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Fortschung.

Unbequem lichkeit der besondern Alphabete.

fich die algemeinen, oder die besondern Alphabete, oder auch die Alphabete, so nach: Jahrhunderten eingetheilet werden, besser in eine algemeine Diplomatik schicken? Die algemeinen, könte man sagen, sind alzuunbestimt, und sind nicht hinlänglich, das Alter der Buchstaben genau zu bestimmen. Wenn man hierin die größte Genauigkeit bes obachten wil, so mus die Zeit eines jeden Buchstab sorgfältig bestimt werden. Als: dann wird man eine Figur nicht einer gewissen Zeit beilegen, wenn sie doch in eine andere gehöret; alsdenn wird man ben jedem Schrit auch zugleich die Beweise in. der Hand haben und sich vor keinen Fehltrit fürchten dürfen.

S. 284.

Allein das Alter der Denkmale, der Handschriften und der Charten lässet sich nicht allemal so gewis bestimmen. Man kan solches zuweilen nur mutmaßlich beurs theilen; ohne dabey allemal das Jahrhundert mit Zuverlässigkeit angeben zu können. Indessen kan man mit Gewisheit behaupten, ob diese oder jene, sonst sehr sonderba re Buchstaben älter oder jünger sind, als dieses Jahrhundert. Wird man diese nur deswegen verabsäumen dürfen, weil ihre eigentliche Zeit unbekant ist? Auf diese Art würden drey und ein halb Biertheil derjenigen Buchstaben für uns verloren gehen, welche über das achte Jahrhundert hinausreichen. Wir müssen uns also in einem Werke, als das unsrige ist, der mit Zeitbestimmungen versehenen Alphabete völlig bes geben; indem wir es hier mit den Schriften aller Arten, aller Gattungen, aller Jahrs Hunderte, aller Orte und aller Völker von Europa zu thun haben. Jene können nur in Betrachtung gewisser Gegenden möglich gemacht werden. Hr. Hueber, wels. cher in seinem erläuterten Oesterreich ein Alphabet verfertigen wolte, wo die Zeit aller Buchstaben bestimt seyn solte, muste sich daher auf ungefär vier Jahrhunderte. und auf das Archiv einer einigen Abtey einschränken. Wenn man aber auch etliche Lausend mit Zeitbestimmungen versehene Buchstaben gesammelt håtte: würde man wohl daraus schliessen können, daß sie zu keiner audern Zeit und in keinem andern: Lande üblich gewesen? Der Schlus würde sehr unrichtig seyn. Wenn er bündig· werden solte, müste erst die Wirklichkeit gewisser Figuren von Buchstaben in einem gewissen Lande und einer gewissen Zeit dargethan werden. Es würden also die Ber weise, die man daraus hernemen könte, zwar allemal den ächten Stücken vortheilhaft feyn, niemals aber wider die falschen gebraucht werden können. Man bekömt also hierbey nur noch mehr zu unterscheiden.

S. 285.

Die besondern Alphabete einer jeden Aufschrift, eines jeden Diploms und einer, jeden Handschrift sind überdem völlig unmöglich. Wenn man so viele Alphabete verfertigen solte, als es Aufschriften, Charten und Handschriften giebt, und wenn je des alle in diesen Denkmalen befindliche verschiedene Figuren von Buchstaben enthals ten solte: so würde solches eine unendliche Arbeit seyn, die dennoch nur einen sehr mittelmässigen Nußen haben würde. Man müste notwendig ermüden, wenn eine Menge von einerley besondern Alphabeten immer wieder von neuen vorkommen, würde, die nur blosse Wiederholungen seyn würden. Einiger neuen Charactere, eini

ger

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ger abgeänderten Züge wegen müste man einerley Buchstaben hundert und mehrmal wiederholen; ohne daß man viel weiter kommen würde, wenn man durch ihre Hülfe ein Stück lesen wolte, aus dem sie nicht genommen worden. Es giebt wenig alte und noch weniger neuere Handschriften aus den spätern Jahrhunderten, wenig Aufschriften, wenig Diplomen, deren Schrift völlig einerley wäre, und wo nicht allemal einige Buchstaben verschieden seyn solten; wenn gleich die Verschiedenheit der Gestalt oft nur zwey oder drey Buchstaben betreffen würde. Man verfertige nun so viele Alphabete, als es Aufschriften, Charten und Handschriften giebt: so wird jedes nichts mehr besonders haben, als diese zwey oder drey Buchstaben. Alle die übrigen werden einerley seyn. Was würde dieses nicht für eine ungeheure Weitläufigkeit für ein Werk seyu, wo sowol Alphabete, als auch Schriften ihrem ganzen Umfang nach miteinander verbunden werden sollen? Nach etlichen hunderten der weitläufigsten Kuz pferplatten, würde man immer noch nicht den hundertsten Theil des Nothwendigsten haben. Was würde es übrigens nicht für eine Verwirrung verursachen, wenn man erst etliche tausend Alphabete durchlaufen folte, eine einige Echwierigkeit zu heben, die bey der Vergleichung mit einem algemeinen Alphabet sogleich verschwinden wür: de? Wenn alle hinlänglich von einander unterschiedene Buchstaben einer Handschrift, eines Diploms, eines Denkmals in die Alphabete, die man darüber verfertigen wolte, aufgenommen werden solten: so würden aus den besondern Alphabeten gewisser Mas sen algemeine werden, und alsdann würde ihr Umfang und ihre Anzal bey der Ausz fürung eines solchen Werks unübersteigliche Schwierigkeiten verursachen.

S. 286.

Wenn diese Alphabete nicht mit mehr Fleis verfertiget werden solten, als die Fortschung. meisten dererjenigen sind, die man bisher herausgegeben hat: so würde man nicht den dreissigsten Theil der in den Handschriften und Diplomen, woraus sie wirklich genommen sind, befindlichen Buchstaben daselbst anbringen dürfen. Wenn man die aus gewissen Stücken verfertigten Alphabete mit ihren Originalen vergleicht: so mus man sich wundern, daß man in den lehtern viele merkwürdige Buchstaben antrist, die in jenen völlig weggelassen worden. Man merket diesen Mangel so gar ben sehr kurzen Mustern einer gewissen Schrift. Man vergleiche einmal das vom Mabillon Felbst aus den berümten florentinischen Pandecten verfertigte Alphabet (y) mit den zwen Zeilen, die ihm von dem Hen. Wegliabecchi, Bibliothecarius des Grosherzogs von Toscana, zugeschickt worden (3): so wird die Aenlichkeit zwischen diesen Buch: staben kaum merklich seyn. Was würde man aber wohl sagen, wenn man eine Vers gleichung zwischen den Alphabeten des Mabillon und Brencman (a) anstellen folte? Ist etwa das dem Mabillon zugeschickte Probestück nicht aufrichtig gewe: fen? Die Kupfer, welche Heinrich Brencman von dieser Handschrift abstechen las fen, leisten uns für seine Aufrichtigkeit eine hinlängliche Gewär. Hat sich etwa Jas billon

() MABILLON. Mufeum Ital. t. 1. p. 183. Idem de re diplom. p. 637. (1)
Idem de re diplom. p. 357. (a) BRENCMANNI hift. Pandect. Traject.

1722. I. 2. Č. 2, p. 11 I. ̧.

Diplom. II. Th,

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Unbequeme lichkeit der chronologis schen Alphas bete.

Fortsetzung.

billon, der doch das Original wirklich vor Augen hatte, bey den aus demselben ger
nommenen Buchstaben geirret? Dis ist noch weniger zu vermuten.
Es ist daher
ein einfaches Alphabet unzulänglich, alle Abänderungen der in einer Handschrift be:
findlichen Buchstaben in sich zu fassen. Es müssen also die besondern Alphabete, die
ihrer ungeheuren Menge wegen schon sehr zahlreich seyn werden, es auf der andern
Seite durch die grosse Anzal derjenigen Charactern noch weit mehr werden, die sie je:
der Handschrift und jedem Diplom zu Folge bey einem und eben demselben Buchstab
liefern müssen. Sie sind daher bey unserm Vorhaben unschicklich und bey einem
jeden andern Entwurf moralisch unmöglich.

S. 287.

Die nach den Jahrhunderten geordneten Alphabete haben zwar nicht alle doch aber viele dieser Unbequemlichkeiten ben sich. Jedes Jahrhundert hat mehrere sehr verschiedene Arten von Schriften, die man untereinanderwerfen müste, wenn die Zahl der Alphabete nach den Jahrhunderten bestimt werden solte. Wenn man die Cursiv mit der Capitalschrift in ein einiges Alphabet bringen wolte: so würde dieses eben so übel stehen, als wenn man im Reich der Pflanzen die Ceder und das Moos in eine Classe sehen wolte. Man müste also die Alphabete vervielfältigen, nach Masgebung der verschiedenen Arten der Schriften, die eines und eben dasselbe Jahrhundert her: vorbringen würde. Anstat eines Alphabets für jedes Jahrhundert, würde man de: ren wenigstens drey, vier und mehr liefern müssen. Wolte man nun jedes Jahr hundert auf ein einiges Alphabet allein einschränken, da jedes derselben nach blossen grössern Buchstaben schon hinlänglichen Stof zu einer der grösten Kupfertafeln dar: reichen würde? Man würde also mehr als zwanzig bekommen, ohne dabey noch die kleinern, cursiv, merovingischen, wisigothischen, lombardischen und angelsäch: fischen Buchstaben berüret zu haben, welche schon allein eine weit grössere Anzal auss machen könten. Eine solche Ordnung würde alle Kupferplatten unsers ganzen Werks schon allein einnemen. Und was solten wir alsdann wohl mit so vielen Schriften, Siegeln, Unterzeichnungen und Monogrammen machen, deren Muster wenigstens eben so wesentlich sind, als die Muster von Alphabeten,

S. 288.

Diese so unzulängliche als überflüssige Menge von Alphabeten aber würde ein blosser Zeit: und Papierverderb seyn. Würde man nicht bey einem jeden Jahrhundert mehr als viertehalb Viertheile von einerley Buchstaben wiederholen müssen? Denn man darf sich nicht einbilden, daß sich die Schrift bey einem jeden Jahrhuns dert plößlich und auf einmal verändere. Sie ändert sich so ab wie die Gebräuche, Sitten und Künste, aber noch langsamer. Ihre Verschiedenheit ist von Jahren zu Jahren unmerklich. In manchen Jahrhunderten wird man beim Beschlus von zehn und zwanzig Jahren kaum einige Veränderung in der Schrift gewar werden. Man vergleiche die Buchstaben aus zweien auf einander folgenden halben Jahrhunderten miteinander: so wird man oft erst einige merkliche Verschiedenheit dem Anfang nach entdecken. Man halte andere, hundert Jahr davon entfernte Schriften dagegen: so

wird

wird ihr Unterschied gemeiniglich so gleich in die Augen fallen. Und auch diese AbAnderung ist noch gewisser Stufen fähig. Zuweilen scheinet sie sehr gros zu seyn; zuweilen ist sie aber nicht so merklich. Es felet uns zwar nicht an Denkmalen. Wenn sie aber selten sind: so ist die Uebereinstimmung und Verschiedenheit der Schrift eines jeden Jahrhunderts schwerer zu entdecken; und ihrer Meuge ohner: achtet, giebt es doch Jahrhunderte, wo ihre Renlichkeit. volkommen erweislich zu seyn scheinet; indem gewisse kleine Abänderungen auch Kennern oft entwischen kön neu. Nichts ist übereinstimmiger als mehrere Aufschriften der drey ersten Jahrhun: derte nach Christi Geburt; ohnerachtet es manche unter denselben giebt, deren Vers schiedenheit volkommen merklich ist. Da nun die Verschiedenheit in dem Geschmack. ober dem ganzen Umfang der Schrift so langsam merklich ist: wie viel mehr mus es: diejenige Abweichung seyn, die die Bildung der Buchstaben betrift? Oft ist es schon hinlänglich, eine Schrift völlig von der andern verschieden zu machen, wenn nur einige Charactere in manchen überflüssigen Zügen eine gewisse bestimte Abänderung aufzu: weisen haben. Man kan von einem Jahrhundert zu dem andern fortgehen und man wird bey den meisten Bildungen eines jeden Buchstab eben keine sonderliche Verschiedenheit antreffen. Man würde sich also unaufhörlicher Wiederholungen unter? werfen müssen, wenn jedes Jahrhundert sein besondres Alphabet haben solte. Die Bildungen der Buchstaben pflegen sich von einem Jahrhundert auf das andere zu erhalten. Wenn gleich wenige neue eingefüret werden: so werden doch die alten deswegen noch nicht verbannet. Einige werden sich entweder in Betrachtung ihres ganzen Umrisses, oder auch ihrer Hauptzüge etliche tausend Jahr, andere aber viele hundert Jahr lang hintereinander erhalten.

S. 289.

Man darf nicht einwenden, daß man in jedem Alphabet nur diejenigen Gestal: Beantwor ten der Buchstaben aufnemen dürfe, die einem jeden Jahrhundert besonders eigen tung eines Find, und daß man sich mit denenjenigen unbemenget lassen müsse, die es mit andern Einwurfs. gemein haben würde. Aus dieser Weglassung aber würde man den ganz natürli chen Schlus machen müssen, daß alle Buchstaben der vorigen Jahrhunderte in die nachfolgenden entweder insgesamt, oder gar nicht gehören; da man sich denn in beiz den Fällen betrügen würde. Manche Buchstaben dauren unter gewissen Bildun gen lange fort, ohne abgeschaffer zu werden; andere verschwinden kurze Zeit nach ihrem Entstehen; noch andere kommen nur nach und nach aus dem Gebrauch und wiederum andere werden aufs neue hervorgesucht, nachdem sie eine Zeitlang in Verz gessenheit geraten gewesen. Manche werden noch unmittelbar in dem Jahrhundert nach demjenigen üblich seyn, worin man sie geseht hat, und werden doch im folgendeu gar nicht mehr zum Vorschein kommen. Andere werden alsdann erst herrschend wer: den, und erst nach einer Reihe von Jahrhunderten von Tage zu Tage abnemen und nicht wieder zum Vorschein kommen. Selbst diejenigen Characteres, die man als eigentümliche und Unterscheidungsbuchstaben in ein gewisses Jahrhundert geseßet har, werden nicht nur auch in andern vorkommen, sondern auch in manchen Echriften desjenigen Jahrhunderts, dem man sie zugeeignet hat, nicht angetroffen

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werden.

werden. Diese Buchstaben, deren Gebrauch vorzüglich in ein gewisses Jahrhundert gesetzet worden, werden nicht allemal in demselben die üblichsten seyn. Denn man mus einen genauen Unterschied machen unter denjenigen, die in den vorigen Jahr: hunderten nicht gebraucht worden, unter denen die in den folgenden nicht mehr anges troffen werden, und unter denjenigen, deren Gebrauch daselbst algemein ist. Die lektern können eben diesen Vorzug viele Jahrhunderte hindurch behauptet haben, können solchen aber nach und nach verlieren, bis sie endlich gar aufhören. Hieraus folget also, daß man die manchen Jahrhunderten besonders eigenen Buchstaben oft weit leichter aus ausserordentlichen als allenthalben üblichen Buchstaben beurtheilen können. Diese und viele andere Gründe, die der Länge nach angefüret werden köns ten, beweisen die Unzulänglichkeit und Entberlichkeit der auf ein gewisses Jahrhun dert eingeschränkten Alphabete; sie mögen nun aigemeine oder befondere seyn. Man darf indessen hieraus nicht den Schlus machen, daß kein einzeles Jahrhundert gewißse Merkmale habe, wodurch es sich von andere, selbst von seinen Nachbarn unterschei: den lasse. Wir behaupten nur so viel, daß sich diese Merkmale aus dergleichen Alphabeten unmöglich bestimmen lassen; wenn man sie nicht mit einer ausfürlichen Ges schicht begleitet. Dis kan aber nicht durch Kupfertafein geschehen; sondern durch eine Erklärung der jedem Jahrhundert besonders eigenen Buchstaben; und hierzu has ben wir den folgenden Abschnit bestimmt.

Vierter Abschnit.

Ausführliche Geschichte eines jeden Buchstab
unsers Alphabets.
Inhalt.

Einleitung §. 290:292.

1. Geschichte des Buchstab A §. 293:

301.

1. Uebereinstimmung des phônicischen A
mit dem ältesten europäischen A §. 293.
2. Veränderungen in der mittelsten Linie des
A S. 294.295.

3. Zuründung des dreieckigen A §. 296.
4. A ohne Mittelstrich §. 297. 298.
5. Querstrich über dem A §.299.

6. Kleines a in Gestalt zweier e §. 300.

7. Kleines a in den tyronischen Zeichen §. 301.

11. Anmerkungen über das B §. 302: 304.

1. Altertum des kleinen b §. 302.

2. Kleine b des achten und neunten Jahrhun: derts §. 303.

3. b in der alten Cursiv der Diplomen §: 304.

III. Ueber das C §. 305:310.

1. Uebereinstimmung des griechischen F mit dem C §. 305.

2. Kleineres c und Cursiv c §. 306.

3. Merovingisches und francogallisches € S. 307.

4. Gestalt des C unter der zweiten Linie §. 308.

5. Kleines c im 10 und 11 Jahrhundert §. 309.

6. Jm 12 und 13 §. 310.

IV. Ueber das D §. 311:315.

1. Aenlichkeit der vornemsten europäischen D S. 311.

2. Dreieckiges und rundes D §. 312.

3. Gf

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