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ftliche (A) alle Arten von Buchstaben, auch die sehr schwer aus einander zu sehen find, ihnen vor Augen zu legen. Die Urschriften machen ohnfehlbar weit genaues re Gesichtseindrücke, und tragen mehr bey den Geschmack des liebhabers der Alterthümer zu bilden, als die abgestochenen Abschriften, welche man von ihnen nimt. Aber auserdem, daß keine Bibliotheken noch Cabineter anzutreffen, worinnen so viele Denkmåler von allen Arten und von allen Zeitaltern beysammen befindlich sind, als man in einem einigen Buche beysammen anbringen kan; so geben Kupfertas feln, die nach einer Reyhe von Originalen getreulich abgestochen sind, zureichende Begriffe von den verschiedenen Graden an, welche die Gestalt der Schrift bey Handschriften und Diplomen nach und nach angenommen, ingleichen von den Bers änderungen, welche solche in jedem Jahrhundert erdultet, und von den Geschlechs tern und Gattungen, welche als so viel Bäche aus ihrer Quelle entsprungen sind. Aus der Kentnis so vieler verschiedenen Schriftzeichnungen, so in den Handschrif: ten und Diplomen gebraucht worden, wird die Geschicklichkeit erlanget werden diese kostbaren Denkmäler zu lesen und zu unterscheiden. Es ist diß nicht einer der geringsten Vortheile, der aus einer vollständigen Abhandlung der alten Lateis nischen Schriften natürlicher Weise entstehen muß.

§. 3.

Die Erdrterungen, in welche wir uns einlassen, werden bey der Römis derselben. fchen so wohl Majuskel: als Minusket: und Cursivschrift der Handschriften und Diplomen die einige und wahre Quelle der Lateinischen Nationalschriften Europens, nebst allen verschiedenen Gestalten, so eine jede unter ihnen angenommer hat, je mehr und mehr entdecken. Man wird den unmittelbaren Ursprung der Tironischen Zeichen bey ben Abkürzungszeichen, bey den Majuskel: Uncial - und bey den Minustel: Cursivbuchstaben der Römer wahrnehmen. Um ihre Ges schwind: Schreibekunst besser zu zergliedern, wird man sich nicht begnügen lassen die verschiedenen Buchstaben derselben aufer ihren Verbindungen in Alphabete vors gestellet (a) zu haben; man wird die Bindungen selbst so wie die verknüpften und in einander geschlungenen Buchstaben nach alphabetischer Ordnung vorstellen. Man wird sehen, wenn und wie fast alle Schriftarten in eine einige vereiniget, hernach in viele Gattungen von Currentschriften, die einer jeden Nation eigen Find, zertheilet worden.

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S. Ar

Holzschnitt fast allein gebräuchlich so wohl ben Stöcken als bey Schriften. Unter Heinrich dem 4. nahm der Kupferstich die Oberhand, und seitdem hat man sich desselben zur Abbil dung so wohl der alten als neuern Buchse ben bedienet

S.. 4.

Aber was wird diese erstaunliche Mannigfaltigkeit von Buchstaben in An Derselben sehung der nemlichen Zeiten und der nemlichen Völker, der verschiedenen Jahr: Nußen. hunderte und verschiedenen Nationen, vor Muken haben? Eben aus diesem gan: zen und aus seinen verschiedentlich verbundenen Theilen entstehet þauptsächlich der Körper, oder wenn man es lieber so nennen will, der Stof der Diplomatik. Durch diese stufenweis auf einander folgende Schriften komt man allmålig bis auf die ers stern Zeiten und wird so sicher von der Wahrheit der Handschriften und der Diplos men des 5. 6. 7. 8. und 9ten Jahrhunderts überzeuget als von denen aus dem 16ten. Wenn sie auch keine genauen Zeitpuncte angeben solten, so wird man doch durch Gegeneinanderhaltung dieser verschiedenen Schriftarten ihren Zusammenhang einsehen und ihr Alter wenigstens auf eine gewisse allgemeine Weise bes ftimmen können.

S. 5.

In wie viele Irrthümer und Versehen haben übrigens unrecht gelesene Fortschung Handschriften und Diplomen nicht die Gelehrten selbsten gestürzet? Ist es gleich: gültig diese Fehltritte vermeiden zu lernen? Die Aehnlichkeit vieler Buchstaben, die vernachläßigte Unterscheidung der Worte, die Bindungen und Verknüpfungen der Buchstaben, die Abkürzungen und Siglen oder einzeln Buchstaben, so ganze Worte bedeuten, find die Quelle unendlich vieler Fehler. Man wird sich bemüs ben die Mittel solche zu vermeiden anzugeben, und überdiß die wesentlichsten und gemeinsten Begriffe mitzutheilen. Die Verschiedenheit der Buchstaben, die ents weder in den erstern Zeilen der alten Urkunden, oder in den Aussprüchen, den Grüß sen, den Aufschriften, und den Unterzeichnungen der Prinzen und der Canzler ans gebracht worden, reichen einen Haufen Kennzeichen dar, welche viel zur Unterscheis dung des Alters und zur Bestätigung solcher Stücke beytragen können. Man ber ftimt das Jahrhundert der Handschriften nicht allein aus der Gestalt der Schrift und der Buchstaben, sondern auch aus der Rechtschreibung, der Punctirung, den Accenten, den Ziffern und einer grossen Menge anderer Dinge, die hier nahmhafs tig zu machen unnöthig wäre, obschon diese geringen Umstände in einer Abhands lung der Diplomatik oder der alten Schriften mit angebracht werden müssen. Wir wollen zuförderst untersuchen, welches die wahre Quelle sey, woher die Lateinis schen Nationalschriften unmittelbar entsprungen sind.

§. 6.

Verschies denbeit der

Man theilet heutzutage die fürnehmsten Lateinischen Nationalschriften Lehrgebäus ein in die Römische, Altgothische, (B) in die Fränkischgallische oder Mes de der alten

(B) Alle diese Schriften werden noch weis ter eingetheilet in (a) Römischgallicanis

23 rovin) Lateinis schen Na sche, in Italiänischgothische (b), Wests tionals gothische oder Spanischgothische, Schwe: schriften. discha

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te.

rovingische, und in die Lombardische und Sächsische. Man hat in den beys ben vorhergegangenen Hauptstücken gesehen, daß die erstere ihren Ursprung unmits telbar von den Griechischen Buchstaben entweder den Atrischen oder den Jonis fchen (C) herhabe. Uns ist niemand auser dem Wilhelm Postel (a) und dem D. Jac. Martin (b) befant, welche behauptet hätten, daß die Lateiner ihre Buchstaben von den Celten bekommen. Aber die andern Sprachforscher haben mehrere verschiedene Lehrgebäude in Ansehung des Ursprungs, der Wirklichkeit und bes Unterschiedes der Gorbischen, Merovingischen, Lombardischen und Sächsischen Schriften aufgeführet, was die Minuskel und Cursiv betrift. Diese Lehrgebäude sehen wir auf dreye, welche heutzutage die Gelehrten unter sich theis len. Zwey bestreiten und heben einander auf: das dritte folget dem erstern unter einigem Vorbehalt, welchen man jezuweilen für wahre Widersprüche halten möch; Aber solches wird dadurch allezeit nur in genauere Schranken eingeschlossen. Die Neuigkeit des zweyten hat es bis hieher wider die Gegenangriffe geschüßet, die es rechtmäßiger Weise verdienet hätte von Seiten der Vertheidiger des dritten, als welchen es die Ausschweifungen des erstern bengemessen. Denn ob sich gleich noch niemand die Mühe gegeben die Verschiedenheiten zwischen benden zu zeigen, so sind es doch wirkliche, und offenbaren sich, so bald als man die gegenseitige Sprache ihrer Anhänger mit einiger Aufmerksamkeit erwäget. Man wird uns ohne Zweis fel erlauben ein viertes Lehrgebäude, eine Frucht von ungemein vielen Ueberleguns gen, Verbindungen und Untersuchungen, vorzutragen. Wenn es das Ansehen hat, als ob es die drey vorhergehenden vereinige, so muß man es nicht von einer Vereinigung ihrer unverträglichen Säße annehmen. Nichts würde wunderlicher, nichts übler angebracht seyn. Es darf uns eben so wenig eine sträfliche Begierde nur lauter neues vorzubringen bewegen, dasjenige, was ein jedes der drey andern gutes oder nükliches in sich begreifet, zu verwerfen oder zu verstellen. Vielmehr werden wir versuchen ein solches von den Dunkelheiten, so es umgeben, zu befreyen, ihm die es verdunkelnde Spitfindigkeiten benehmen, dessen Folgerungen zu ents wickeln, und durch Verseßung einer jeden Sache in ihre gehörige Stelle die Vers

(a) Orig de Toscane. (b) Siehe oben Th. II. S. 231. §. 171.

bischgothische, Toledischgothische (c) oder Mozarabische, Halbgothische (d); in Gallicanische der mittlern Zeit, oder Cas rolingische, Capetingische, Ludorvigische, neuere Gothische, und Clostergothis sche (e); in Fränkischlombardische so wohl alte als neue (f); in Brittischsächsis sche, Angelsächsische, Dänischsächsische; in Teutsche vor und nach Carin dem Gross Len u. f. w. Unsere zweyte und dritte Classe

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werden Muster von diesen Nationalschriften darstellen.

(C) Herr Henselius leitet die Lateinis sche Schrift von den Jonischen Buchstaben her. Ex lonicis (g) litteris circa annum 714 ante Chriftum natum, defumptum fuit alphabetum latinum, quod cum Graeco al initio vnum idemque fuit. S unsern IL. Th. 3. Hauptst. 1. Abschn. S. 230.

(a) De re diplom. fupl. p. 11. (b) Ebendas. p. 46. A. (c) LEGIPONT. Differt. p. 117. (d) De re diplomat. p. 50. STRVV. p. 36. (e) LEGIPONT. P 17. (f) De re diplom. p. 441. 49. (g) Synopf. vniuerf, Philologiae p.944

wirrung zu verhüten.

Um dieses zu leisten, wollen wir mit einer kurzen Erkläs

rung der vier gedachten Lehrgebäude den Anfang machen.

§. 7.

Das erste erkennet die Lateinische Schrift für die alleinig herrschende in Erftesleh ganz Italien, Gallien, Spanien, England und dem von den Römern erober: gebäude, ten Germanien, nachdem diese weitläufigen Länder in Provinzen verwandelt, eis nen Theil ihres Reichs ausmachten. Die Ueberschwemmung der wilden Völker brachte im 5. und 6ten Jahrhundert den Abendländern eine ganz andere Einrichs tung zuwege. Die Gothen brachten am ersten ihre Schriften mit nach Italien und seßten sie an die Stelle der Römischen. Eben so führten sich die Weftgos then in Spanien auf, die Franken in Gallien, und die Sachsen in England. Da sich endlich die Longobarden des Landes bemächtiget hatten, welches noch von ihnen den Nahmen führet, so schaften sie die Gothischen Buchstaben ab, um solche durch diejenigen zu ersehen, welche ihre Nation gebrauchte, und bald wurde diese Schrift überall durch ganz Italien angenommen. Daher komt es, baß diese schönen und majestätischen Römischen Schriften mit der Zeit in cursive, gebundene, in einander geflochtene und fast unzergliederliche verwandelt worden. Daher rühren diese Gochische Schriften Italiens und Spaniens, die Longo bardischen, Sächsischen, Fränkischgallischen oder Merovingischen. Die strengen Verfechter dieses Lehrgebäudes läugnen, daß die alten Römer jemals die Minuskel: oder Cursivschrift gehabt hätten. Alles das, was das Alterthum kleine oder fürze Buchstaben nennet, ist in ihren Augen nichts anders als die Majuskels oder Capitalschrift mit kleinerer Zeichnung. Sie soll immer einerley seyn, zu wels chem Grad der Grösse oder Kleinheit man sie auch gebracht haben mag, sie soll sich nicht anders unterscheiden als durch ihre vollen oder zarten Züge, durch ihren Schwung und ihre den Jahthunderten gemäße Schönheit. Jede Römische Schrift soll ihrer Meinung nach derjenigen ähnlichen, welche man auf Münzen und Marmorn siehet, als worauf, ihrem zum voraus angenomnen Saße nach, niemals einige wesentliche und beträchtliche Veränderungen wahrgenommen wors den wären.

S. 8.

Das zweyte Lehrgebäude, so durch den Herrn Marquis Maffei aufgerich: Zweytes tet worden, gestehet den Römern viele Jahrhunderte vor den Einfällen der Go. Lehrgeba then drey Schriftarten ein, die Majuskel, die Minuskel und die Cursiv. Alle de. andere, in so fern sie von der Römischen unterschieden, seyn Hirngespenste (c). In diesem Verstande hätte es keine Gothische, Italianischgothische, Weftgo thische, Merovingische, Longobardische und Sächsische gegeben. Die neuern Erfinder dieser Benennungen, welche man durch Nahmen und Beynahmen

....

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(c) MAFFEI Iftor. diplom, p. 113.

De.

bezeichnet, treffen es schlecht, und man verwundert sich, wie sie nur auf dergleichen verkehrte Meinungen verfallen können. Diese vorgegebne Schriften werden nicht allein auf die Römische zurückg bra ht, woher sie ihren Ursprung leiten, sondern sie dürfen auch durch keinerley quinge Ursache davon unterschieden werden. Eben dieses Lehrgebäude läsfet feinen andern Unterschied der Schrift zu, auser demjenis gen, welcher sich zwischen der Majuskel, der Minuskel und der Cursiv befindet: zu welchen man noch die Vermischte zusehen, für gut befindet. Aber man will sie nicht als allgemeine Geschlechter angesehen wiffen, unter welchen andere untere Ger schlechter oder besondere Gattungen (D) begriffen würden.

S. 9.

Drittes Das dritte Lehrgebäude widerspricht dem zweyten nicht in den verschiedes Lehrgebaus nen Schriftarten, deren Besiß es den Römern eingestehet. Es verschaffet ihm so gar die Beweise, die zu dessen Bestätigung dienen. Diesem angenomnen Sake nach vertrieben die nordlichen Völker, so sich in den schönsten Provinzen des Ro mischen Reiches ausgebreitet hatten, die Schriften nicht auf einmal, an welche man gewöhnet war; sie führten nur einige ihrer Buchstaben in die Majuskel: und Minuskelschriften ein. Die Römische erhielt sich viele Jahrhunderte nach dieser Ueberschwemmung der wilden Völker ohne viel Abänderung zu leiden. Unterdes sen gieng die einem jeden dieser Völker eigne Cursivichrift bey den Diplomen und Verträgen im Schwange. Sie drung je mehr und mehr in die Handschriften ein nach der Mitte des 7den Jahrhunderts, Darauf läuft dieses Lehrgebäude übers haupt

Schrift, and eine Schrift, so man mit Fleis zitterad gezogen, nicht verschiedene Gattungen ausmachen können? Warum folte die Vermis schung eines Geschlechtes mit einem andern nicht eine neue Gattung abarben? Warum folte man die aus lauter Majuskeln behebens de Schriften nicht durch verschiedene Gattung gen von denen unterscheiden können, welche aus der Minuskel und der Cursiv, und so gar ans beyden auf einmal vermischt sind, fürnemlich, wenn die Vermischung beträchtlich ist? Wars um wolte man z. B. jene grosse Veronefis fche Handschrift, worauf die X. Libri Re cognitionum fchr correct befindlich sind, mit den andern Handschriften aus lauter Uncialen vermengen, weil selbige aus einer Vermir schung von Majuskeln, Minustein und Cur fivbuchstaben bestehet?

"(D) Mein Lehrgebáu, sagt Herr Mafete eine lange Schrift und eine breit gedruckte fei (h), wird noch einen grossen Vortheil verschaffen: denn indem man alle alte Schrif ten auf drey Geschlechter bringt, die Mas juskel, Minustel und Cursiv, so werden alle ,,Arten zu schreiben darunter begriffen, und ,,es ist sehr leicht eine von der andern zu uns terscheiden; anstatt, daß alles unter einan der gemengt und in derjenigen Verwirrung war, welche bis hieher gewöhnlich gewesen, Der gelehrte Italianer behauptet, daß, weil die Majuskel z. B. ein wenig lang, schlecht gezeichnet und zitternd wäre, darum dieses keine andere Gattung ausmache. Aber es giebt zwischen Majuskel und Majuskel weit beträchtlichere Verschiedenheiten, die auch so gar Geschlechter abgeben können. Eia wohl oder schlecht gezeichneter Buchstab von einer gewissen oder zitternden Hand verändert ohne Zweifel die Gattung nicht. Aber warum jole

(h) Opofc, ecclef. p. 61.

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