Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

dern auch in Frankreich, in der Schweiz, in Dänemark und Rußland, in Ost- und West-Indien, und sogar in Hayti und in Australien die Rede ist, niemals vergessen, daß der große Mangel an guten Unterrichts-Anstalten gewöh licher Art in allen diesen Ländern der raschen Verbreitung des durch schnelle Wirkungen und eine wohlfeile Einrichtung sich gleich stark empfehlenden Lancaster-Systems den meisten Vorschub leistete: während auf der andern Seite im Laufe der Zeit selbst sehr bereitwillige Bewunderer der neuen Erfindung es allmählig haben eingestehen müssen, daß alle fich dabei entfaltende Anlernungs- Geschicklichkeit doch für das Entbehren des lebendigen Vortrags beim Lehrer, und für den Mangel an einer, von ihm ausstrómenden, erregenden, bildenden freien Kraft der Rede wahren ausreichenden Erfah nicht zu gewähren vermöge.

[ocr errors][merged small]

Wie bekannt, bezeichnet das französische Wort Qua= rantaine ursprünglich einen Inbegriff von vierzig Stück. Im engern Sinne wird jedoch darunter jezt meistens eine Anzahl von vierzig Tagen verstanden, welche für diejenigen Menschen und Schiffe als Prüfungs-Termin festgestellt ist, die entweder wirklich oder vermuthlicher Weise aus einem, mit der Pest oder andern ansteckenden Seuchen behafteten Lande kommen. Sobald man eine solche Vermuthung_im Bezug auf anlangende Schiffe und Menschen hegt, müssen dieselben in einiger Entfernung vom Landungshafen, abge= sondert vom gewöhnlichen Verkehr, in eigends dazu einge= richteten Häusern jene Frist abwarten, ehe man sie an das Land gehen, oder ihre Reise weiter fortseßen läßt, damit man vorher in Erfahrung bringe, ob sie wirklich frei von Ansteckungs-Stoff sind.

So sehr auch die Aerzte noch immer über die Art und Weise unter einander in Streit liegen, wie man den Uebergang ansteckender Krankheitsstoffe von einer Person oder Sache auf die andere nach Verschiedenheit der Fälle für bedingt oder unbedingt erfolgend anzusehen habe, so wenig herrscht doch darüber Zweifel, daß namentlich der

eigentliche Peststoff sich blizschnell überall hin mittheile, und daß daher Absperrung des beste Mittel sei, seine verheerenden Wirkungen zu hemmen.

In früherer Zeit war man noch viel weiter davon entfernt, sich über die Heilsamkeit dieser Maaßregel ein Bedenken zu machen; daher darf man sich auch nicht wundern, daß die zu diesem Behuf eingerichteten. Quarantaine; Häuser mit der Zeit einer immer sorgfältigeren, medicinischen und wohlfahrtspolizeilichen Leitung untergeordnet wurden, nachdem sie einmal in's Daseyn gerufen worden.

Wann und wo man aber diese Anstalten zuerst be= gründet, liegt immer noch einigermaßen im Dunkel.

Allerdings ist man darüber so ziemlich einig, daß die eigentliche Pest nur aus dem Oriente nach Europa komme, und dieser Umstand kann als ein wesentlicher Fingerzeig da für dienen, daß bei dem so zeitig stattgefundenen Verkehr der italianischen Seehäfen mit dem Oriente überhaupt und der Levante insbesondere, eben in diesen Häfen auch zuerst die Nothwendigkeit empfunden worden, den schreckensvollen Wirkungen jener Seuche durch fest geordnete Absperrungs-Maaßregeln einen sichern Damm entgegenzustellen. Allein ganz entscheidend ist diese Thatsache doch nicht. Denn es kommen hierbei stets mehrere italianische Häfen gleichzeitig in Frage, so lange wir nicht bestimmt wissen, aus welchem Theile des Orients oder der Levante wohl zu= erst und vorzugsweise die Pest nach Italien übergeführt zu werden pflegte; und die Unsicherheit wird um so größer, wenn wir in Erwägung ziehen, daß im Orient fast jedes Bolk den Ursprung der Pest einem Nachbar-Volke zutheilt, nnd also deren Entstehung im eignen Lande nicht anerken nen will; so daß z. B. die Türken Aegypten als das

Stammland der Pest ansehen, während die Aegyptier fie aus Aethiopien ableiten *).

Indessen machen es die bisher darüber angestellten Nachforschungen wenigstens höchst wahrscheinlich, daß die Ve= netianer sich zuerst das Verdienst um die Menschheit erwarben, Quarantaine - Häufer anzulegen. Sie hatten dazu um so mehr Veranlassung, da sie mit den Türken in vielfacher nachbarlicher Berührung standen, und also von diesen das böse Gastgeschenk der Pest am schnellsten und häufigsten bekamen. Und wirklich findet man auch angegeben, daß die erste Quarantaine-Prüfung bereits im Jahre 1484 zu Venedig vorgenommen worden; nachdem im Jahre 1478 die Pest viele Verwüstungen daselbst angerichtet, und die Einsehung eines besondern Gesundheitsraths herbeigeführt hatte **). Die Mitglieder dieses Collegiums bekamen die befondere Aufsicht über die in der Nähe von Venedig angelegten Lazarethe, wo alle, aus verdächtigen Gegenden kommenden Personen und Sachen eine gefeßlich bestimmte Průfungs-Frist aushalten, und die Schiffe, welche hiervon dispensirt seyn wollten, ihre mitgebrachten Gesundheitsscheine

*) Obwohl eine ganz bestimmte Entscheidung über das Ur: sprungstand der Pest noch immer zu suspendiren seyn dürfte, so scheint es doch fast, als habe man Aethiopien wirklich für deren Vaterland anzusehen. Denn schon die Schriftsteller des Alter= thums, wie z. B. Thucydides de Bello Pelop. II. 47-54., Evagrius Hist. Eccles. IV. 29. und Procopius de Bello Persico II. 22. erkennen fast übereinstimmend diese Thatsache an.

**) Statt des Jahres 1484 wird von einigen Schriftstellern auch das Jahr 1448 als Entstehungsjahr des Quarantaine-Haufes zu Venedig angegeben; allein mit Rücksicht auf die Pest von 1478 scheint die oben bemerkte Jahrzahl 1484 mehr historischen Grund für sich zu haben.

vorzeigen mußten. Die beiden Inseln, auf welchen diese Lazareth- und Pesthäuser errichtet worden, bekamen von daher selbst die Namen: il Lazaretto vecchio und il Lazaretto nuovo. Ob man in diesen Anstalten gleich anfangs, wie nachher anderwärts, die Prüfungszeit zu vierzig Tagen angefeßt, oder nicht, ist zweifelhaft; daß man aber diese Frist nicht aus besondern medicinischen Gründen erwählt haben könne, ist schon von mehreren Aerzten bemerkt worden, welche ausdrücklich daran erinnert haben, daß weder der Verlauf der Pestkrankheit, noch die Natur der Unsteckungsweise auf eine eigenthümliche Veranlassung zu jenem Gebrauch hinführe. Am natürlichsten ist daher die Vermuthung, daß man diese Zeitfrist nur deshalb gewählt, weil man schon durch die kirchlichen Fasten daran gewöhnt war, einen Belauf von vierzig Tagen als Termin der Enthaltung zu betrachten. Denn es war ja bei der Pest-Qua= rantaine auch von Enthaltung die Rede, obwohl dieselbe zunächst nur den geselligen Verkehr, das gewöhnliche Thun und Treiben des Geschäftslebens u. f. w. betraf*)

Obwohl die Sitte, Quarantaine-Häuser für Pest-Seuchen zu errichten, von Venedig allmählig nicht nur nach Genua und Livorno, sondern auch nach Marseille und andern Seehäfen sich verbreitete, so würde doch diese Einrichtung höchst wahrscheinlich bis auf die neueste Zeit ganz so mangelhaft geblieben seyn, wie sie im Anfang war, wenn nicht im Laufe des vorigen Jahrhunderts der berühmte Howard fich derselben mit seiner gewöhnlichen menschenfreundlichen Thätigkeit angenommen, und ihrer Verbesserung einen ganz

*) Vergl. Beckmann's Beitr. zur Gesch. der Erfind., Bd. II. 6. 581.

« VorigeDoorgaan »