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VIII.

Die Einführung des Stempelpapieres.

Die jest in so vielen europäischen Staaten herrschende Sitte der Regierungen, bei Vollziehung von Urkunden über gerichtliche oder außergerichtliche Handlungen u. f. w. ihren Unterthanen die Anwendung von Papier zur Pflicht zu machen, welches mit dem landesherrlichen Stempel bezeich= net ist, verdankt ihren wahren Ursprung dem Wunsche geldbedürftiger Fürsten, außer den Domainen Einkünften, Regalien, Grundsteuern, Personal - Abgaben und gewöhnlichen Consumtions - Steuern noch andere Zuschüsse zu den täglich zunehmenden Staatshaushaltungs- Kosten in den Gang zu bringen, die zu Folge ihrer Erhebung in dem Augenblicke, wo die interessirten Parteien ohnedieß den Beutel zu öffnen genöthigt waren, weit geringern Widerwillen im Publicum befürchten durften, als manche andere Leistung. Denn der bei dieser Gelegenheit häufig gebrauchte Vorwand, daß man den betreffenden Geschäften durch die dafür vorgeschriebene Verwendung landesherrlich gestempelten Papiers eine größere juristische Geltung verleihen wollen, war eben nichts weiter, als ein Vorwand, um auch hierbei den Anschein landesväterlicher Fürsorge zu retten.

Ob nun gleich außergewöhnliche Geldbedürfnisse bei den Regenten nicht eben zu den neuen Erscheinungen in der Geschichte gehören, so ist doch das Daseyn der, durch die

Einführung von Stempelpapier motivirten, indirecten Abgabe in keine sehr frühe Zeit zu sehen. Denn die Behauptung des Franzosen Basville (in f. Mémoires pour servir à l'histoire de Languedoc [Amsterdam oder vielmehr Marfeille 1734. 8.]), daß schon Kaiser Justinian im Jahre 537 n. Chr. das Stempelpapier eingeführt habe, ist nur in einem gewissen Sinne wahr. Die beiden justinianeischen Geseze nämlich, auf die sich Basville in dieser Rücksicht beruft (Nov. 23 u. Nov. 44.), sprechen nur das Verlangen aus, daß die Gerichtsschreiber die, Documente blos auf folches Papier schreiben sollen, welchem oben zu Anfang der Name des Finanz-Intendanten und die Zeit der Verfertigung des Papiers aufgedruckt worden, und zwar allein in der Absicht, daß alle Verwechselung und Verfälschung solcher Gerichts- Acten desto besser verhindert werde. Es lag also bei diesem römischen Stempelpapiere die Ursache der Stempelung wirklich zu Grunde, welche man in neuerer Zeit erdichteter Weise in den Vorgrund geschoben hat, dagegen aber hatte Justinian eine Finanzspeculation mit diesem Papier nicht im Sinne, während dieß jest der einzige wahre Grund seiner Anwendung ist.

Der landesherrliche Stempel, welcher nach der wechseln= den Wichtigkeit des Gegenstandes verschiedene Beträge an= giebt, dient gegenwärtig in der That nur zur Quittung darüber, daß die hierauf gebauete Steuer wirklich erlegt worden, und wenn man zuweilen nichts desto weniger behauptet hat, daß auch jest eine Garantie für die Gültigs keit der auf solches Papier geschriebenen Documente u. f. w. sich herausstelle, so ist dieß blos in so weit gegründet, als der Verbrauch gestempelten Papiers auch dann nicht unbedingt Jedermann gestattet ist, wenn die Zahlung dafür bereitwillig angeboten wird.

Fällt demnach der Unterschied zwischen dem römischjustinianeischen Stempelpapier und dem jeht üblichen von selbst in die Augen, so können wir höchstens annehmen, daß die justinianeische Vorschrift den Finanzbeamten der neueren Zeit einen Fingerzeig zur Einführung dieser Art von Verbrauchssteuer dargeboten habe.

Fragen wir aber, wo zuerst eine dergleichen Abgabe Eingang gefunden, so verweist uns die Finanzgeschichte sofort auf die vereinigten Staaten von Holland. Denn

als ohngefähr im Jahre 1620 die Stände der Provinz Holland öffentlich demjenigen eine Belohnung zugesagt hatten, welcher eine neue Steuer angeben würde, die den Einwohnern unschädlich, und dennoch dem Staate vortheilhaft wåre, so verfiel ein Beamter in Holland, dessen Name aber der Nachwelt nicht aufbewahrt worden ist, auf den Gedanken, den Stempel-Impost (de Impost van bezegelde briefen) als bestes Auskunftsmittel vorzuschlagen: und diese Idee ward auch sofort gebilligt und realisirt. Denn am 13. August 1624 erging eine Verordnung, wodurch unter lebhafter Anpreifung der Nothwendigkeit und Zweckmäßigkeit der neuen Steuer, welche angeblich zur Ver= minderung unnöthiger Processe dienen sollte“, dieselbe für die Provinz Holland in den Gang gesezt ward.

Höchst wahrscheinlich erkannte man sie bald als eins träglich; denn vierzig Jahre später war sie auch schon in den spanischen Niederlanden gebräuchlich, und von da ging fie in kurzem nach Frankreich über. In Deutschland aber erwarb sich Sachsen den zweideutigen Ruhm, diese neue Finanzquelle zuerst eröffnet zu haben; denn hier ward der Stempel-Impost schon durch ein Mandat vom 22. März 1682 eingeführt, und Brandenburg folgte noch in demselben Jahre unter dem 15. Juli diesem Beispiel; wor= Gesch. d. Erfind. 3. Bd.

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auf die meisten übrigen deutschen Staaten allmählig dasselbe thaten.

In sofern als eine indirecte Erschwerung mancher, zum eignen Vortheil der Partheien gerichtlich vorzunehmenden Verhandlungen, Willens - Erklärungen u. f. w. aus dem Zwange hervorging, dazu besonders zu bezahlendes Stempelpapier zu verwenden, konnte man den Stempel - Impost allerdings der Unzweckmäßigkeit anklagen. Indessen läßt sich namentlich zur Vertheidigung der deutschen Regierungen, welche diese Auflage in ihrem Gebiete einführten, mancher besondere Grund geltend machen. Einer der wichtigsten ist aus dem herkömmlichen Zustande der damaligen deutschen Steuerfreiheit abzuleiten, und hängt genau mit der åltesten_deutschen Steuer - Verfassung überhaupt zusam= men. Bekanntlich war in den ersten Zeiten der Landeshoheit jeder deutsche Reichsstand mit so reichlichen KammerGütern und Kammer - Gefällen ausgestattet, und hatte bei der Einfachheit der damaligen socialen und politischen Verhältnisse so wenige Ausgaben zu bestreiten, daß es gar nicht nöthig war, außer den Gülten, Zinsen und andern GrundErträgnissen, und einigen von Zeit zu Zeit bei außerordentlichen Fällen bittweise geforderten Abgaben den so= genannten Landbeeden noch andere Geldbeiträge von den Unterthanen zu verlangen; auch wurden die zum Besten der deutschen Reichsverfassung zu leistenden allgemeinen „ReichsAnlagen" nicht von den Unterthanen aufgebracht, sondern von den Reichsstånden selbst aus dem Ertrage ihrer Kammergüter bestritten.

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Allein, von der Zeit an, wo es Gebrauch ward, stehende Kriegsheere zu errichten und zu besolden, während zugleich die allmählige Umgestaltung des Hoflebens und der Gerichts

Verfassung größeren Aufwand mit sich brachte, reichte der Ertrag der, ohnedieß durch Schenkungen u. s. w. sich mehr und mehr verkleinernden Kammergüter so wenig zu, daß diese vielmehr sich tief verschuldeten. Da aus diesem lehtern. Umstande für die Fürsten selbst große Unbequemlichkeiten entsprangen, so wurden mit Anfang des sechszehnten Jahrhunderts in allen deutschen Ländern die Landstände von ihren Landesherren angegangen, die Bezahlung jener Schulden zu übernehmen; und um dieß nun zu bewerkstelligen, verwilligten die Stände gewisse Steuern, welche theils auf liegende Grundstücke, theils auf den Befih von Vieh, theils auf den Erwerb durch Handlung und Handthierung gelegt wurden; jedoch in jedem Falle nur auf eine gewisse Zeit von drei oder mehreren Jahren, und gegen einen vom Landesherrn ausgestellten Revers, daß diese Auflage blos freiwillig übernommen worden sey, und zur bestimmten Zeit wieder aufhören werde.

Indessen steigerten sich die theils wirklichen, theils eingebildeten Staatsbedürfnisse bald so, daß theils die Dauer dieser Auflagen verlängert, theils der noch mangelnde Betrag durch neu erdachte Steuern herbei gefchafft werden mußte. Da jedoch die Landstände fast immer nur ungern ihre Bewilligung hierzu gaben, und ihnen ohnedieß die frůheren fürstlichen Reverse zur Seite standen, so waren die Regierungen um so mehr veranlaßt, zu diesem Behuf nicht sowohl die Zahl und den Betrag der directen, von den betreffenden Personen unbedingt zu erhebenden Abgaben zu vermehren, als vielmehr sogenannte indirecte Steuern einzuführen, die blos für den Fall und nach der Quantität und Qualität des Verbrauchs gewisser Lebensbedürfnisse zur Erhebung kamen; weil diese lehtern Abgaben eben deshalb stets weniger drückend schienen, obwohl sie es späterhin

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