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Fortfehung.

die sich mit diesem Beweisgrund bewafnen, fangen das Treffen von neuen an. Wenn der falsche Münzer, sagen sie, seinem Metal den äussern Schein des Goldes geben kan, so wird er solchen doch nicht den innersten Theilen desselben mittheilen können; und wenn er auch darin glücklich seyn solte, so wird doch die Härte, der Klang und das Gewicht verschieden seyn.

S. 48.

Die Urkunden werden aber auch hier die Vergleichung aushalten. Ein Ver: fälscher wird vielleicht die Züge der Schrift eines entfernten Jahrhunderts gut genug nachamen können; demohnerachtet aber wird er doch die Farbe der Dinte, die Be schaffenheit des Pergaments u. s. f. niemals volkommen erreichen. Und wenn er auch hierin seinen Zweck erreichen solte; so wird er doch gewis an einem oder dem andern Ort, entweder wider die Geschichte, oder wider die Schreibart, oder wider die zu der Zeit üblichen Formeln anstossen. Gefeßt daß endlich an keis ner Formel was auszusetzen sey; so werden die Hülfsmittel eines Kenners der Altertümer dennoch nicht erschöpft seyn. Wir werden in folgenden verschiedene Beispie le davon anfüren. Die Kunst, sagt man, kan die Natur nur bis auf einen ge: gewissen Punkt, niemals aber volkommen nachamen. Ein Verfälscher kan daher auch gewisser Massen eine alte Urkunde nachmachen; er wird aber sein Urbild niemals volkommen erreichen. Der Goldarbeiter hat gewisse sichere Regeln; wenn er dens selben aufmerksam folgt, wird er sich nicht irren können (r). Die Anwendung ders selben ist überdem nicht schwer, weil man dabey nur des Gefüls, der Augen und der Ohren nöthig hat. Der Ultertumskundige hat eben so gewisse Regeln. Es ist nicht zu befürchten, daß man ihn darin werde betrügen können, wenn er nur aufrichtig verfåret. Die Urtheile gründen sich auf beiden Seiten gleich stark auf die Em: pfindung der Sinne. Hier wird aber das Gegentheil behauptet. Man gibt vor, daß es mit den alten Urkunden eine andere Beschaffenheit habe. Derjenige, der sie nachmacht, wil nicht die Natur nachbilden; sondern die Kunst, das ist, das Werk eines Lotarii nachamen. Wenn er hierbey einige Schwierigkeiten antrift, so find fie zu heben. Hat denn wohl einer, der die Kunst Gold nachzuarbeiten versteht, mehr Schwierigkeiten zu heben? Mus er etwa die Natur nachbilden? Ist es nicht genug, wenn er nur dasjenige nachamet, was der Giesser, Goldschmied oder Münz meister vorgearbeitet hat? Aber, seht man hinzu, das Urtheil, welches man von alten Urkunden fället, gründet sich nicht allein auf die Empfindung der Sinne; es be: ruhet auch auf verschiedene Mutmasssungen, und wird daher ungewis und zweifelhaft. Können aber wohl Mutmassungen, wenn sie zur Bestätigung der Gewisheit gebraucht werden, dieselbe aufheben? Ist endlich das Urtheil desjenigen, welcher das Gold probiret, allein auf seine Sinne gegründet? Beruhet es nicht auf die verschiedenen Merkmale des wahren oder falschen, welche ihm seine Kunst an die Hand giebt? Wenn man diese Merkmale und deren Anwendung auf das Zeugnis der Sinne zus rück:

(1) Germonii Difcept. II. p. 61. f. Mém, chron, et dogm. tom. 3. p. 109.

rückfüren wil, werden wir nicht alles dieses, wegstens auf eine ånliche und gleich: gültige Art bey unserm Altertumsforscher wieder finden? Ja er nimt niemals seine Zuflucht zu Mutmassungen, ausser nur, wenn er das Original nicht vor Augen hat. Denn was die Originale betrift, so sind die Mutmassungen nur ein Hülfsmittel für diejenigen, welche sich das Recht anmassen, von alten Urkunden zu urtheilen, ohne Kenner der Altertümer zu seyn; da hingegen die Erfarung denenjenigen, die es sind, Gewisheit ertheilet.

$. 49.

der

Alter

tumskundi:

gen.

Über, (hier komt der wichtigste Einwurf) ist es denn noch niemals geschehen, Einwurf von daß berúmte Kenner der Altertümer bey Untersuchung der Urkunden hintergangen den Felern worden? Allein, hat es sich denn auch noch niemals zugetragen, daß Meister in ih rer Kunst sich in der Probe des Goldes geirret haben? Es ist wahr, in gewissen Fäl len lassen sich auch sehr geschickte Männer durch das Ansehen der Person, durch Neiz gung, durch Uebereilung, durch Vorurtheile leiten. Sie versäumen oft sich an ihre Grundsäße zu halten, oder haben dieselben vielmehr nicht allemal vor Augen. Ist dies aber ein Feler der Wissenschaft oder der Personen? Wenn man die Perso nen auf Kosten der Wissenschaft entschuldigen wil, so wird eine jede Wissenschaft müss sen verkleinert werden. Wenn man aber der Billigkeit gemås das Gegentheil thut; so wird die Diplomatik nicht mehr als eine jede andere Wissenschaft für die Feler ders jenigen stehen dürfen, welche sonst in derselben geübt sind. Der V. Mabillon, sagt man, hat sich in dem Alter eines Stücks, so aus einem Charrulario genommen worden,geirrer;ohnerachtet er derjenige war,der sich mitUntersuchung der alten Urkunden unter allen am meisten beschäftiger hatte (s). Hat denn aber wohl jemand vorgegeben, daß der V. Mabillon untrüglich gewesen? Geseßt, er habe sich einmal betrogen, ist denn die diplomatische Wissenschaft verbunden, dafür zu ste: hen? Hat sich Mabillon nicht durch die Hiße, mit welcher Hr. Baluze (1) die ách; te Richtigkeit und das Altertum gewisser Schriften verteidigte, in welchen die Schrift des zwölften Jahrhunderts mit aller nur möglichen Geschicklichkeit nachgeamet war, gar leicht können hinreissen lassen? Der Hr. de Montfaucon, ob er gleich dem Hrn. Mabillon in der Kentnis der Urkunden nicht gleich war, lies sich nicht dadurch hin: tergehen; sondern weigerte sich, die ächte Nichtigkeit dieser Stücke, die vom Hrn. Baluze so sehr herausgestrichen wurde, durch seine Unterschrift zu bestätigen. Ders jenige, welcher dem Hrn. Mabillon wegen dieses Versehens so empfindliche Vor: würfe macht, gestehet, daß die streitige Urkunde andern Kennern des Altertums verdächtig geschienen. Wenigstens hätten sich alle Altertumsverständige zur Verteidigung einer untergeschobenen Urkunde vereinigen müssen, wenn man die Squld davon mit nur einigem Schein auf die Wissenschaft selbst schieben wolte. Hier aber werden im Gegentheil die Kenner der Altertümer selbst nur von zween oder drey

F3

(5) Mém. chron. et dogm. tom. 3. p. 109. f. (t) Lettre de M. Baluze pour fervir de
réponse à diverfes écrits, Paris 1698.

Fortsetzung.

meln.

drey aus ihrer Mitte abgehen dürfen; ohne daß das Versehen dieser zwo oder drey Personen ihrer Wissenschaft im geringsten nachtheilig seyn könte (11).· S. 59.

Wenn endlich die Diplomatik auch nur einer blos ́moralischen Gewisheit få: hig wäre; ist denn nicht die ganze Welt darin einstimmig, daß diese Gewisheit in ihrer Art der metaphysischen gleich komt? Ja sie hat noch den Vortheil, daß sie nicht so sehr wie diese den sophistischen Betrügereien der abstracten Warheiten unterworfen ist. Nun kan aber der Altertumsforscher sehr oft nicht nur die moralische Gewisheit erlangen; sondern es ist auch nichts ungewönliches, daß er dieselbe andern mittheilen kan. Er thut solches, wenn er ihnen beweiset, daß die zu einer gewissen Zeit üblichen Formelu und Gebräuche entweder beobachtet worden, oder nicht; indem es nicht möglich ist, daß nicht ein einiger, oder fast kein einiger der Gebräuche, Buchstabenzüge oder Formeln, die gewissen Zeiten eigentümlich gewesen, beobachtet worden, und daß demohnerachtet eine Urkunde ächt seyn könte; oder daß der genauesten Beobachtung aller dieser Stücke ohnerachtet, eine Schrift dennech nicht ein unächtes Werk der spätern Jahrhunderte sey oder gar für falsch erkläret werden müsse. Auf diese Art ist ein Altertumsverständiger im Stande, andern eine moralische Ges wisheit beizubringen, daß diese Urkunde untergeschoben, jene aber acht sey. Nur allein zur physischen Gewisheit, die auf das eigne Anschauen der Originale beru het, kan er sie nicht erheben, ohne sie vorher zu Kennner der Altertümer zu machen.

S. SI.

Seltenheit Es würde Unrecht seyn, wenn man sich einbilden wolte, daß eine Formet, eiu mancher For: Gebrauch verdächtig sen, weil er in einem gewissen Zeitpunct selten vorkomt, ob er gleich nicht ganz ohne Beispiele ist. Ihre Seltenheit macht sie nicht nur nicht verz dächtig; sondern man kan solche vielmehr als ein vortheilhaftes Vorurtheil für die selben ansehen. Denn wird die Schwierigkeit seltene Formeln zu finden, um sie nach: zuamen, nicht ihrer Seltenheit gemás seyn? Ist es überdem wohl warscheins

(11) Die Unwiffenheit derjenigen Beweise, deren die Geschichte und die damit verwand ten Wissenschaften ihrer Natur nach fähig sind, und der verschiedenen Arten der Gewisheit, die nach der Verschiedenheit der jedesmaligen Wars. heiten verschieden bestimt und dargethan werden mus, ist sehr oft, wo nicht mehrentheils der Grund, der von manchen in historischen Wissen: schaften geäusserten Zweifelsucht und übertries benen Bestreitung derselben gewesen; welche Unwissenheit oder wenigstens vorsetzliche Ver: läugnung der davon gehabten Kentnis aus des V. Germon Einwürfen wider die Diplomatik genugsam hervorleuchtet. Historische Wissen: schaften sind scharfer metaphysischer Demons

lich,

ftrationen weder fähig noch benötiget, und es würde eben so ungereimt seyn, dieselben hier zu erwarten, als wenn man einen physischen Be weis von abstracten Warheiten fordern wolte. Die übertriebenen Klagen über die grosse Schwie: rigkeit untergeschobene Urkunden von achten zu unterscheiden, die auch von Gelehrten gefüret werden, welche eben nicht zur Zweifelsucht ge: neigt sind, beweisen vielmehr den noch grossen Mangel einer hinlänglichen Kentnis der diplos matischen Wissenschaft, welche zwar seit einem Jahrhundert ungemein vieles gewonnen, aber noch nicht so algemein geworden, als es ihre grosse Brauchbarkeit erfordert.

lich, daß man in den spätern Zeiten, wo die Gebräuche der vorigen Jahrhunderte nur sehr wenig bekant waren, ungewönliche Formeln den üblichern werde vorgezogen haben? Gefeht auch, diese seltenen Formeln wären den Verfälschern nicht ganz un bekant gewesen; würden sie dennoch nicht lieber solche Gebräuche und Formeln erwälet haben, deren Beispiele gewöhnlicher waren? Indessen pralen diejenigen, welche eine oder die andre alte Urkunde ohne hinreichenden Grund für unächt ausgeben, am meisten mit diesem Einwurf die gewönlichsten Gebräuche den ungewönlichern entgegen zu sehen.

S. 52.

Wir haben es noch mit einem neuen Gegner zu thun, welcher zwar viel zu Einwurf des scharfsinnig ist, daß er nicht in den meisten Fällen den Entscheidungen des Hrn. Muratori. Mabillons beitreten solte; aber doch zu viel Höflichkeit besihet, daß er dessen Geg; nern in einem oder dem andern Stücke nicht nachgeben solte.. Wenn ihm sein Unsehen das Recht ertheilet, gehöret zu werden; so mus er es uns zu Gute halten, wenn wir nur allein der Warheit unsre Unterwürfigkeit vorbehalten." Es hat, sagt er (F), vor Zeiten so scharfsinnige und geschickte Verfälscher gegeben, daß sie in Nachmas chung der Denkmåler voriger Jahrhunderte weder wider die Zeitrechnung, noch :wider die Geschichte, noch auch wider die Formeln der Lotarien im geringsten angestoffen sind und die Züge und Merkmale alter Urkunden auf das volkom: menste nachamen oder wenigstens ihre Abschriften nachbilden können. Wenn

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nun dergleichen Arbeiten solcher Leute vorkommen (denn es wird wohl niemand leug nen, daß nicht dergleichen hätten nachgemacht werden können und daß nicht noch heuti ges Tages einige solcher Geburten übrig seyn konten ;) so wird man seine Zuflucht zu den Hülfsmitteln der Critik, dergleichen falsche Wearen von achten zu unterscheiden zuweilen vergeblich nemen müssen. Dies ist sein Einwurf in seiner ganzen Stärke.

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S. 53.

1. Wir wollen die Widerlegung dieses Einwurfs, die an verschiedenen Orten Beantwor dieses Werks vorkomt, hier nicht wiederholen; wo wir zugleich erweisen, daß, tung. wenn derselbe auch metaphysisch richtig ist, er doch moralisch falsch sen. Denn in critischen und historischen Sachen fan alles nur zu einer moralischen oder höchstens physischen Gewisheit gebracht werden. Daher mus jeder Soh als unrichs tig verworfen werden, der mit einer von diesen beiden Arten der Gewisheit nicht bes sehen kan.

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Fortsetzung.

2. Wenn die Verfälscher unächte Urkunden den ächten nur zuweilen so änlich gemacht, daß es unmöglich ist, sie von einander zu unterscheiden; so würde es eben die Beschaffenheit mit ihnen haben, als mit einem Schuldigen, der alle Merkmale der Unschuld hat. Wird man in diesem Fal den erstern verurtheilen können? Kein ehrlicher Man würde alsdann durch seine Unschuld für die Schärfe der Gefeße gesichert seyn;weil hier eine volkommene Aenlichkeit des Schuldigen mit dem Unschuldigen star fins den würde. Es ist daher augenscheinlich, daß eine solche vorgegebene unrichtige Urkunde für åcht gehalten werden müsse.

3. Wie hat sich aber Hr. Muratori einbilden können, daß es jemals eine alte Urkunde in der Welt gegeben oder noch gebe, die alle Merkmale der ächten Rich: tigkeit an sich habe, und demohnerachtet unåcht sey? Er hat solches weder aus dem ins nern noch äussern Merkmale derselben schliessen können, weil sie insgesamt für die Richtig: keit der Urkunde streiten. Die Urkunde hat daher nicht anders als durch das Geständ nis oder die Ueberfürung des Verfälschers für das gehalten werden können, was sie gewesen. Man zeige uns aber ein einiges untergeschobenes altes Original, welches die Zeitbestimmung aus einem der ältern Jahrhunderte aufzuweisen hat, und an dess fen Unrichtigkeit alle Regeln der Critik nebst der Erfarung der geschicktesten Kenner des Altertums gescheitert find, und dessen Unrichtigkeit doch nicht mehr zweifelhaft ist. Die Unmöglichkeit, eine Urkunde, bey welcher sich alle diese Merkmale befinden, wirklich für unrichtig zu erklären, ist augenscheinlich. Die algemeinen und besondern Geschich: ten Italiens, welche Hr. Muratori in so grosser Anzahl herausgegeben hat, haz ben ihm ben keiner einigen Begebenheit eine Urkunde an die Hand geben können, bey welcher alle Bemühungen der Critik vergeblich gewesen, und deren Uns richtigkeit durch das eigene Geständnis oder durch die Ueberzeugung des Verbrechers demohnerachtet erweislich gemacht worden. Ein solcher Fal würde seinem Gedächts nis gewis nicht entwischet seyn, und er würde gewis nicht ermangelt haben, einen Sah damit zu unterstüßen, den man notwendig als seltsam ansehen mus, wenn er nicht gar einen Widerspruch in den Ausdrücken bey sich füret.

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S. 54.

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Hr. Muratori trägt gleich darauf noch einen andern Saß vor, der zwar nicht seltsam, demohnerachtet aber noch schwierig ist. "Es kommen, fagter (G), zuweis len Urkunden vor, welche allenthalben Merkmale eines åchten Ursprungs auf: zuweisen haben und demohnerachter gewisse Mängel verraten, welche das Gemüt in Zweifel lassen, was man von ihrer ächten Richtigkeit urtheilen sol. Wenn diese Urkunden keine andere Merkmale an sich haben, als die die ächte Richtigkeit ihres Ursprungs beweisen; wie können sie den Mängel an sich haben, die dieselbe unges wis machen? Wie kan Hr. Muratori wegen einiger geringen Mängel (naeuis) an der Richtigkeit der Urkunden zweifeln; wenn sie allenthalben solche Merkmale aufzus

(6) Ad haec alia prodeunt quandoque diplomata ac inftrumenta, quae vedique legitimos natales praeferunt, et nihilo fecius, quum

naeuis quibusdam interfpergantur, dubium animum in judicando de eorum ingenuitate relinquunt? Muratori ibid.

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