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Brahmanen und Kshatriyas ferner find, Lieblingsgegenstände der priesterlichen Epopåen, denn wirklich scheint mehr als einmal eine Opposition gegen die Hierarchie eingetreten zu seyn, wie wenn der Fürst Benas schon bei Manu den Castenunterschied tilgen will, und darob von den Priestermythen geschmäht wird 156); mit sichtbarem Wohlgefallen verweilt die Sage bei dem Parasu Rama, der gegen die Krieger ein Blutvergießen anrichtet; mit augenscheinlichem Haß ist die Legende vom Brahmanen Vasishtas ausgesponnen, mit welchem der Kshatriya Visvamitras um die Aufnahme in den Priesterorden kämpfte: allein immer wird dabei vorausgesetzt, daß schon damals die vier Casten vorhanden waren, nicht aber, daß sie durch solche Kämpfe erst entstanden. Was endlich noch zu Gunsten einer natürlichen Entstehung der Casten sprechen mögte ist, daß alle Stånde ohne Unterschied sich jährlich zu Jagannatha in Orissa versammeln, und jede Trennung aufgehoben, ist 157): diese auffallende Erscheinung ist mit dem Dienste des alten Tempels verknüpft und rührt wahrscheinlich noch aus einer Zeit her, als in jenen Gegenden keine Absonderung stattfand.

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Sehen wir nunmehr auf die Indische. Castenverfaßung, welche über die Periode der Macedonier in Indien und über das alte Gesetzbuch hinausgeht, zurück, daneben aber auf den blühenden Zustand des Landes, wie die Griechen sowohl als die altindischen Schriften ihn schildern, und wie er von den ersten Europåern, nach einem Zwischenraume von vielen Jahrhunderten, ebenfalls angetroffen wurde, so ergiebt sich die merkwürdige Thatsache, daß Industrie und Betriebsamkeit trok aller Spaltung in Stände und Abcasten keine Einbuße gelitten, und schon hieraus dürfte gefolgert werden, daß die Bestimmungen des hierarchischen Gesezes nicht streng konnten gehalten

156) Manu 9, 66, seq.

157) S. Bernier voyage II. p. 102. Tavernier Reife II. p. 9. Paterson in Asiat. Res. VIII. p. 61. Papi Briefe S. 289. widerspricht zwar, aber nur nach dem Gerüchte.

seyn, wozu auch die epischen Gedichte allenthalben den Commentar liefern. Daher sind wir genöthigt, dem Colebrooke und Rickards beizupflichten, daß bei der freien Entwicklung des Indischen Lebens die trennende Casteneintheilung kein Hinderniß gewesen, um neue Künste und Gewerbe einzuführen, und es war die Pflicht der historischen Kritik, dieses anzuerkennen, ja selbst dasjenige hervorzuheben, welches etwa zu Gunsten dieser Verfaßung sprechen konnte. Jedoch würde man uns ungemein verkennen und mißverstehen, als ob durch eine gewißenhafte Erforschung des Alterthums derjenigen em.. pörenden und scheußlichen Trennung das Wort geredet werden sollte, welche mit starren Fesseln nur an gewiße Familien das Talent binden will, die den Menschen vom Menschen so entfremdet, daß sie sogar durch die gemeinschaftliche Speise sich verunreinigt glauben, und die jedes Fortschreiten der Menschheit im Keime erstickt. Die Natur, welche überall im Reiche der physischen und moralischen Kräfte nach ihren weisen Geseßen nur ein Weiterschreiten befördert, hat sich hier schon durch die menschlichen Eingriffe in ihre Rechte bitter geråcht, und eine Menge von politischen Revolutionen als ein Ferment in die Masse geworfen, damit den folgenden Generationen neues Leben und Gedeihen daraus entstehe. Schon befehligt hie und da ein talentvoller Paria eine Compagnie von Brahmanen, und die Zeit scheint nicht fern, wo jede Hemmkette sich brechen wird, welche die stolze Priesterschaft hier geschmiedet hatte. Doch wir kehren zu den alten Indern zurück.

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§. 5. Wenn die vier Casten gleichsam die Grundpfeiler der Indischen Verfaßung bilden, so sind es doch insbesondere die beiden ersten, welche durch Weisheit und Stärke das Staatsgebäude aufrecht erhalten sollen, und es wurde bereits angemerkt, wie eben daher bei Manu zwei legislative Kräfte wirksam sind, wie die priesterlichen Geseke mit den monarchischen sich gegenseitig umschlingen und ergänzen, jedoch so, daß die ersteren, vermöge ihrer Natur, nach der Oberhand stre

ben, und dieselbe größtentheils erlangt haben. Indessen lie-. gen die monarchischen Geseze, so weit die Literatur des Volkes zurückgeht, und selbst gegenwärtig noch da, wo das Indische Leben sich frei entfalten darf, allenthalben zum Grunde, und die Verfaßung ist im Wesentlichen folgende, wenn wir die Beschränkungen aus den Augen lassen, welche eben das Gesetzbuch hinzufügt, und aus den epischen Gedichten die Belege entnehmen, weil sie mehr die Wirklichkeit copiren. Die Regierung ist monarchisch, und zwar so streng, daß die Modificationen der Staatseinrichtung in den Indusländern, wo wir im Alterthume freie Staaten (avrovóμs) und Democratien (Aratten d. i. arashtrâs, ohne König) finden, zu den Ausnahmen gehören, welche die Sanskritbücher nicht kennen, oder zu ignoriren scheinen. Dieses erhellt wenigstens aus der Bemerkung des Manu: daß die Welt ohne König nur elend sey 158), oder aus der lebendigen Schilderung des Ramayana, welche ein Reich ohne fürstliches Oberhaupt als eine völlige Anarchie darstellt 159). Nach den Rechten der Erstgeburt war die Thronfolge erblich, und der Sohn konnte selbst noch bei Lebzeiten des Vaters als Mitregent auftreten 160). So fey es, fügt das Epos hinzu, von jeher in der Ikshvakulinie, im Hauptreiche des Landes, nämlich Ayodhya, gebräuchlich gewesen, und wir haben keine Zeugniße, aus denen eine andere Regierungsform hervorginge, denn wenn Plinius vom Volke der Pander berichtet, daß es allein von Weibern regiert werde 161), so scheint dabei ein Irthum obzuwalten, weil allerdings die Königin Mutter oft mächtig in Regierungsangelegenheiten eingriff, und unter dem weiblichen Personale des Hofes nur zu häufig Intriguen ausgesponnen wurden. Daß sich in Indien, wie bei den Hebräern und andern Nationen des alten Asiens, die Ver

158) Manu 7, 3.

159) Råmây. II, 52, 8. seq.

160) Ramây. I. p. 652. II, 57, 20. 77, 18.

161) Plinius 6, 20.

faßung fofort zu einer Hierokratie gestaltet habe, als die einfache patriarchalische Zeit, welche die erbliche Monarchie ent wickelte, verschwunden war, wird oft und deutlich ausgesprochen: der Monarch soll gleichsam ein Ebenbild Gottes auf Erden seyn, und, wår' er auch ein Kind, von den Menschen verehrt werden, weil eine große Gottheit in ihm, unter Menschengestalt, wohne 162). Er ist nach dem Manu sowohl das Bild der vier Weltalter, im Schlafe das Kaliyuga, im Wachen die dritte Weltperiode, in Thätigkeit das zweite, kräftige Heldenzeitalter und wenn tugendhaft, das göttliche Satyayuga darstellend 163), als auch eine Verkörperung der acht Welthüter. Er soll wie Indras die Re: genschauer der Wohlthaten gewähren, soll wie Suryas erleuchten, und seine Einkünfte einziehen, wie der Sonnenstrahl das Wasser; dem Pavanas gleich, soll er mit Scharfblick die Angelegenheiten der Unterthanen durchdringen, wie Yamas und Varunas die Bösewichter feßeln und strafen, wie Chandras die Menschen durch sein Erscheinen erfreuen: soll an Glanz dem Agnis gleichen und wie Prithivi die Unterthanen nähren und erquicken 164). Der Hof und Thron des Fürsten wird geradezu als sein Himmel betrachtet, wie ja auch die Perser das Königsgezelt nannten 165), und daher heißt er in Anreden, wie bei den Hebräern, schlechthin Deva, Gott 166). Schon hieraus erhellt ungefähr, wie unumschränkt der Indische Monarch regieren mogte, denn wo nur die theokratische Constitution, nach welcher er durch Gottes Gnade gesalbt wurde, von ihm aufrecht erhalten und besonders Opfer und religiöse Pflichten erfüllt werden 167), da mag

162) Hitopades. p. 52. Edit. Lond.:

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Balo 'pi nâvamantavyo manushya iti bhùmipas:
Mahati devatà hyesha nararûpena tishthati,

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die Despotie am besten in Theokratien bestehen, weil die irdische Gottheit sogar die Gemüther beherrscht. Wie bei den Israeliten Jehova der Gemahl des Volkes und des Landes ist, so findet dieses Verhältniß noch specieller in Indien Statt: das Land ist die Jungfrau, welche der Fürst als Stellvertreter der Gottheit ehlichet; daher heißt es so oft im Epos, das Land werde durch den Tod des Königs zur Wittwe werden, oder bei der Krönung einen neuen Gemahl erhalten 165), und darum ist es dem Reiche ein Fluch, daß es Gattin von Vielen (bahubhâryâ) werde 169). Das Land der Priester dagegen wird als des Königes Schwester angesehen, die er nicht ehlichen, noch auch, wie es eine schlaue Priesterinschrift durch ein doppelsinniges Wort ausdrückt, mit Abgaben belegen dürfe (Karagrahyâ, bedeutet Ehe und Abgabe) 17o). Weil es endlich noch in den Vedas von der Gottheit heißt, sie lenke die Welt, wie der Steuermann das Schiff 171), so fin= det sich auch wol das Bild, daß ein Land bei dem Tode des Regenten ohne Steuermann sey (akarnadhârâ prithivî) 172), und nach allen diesen Principien läßt sich die Frage beantworten, wie der König, nach den Berichten der Griechen, Alleinbefizer des Grundeigenthums genannt werden könne 173). Keinesweges ist dieses, wie Einige behauptet haben, ein Mißverständniß der griechischen Beobachter, sondern selbst im Geseze begründet, und Jaimini, der in der Purva Mimansa auf Landeigenthum zu reden kommt, modificirt die gesetzliche Bestimmung der Fürst sey Herr des Bodens, ausgenommen der priesterlichen Ländereien, dahin, daß dieser Besitz, der durch Sieg oder Erbschaft erlangt worden, nur die Macht zu

168) Râmây. II. 65, 27. 78, 11: bhavatu avidhavâ bhûmis samogrâ patinâ tvayà.

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169) Ràmây. I, 31, 26. Vergl. Theil I. S. 252.

170) Asiat. Res. IX. p. 423.

171) S. die Stelle in Carey Sanscrit Grammar p. 893.

172) Râmây. II, 66, 17. Hitopades. p. 71. Edit. Lond. Yadi na syânnarapatis samyanne tâ tatas prajàs Akarnadharo jaladhau viplaveteha naur iva.

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