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Dagegen der 1. Abschnitt, dessen Hülfe bei der Lectüre der alten Historiker am häufigsten in Anspruch genommen werden muss, ist sehr dürftig ausgefallen und sowohl in vielen Specialitäten höchst unvollständig als auch im Allgemeinen, indem man manche nicht unwichtige Materien ganz vermisst, z. E. die mehrfachen Bedeutungen von vexillarii und accensi, die cohortes vigilum, die Reihenfolge und das Avancement der verschiedenen Chargirten und Officiere von unten auf u. s. w. Wenn aber

das Buch seinen Zweck erreichen sollte, ein Hülfsbuch bei der Lectüre zu sein, so bedurfte es eines gründlicheren Eindringens, denn mit allgemeinen Umrissen und Grundzügen ist dem Schüler nichts gedient, wenn er über schwierige Stellen des Livius und Tacitus Auskunft sucht. Vorzüglich fehlt es in diesem Abschnitt an selbstständigem Quellenstudium (wie die unter den Beweisund Belegstellen getroffene Auswahl zeigt), so wie an der Benutzung der neuen philologischen Litteratur, z. E. von Mommsen, Lange, Schneider, welche den Verf. auf Vieles hätten aufmerksam machen können. Was die Periodisirung betrifft, so hat der Verf. die älteste phalangitische von der mittleren Manipularund von der späteren Cohortenstellung richtig getrennt, aber es wird nicht ganz klar, warum die Manipularperiode in zwei Theile zerlegt ist, da es der Verf. versäumt hat, der 3. Periode eine allgemeine Charakteristik vorauszuschicken, was er bei den andern Epochen gethan hat. Auch ist in den gegebenen Resultaten die Trennung der Zeiten nicht sorgfältig genug betrachtet, was allerdings sehr schwierig war. Besser wäre gewesen, der Verf, hätte zuerst alle Zeitalter der Heeresordnungen und dann erst die Aushebung, Eintheilung, Bundesgenossen, Befehlshaber u. s. w., was bei ihm in der 3. Periode eingeschaltet ist, als Haupttheil für sich eben so wie die Belohnungen, Strafen und Entlassung behandelt und bei dieser Gelegenheit die Hauptverschiedenheiten der Zeiten berührt.

Um unser ungünstiges Urtheil über den 1. Abschnitt zu belegen, folgen einige Bemerkungen. S. 2 wird gesagt: nur die 5 ersten Classen seien zum Kriegsdienst verpflichtet gewesen, u. S. 7: um möglichst viele Bürger zum Kriegsdienst heranzuziehen, habe man den Census der 5. Classe immer mehr erniedrigt. Die erste Behauptung gilt nur von der ältesten Einrichtung, nach welcher alle unter 11000 Asses Stehenden (die 6. Classe) immunes militia waren, und ist nicht einmal unbedingt richtig, indem die accensi velati von jeher aus der 6. Classe ausgehoben wurden. Im 5. Jahrh. der Stadt änderte sich dieses Verhältniss dahin, dass man in der 6. Classe die wohlhabenderen Proletarier von den ganz armen schied, und von jetzt an waren nur die unter 1500 Asses vom Dienst frei, während diejenigen von 11000-4000 in die Legionen genommen und die von 4000-1500 Asses zur Flotte gezogen wurden. Der Census

der 5. Classe aber ist niemals herabgesetzt worden. Das Nähere ist nachzulesen bei Mommsen, die röm. Tribus S. 113 ff. 135 f. Pauly Realencycl. VI. S. 94 f. 2428 u. 8. w. S. 5 f. ist Liv. VIII. 8 äusserst flüchtig behandelt und die kritischen Schwierigkeiten dieses eben so schweren als wichtigen Capitels sind nicht mehr beachtet als die verschiedenen Behandlungsweisen desselben. Es ist gar nicht erwähnt, dass die Triarii nur 600 Mann zählten, was nothwendig war, indem der der Sache nicht ganz Kundige sonst auf eine grössere Zahl schliessen muss; nicht erwähnt der Unterschied zwischen ordo und manipulus, sondern beides identisch genommen (obgleich er S. 9 den ordo als Halbmanipel anführt), nicht erwähnt die Zahl der Legion und erst durch Nachrechnen ergiebt sich, dass R. 5180 M. annahm, nämlich 1045 hastati, 1045 principes, 300 leves neben den Hastaten, 2790 Triarii, Rorarii und Accensi. Wenn wir nun 2090 hastati und principes nebst den 600 triarii (als feste Zahl) zusammenrechnen und von der Totalsumme der Legion abziehen, so bleiben 2490 für die Leichtbewaffneten (leves, ror., acc.) übrig, was jedenfalls eine viel zu grosse Zahl ist, so dass wir annehmen müssen, Livius selbst habe sich die Zahlenverhältnisse nicht richtig gedacht. Dieses ist um so wahrscheinlicher, da Polyb. bei einer Legion von 4200 M. (1200 hast., 1200 princ., 600 triar.) nur 1200 Leichtbewaffnete angiebt. Der Verf. hat aber weder an diesen auffallenden Umstand gedacht, noch an den Widerspruch, in den er mit sich selbst geräth (nämlich dass er in der 2. Periode die Normallegion auf 5200 M., in der 3. Periode aber auf 4200 M. berechnet, dass er S. 5 bei einem Manipel von 60 M. 2 Centurionen und 1 Vexillarius annimmt und S. 9 dasselbe bei einem Manipel von 120 M. thut), oder an den zwischen Livius und Polybius, welcher zu erklären und zu beseitigen war. Ich verweise darüber der Kürze wegen auf Zeitschr. für d. Alterthumswiss. 1846. Nr. 128.

S. 8 war zu bemerken, dass die Aushebung tribusweise u. zwar in einer durch das Loos zu bestimmenden Reihenfolge geschah; S. 12 war nicht allgemein zu sagen, dass die Legaten von dem Feldherrn im Auftrage des Senats ernannt worden wären (s. Pauly IV. p. 853); S. 13 ist über optio allzu kurz und unbefriedigend gehandelt. Ganz oberflächlich und ungenügend, sogar ohne alle Unterscheidung der Zeiten werden S. 19 f. die Signa besprochen, desgleichen das Stipendium S. 20, wo die Verhältnisse bis auf die punischen Kriege gar nicht erwähnt sind. S. 20 f. wird bei dem Proviant nur die Getreidelieferung erwähnt, ohne zu erinnern, dass die Vertheilung monatlich zwei Mal geschah und dass die Soldaten statt dessen später Brod und Zwieback empfingen. Der luxuriösen Verpflegung der Soldaten in der Kaiserzeit ist mit keiner Silbe gedacht. Bei den Strafen S. 43 fehlen die Hauptursachen des fustuarium und die

Strafe der censio hastaria gänzlich. Die körperliche Züchtigung wurde nicht blos mit der vitis vollzogen, sondern auch virgis, nämlich an den Bundesgenossen, Liv. ep. LVII. Plut. C. Gracch. 9. Eben daselbst ist die missio sehr ungenügend entwickelt. Die weit gründlichere Schrift von Lange, hist. mut. rei mil. R. gehört in den 2. Artikel, weil sie erst mit des Marius Zeit beginnt und sowohl das Seewesen als die Städtebelagerung

ausschliesst.

Was endlich die Privat alterthümer betrifft, welche Alles das umfassen, was die Sitten, Gewohnheiten und Gebräuche des häuslichen oder überhaupt alltäglichen Lebens anlangt, so ist diese Disciplin bis in die neueste Zeit sehr vernachlässigt worden und hat in den antiquarischen Handbüchern immer nur eine beiläufige, oder auf einzelne Theile beschränkte Behandlung gefunden. Ueber manche Partien derselben existiren eine Menge älterer Monographien (z. E. von Balduinus, Bartholinus, Bulenger, Castalius, Ciacconius, Ferrarius, Kirchmann, Pignorius, Rubenius u. A.), welche als Materialiensammlung zum Theil noch gebraucht werden, wenn sie auch sowohl den Stoff der verschiedenen Völker und Zeiten chaotisch durcheinander werfen, als durch Geschmacklosigkeit und Mangel an Kritik den Leser abschrecken. In neuerer Zeit hat Böttiger durch einige Beiträge sich bleibende Verdienste erworben und die beiden Wüstemann gaben werthvolle Beiträge zu Mazois Palast des Scaurus, eben so Bähr zu Creuzer's Antiquitäten, allein Alles blieb doch vereinzelt und manche Materien blieben ganz unberücksichtigt. Der Erste, welcher diese Studien in ihrer Gesammtheit wieder aufnahm, war der schon oben mit Ehren genannte W. A. Becker, dessen Gallus oder Röm. Scenen aus der Zeit August's in 2 Bänden Leipzig bei F. Fleischer 1838 erschien. Obwohl darin Vieles unvollständig, Anderes unrichtig bearbeitet war, so documentirte doch Becker durch dieses Buch seinen Beruf für diese Studien auf das glänzendste und gab in Folge seiner grossen Belesenheit und eigenen gründlichen Forschungen eine Reihe neuer zum Theil überraschender Aufschlüsse und vielfache Belehrung in geschmackvoller Form. Bereitwillig wurde dieses Verdienst anerkannt, z. E. von Bähr in den Heidelb. Jahrbb. 1838. S. 818 ff., von Walz im Kunstblatt 1838, Decemb., von Jacob in diesen Jahrbb. VIII. 23. 4. p. 441-461, von Hertzberg in Hall. Jahrbb. 1839. Nr. 287

289 u. A. In England erschienen 3 Uebersetzungen (von Murray und Bentley) und obwohl die letzte Uebersetzung von Fred. Metcalf erst 1844 herausgegeben worden war, so erfuhr doch auch die neue von mir bearbeitete Ausgabe unmittelbar nach ihrer Vollendung ebenfalls eine englische Uebersetzung, ein Zeichen, dass das Buch in England einen wenigstens dreimal stärkeren Absatz gefunden hat als in seiner Heimath.

N. Jahrb. f. Phil. u. Päd, od. Krit. Bibl. Bd. LXIII, Hft. 1,

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C. Th. Schuch's Privatalterthümer, oder wissenschaftliches, religiöses und häusliches Leben der Römer. Ein Lehrund Handbuch für Studirende und Alterthumsfreunde. Karlsruhe, Groos, 1842. XII u. 759 S. Diese Schrift macht auf wesentlich neue Leistungen keinen Anspruch, sondern ist durch Vereinigung des aus verschiedenen grösseren und kleineren Werken sehr oft wörtlich entlehnten Materials entstanden. Buch I. enthält die Beschreibung der Stadt Rom, der Stadtwohnungen und Villen, mit häuslicher Einrichtung, Erwärmung und Beleuchtung S. 1-43 und ist vorzüglich aus Platner-Bunsen's Beschreibung der Stadt Rom, so wie aus Becker's Gallus hervorgegangen. Buch II. Freie Künste als Bildungs- und Erziehungskünste der Menschheit, S. 44-290, behandelt im 1. Abschnitt Geburtsfestlichkeit, Namen, Erziehung, Unterricht, Gymnastik (nach Cramer), im 2. Abschn. Litteratur, Geschmack, Lebensansicht, Sitten in 7 Perioden, nebst einem Anhang über den moralischen Zustand und Leben der Römer bis zum Sturze des Reichs, im 3. Abschnitt Kunstgeschichte (grossentheils aus Schlosser's Universalgeschichte entlehnt). Buch III. Religionswesen, S. 291-532 (nach Creuzer, Hartung, Haupt, Klausen, Merkel gearbeitet). Buch IV. Arbeiten, besonders der Sklaven und niedern Classen, S. 533-607, nämlich 1) Zustand der Sklaven und Freigelassenen (aus Becker's Gallus); 2) Gewerbe und Handel; 3) Landwirthschaft und ländliche Beschäftigungen. Buch V. Geschmack, Luxus und Leben der vornehmen Welt, 1) Kleider und Putz; 2) Bäder; 3) Gaumengenüsse und Schlemmerei (fast ausschliesslich aus Becker's Gallus genommen); 4) Volksschauspiele. Den Schluss bilden 3 kleine Excurse über Uhren und Tageseintheilung, Brief, Schreibmaterial, Bücher, Buchhandel und Censur (ebenfalls nach Becker) nebst einem höchst vollständigen Register. Im Ganzen ist der grosse Fleiss und die Umsicht des Verf. sowohl in der Auswahl des Stoffes, als in der Auswahl der richtigsten Ansicht lobend anzuerkennen. Die Darstellungsform ist äusserst kurz, nicht selten auf Kosten der Deutlichkeit, zuweilen sogar hart und abgebrochen, was der Verf., wie er selbst erklärt, wohl wusste, aber nicht ändern wollte, um Raum zu gewinnen. Eine specielle Beurtheilung ist aus doppeltem Grunde nicht zulässig, theils weil man genau genommen nicht den Verf., sondern viele Andere, aus deren Schriften derselbe schöpfte, beurtheilen würde, theils weil auch bei wichtigen Controversen die Gründe nicht angegeben sind, wesshalb der Verf. dieser oder einer andern Meinung den Vorzug gab, so dass man ihm auch zuweilen Unrecht thun könnte. Offenbare Irrthümer sind im Verhältniss zu der reichen Masse des gegebenen Materials wenig vorhanden, z. E. vestibulo adstabant bei Virgil bezeichne: sie standen nach dem Vestibulum

zu, cavum aedium und atrium sei bei Varro gleichbedeutend, Schornsteine wären den Alten unbekannt gewesen, der rex sacrorum sei in den Centuriatcomitien gewählt worden, die Centuriatcomitien hätten das Wahl- und Ernennungsrecht der pontifices gehabt u. dergl.

Doch will ich nicht näher darauf eingehen, sondern nur das Eine noch erinnern, dass der Verf den Umfang der häuslichen Alterthümer zu weit ausgedehnt und vieles Ungehörige

wenn auch an sich Gute und Interessante in deren Kreis aufgenommen hat. So zunächst die im Buch II. enthaltene Entwickelung der Wissenschaft und Kunst, denn wenn auch der Einzelne in Bezug auf sich daran Theil nahm, so ist doch die geschichtliche und kritische Darlegung der wissenschaftlichen u. künstlerischen Bestrebungen der Römer, wie sie hier versucht wird, nicht ein Theil der Privatalterthümer, sondern sie gehört in die Litteratur- und Kunstgeschichte. Eben so wenig ist die Religion mit den Privatalterthümern zu vermengen, denn das Dogma, ein Erzeugniss mehrerer Jahrhunderte und Stämme, hat gar keinen Zusammenhang mit dem Leben des Einzelnen, und die Religionsalterthümer gehören entweder zu den Staatsalterthümern oder bilden eine besondere Abtheilung der Antiquitäten. Der Verf. hat sogar die Abschnitte über die Ehe und die Leichenfeierlichkeiten zur Religion gezogen, was ganz zu missbilligen ist. Wenn auch die Ehe unter dem Schutze der Götter stand, so gehört sie damit doch nicht zur Religion, denn sonst würde aus jenem Grunde Ackerbau, Krieg, kurz fast alle Zweige des römischen Lebens zur Religion gezogen werden können. Was ferner die im Buch IV. mit aufgenommene Gewerbkunde (d. h. die Art, wie Handel, Gewerbe, Ackerbau getrieben wurden) betrifft, so bildet dieselbe einen besonderen Theil der Gesammtalterthümer. Jeder Bürger hat nämlich nicht blos in Beziehung auf Verfassung und Recht Antheil am Staat wie der Verf, anzunehmen scheint, sondern er gehört auch vermöge seines Berufs oder seiner Beschäftigung einer bestimmten Classe von Staatsbürgern an, und diese Beschäftigung steht in keiner unmittelbaren Beziehung zu seiner Person, was daraus hervorgeht, dass er sie aufgeben oder vertauschen kann (so z. E. auch wenn er sich den Staatsämtern oder dem Kriege gewidmet hatte), ohne dass sein Privatleben dadurch anders würde.

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Ueberhaupt ist die von dem Verf. gewählte Anordnung und Eintheilung keine glückliche zu nennen. Allerdings ist eine streng systematische Anordnung der Privatalterthümer, wie sie bei den Staatsalterthümern nothwendig ist, nicht einmal möglich. Doch ergeben sich gewisse Hauptgesichtspunkte, unter die sich das Einzelne ordnet und zweckmässig gruppirt, wie ich kurz zeigen will, Der 1. Theil begreift das wechselseitige Verhältniss der Personen, welche die Familie ausmachen oder sich

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