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Bericht über die Litteratur zu Catull für die Jahre

1887-1896.

Von

Prof. Dr. Hugo Magnus

in Pankow bei Berlin.

I. Kurze Übersicht und Charakteristik der umfangreicheren Publikationen.

1. C. Valeri Catulli Veronensis carmina recognovit B. Schmidt. Leipzig 1887, B. Tauchnitz. Ed. maior. CXXXV, 88 S. 8. Ed. min. XII, 88 S. 8.

Den umfangreichsten und wertvollsten Teil der Ausgabe bilden ausführliche Prolegomena, eine gut und klar geschriebene Arbeit, die manche neue und treffende Bemerkung enthält. Als besonders gelungen sei z. B. der die Person der Lesbia und ihr Verhältnis zu Catull behandelnde Abschnitt hervorgehoben. Auf die Prolegomena folgt eine Adnotatio critica. Diese bietet nicht einen vollständigen Apparat, sondern verzeichnet und begründet meist nur die Abweichungen von der dritten Auflage des Hauptschen Textes (1868), der letzten, die Haupt selbst besorgt hat. Daneben werden zu einzelnen Stellen auch längere Noten gegeben, die sich mitunter zu förmlichen Exkursen gestalten. Man findet hier manche treffende Bemerkung und manchen nützlichen Beitrag zur Interpretation. Der Text selbst weicht an etwas über 200 Stellen von dem Hauptschen ab. Die Differenzen sind oft sehr geringfügig (den Sinn nicht wesentlich alterierende Änderungen der Interpunktion oder Orthographie u. dergl.); andere ergeben sich durch engeren Anschluß an die Überlieferung (namentlich an O) und sind nicht selten auch in der von Vahlen besorgten ed. V rezipiert. Nur wenige eigene oder fremde Konjekturen sind neu eingesetzt. Kurz Schmidts Text ist im ganzen konservativ und verdient überwiegend Lob. Ein Index grammaticus, der das Buch abschließt, giebt manche nützliche Zusammenstellungen z. B. der Deminutiva.

Die Editio minor bietet den Text sowie den Index grammaticus der größeren Ausgabe, außerdem eine kurze Übersicht der Abweichungen von Haupt3.

2. A Commentary on Catullus by Robinson Ellis. Second edition. Oxford 1889, Clarendon Press. LXXII, 507 S. 8.

Dreizehn Jahre nach dem Erscheinen von Ellis Commentary on Catullus liegt die zweite Auflage vor ein Erfolg, dessen der Verfasser eines rein wissenschaftlichen, umfangreichen, kostspieligen Werkes sich wohl freuen darf. Spuren einer sorgsam nachbessernden Hand findet man fast auf jeder Seite. Die Preface ist namentlich durch einen lesenswerten Abschnitt erweitert (S. XI-XVII), in dem die seit 1876 erschienene Litteratur mit Sachkenntnis und meist richtig besprochen wird. Der Kommentar hat durch neue textkritische Anmerkungen sehr gewonnen. Freilich läßt er noch immer den Leser, der Ellis' kritische Ausgabe nicht benutzen kann, an vielen Stellen im Stiche, noch immer ist der Stoff nicht richtig auf die beiden Bände des großen Catullwerkes verteilt: viele Noten des breit angelegten kritischen Apparates waren entschieden in den Kommentar zu verarbeiten. Unter den neuen Konjekturen, die teilweise hier zuerst veröffentlicht und begründet werden, ist kaum irgend etwas Annehmbares. Im einzelnen ist viel geändert und gebessert. Man findet gelehrte Exkurse, die namentlich antiquarische Fragen mit Erfolg behandeln. Manche Erscheinungen der Fachlitteratur, die in der ersten Auflage übersehen waren, sind jetzt benutzt Bisweilen sind verfehlte Erklärungen zurückgenommen und durch die richtigen ersetzt (vgl. zu 10, 24. 64, 23. 66, 43. 68, 52. 68, 91. 83, 3 u. a.). Nicht selten fallen neue treffende Parallelstellen angenehm auf. Kurz als überaus reiche Materialsammlung, als Denkmal ehrlicher Arbeit und ebenso ausgebreiteten wie gründlichen Wissens, als Muster streng sachlicher und jeder gereizten Polemik abholder Darstellung nimmt Ellis Werk trotz arger Mißgriffe die erste Stelle unter den Catullkommentaren ein.

3. Gai Valeri Catulli carmina recognovit Joh. P. Postgate. London 1889, Bell. XII, 89 S. 12. Auch in: Corpus poetarum Latinorum ed. J. P. Postgate. London 1894, Bell. S. 83-105.

Beide Texte sind in demselben Jahre 1889 gedruckt (vgl. Corp. poet. Lat. I pag. XI), stimmen auch im Wortlaute und in der untergedruckten Adn. crit, meist genau überein. Diesem Berichte ist der Abdruck in dem Sammelwerke zu grunde gelegt. Denn er verbessert mehrere Fehler der Sonderausgabe (vgl. z. B. 66, 67, die Noten zu 29, 20. 63, 54. 63. 64, 309. 66, 15 u. a.), muß also für korrekter

und für den besten Ausdruck dessen, was der Hg. bezweckte, angesehen werden. Die Adn. crit. ist ein Auszug aus den Apparaten von Ellis, Schwabe und Baehrens. Sie bietet zunächst eine über das Wesentlichste gut unterrichtende Zusammenstellung der wichtigeren Varianten von G und O, deren Konsensus angeblich V repräsentiert. Daneben findet man Auskunft über die Provenienz der in den Text gesetzten Konjekturen und eine knappe Auswahl nicht aufgenommener Emendationsversuche. Aus den jüngeren Hss sind unter dem siglum w nur ausgewählte Varianten verzeichnet. Die Zusammenstellung ist geschickt und für Leser, die eben nur einen schnellen Überblick wünschen, ausreichend. Der Text strebt offenbar möglichst große Lesbarkeit durch Aufnahme zahlreicher Konjekturen an. Darunter sind viele, die längst der Vulg. angehören und sehr plausibel erscheinen. Eine zweite Gruppe besteht aus bisher unbekannten Vorschlägen verschiedener Kritiker. Namentlich hat E. Housman viel beigesteuert. Darunter ist nur 64, 282 aura aperit flores gefällig (nicht wahrscheinlich). Sonst scheint noch 107, 3 in folgender Fassung Walkers beachtenswert: quare hoc est gratum nobis quoque, carior auro, quod sq. Endlich sucht P. viele Stellen durch eigene Vermutungen zu heilen, die er anscheinend alle für sicher hält denn sie stehen fast sämtlich im Texte. Dem Ref. sind nur sehr wenige ansprechend erschienen (22, 7 umbilici et lora; 55, 29 mihi ut dicares) und selbst diese gehören wohl nicht in den Text. Selten ist die handschriftliche Lesart im Gegensatze zur Vulg. gehalten: so 63, 5 devolvit mit Mowat (coll. Nonn. 25, 311) und 64, 320 pellentes vellera.

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Nicht in dem Sammelwerke mit abgedruckt ist eine Praefatio der Sonderausgabe, welche über die Stellung des Hg. zur Handschriftenfrage, zu den Arbeiten der Vorgänger sowie zur Orthographie orientiert die Stellen aufzählt, die er selbst in verschiedenen Zeitschriften besprochen hat, und endlich einige neue Konjekturen befreundeter Kritiker mitteilt.

Tra

4. C. Valeri Catulli liber. Les Poésies de Catulle. duction en vers français par E. Rostand, texte revu d'après les travaux les plus récents de la Philologie avec un Commentaire critique et explicatif par E. Benoist et E. Thomas. Tome second, Commentaire des poèmes LXIV-CXVI. Paris 1890, Hachette. XV, 562 -836 S. 8.

Der erste Band dieser Catullausgabe (Text von Benoist, vie de Catulle und Übersetzung von Rostand) und die erste Hälfte des zweiten (Kommentar zu 1-63 von Benoist) sind bereits 1882 erschienen. S. J.-Ber. 1887 II S. 180 f. Vorarbeiten für die Fortsetzung des Kom

mentars fanden sich in dem Nachlasse des 1887 verstorbenen Benoist so gut wie gar nicht vor. Ihn so lange Zeit, nachdem der Text erschienen, zu vollenden, war für den neuen Hg. eine schwierige Aufgabe; konnte er sich doch der Erkenntnis nicht verschließen, daß jener schon an vielen Stellen veraltet war. So wird auch wirklich der Text durch die Anmerkungen oft nicht gestützt und erklärt, sondern angegriffen. Alles in allem aber ist das unter diesen Umständen Mögliche geleistet: das nun fertig vorliegende Buch ist ein sehr brauchbares, im wesentlichen. zuverlässiges Kompendium der Catullerklärung, das in Frankreich etwa die Stelle einnehmen wird wie Rieses Ausgabe in Deutschland. Der Vergleich mit Benoist fällt entschieden zu gunsten des neuen Hg. aus: er überragt jenen an Schärfe der Interpretation, an Fähigkeit zwischen Wichtigem und Unwichtigem zu sondern, an gesundem Urteil. Durch manche neue Beiträge empfiehlt sich die Arbeit auch der Aufmerksamkeit deutscher Forscher. Nachträge des Ref. Berl. Ph. W. 1891 Sp. 428. Nach der von Benoist übernommenen etwas unpraktischen Einrichtung wird jede Seite des Kommentars durch einen Strich in eine kritische und eine exegetische Hälfte geteilt. Die 'Notes critiques' enthalten eine neue von Thomas selbst angefertigte Kollation von G, durch die Schwabes Angaben wenigstens an einigen Stellen berichtigt resp. vervollständigt werden. Man findet namentlich öfter interessante Einzelheiten über die Varianten jüngeren Ursprungs, die Schwabe unter dem Zeichen g zusammenfaßt. Unter den eigenen Konjekturen des Hg., die gewöhnlich durch ein bescheidenes 'je préfèrerais' oder dergl. eingeführt werden, ist nichts Annehmbares. Am Schlusse stehen Epilegomena, durch welche die Einleitung, die Benoist 1882 seinem Kommentar voranschickte, ergänzt und auf den heutigen Standpunkt der Wissenschaft gebracht werden soll.

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5. La chioma di Berenice. Traduzione e commento di Costantino Nigra, col testo Latino di Catullo riscontrato sui codici. Milano 1891, Hoepli. 179 S. 8.

Das vornehm ausgestattete Buch ist von einem hochgestellten Staatsmann und treuen Verehrer Catulls verfaßt. Die Einleitung bespricht die für das Verständnis des Catullischen Gedichtes nötigen historischen Daten, die Schicksale des liber Catullianus, seine Ausgaben und Kommentare. Die Übersetzung, sowie die Exkurse über italienische Übersetzungen (namentlich die Arbeit von Ugo Foscolo, Mailand 1803) sind für ein größeres gebildetes Publikum in Italien bestimmt. Für die Wissenschaft kommen in betracht der an einigen Stellen selbständig gestaltete lateinische Text mit den von gründlichen Studien zeugenden Jahresbericht für Altertumswissenschaft. Bd. LXXXXVII. (1898. II.) 13

annotazioni, der erste Exkurs (il messagiero alato di Arsinoe) und die Varianten zu c. 66 aus 24 italienischen Handschriften, von denen manche zuerst vom Herausgeber oder für ihn verglichen worden waren. Diese tragen (wie das bei der Geschichte des Catulltextes fast selbstverständlich ist) zur Emendation nirgends bei, mögen aber für die Klassifikation der 'deteriores' von beschränktem Nutzen sein. Es befindet sich übrigens unter ihnen auch der cod. Venetus (Markusbibliothek) No. 107, derselbe, den Ellis proll. S. LIII als beachtenswert hervorgehoben, den K. P. Schulze im Hermes 23, 567 besprochen und von dem Nigra selbst später eine treffliche Nachbildung in Lichtdruck veranstaltet hat (vgl. unten No. 14-15).

6. C. Valeri Catulli Attin annotavit, illustravit, anglice reddidit C. Grant Allen. London 1892. Nutt. XVI, 154 S. 8.

Auf den lateinischen Text, der sich fast durchweg an Ellis anschließt, folgt die englische Übersetzung. Von den 3 Exkursen, die den größten Teil des Buches füllen, handelt der erste 'On the myth of Attis'. Verf. giebt die Nachrichten über den Kult des Attis und betont, daß dieser ursprünglich ein Baumgeist gewesen sei. Der zweite, umfangreichste Exkurs spricht 'On the origin of tree-worship'. Hier ist reiches Material über die betreffenden Sitten und Gebräuche bei alten und modernen, bei civilisierten und wilden Völkern gesammelt. Der Zusammenhang mit dem Attismythus ist natürlich nur lose. Verf. sucht die Lehren vom Seelenkult und vom Baumkult in Einklang und Zusammenhang zu bringen, indem dieser aus jenem abgeleitet wird. Nachträge dazu s. bei Cr(usius), Lit. Cb. 1893 Sp. 984. Im dritten Kapitel wird das galliambische Metrum besprochen.

7.

Catulli Veronensis liber. Recensuit Aemilius BaehNova Editio a K. P. Schulze curata. Leipzig 1893, B. G. Teubner. LXXVI u. 123 S. 8.

rens.

Bährens würde dieses Buch nicht als sein Eigentum anerkennen: beide Auflagen haben so gut wie nichts gemeinsam. Damit wird noch kein Tadel über die zweite ausgesprochen, sind doch die großen Mängel und Schwächen der ersten nicht wegzuleugnen. Aber zu betonen ist, daß, wer Bährens' Catullarbeiten kennen lernen will, mit diesem Buche nichts anfangen kann. Dazu kommt ein anderes Bedenken. Trotz des radikalen Charakters der Umarbeitung sind daneben manche Reste der Bährensschen Fassung ganz unvermittelt stehen geblieben. Wer also den Wunsch hegt, zu wissen, wer eigentlich redet, der erste oder der zweite Hg, kann ebenfalls die erste Auflage nicht entbehren. In den Prolegomenis ist die Beschreibung von G und O eingehender und

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