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gegenwärtigen Erdepoche die Pflanzen überall in der allgemeineu Gleichartigkeit des ihnen zukommenden Characters, aufwachsen, so werden auch in dem Geist des unter primitive Verhältnisse der Natur gestellten Menschen überall dieselben Ideen als Reizfolge der aus makrokosmischen Einflüssen zuströmenden Anregungen hervorsprossen, obwohl unter den nach localen Verhältnissen nothwendigen Schwankungen, innerhalb erlaubter Oscillationen. Diese Grundideen treten aber dann mit der geschichtlichen Bewegung in einen Cursus der Fortentwickelung ein, und auf den verschiedenen Stadien dieser ist es, dass wir sie in Wirklichkeit antreffen und nun aus den gegebenen Bogensegmenten die Curvenlinie zu construiren suchen müssen. A. B.

Untersuchungen

über die Völkerschaften Nord-Ost-Afrikas.

Von Robert Hartmann.

I.

Die alten Aegypter.

§ 1. Ueber die Herstammung, sowie über das physische und geistige Wesen der alten Aegypter ist schon Vielerlei geschrieben worden, von Archaeologen, Sprachforschern und Naturkundigen. Die Mehrzahl der zu den beiden ersteren Kategorien gehörenden Fachmänner pflegte sich, mit den neueren Arbeiten eines Retzius und Anderer zum grossen Theile unbekannt, bei Fragen nach der Herstammung und der physischen Beschaffenheit eines Volkes bisher mit beachtenswerther Consequenz an die von J. F. Blumenbach zuerst im Jahre 1776 aufgestellte Eintheilung der Hauptvarietäten des Menschengeschlechtes" anzuklammern. Nun stiess man aber bei Bemühungen, auch die alten Aegypter unter Blumenbach'sche Rubriken einzureihen, auf gewisse Schwierigkeiten. Denn hier entstand die Frage, welchen von den Europa, Asien und Afrika bewohnenden Hauptvarietäten des berühmten Göttinger's sollte man jenes Volk zuweisen, der sogenannten kaukasischen oder der sogenannten aethiopischen? Gewöhnlich entschied man sich für die erstere, indem man die edlen Götterund Königsgestalten von Memphis, Theben u. s. w. nicht unter jenen

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Aethiopen suchen mochte, die Blumenbach also charakterisirt: Von schwarzer Farbe, schwarzem und krausem Haar, schmalem, an den Seiten eingedrückten Kopfe, mit unebener, niedriger Stirn, herausstehenden Jochbeinen, mit mehr hervorliegenden Augen, mit einer dicken und mit den herausstehenden Oberkiefern gleichsam zusammenfliessenden Nase, mit engerer, vorwärts verlängerter Kinnladenwölbung, schräg hervorragenden Oberschneidezähnen, wulstigen Lippen und zurückgebogenem Kinn. **) Wie viel besser passte doch das Pharaovolk zu den Kaukasiern. Rechnet nicht Blumenbach selbst zu letzteren die „Einwohner**) des nördlichen Afrikas?" Nun handelte es sich aber auch darum, nachzuweisen, welcher Gruppe der Kaukasier man die alten Aegypter zuzählen müsse. Ob den Ariern oder Semiten? Europäer konnten jene noch weniger sein, als Aethiopier, daher mochte man sie um so sicherer unter den beiden letzteren, so geläufigen Völkergruppen wiederfinden.

Nicht wenige dachten nun an die indische Halbinsel, auf welcher seit Alters das svelte, geistig begabte Hinduvolk seine würfel- und pyramidenförmigen Pagoden errichtet, seine Götzentempel in die Felswände eingegraben, seinen Hanum an nd Brahmânenstier verehrte. So Manches in der Körperform der Hindu, in ihrem Gebahren, in ihren Sitten, ihrem Gesetz, dem Götterdienste, in den Produkten ihrer Litteratur, ja selbst der Industrie, verlockte die Forscher zu Vergleichungen mit Altaegyptischem. Waren nicht einzelne, wenn freilich nur sehr entfernte Anklänge zwischen beiden Nationalitäten***) vorhanden? Sicherlich. Warum nicht also gleich frisch die Aegypter sammt ihrer Kultur von den Ufern des Sindhu und der Gangâ herleiten? Andere riethen auf jeue sogenannten Semiten, welche den Belustempel von Babylon, die Mauern von Niniveh errichtet. Das Stammland der Nilanbauer in Asien genau angeben konnte freilich Niemand, man begnügte sich vielmehr, wie wir bald sehen werden, meist mit ganz allgemeinen Redensarten. Man liess sich gewissermassen von einer Inspiration zu Schlüssen treiben, wie die oben erwähnten. Hi Arier (Note I.), hi Semiten!

Es möchte hier nun weder der mir zur Verfügung stehende Raum, noch die Geduld des Lesers ausreichen, wollte ich alle Diejenigen oder doch die meisten Derer citiren, welche sich bisher über die Abstammung der Aegypter in weithin zerstreuten Schriften ausgesprochen. Immerhin jedoch will ich einige verschiedenen Berufskreisen angehörende Autoren für sich reden lassen. Zuerst Geschichtsforscher, Archaeologen:

H. Brugsch betonte im Jahre 1859: dass die alten Aegypter nicht der

*) Ueber die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Nach der III. Ausgabe. Herausgegeben von Dr. Joh. Gottfried Gruber. Leipzig 1798. S. 207. **) Das. S. 206.

***) „Cet air de vague parenté," sagt H. Thiers in: L'Egypte ancienne et moderne à l'exposition universelle. Paris 1867. p. 22.

das eigentliche Afrika bewohnenden Rasse angehörten, dass sie vielmehr zur kaukasischen gerechnet werden müssten, deren einen, dritten Zweig sie, neben dem pelasgischen und semitischen, bildeten. Die Wiege dieses Volkes sei Asien, nicht Afrika. Darauf weise u. A. selbst die aegyptische, die intimsten Beziehungen mit den indogermanischen und semitischen zeigende Sprache hin.*)

A. v. Kremer sagt in seinem Werk über Aegypten: **) Dass die alten Bebauer des Landes jenem grossen Zweige des Menschengeschlechtes angehört, den man mit dem Namen des kaukasischen zu bezeichnen pflege, scheine kaum zu bezweifeln, sowie es nicht minder feststehe, dass die ersten Bewohner Aegyptens von Osten her, über den Isthmus, eingewandert seien. Ob diese ersten Einwanderer damals schon Ureinwohner im Nilthale vorgefunden oder nicht, sei eine Frage, die zu lösen nicht im Bereiche menschlicher Wissenschaft liege." Dann heisst es weiter in einer Anmerkung: ***) Für die letztere Vermuthung spreche der Umstand, dass sich in der acgypti schen Sprache die einzelnen characteristischen Merkmale der semitischen Sprache zwar vorfänden, aber auch zugleich ein fremdes, nicht semitisches Element darin nachweisbar sei, welches sich am besten durch die Vermischung der Einwanderer mit den Urbewohnern erklären lasse."

A. Knoetel bemerkt, dass eine Einwanderung der grossen uralten Völkerstämme der Gaetuler, Libyer, Amazirghen u. s. w. von Asien her nicht angenommen werden müsse, dass vielmehr die Annahme genüge, es hätten asiatische Völkertheile arabischen, arischen oder sonstigen Stammes, durch grosse Staatsumwälzungen, Kriege, religiöse Kämpfe u. s. w. verdrängt, sich in bunter Mischung vom Nilthale aus über die Oasen und durch die trockenen Flussrinnen hin über diesen Erdtheil verbreitet, grössere Herrschaften und Reiche gestiftet und den Eingeborenen eine höhere Stufe der Gesittung zugebracht. Der Ueberlieferungen von alten Eroberungszügen aus Aegypten, Westasien, Nubien und Abyssinien, nach Mauretanien und überhaupt Westafrika, gebe es so viele, dass wir dieselben im Allgemeinen als geschichtlich wahr gelten lassen müssten.†)

Vicomte de Rouge weisst auf die Urverwandtschaft zwischen Mizraïm, d. i. die Personificirung des Aegyptervolkes und Canaan, d. h. derjenigen der palästinischen Rassen, hin. Die Ansicht von einem aethiopischen Ursprunge der aegyptischen Civilisation, bei den Griechen verbreitet, dürfte nur mit Beschränkung und in dem Sinne zugelassen werden, als ein Theil

*) Histoire d'Egypte dès les premiers temps de son existence jusqu'à nos jours. I. part. Leipzig 1859. p. 2.

**) Aegypten. Forschungen über Land und Volk während eines zehnjährigen Aufenthaltes. Leipzig 1863. I. S. 40.

***) S. ebendas. S. 149.

†) Der Niger der Alten und andere wichtige Fragen der alten Geographie Afrikas. Glogau 1866. S. 22, 23.

benachbarter, dem Volke von Kusch und den Chamiten Südasiens angehörender Familien zur selben Zeit über den Isthmus, die Küsten des rothen Meeres, das Bâb-el-Mandeb, nach Afrika gegangen sei u. s. w.*)

F. Lenormand, nachdem er eine Paraphrase der biblischen, symbolischen Völker-Genealogie**) gegeben, behauptet im § 3 seines Geschichtswerkes: ***) dass die Aegypter, ein Zweig der Rasse Cham's, aus Asien her in das Nilthal durch die syrische Wüste gedrungen seien. Es sei dies eine der Wissenschaft gewonnene, in Uebereinstimmung mit der Genesis befindliche Thatsache. Ob nun diese Einwanderer mit einer schon fertigen Civilisation, etwa derjenigen der babylonischen Kuschiten des Reiches von Nimrod oder ob sie als Barbaren aus Asien gekommen und dann ihre Kultur aus sich herausgebildet, das werde wohl die Wissenschaft kaum je zu ermitteln vermögen.

Mit gewisser Vorsicht behandelt M. Duncker diese Frage. Er erwähnt, dass die von den Negern in Farbe, Sprache und Sitte scharf geschiedenen Bewohner Nordafrikas zur kaukasischen Rasse gehört, dass ihre Sprachen dem semitischen Sprachstamme am nächsten verwandt gewesen. (So Bunsen, Aegypten, V. 1 S. 75. ff., obwohl Andere, wie Renan, diese nahe Verwandtschaft in Abrede stellten). Hieraus, wie aus ihrer natürlichen Art, werde der Schluss gezogen, dass diese Völker einst aus Asien auf den Boden Afrikas eingewandert seien u. s. w.†)

Hören wir nun auch, zur Vervollständigung, ein Paar Naturforscher über unser Thema:

Der ehrwürdige Pritchard, gewissermassen Neubegründer der wissenschaftlichen Ethnographie, findet eine auffallende Aehnlichkeit zwischen Indern und Aegyptern in Sitten, Aberglauben, gesellschaftlichen und politischen Einrichtungen, in religiösen und philosophischen Dogmen u. s. w. Unser Gewährsmann führt ferner die innige Verwandtschaft und beinahe vollkommene Parallele aus, welche man zwischen Aegyptern und Hindus gezogen, und die sich nicht dadurch vollkommen enträthseln lassen, dass man eine auf ähnliche Weise unter ähnlichen Bedingungen erfolgte Ausbildung für jene zwei Nationen annehme. Beide hätten ja ohne wechselseitigen Verkehr in Ländern mit gleichen lokalen und klimatischen Verhältnissen gelebt. Man könne sich schwer denken, dass eine so merkwürdige Uebereinstimmung in fast allen philosophischen und speculativen Dogmen, in den äusseren Darstellungen und abergläubischen Gebräuchen dieser zwei Nationen, blos durch den Einfluss äusserer Verhältnisse in irgend zwei Gegenden der

*Recherches sur les monuments qu'on peut attribuer aux six premières dynasties de Manéthon. Paris MDCCCLXVI.

**) 1. Buch Mos. Cap. 10.

***) Manuel d'histoire ancienne de l'Orient. Paris 1868. I. p. 195, 196. Geschichte des Alterthums. 1 Bd. III. Aufl. Berlin 1863. S. 11.

Erde entstanden seien oder anders, als durch Verkehr und Mittheilung, bestehen konnten.*)

Unser Verfasser gelangt endlich zu dem Schlusse, dass, trotz der Verschiedenheit der Sprachen, die Aegypter und Hindu gemeinsame Vorfahren gehabt haben könnten, von denen sie ihre charakteristischen Züge von Aehnlichkeit überkommen.**)

Der berühmte Craniolog Sam. G. Morton liess in seinen früheren Arbeiten das Nilthal in Aegypten und Nubien von einem Zweige des kaukasischen Stammes, den Mizraïmiten der Bibel, den Nachkommen Cham's, bewohnt sein. In ihrem physischen Habitus sollen diese Aegypter zwischen der indoeuropäischen und semitischen Rasse gestanden haben.***) Hören wir nunmehr einige von Denen, welche den Ursprung der alten Aegypter nicht in Asien, sondern in Afrika selbst, gesucht:

Champollion der Jüngere sprach schon im Jahre 1829 die Ueberzeugung aus, dass die ersten Stämme, welche Aegypten zwischen dem Wasserfall des Niles bei Assûân und dem Mittelmeere bevölkert, aus Abyssinien und dem Sennar gekommen seien. Die alten Aegypter hätten einem Menschenstamme angehört, welcher ganz demjenigen der Kenûs oder Barâbra's, den jetzigen Bewohnern Nubiens, geglichen.†)

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Dr. E. Rueppell läugnet jede Primordialcivilisation der Negerrasse" in Nordostafrika. Er leitet die Kultur Altaethiopiens von der aegyptischen ab. Die heutigen Bewohner Nubiens, der Sprache nach den freien Negern Kordufân's verwandt, hätten in ihren Gesichtszügen die grösseste Aehnlichkeit mit den östlich vom Nil hausenden Beduinen und den alten Aegyptern. ††) Danach musste Rueppell an eine afrikanische Abstammung unseres Volkes glauben, denn die kordufânischen „Nuba" schildert er ja als „Neger".†††)

Dr. Pruner-Bey hatte sich früher dafür entschieden, dass die alten Aegypter weder Neger, noch Semiten, sondern dass sie vielmehr ein anderer eigenthümlicher Zweig der kaukasischen Rasse gewesen, das Produkt der Vermischung uns unbekannt gebliebener Ureinwohner mit den südlicher

*) Naturgeschichte des Menschengeschlechtes. Deutsch von R. Wagner. Leipzig 1840. II. S. 203. Ich gebe diese Auslassung Pritchard's hier wieder, ohne auf seine späteren Ansichten einzugehen, die ich, im Verlauf meiner weiteren Darstellung zu berücksichtigen, mir noch vorbehalte.

**) A. o. a. O. S. 241.

***) Transact. of the American Phil. Soc. Vol. IX. American Journal of Science, July 1844.

†) Champollion's des Jüngeren Briefe aus Aegypten und Nubien, geschrieben in den J. 1828 und 29. A. d. Franz. von E. Freiherrn von Gutschmid. Quedlinburg und Leipzig 1835. S. 282 (Anh. No. I.). Vergl. auch Egypte ancienne, par Champollion-Figeac, Paris MDCCCLVIII. p. 27.

††) Reisen in Nubien, Kordofan und dem peträischen Arabien. Frankfurt a. M. 1829. S. 96-98.

ttt) Ebendas. S. 151. ff.

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