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Schweden geschickt, dann als Gesandter nach Hamburg, und später nach Paris.

Ein Dichter möchte kaum feiner und zarter jenes Verhältniß darstellen, als Katharinens Schilderung es ihrem Sohn gegenüber that. Sie warf dem Ganzen den leichten Schleier um, der einen Reiz mehr verleiht, ohne daß er dem Sohne versteckte, was dieser wissen sollte. Paul erfuhr mehr, als er wünschen mochte; und blieb ihm noch ein Zweifel, so mußte ihm eine unvorsichtige Aeußerung, zu der sich der Großfürst Peter hinreißen ließ, denselben vollends benehmen. Als nämlich im Herbst 1758 die Großfürstin wieder schwanger ging, rief er einst im Kreise seiner Genossen ärgerlich aus: „Weiß Gott, woher meine Frau zu ihren Schwangerschaften kommt!«

Katharina stopfte sogleich dem geschwäßigen Herrn Gemahl auf ihre schlagende Weise den Mund; aber der Ausruf fiel ihr schwer aufs Herz. Ihr Scharfblick erkannte die furchtbare Gefahr, in der sie schwebte. Es galt, schreibt sie 1), mit ihm oder durch ihn zu Grunde zu gehen, oder aber mich selbst, meine Kinder, vielleicht auch den Staat vor dem Schiffbruch zu retten, den die geistigen und körperlichen Eigenschaften des Großfürsten in Aussicht stellten. Dieser lette Entschluß schien mir der sicherste". Ihm gemäß betrat sie kühn den Weg, der allein zum Ziele führen konnte.

Ist nun Obiges, wie wir auseinander setten, der Kern von Katharinens Denkwürdigkeiten, so begreifen wir, weshalb sie aller Wahrscheinlichkeit nach dieselben gerade niederschrieb, als ihr während der Reise im Auslande Schn und Schwiegertochter so vielfachen Verdruß bereiteten. Die junge schöne Großfürstin war, wie es damals der ganzen vornehmen Welt erging, von Frankreich, dessen Moden und Manieren bezaubert: sie hatte einen ununterbrochenen Briefwechsel mit Mlle. Berton und andern Modehändlern verabredet, sogar 200 Kisten mit ausgesuchten Modewaaren vorausgeschickt, auch neue Kammerdiener mitgenommen, und den kühnen Plan gefaßt, eine Umwälzung im Kopfput herbeizuführen. Aber die Schwiegermutter kam ihr zuvor. Sie erließ einen Ukas gegen die Moden, der besonders schwer den Inhalt jener 200 Kisten traf. "Ich bin gewiß, sagte der große

1) Mémoires etc. p. 301. Historische Zeitschrift V. Band.

britische Diplomat, dem wir jene Nachricht verdanken, daß wenn die Großfürstin in Riga das Verbot erfährt, sie darüber sich mehr ärgert, als wäre irgend ein Unglück dem Ruhme oder dem Wohlfsein des Reiches begegnet".

Fünf Wochen später den 17. December 1782 schreibt derselbe Sir James Harris: "Das Benehmen des Großfürsten und der Großfürstin war seit ihrer Rückkehr vernünftiger, als man's erwarten konnte. Sie leben beinahe ganz vereinsamt, sie haben von ihrer Ge= sellschaft ihre früheren Günstlinge ausgeschlossen, und man sollte meinen, sie wünschten hinfort nichts weiter, als sich nur nach der Kaiferin Willen zu verhalten. Es ist schwer zu sagen, welchem Grund man diesen Wechsel des Benehmens zuschreiben müssen. Sir James zerbricht sich den Kopf, Gründe dafür zu finden. Denken wir uns aber, Katharina hätte dem störrischen Sohn jene Denkwürdigkeiten mitgetheilt, so wäre das ein Grund, schlagender als Alles, was der fluge Diplomat ersinnen mochte. Ihre Klugheit würde, wie sich von selbst versteht, dafür gesorgt haben, daß Paul allein die Schrift läse, und keine Abschrift nähme. Eine solche Mittheilung möchte ihm aber so schwer in die Glieder gefahren sein, daß er sich hinfort gern ruhig verhielt.

IV.

Coppi's Annali d'Italia für das Jahr 1848. Italienische Conföderation. Fremde Truppen.

Bon

Alfred von Reumont.

Der Abate Antonio Coppi in Rom hat seine italienischen Jahrbücher, die Ergänzung der mit dem Jahre 1749 endenden Muratorischen, welche schon, vor nunmehr achtundzwanzig Jahren, Heinrich Leo pries, bis zum Schlusse des Jahres 1848 fortgeführt und somit beinahe einen hundertjährigen Cyclus vollendet. Dem kürzlich erschienenen starken Bande, der das verhängnißvolle Jahr enthält (Annali d'Italia dal 1750 compilati da A. Coppi. Tom X. 1848. Florenz 1860. XXIV u. 816 . 8.) merkt man wahrlich keine Ermattung an. Das Buch ist in einem nicht minder verhängnißvollen Moment erschienen als die Zeit war, welche es schildert; in einer Zeit wie diese ist es von doppeltem Interesse auf jenes Jahr 1848 zurückzublicken, das so manche Saat ausgestreut hat, die wir heute aufsprießen sehen, - ein Jahr, dessen ernste Lehren leider in den zunächst folgenden theils nicht verstanden, theils nicht beachtet worden sind, während die Befriedigung legitimer Forderungen des Nationalgefühls, freilich von vorneherein sehr erschwert durch das Verhältniß zwischen Desterreich und Piemont, der im Stillen fortschreitenden und von mehr denn einer Seite her genährten Revolution vielleicht hätte Halt gebieten,

jedenfalls einer künstlich und einseitig verkehrten, einem Theile und nicht dem Ganzen frommenden, dem Genius wie der Geschichte Italiens widersprechenden Richtung hätte entgegenarbeiten können.

Dies Interesse rechtfertigt die ausführlichere Behandlung, welche der Verfasser, während er im Uebrigen Form und Einrichtung seines Werkes beibehält, diesmal für gut befunden hat. Es rechtfertigt diese größere Ausführlichkeit umsomehr, als alle bisherigen Bearbeitungen der Geschichte des Jahres 1848, soweit sie mir bekannt geworden, mehr oder minder vom Parteistandpunkte ausgehen, der bei den inländischen Darstellern einer so naheliegenden Epoche kaum zu vermeiden ist und auf welchen einige Ausländer sich beinahe noch entschiedener gestellt haben. Es rechtfertigt die größere Ausführlichkeit noch dadurch, daß nur durch Vergleichung vieler scheinbar oft geringfügiger Facta ein vollständiges Bild, wie die interessantesten Vergleichungspunkte zur Beurtheilung der Gegenwart nach ihren Tendenzen und Personen gewonnen werden können. Wie oft finden wir da Gleichartiges ungeachtet äußerer Unterschiede, wie oft radicale Unterschiede bei Gleichheit der Namen, wie oft Sinnesänderung der hie und dort handelnden Personen! Der Abate Coppi bespricht nicht und beurtheilt nicht; er erzählt und berichtet so einfach und schmucklos wie möglich; er hält sich an die Documente verschiedenster Art, deren Hauptstellen er citirt; er nimmt Rücksicht auf die wichtigeren unter den zahllosen Publicationen von Gleichzeitigen und Mitbetheiligten. Die Gazzetta di Roma und Pepe's Histoire de la révolution et de la guerre d'Italie, die Geseßsammlungen der verschiedenen Staaten und Massaris Casi di Napoli, die Denkschriften der Civiltà catholica und Zobi's Storia civile della Toscana, der Gräfin Spaur Viaggio a Gaeta und De la Varenne's Autrichiens en Italie, Schönhals' und Willisen's Feldzüge von 1848, und General Bava's Bericht über die militärischen Operationen, die piemontesischen Kammerverhandlungen und Gioberti's Rinnuovamento d'Italia, alles dies und hundert andere der verschiedenartigsten Drucksachen sind in dem Buche benutzt, und zwar so, daß man in jedem Einzelfall sich Raths erholen kann. Mau fühlt des Verfassers Ansicht und Urtheil durch, in ihrem verständigen patriotischen Sinn; aber nirgend dringt er sie und sich feinen Lesern auf, wie er nirgend einer Tagesmeinung schmeichelt oder einem Uebermaß Recht giebt. Es

ist eine durchaus ruhige streng pragmatische Darstellung, von unschätzbarem Werthe für die, welche einst diese Geschichte in ihrem Zusammenhange zu schreiben haben und weder durch Ranalli's sonst vielfach Lobenswerthe Schilderung der Begebenheiten der Jahre 1846-48, noch durch Farini's interessante aber parteigefärbte und keineswegs überall aufrichtige Geschichte des Kirchenstaats, noch viel weniger aber durch die zahlreichen persönlichen Denkwürdigkeiten befriedigt, oder gar den historischen Romanen des Paters Bresciani auf's Wort glaubend, hier einen zuverläßigen Wegweiser durch das Labyrinth von Thatsachen und durch den schwer durchdringlichen Wald von Druckschriften finden.

Auf ein solches aus lauter Facten bestehendes Buch referirend einzugehen ist nicht gut möglich, wenn man nicht etwa die Geschichte dieses Zeitraums selbst schreiben will, was begreiflicherweise nicht die Aufgabe gegenwärtiger Zeilen sein kann. So möge denn hier nur eine Phase dieser vielgestaltigen Bewegung betrachtet werden, eine Phase, nicht ohne Wichtigkeit für die Beurtheilung der damaligen, wie, vergleichweise, der heutigen Zustände, Richtungen, Strömungen. Es find dies die Geschicke der Föderationsbestrebungen Bestrebungen, angeregt

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von Dem, der so vieles in Italien angeregt und in diesem Falle, wie in manchen andern, den schnödesten Undank geerndet hat, von Papst Pius IX. Es ist hier nicht der Ort in die Geschichte der älteren Föderationsversuche einzugehen wer etwas von italienischer Geschichte überhaupt weiß, kennt sie. Er weiß, daß in dem letzten Zeitraum, in welchem Italien noch eine nationale Politik hatte, das heißt vor dem Einfall der Franzosen im Jahre 1494, der Versuch einer solchen Föderation, so unvollkommen er immer sein mochte, gelungen war, daß Neapel, Florenz und Mailand, zusammenhaltend, den Grund zu einem politischen System legten, welches, weiter ausgedehnt und vervollkommnet, der Halbinsel jene Nationalität hätte sichern müssen, welche Carls VIII. Heerzug vernichtete und welche weder ein großer Papst mit seinem fuori il barbaro, noch ein großer Schriftsteller mit Fürsten nach der Art des Cäsar Borgia wiederzugewinnen im Stande war. Er weiß, daß diese Föderationsversuche unter mancherlei Formen auflebten, selbst im Hirn eines Cardinals wie Orsini von Gravina in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Er weiß auch, daß man in jüngern Zeiten so kleinmüthig geworden war, daß selbst der bloße Abschluß

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