer zålen, ja nicht einmal schäßen lassen. Wenn die Urkunden des fünften, sechsten, siebenten und achten Jahrhunderts, dem Vorgeben unsrer Gegner nach, lange Zeit hernach geschmiedet worden: so würde ein solches steigendes Verhältnis nicht stat finden. Wir würden mehr Urkunden: aus dem sechsten, als aus dem neunten Jahrhundert haben können. Ja, warum folte es alsdann nicht möglich seyn, auch einige aus den vier ersten Jahrhunderten for aufzuweisen? Ist es etwa schwerer, Urkunden aus dem vierten Jahrhundert unters zuschieben, als aus dem siebenten? Indessen ist es gewis, daß ie weiter man in das Altertum zurückgehet, die Unzal der Originalstücke desto geringer wird, bis sich end: falich gar feines mehr findet. Die ältesten auf egyptischem Papier sind fast insgesamt schadhaft, und zwar einige mehr, andere weniger. Es ist daher nicht zu mutmassen, daß diese Diplomen erst nach der Zeit geschmiedet worden: weil sie wohl Merkmale aufweisen können, die ächte und alte Stücke haben müssen, aber nicht Merkmale fal scher Schriften, die erst lange nach der angegebenen Zeitbestimmung verfertiget wor den. Die Schwierigkeit der Erhaltung alter Originale bis auf unsre Zeiten ist das Fher auch nach Maasgebung der mehr oder weniger von uns entfernten Jahrhunder ik te, in welche sie gehören, entweder grösser oder kleiner. Wenn dieses nun erwiesen und eingeräumet ist, so darf man auch die Urkunden um der Schwiergkeit ihrer Er. haltung willen nicht mehr für verdächtig halten; weil es unleugbar ist, daß die übrig gebliebene Anzal dieser Schwierigkeit gemás ist. Man hat daher gegründete Ursach. zu glauben, daß diese kleine Anzal von Urkunden bis auf uns erhalten werden kön nen; da hingegen unendlich viele andere auf dem Wege verloren gegangen sind.

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S. 140.

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Was ist daher wohl ungereimter, als wenn man die Originale um so viel mehr Möglichkeit in Verdacht ziehen wil, je ålter sie scheinen? Was aber das lustigste ist, ist dieses, der erhalte: daß man zugiebt, wie wohl Handschriften aus dem Zeitraum vor dem neunten Jahr: nen Urkunden hundert bis auf uns erhalten werden können, aber solches von den Urkunden nicht 1000 Jahren. glauben wil; als wenn sie von einer ganz verschiedenen Materie wären, die nicht fast eben denselben Zufällen ausgeseht gewesen (e). Warum solten denn wohl die Handễ schriften in diesem Stücke mehr Vorrechte haben, als die Urkunden?

Es rúret dies, sagt man, daher, weil die Exemplaria von einem jeden Werke weit zalreicher waren, als die Abschriften von einer und eben derselben Urkunde, und weil sich auch zu den allerbarbarischsten Zeiten noch immer einige Lieb

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haber

(e) GERMON. Discept. 2. p. 32. 33.

haber ber Wissenschaften gefunden, die sich die Erhaltung der Hand: schriften angelegen seyn lassen. Ein schwacher Beweisgrund! Man gestehet uns be: reits zu, daß es überhaupt mehr Urkunden gegeben, als Handschriften. Warum folten wir denn nicht eben so viel oder noch mehr von den erstern übrig haben können, als von den lehtern? Ueberdem, wenn es mehr Handschriften von einem und eben demselben Werke gegeben, als man Exemplaria von einer und eben derselben Urkun de hatte: so ist es gewis, daß jene weit mehrerer Gefar ausgeseht gewesen, als die fe; weil sie nicht an so sichern und feuerfesten Orten aufbehalten wurden; weil die Urkunden bey Feuersbrünsten und Plünderungen leichter gerettet werden konten, als die Handschriften; weil man nicht hoffen konte, Urkunden, wenn sie einmal verloren gegangen, wieder zu bekommen, der Bücher aber allemal wieder habhaft zu werden fich schmeicheln konte; weil der eigene Nußen weit stärker zum Vortheil der erstern, als der lehtern, redete; und weil es endlich zu allen Zeiten mehr Liebhaber der zeitli: chen Güter als der Wissenschaften gegeben. Es haben uns also die Urkunden aus dem sechsten und siebenten Jahrhundert eben so sicher auf behalten werden können, als die Handschriften aus diesem Zeitraum.

Ist nicht die Anzal der alten Handschriften in der That bey nahe eben so ver: hältnismäßig, als wir bey den Urkunden gezeiget haben? Ja wer weis, ob man auch so viele Handschriften aus dem fünften, sechsten, siebenten, achten und neunten Jahr: hundert werde aufweisen können, als wir Urkunden aus denselben haben? Ob also gleich noch ein gewisser Unterschied zwischen den Handschriften und Ürkunden stat findet; so scheinet doch überhaupt die Schwierigkeit der wirklichen Erhaltung ben bei den gleich zu seyn. Nun giebt man aber zu, daß es noch Handschriften aus allen diesen Jahrhunderten gebe. Warum wil man denn die Originalurkunden aus die: fem Zeitraum blos ihres Altertums wegen als falsche und verdächtige Stücke ver werfen?

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VII. Wiberlegung des V. Simon,
Wharton u. a. m. §. 159: 165.
VIII. Fontanini, Muratori und Ma
billons Meinung von den falschen Ur-
kunden, die noch jezt übrig sind. §.
166. 167. .

IX. Verteidigung der Archive der Ger

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meinheiten wider den Lenglet §. 168:

171.

X. Zeugnis einiger Jesuiten von den
falschen Urkunden der Kirchen §. 172.
XI. Wie die falschen Urkunden in die Ur
chive gekommen seyn können S. 173
176.

S. 141.

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at man wohl jemals von einer solchen Regel der Kritik gehöret, als diejenige Einwürfe bes ist, welche aus dem Altertum der Urkunden, das ist aus der zur Erhöhung ihres V.Hardouin. Werths allertauglichsten Eigenschaft derselben, einen Grund ihrer Verwerflichkeit herleitet? Der gelehrte Abt zu Gottwich eifert nicht nur wieder die VV. Germon (a) und Papebroch (b), daß sie diesen Sah angenommen haben; sondern spricht ih nen auch die Ehre der Erfindung desselben ab. "Sie haben ihn, sagt er (c), von "dem Marsham, einem engländischen Reger, entlenet, der aus Has gegen die Kirs chen in seinem Monaftico Anglicano zuerst behauptet hat, daß die Urkunden um so viel verdächtiger seyn, und um so viel weniger Glauben verdienen, je ålter sie sind. Der V. Hardouin nam in Antiquis numifmatibus Regum Francorum, Ams sterdam 1733, wovon eine sehr vermehrte von ihm selbst verfertigte Handschrift in der königlichen Bibliothek befindlich ist, nicht nur die Meinungen des Protestanten und des Papebroch an; sondern trieb diese Vorwürfe noch weiter als diese beide ge: than hatten (d), wie wir sogleich zeigen werden. Papebroch (A), sagt er, glaubt (e), daß man im eilften Jahrhundert angefangen habe, falsche Urkunden zu schmieden, als die Ruhe der algemeinen Kirche durch Spaltungen und Empó rungen von allen Seiten her gestöret wurde. Er fehet hinzu, daß dieses vornem: lich von den Mönchen bewerkstelliget worden, da sie gesehen, daß sich die welt

"

33

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lichen

(a) GERMON. Difcept. 2. p. 38. (b) PAPEBROCH. Propyl. April. n. 125. 127.
(c) Chronic. Gottmic. lib. 2. p. 79. (d) Handschr. des V. Hardouin S. 231.
(e) PAPEBROCH. ibid. cap. 8. n.

(A) Falfa diplomata fieri coepta ab XI. Chrifti feculo et fequentibus cenfet Papebrochius c. 8. 11. 103. dum vniuerfalis Ecclefiæ pacem tor vndique fchifmata feditionesque turbarent. Addit a monachis præfertim id factitatum: qui cum viderent a Poteftatibus fecularibus vndique accidi fuas poffeffiones et immunitates, non magno crimini fibi ducebant, pro ipfis tuendis fingere, quæ in nullius ceffura præiudicium, folum videbantur conduAura tuendæ æquitati. Verius diceret, opinor, feculo tantum XIV. hanc vafritiem ortum habuiffe in Galliis. Idem celeriter ad

103.

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alias quoque gentes Italicam, Hifpanicam, An-
glicam, Germanicam et alias permanaffe, nec
ad monafteria tantum, fed et ad Ecclefias ple-
râsque aliaque collegia. Occafionem et tem-
pus oportunum his fraudibus dedere in GAL
LIA bella cum Anglis et vbique diffidia Reges
inter et fummos Pontifices exorta. Exemplo
autem præiuit, adiuuitque eas plurimum, non
fimilis tantum, fed infinite tetrior malitia in
confingendis libris et monumentis, quæ fan-
Atiffimam Religionem peffum darent, paullo
ante iftas minoris periculi fraudes exorta.

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