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ZUR BEWAFFNUNG DER RÖMISCHEN

LEGIONARE.

Dass Schriftstellerzeugnisse allein nicht hinreichend deutliche Anschauungen von den Besonderheiten antiker Tracht und Bewaffnung zu geben vermögen, ist einleuchtend. Wie für so manche andere Gebiete griechischer und römischer Alterthumskunde liefern auch für sie die Denkmäler werthvolle Ergänzungen und Berichtigungen unserer Kenntniss. Aber auch die Benutzung der Denkmäler erfordert eine auf bestimmten Gesetzen der Kritik und Hermeneutik beruhende Methode, welche wiederum auf einer doch wesentlich aus den Schriftquellen geschöpften Gesammtanschauung des ganzen Kreises hier in Betracht kommender Thatsachen ruht. Es ist z. B. richtig, dass die Tracht der auf den Grabdenkmälern dargestellten römischen Soldaten nicht immer deren vollen Waffenschmuck zeigt, sondern zuweilen als eine Art von Interimstracht anzusehen ist, wie unter Anderem die fast regelmässig fehlende Kopfbedeckung zeigt. Fraglich ist es daher, ob die so dargestellte Tracht nothwendig allen Soldaten desjenigen Truppentheils zukommt, welchem das sie tragende Individuum angehört. Wie weit die Neigung der Dargestellten ging, sich in einem Phantasiecostüm (wie wir etwa sagen würden) abbilden zu lassen, oder die Willkür der Künstler (wenn wir den Verfertigern solcher Grabsteine allen diesen Namen auch sicher nicht zugestehen werden) in der freien Umgestaltung der Wirklichkeit, dürfte schwer festzustellen sein. Ja, wer bürgt uns dafür, dass überhaupt innerhalb eines einzelnen Truppenkörpers, wie z. B. einer Legion, die Gleichmässigkeit in Tracht und Bewaffnung den modernen Begriff der Uniform erreicht hat? Dass sich nicht wenigstens z. B. zwischen den principales und den milites gregarii innerhalb derselben Legion Reste der ursprünglich ja sicher einmal vorhanden gewesenen Ungleichheit auch später noch erhalten haben?

Zu den vorstehenden Erwägungen geben die neuerdings von A. Müller zur Lösung der einschlägigen Fragen veröffentlichten

Beiträge Veranlassung '), welche sich den früheren Arbeiten des Verf. auf diesem Gebiete würdig anreihen. Unter den zwanzig Grabsteinen römischer Krieger, deren Reliefdarstellungen von ihm zuerst ausführlich beschrieben und besprochen werden, nehmen unbestritten den ersten Platz ein zwei zwar längst im allgemeinen bekannte, aber noch nie vorher eingehend gewürdigte Denkmäler des Museums von Verona (C. I. L. V 3774 und 3375).

Mit Recht hebt M. zunächst hervor, dass diese beiden Denkmåler unter den in Italien gefundenen dieser Klasse nach Gröfse und Sorgfalt der Ausführung durchaus allein stehen, dagegen den bekannten in den Provinzen gefundenen Exemplaren, besonders den Mainzern, gleichartig sind. Dargestellt sind zwei Subalternofficiere (nach moderner Terminologie) der elften Claudischen Legion, der Centurio Q. Sertorius L. f. Festus und sein Bruder, der Aquilifer L. Sertorius L. f. Firmus. Das Geschlecht dieser Sertorii war aller Wahrscheinlichkeit nach in Verona oder in seinen Umgebungen zu Haus, wie schon der Mailänder Antiquar Graf Orti Manara vor vielen Jahren näher ausgeführt hat; eine Reihe von Mitgliedern des Geschlechts kommt auf den Inschriften jener Gegenden vor, und die Tribus des Festus, die Poblilia, ist die von Verona. Ob jedoch die beiden Krieger bei zufälliger Anwesenheit in der Heimat, etwa in Folge einer durch Krankheit oder anderswie eingetretenen Beurlaubung, daselbst ihren Tod gefunden haben, oder, wie M. meint, in der Schlacht bei Betriacum im J. 69 weil allerdings die Anwesenheit der Legion als solcher in Italien nur für dieses Jahr bezeugt ist wird schwer zu entscheiden sein. Denn Soldaten der Undecima Claudia kommen, abgesehen von den natürlich nicht hierhergehörigen Veteranen der elften augustischen Legion, die nach der Schlacht bei Actium nach Ateste deduciert worden waren 2), und abgesehen ferner von den in Aquileia ungefähr vom vierten Jahrhundert an vorkommenden Abtheilungen derselben, die vielleicht mit der Recrutierung der Legion in jenen Zeiten zusammenhängen3), wie es scheint, sonst überhaupt in Oberitalien nicht vor). Für die Vermuthung M.'s, dass die 1) Im Philologus 40 (1881) S. 221 ff.

2) C. I. L. V 2501 und Mommsens Notiz in der Vorrede zu Ateste S. 240; vgl. C. I. L. V 2495 2503 2512 2839 und 314 und 890.

3) Mommsen zu C. I. L. V 893; vgl. C. I. L. V 895 896 900 923 927 940 942 944 8278 auch 795 a.

4) C. I. L. V 2164 7158 sind Fragmente unsicherer Deutung.

beiden Sertorii im J. 69 gefallen seien, spricht ferner der Umstand, dass beide Krieger im vollen Waffenschmuck dargestellt sind, wie ihre späteren Collegen in Gallien und Germanien (bald darauf erhielt die Legion ihr Standquartier in Vindonissa), sowie wie der Charakter der Schriftzüge, der sicher nicht viel über den Anfang des zweiten Jahrhunderts hinab weist; dagegen, dass der Aquilifer Firmus als Curator der Veteranen der Legion entlassen worden war und den Grabstein seiner Gattin Domitia Prisca setzt. Wie dem auch sei, dass beide (oder ihre Angehörigen) Sorge getragen haben, auf ihren Grabsteinen, immer jedoch innerhalb der Grenzen dieser Art von Kunstübung, möglichst getreue Porträtdarstellungen zu bieten, kann sicherlich nicht bezweifelt werden. Die ganze Haltung dieser Reliefbilder zeigt allerdings eine gewisse Anlehnung an die heroischen Kaiserstatuen; das Fehlen der Kopfbedeckung, auch die Art, wie das Sagum dem Festus (und ebenso dem in der Varusschlacht gefallenen M. Caelius des bekannten Bonner Grabsteins) auf der Schulter aufliegt, kann (mit M.) dafür angeführt werden. Aber aus den Einzelheiten der Tracht und Bewaffnung auf ein Idealcostüm, auf eine Vermischung der Darstellung der militia caligata mit derjenigen der militia equestris zu schliessen, wie M. ausführt, scheint mir nicht richtig zu sein. Die Entscheidung hierüber hat eine gewisse Wichtigkeit: es fragt sich, wie weit man überhaupt den Darstellungen der Art im Einzelnen trauen darf. Beide Offiziere, Festus sowohl wie Firmus, sind mit der lorica squamata, dem Schuppenpanzer, bekleidet dargestellt. Dieser ist bis jetzt auf Denkmälern von Legionaren noch nicht beobachtet worden. Doch führt M. selbst an, dass der Kaiser Macrinus den Praetorianern die θώρακας λεπιδωτούς, um ihnen das Kämpfen zu erleichtern, genommen habe (nach Dio LXVIII 37). Also hatten sie sie bis dahin; und ich sehe nicht ein, warum wir den Veroneser Denkmälern nicht glauben sollen, dass wenigstens die Centurionen und Adlerträger der Undecima Claudia sie im ersten und zweiten Jahrhundert ebenfalls trugen. Dass im übrigen die schwere Reiterei vorzugsweise den Schuppenpanzer geführt zu haben scheint, schliesst jenes keinesfalls aus.

Sicherer lässt sich über eine zweite Frage urtheilen. Festus ist mit Beinschienen dargestellt; diese aber kommen, wie M. schon früher einmal ausgeführt hatte'), auf den ihm bekannten Darstel1) Im Philologus 31 (1874) S. 651.

lungen von römischen Kriegern, auf Grabsteinen oder Triumphaldenkmälern, nicht vor. Danach 'scheint es ihm keinem Zweifel zu unterliegen, dass wir in den Schienen des Sertorius nicht ein wirkliches Waffenstück zu erkennen haben, wie solche auf den Abbildungen samnitischer Krieger . . vorkommen . . . ., oder wie sie in den aus älterer, wohl kaum römischer Zeit stammenden Exemplaren aus Bronze in den italienischen Museen erhalten sind', Die Mittel zur Widerlegung dieser Ansicht giebt M. zum Theil selbst an die Hand. Von der ersten Classe des servianischen Heeres heisst es in der bekannten Liviusstelle (I 43) ausdrücklich arma his imperata galea clipeum ocreae loricae, omnia ex aere. Dass irgend ein Stück dieser der griechischen durchweg entsprechenden Vollrüstung der Legionare abgeschafft worden sei, ist für die ältere Zeit überhaupt nicht, für die spätere nur auf Grund ausdrücklicher Zeugnisse oder monumentaler Thatsachen von überzeugender Deutlichkeit anzunehmen. Der Kaiser Severus Alexander noch verschenkt (Lampridius vita Alex. 40) als militärische Auszeichnungen et o creas et bracas et calciamenta inter vestimenta militaria. Auch die Denkmäler bezeugen den Gebrauch der Beinschienen. Sie erscheinen neben den Phaleren besonders abgebildet auf der Basis des Pompeius Asper; auf spätrömischen Sarkophagen sind die typischen Figuren bärtiger Krieger zu Fuss und Ross mit ihnen bekleidet. Aus diesen Zeugnissen und Denkmälern schliesst M. nur, dass vielleicht bei ausserordentlichen Gelegenheiten, Festzügen u. dgl. Beinschienen getragen wurden'. Wirklich? Eher sollte man doch denken, dass die zur vollen Bewaffnung gehörigen, gewiss sehr unbequemen Erzstücke, wo sie nur irgend entbehrlich waren, nicht getragen wurden. In Verona selbst, unter dem Arco de' Borsari, ist eine Basis eingemauert (links, wenn man von der Stadt her kommt), ähnlich der des Pompeius Asper, auf der die Lorica mit dem Balteus und Schwertknauf, das Pilum und zwei Beinschienen, also die wesentlichen Waffen des Legionars, dargestellt sind; die Inschriftfläche des Denkmals ist vermauert. Das Denkmal des Centurionen der zwanzigsten Legion M. Favonius Facilis in Camulodunum (C. I. L. VII 90), unzweifelhaft aus vespasianischer Zeit, zeigt denselben ebenfalls ganz deutlich mit den Beinschienen bekleidet, wie eine mir vorliegende Photographie ausser Zweifel stellt, auch nicht unterlassen worden ist im Corpus ausdrücklich zu bemerken. Kein Zweifel also, dass

Hermes XVI.

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auch die Beinschienen des Sertorius Festus zu der regelmässigen Bewaffnung wenigstens der Centurionen gehören. Dass die Beinschienen verhältnissmäfsig selten dargestellt worden sind und z. B. dem Aquilifer Firmus fehlen, beweist nichts dagegen. Aber zu leugnen ist nicht, dass das constante Fehlen der Beinschienen bei sämmtlichen auf der Trajans- (und wohl auch der Antoninus-) Säule dargestellten Legionaren vielleicht nicht blos auf die sonst ja allerdings auf diesen Denkmälern in manchen Dingen hervortretende summarische Behandlungsweise des Details zurückzuführen sein wird. Es wäre ja nicht unmöglich, dass Trajan die ocreae bei den Legionaren abgeschafft hätte; eine Vermuthung, die ich jedoch nur mit aller Reserve und vorbehaltlich weiterer Prüfung ausspreche.

Nicht minder selten dargestellt findet sich, wenigstens auf Grabdenkmälern, die lorica segmentata, welche auf den grofsen Triumphaldenkmälern, wie der Trajans- und Antoninussäule, so häufig ist. Mit Recht tritt M. in einem andern Aufsatz1) der Meinung entgegen, dass desshalb Zweifel an der wirklichen Existenz dieser Art von Harnisch berechtigt seien, und weist ihn auf einigen (theilweis von mir angegebenen) Denkmälern, zum Theil wenigstens auch Grabdenkmälern, nach. Nur darin kann ich ihm wiederum nicht folgen, dass er diesen Harnisch für etruskischen Ursprungs ansieht, weil er auf etruskischen Aschenkisten häufig vorkommt und weil ihn die Erzstatue des gregorianischen Museums, der Mars von Todi, trägt; welche aber umbrisch, und nicht etruskisch ist. Woher anders wohl werden diese Technik des aus beweglich sich anschmiegenden Erzstreifen bestehenden Harnisches die Etrusker und Umbrer gehabt haben, als von den Griechen, und warum sollen wir desshalb nicht diese, sondern die Etrusker für die Lehrmeister der römischen Bewaffnung ansehen? Auf alle Fälle weist das häufige Vorkommen dieses Harnisches auf etruskischen Denkmälern auf griechische Vorbilder.

Glauben wir also den Denkmälern und Schriftstellerzeugnissen vereint vorläufig, dass die lorica squamata und die segmentata, und ebenso die ocreae zu den regelmässigen Bestandtheilen der vollen Bewaffnung eines Legionars gehört haben. Als methodische Regel für die Benutzung solcher Denkmäler ergiebt sich auch hieraus, dass denselben, wo sie nicht in offenbarem und aus stilistischen

1) In demselben Heft des Philol. 40 (1881) S. 121 ff.

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