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Die späteren Versuche zur Herstellung eines wissen= schaftlich genauen Universal - Thermometers blieben alle auf die früheren Entdeckungen gestüht; und selbst bei Verferti= gung der sogenannten Metall- Thermometer und der Pyrometer, die man zur Abmessung der höheren Hiß-Grade bestimmte, um sich ihrer beim Schmelzungs - Proceß u. s. w. zu bedienen, wurde meistens die Fahrenheit'sche Gradation angewendet.

XI.

Die Einführung der chemischen Weinprobe.

Nach dem übereinstimmenden Zeugnisse großer Chemiker und Aerzte ist kaum irgend eine andere Verfälschung so gefährlich für die menschliche Gesundheit, als die des Weis nes, jenes edeln, wohlthätig stärkenden Naturgetrånks, dem keine andere Flüssigkeit an belebendem Geiste gleichkommt. Gleichwohl ist diese Verfälschung schon seit uralten Zeiten gangbar, und wird noch immer mit der schamlosesten Dreistigkeit geübt.

Freilich könnte man meinen, die Menschen hätten von selbst davor zurückschrecken sollen, eine so edle Naturgabe zu verpfuschen, welche Vater Noah wahrlich nicht in der Absicht zuerst genußbar machte, daß sich der Erfindungsgeist seiner Nachkommen systematisch an ihrer Vergiftung üben follte: allein die Gewinnsucht unseres Geschlechts hat schon von uralten Zeiten her eine viel zu eigennütige Richtung genommen, als daß sie sich ernstlich an den Vorwurf eines solchen Verbrechens an der Menschheit hätte kehren sollen, sobald sie einmal durch das stets auf Vortheil lauernde Ge= treibe des Gewerbslebens in lebhafteren Umschwung gefeßt worden war.

Daß diese Verfälschung sich nicht nur stets erhalten, sondern auch im Fortgang der Zeit immer wieder neue

Kräfte erwerben konnte, ist größtentheils den sich immer mehr erweiternden Fortschritten der Chemie zuzuschreiben, die es so wenig, wie irgend eine andere Kunst oder Wissenschaft verhindern konnte, daß man mit ihren Grundsägen und Erfahrungen Mißbrauch trieb, während dieselben doch ursprünglich nur zum Wohl, und nicht zum Verderben der Menschheit gesammelt, geordnet, in übersichtlichen Zusammenhang gebracht, und dann der praktischen Anwendung anheim gegeben worden waren.

Gerade deshalb jedoch, weil sich bei der Weinverfälschung ein höchst verderblicher Mißbrauch der Chemie kund gab, mußten ehrenwerthe Priester dieser Wissenschaft, denen Alles daran lag, die moralische Würde der leztern auch in den Augen des großen, nach dem Scheine urtheilenden Publicums zu retten, eifrig darauf Bedacht nehmen, durch Entdeckung von Gegenmitteln gegen jene Verfälschung sich ein Verdienst um die Chemie zu erwerben, indem sie diese Gegenmittel ganz aus derselben wissenschaftlichen Quelle entlehnten.

Wie ihnen dieß durch Herstellung von verschiedenen Gattungen der chemischen Weinprobe gelang, wollen wir kürzlich erörtern. Allein es wird dieß nur dann mit Deutlichkeit geschehen können, wenn wir zuvor den Entwickelungsgang des uralten Verbrechens der Wein- Verfälschung von der Zeit an, wo sich zuerst historisch beglaubigte Thatsachen über dessen Existenz vorfinden, bis zu seiner Gestaltung in der Gegenwart, etwas näher beaugenscheinigt haben.

Bekanntlich entsteht aus dem Most oder ausgepreßten Safte der Trauben der Wein durch den ersten Grad der Gährung. Allein kaum ist er entstanden, so nähert er sich auch schon dem zweiten Grade dieser Veränderung,

welche man die faure Gährung nennt. Alsdann verliert der Wein das Geistige, und statt desselben entwickelt sich in ihm eine Säure, wodurch er untrinkbar, und überhaupt weniger brauchbar wird.

Aufhalten kann die Kunst den Fortgang der Gährung durch eine sorgfältige Abwartung und Pflege der Weinmasse; allein sie auf immer verhindern, oder ihre schon eingetretenen Wirkungen vertilgen, kann sie nicht; denn das Gefeß der Vergänglichkeit irdischer Stoffe ist ein Naturgesek, und leidet also keine Ausnahmen.

Gleichwohl hat man durch Mißbrauch der Chemie ein betrügerisches Mittel aufgefunden, die Säure des verderbenden Weins unmerklich zu machen, und unkundigen Leuten versüßten Essig statt des Weins zu verkaufen.

Gabe es kein anderes Mittel der Verfüßung, als Zucker und Honig, so würde vielleicht der Weinverfälscher nur die Strafe dessen verdienen, welcher Tombak für Gold verkauft. Da aber zuckerartige Säfte dem Weine nur im ers sten Anfange der Säuerung, und auch alsdann nur in sehr geringer Menge beigemischt werden können, indem sie außerdem den Betrug durch füßsäuerlichen Geschmack verrathen, und das Verderbniß, welches man zurückhalten will, beschleunigen, so hat der raffinirende Eifer der Weinverfälscher auf ein anderes Auskunftsmittel denken müssen.

Sie haben eine Verfüßung erfunden, welche den Be= trug weit sichernder, allein zugleich für die Gesundheit dessen, der diese Flüssigkeit genießen will, unendlich schädlicher ist, als die Anwendung jener Zuckerstoffe, und der Gebrauch dieses Mittels sollte, eben wegen seiner großen Nachtheile für die Gesundheit, dem Weinverfälscher von Rechts wegen die Strafe der Giftmischerei zuziehen.

Es ist dieses Mittel der sogenannte Bleizucker. Blei und Bleikalke lösen sich in der Säure, welche den Wein verdirbt, auf, geben ihm einen, an sich nicht unange= nehmen, zuckerartigen Geschmack, keine neue, wenigstens keine verdächtige Farbe, und halten die Gährung oder Fäulung der Masse auf, allein sie verursachen, auch bei nicht sehr häufigem Genusse, nur zu leicht den Tod des Trinkers, welcher Tod durch heftige Koliken, Verstopfungen und ähn liche Uebel sich im Voraus anmeldet.

Mehrere Naturkundige sind der Meinung, man habe schon in sehr alten Zeiten gewußt, daß herber Wein durch Blei sich mildern, und wider Säure bewahren lasse, wäh= rend man damals noch unbekannt damit gewesen, daß er dadurch zugleich vergiftet werde: es sey also anfangs dem Wein noch im guten Glauben ein Blei-Zusaß gegeben wor= den; und als man widrige Folgen davon empfunden, habe man deren Grund nicht in diesem Metalle, sondern in andern Dingen gesucht, bis endlich durch genauere Beobach= tungen die wahre Ursache der Vergiftung aufgefunden worden, und für alle wohldenkenden Wein-Bereiter die Verpflich= tung entstanden sey, sich jedes Blei-Zusages sorgfältig zu enthalten: während raffinirende Betrüger durch die oben bemerkten, zum Verdecken einer solchen Täuschung sehr gut dienlichen Eigenschaften des Bleies und Bleikalkes um so mehr bewogen worden, bei ihren Wein-Verfälschungen gerade diesen Zusak vorzugsweise anzuwenden.

Um jedoch das allmählige Fortschreiten dieser Verfälschungen genau zu übersehen, müssen wir uns zuvor die in alter Zeit übliche Art der Wein - Bereitung vor Augen stellen.

Die Griechen und Römer pflegten den Most bis auf die Hälfte, oder wenigstens um den dritten oder vierten Theil einzukochen; hauptsächlich, um geringhaltige Weine Gesch. d. Erfind. Bd. 3.

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