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Fortschreitungen gleichzeitig angegebener, verschiedenartiger Tône zu mäßigen.

Lesteres, worauf sich bekanntlich das Grundgeseg der Harmonie stüßt, wurde durch die allmählige Vervollkommnung der Orgel vorzugsweise erleichtert; und gewiß würde die Kunst des Contrapunctes oder die harmo= nische Durchführung mehrerer verschiedenartiger Stimmen niemals erfunden worden seyn, wenn nicht die Orgel - Be= gleitung zum kirchlichen Gesang hierbei einen so wesentlichen Anhalt dargeboten hätte.

So wie übrigens der lebhafte Wunsch der Geistlichkeit, dem Gottesdienst eine immer feierlichere Ausstattung zu ge= ben, namentlich in Italien, dem alten Hauptsize des Clerus, die weitere Vervollkommnung der Gesangskunst hervorrief, so war eben hier auch der erste Schauplah für die Entfaltung der Figural- Musik, welche zulegt außerhalb der Kirchen an der Einführung der Opern-Darstellun gen eine so große Stüße fand. Ja sogar diese lehtern selbst erhielten in Italien ihr Dasein; und zwar vorzugsweise in Venedig, wo bereits im Jahre 1624 eine Oper aufgeführt ward.

Die Kirchengesange eines Allegri, Orlando da Lasso, Pergolese und anderer großen Meister der frühern Zeit wurden freilich durch den zunehmenden Geschmack an der, einem ungeübten Ohre schmeichelnden Figural - Musik mehr und mehr in den Hintergrund zurück gedrängt, und Blasund Saiten - Instrumente von der mannichfaltigsten Erfindung gaben der neuern Musik einen so durchaus weltlichen Charakter, daß sogar der Kirchenstyl sich mit Opernpuk auszuschmücken begann, weil von der großen Menge Zustimmung und Beifall nur dann zu erwarten war, wenn sie mehr gereizt als gerührt ward.

Indessen machte sich doch in unverbildeten Gemüthern immer wieder von Neuem die Ueberzeugung geltend, daß man die weltliche Musik von der kirchlichen stets ge= trennt halten müsse, wenn man nicht an der moralischen Kraft der Tonkunst sich auf das Nachtheiligste versündigen wolle. Solche Männer fühlten sehr gut, daß die Aufgabe der weltlichen Musik, den Zuhörer wohlt huend anzuregen, eine ganz andere sey, als die Bestimmung der kirchlichen Tonkunst, Rührung und Begeisterung über die zu gemeinsamer And a cht versammelte Menge zu verbreiten. Gleichzeitig aber empfanden sie auch, daß es stets unstatthaft sey, einen Reiz des Tones anzuwenden, der nicht in die eben vorliegende musikalische Idee eingreife, und nicht die innere Empfindung berühre, welche gerade jezt in den Zuhörern geweckt werden solle; kurz, daß es ganz etwas Anderes sey, mit fremden Gefühlen coquettiren, als sie verständig leiten *).

Nur, wenn man sich auf diesen Standpunkt stellt, vermag man den höchst verschiedenartigen geistigen Richtungen im Reiche der Tonkunst wahre Gerechtigkeit ange= deihen zu lassen; nur dann bleibt man von jener so häufig vorkommenden Einseitigkeit fern, die nur einen Geschmack im Gebiete der Musik gelten und bestehen lassen will, und eben dadurch es deutlich zeigt, daß sie den wahren Werth und Umfang der Tonkunst nicht begriffen, und das inhalt

*) Vergl. die hierher gehörigen trefflichen Bemerkungen von F. B. Littmann, in dessen geistreichem Werke über die Schönheit und die Kunst, Berlin 1841. 8., G. 582. u. ff. Auch das, was daselbst S. 589. u. ff. über das wahre Verhältniß zwischen Melodie und Harmonie gesagt ist, verdient die größte Aufmerksamkeit.

schwere geistige Gesammt- Gewicht der Leistungen dieser Kunst unerkannt gelassen hat!*)

*) Außer I. N. Forkel's allgemeiner Geschichte der Musik, Leipz. 1788-1801. 4., 2 Bde., sind bei gegenwärtigem Auffag auch die trefflichen Bemerkungen zur Geschichte der Tonkunst be rücksichtigt worden, die in Chr. F. D. Schubart's viel zu wenig bekannten Ideen zu einer Aesthetik der Tonkunst" (Wien 1806. 8.) vorkommen, da deren Verfasser als Musikkenner und praktischer Tonkünstler nicht weniger ausgezeichnet war, wie als Dichter.

XXXIII.

Die allmählige Verbreitung der Eisenbahnen.

Im Allgemeinen ist zwar bereits in dem Auffage über Dampfmaschinen und ihre Anwendung, oben S. 32. u. ff. dieses Bandes, von den Dampfwagen-Fahrten auf Eisenbahnen die Rede gewesen, indessen scheint es wegen der, gegenwärtig überall auftauchenden neuen Eisenbahn-Anlagen nicht unangemessen, unserer Geschichte der denkwürdig sten Erfindungen auch noch eine besondere Erläuterung über die Art und Weise beizufügen, wie das so einflußreiche Institut der Eisenbahnen während eines Verlaufs von kaum zehn Jahren so hohe praktische Bedeutsamkeit errungen, so viele schlafende Kräfte geweckt und die innere Verbindung unter den einzelnen Staaten von Mittel-Europa auf eine überraschend durchgreifende Weise sicher gestellt hat.

Schon in dem vorbemerkten Auffage wurde S. 4. u. f. erwähnt, daß die erste Grund- Idee zur technischen Verwendung der Dampfkraft höchst wahrscheinlich in dem Kopfe eines sächsischen Bergmannes aufgetaucht sey, welcher um die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts nach der Ausfage eines gleichzeitigen Schriftstellers damit umgegangen sey, Wasser durch Feuer zu heben. Unbemerkt jedoch blieb daselbst, daß auch die Eisenbahnen selbst in einem frei

lich ursprünglich sehr kleinen Maaßstabe ihre Anwendung zuerst in den deutschen Bergwerken gefunden. Gleichwohl ist die Sache selbst außer Zweifel. Denn in den horizontalen Stolln Zügen der Erzgruben auf dem Harz hat man schon vor mehrern Jahrhunderten die Erz-Karren oder sogenannten Hunde so eingerichtet, daß die Råder derselben auf zwei parallel liegenden festen Stangen von Holz fort bewegt wurden, um dadurch die Fortbewegung selbst den damit beschäftigten, oft noch sehr kleinen Knaben möglichst zu erleichtern, und so im Innern des Baues Erz und Gestein ohne Anstoß fördern lassen zu können. Auch ging diese an sich sehr einfache Einrichtung späterhin aus dem Harz in andere deutsche Berg - Reviere über.

Indessen blieb die Anwendung im Großen dem Erfindungsgeiste der Engländer vorbehalten; ja selbst diese, welche doch schon um die Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts in ihren Kohlenwerken zu Newkastle Erzkarren von der vorerwähnten Einrichtung besaßen, geriethen nicht eher, als in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts_auf_den Gedanken, statt der ursprünglich untergelegten Holzståbe wirkliche gußeiserne Unterlagen anzuwenden; und da der erste Versuch mißlang, weil man noch nicht erfahren genug war, um den Druck der fortzubewegenden Last durch deren Bertheilung auf viele hinter einander laufende kleine Wagen thunlichst zu erleichtern, so blieb die Sache liegen, bis zum Jahre 1768, wo zuerst in jenen Kohlenwerken eine Fahrbahn von gegossenen Eisenschienen zu Stande gebracht ward.

Man sette diese als Fahr-Gleis dienenden Schienen ursprünglich aus gußeisernen Ståben von vier Fuß Länge zusammen, welche man auf Unterlagen von Stein oder Holz möglichst sicher zu befestigen bemüht war. Dabei war an=

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