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neuen Impuls gegeben hätte. Man hat demnach diesem unermüdlichen Menschenfreunde auch für diesen Fortschritt Dank abzustatten. Der Anlaß dazu war folgender:

Als im Jahre 1773 Howard zum Sherif oder Ge= richts-Aufseher der Grafschaft Bedford erwählt worden war, hielt er es für Pflicht, sich auch um die Gefängnisse seines Districtes zu bekümmern. Bald entdeckte er eine Menge Ungebührnisse und Scenen des Elends in diesen Anstalten, und brachte sie öffentlich zur Sprache, während er zugleich Verbesserungs-Vorschläge that. In Folge derselben ward er im März 1774 ehrenvoll vor das Unterhaus des Parlaments geladen, und empfing nicht nur dessen Dank dafür, daß er sich der leidenden Menschheit mit Rath und That so kraftig angenommen, sondern sah sich auch damit beauftragt, noch nähere Nachrichten über das englische Gefängnißwesen einzufammeln, und dann specielle Anträge zur Vervollkommnung dieses wichtigen Zweiges der WohlfahrtsPolizei zu stellen; während gleichzeitig zwei Parlaments= Bills über die von den losgesprochenen Gefangenen zu zahlenden Gebühren, und über die Erhaltung des GesundheitsZustandes der Gefangenen erlassen wurden. Eifrigst be= müht, dem ihm bewiesenen Vertrauen zu entsprechen, machte jest Howard dieses Gegenstandes wegen wiederholte Rei= sen durch ganz England, Wallis, Schottland und Irland, so wie nachher durch das übrige Europa, und schrieb 1777 sein erstes klassisches Werk hierüber *).

*) Das Original, welches unter dem Titel: The State of the prisons in England and Wales; with preliminary observations, and an account of some foreign prisons, by John Howard, im Jahre 1777 zu Warrington auf 489 S. gr. 4. mit Kupfern erschien, wurde abgekürzt mit der Aufschrift_ver=

In der zweiten Ausgabe desselben äußerte er den Wunsch, daß ein künftiger Reifender Pläne von den Quarantaineoder Pesthäusern (Lazaretto's) zu Livorno, Ancona u. f. w. liefern möchte, da von den daselbst wider die an= steckendste aller Krankheiten bestehenden Einrichtungen viele nüzliche Verwahrungs- Regeln wider die Ausbreitung jeder ansteckenden Krankheit würden entnommen werden können. Dieser Wunsch blieb indessen unerfüllt, und eben darum fand sich Howald nach einigen Jahren selbst veranlaßt, auch für diesen Zweck eine Reise zu unternehmen. Dieß geschah in dem Zeitraum vom November 1785 bis zum Februar 1787. Er besuchte die wichtigsten QuarantaineAnstalten in Frankreich und Italien, ging hierauf nach Smyrna und Konstantinopel, um die genauesten Nachrichten über die Pest einzuziehen, nahm unterwegs überall die Gefängnisse und Hospitåler mit in Augenschein, besichtigte dann die Gefängniß-Anstalten seines eignen Vaterlandes von Neuem, um die unterdessen hierbei eingetretenen Verände= rungen kennen zu lernen, und legte sodann die Haupt-Refultate seiner oft höchst mühsamen, ja selbst lebensgefähr= lichen Nachforschungen in seiner berühmten Schrift über die Pest-Häuser von Europa nieder *).

deutscht: Ueber Gefängnisse und Zuchthäuser. Ein Auszug aus dem Englischen des Howard; mit Zufägen und Anmerkungen von Köster, Leipzig 1780. 8."

*) Das Original erschien unter dem Titel: An Account of the principal Lazarettos in Europe; with various papers relative to the plague: together with further observations on some foreign prisons and hospitals; and additional remarks on the present state of those in Great-Britain and Ireland, by John

Hier nun sprach er sich unter andern über die Einrichtungen in den Quarantaine-Häusern zur Marseille, Genua, Spezzia, Livorno, Neapel, Malta, Messina, Zante, Korfu, Smyrna und Venedig mit dem einsichtsvollsten Beobachtungsgeiste aus, lobte, was zu loben war, tadelte aber auch gar manche verkehrte Einrichtung, und konnte sein Urtheil darüber mit desto größerem Nachdruck abgeben, da er überall mit eignen Augen sah, und daher freiwillig zu Venedig selbst einer sehr strengen Quarantaine sich unterwarf, um die hier befindliche älteste Anstalt dieser Art ganz ge= nau kennen zu lernen. Er giebt in seinem Werke eine sehr specielle Beschreibung davon. Die Verwaltung war, während er sich 1785 dort aufhielt, in einem sehr vernach= lässigten Zustande. Der entseßliche Schmuß in seinem mit Ungeziefer belasteten Quarantaine-Zimmer zog ihm, obwohl er dieses Local anderthalb Tage lang hatte scheuern lassen, eine Art von Kopfschmerz zu, welche er später in mehreren andern Pesthäusern, so wie in einigen türkischen Hospitalern empfand. Als er hierauf ein anderes, eben so unreines Zimmer erhielt, ließ er die mit bösen Dünsten geschwängerten Wände, die vielleicht während eines halben Jahrhun derts nicht geweißt worden waren, wiederholt mit kochendem Wasser abwaschen; und als dieß Alles nichts half, der Geruch nicht weichen wollte, Howard's Appetit sich verlor, und er sich selbst in Gefahr erblickte, vom schleichenden Kerkerfieber ergriffen zu werden, wählte er ein Rettungsmittel von sehr heroischer Natur: er ließ nämlich sein Zim

Howard. Warrington and London 1787. 4. auf 36 Bogen sehr splendid gedruckt, und mit 22 saubern Kupferstichen ausges stattet.

mer sofort mit Kalk weißen, welcher in kochendem Wasser eingerührt worden war; und obwohl eben höchst regnerisches November-Wetter herrschte, so wagte es howard doch, bereits am Nachmittag desselben Tages Thee in diesem Zimmer zu trinken, und die darauf folgende Nacht darin zu schlafen. Das Wagstück war gelungen: schon am andern Tage zeigte sich das Zimmer trocken und angenehm; und zum allgemeinen Erstaunen der übrigen Bewohner des Hauses verschaffte Howard auf diese Art mit einem sehr ge= ringen Aufwande sich und seinen Nachfolgern statt eines schmuhigen und ansteckenden Zimmers einen ganz gefunden, freundlichen Aufenthalt. Seitdem erklärte er sich aber auch immer auf das Stärkste gegen die allgemein verbreitete Unsicht, daß das Weißen die Zimmer feucht und dunstig mache, und sagte geradezu, dieß sey eben so vernünftig, als wie wenn man beschmußten Personen das Waschen verwehren wolle, damit sie sich nicht erkälten möchten.

Obwohl nun Howard an einigen andern Orten und namentlich zu Triest, weit bessere Quarantaine-Einrichtungen traf, als zu Venedig, so bot ihm doch die Mehr= zahl dieser Institute gerechten Grund zum Tadel dar. Denn die meisten sahen wie Gefängnisse aus, zeigten Bewohner mit blassen, traurigen Gesichtern, und waren mit frischen Gråbern umgeben. Howard schlug zu möglichster Entfernung dieser Mißstände vor, man solle den Bewohnern der Quarantaine-Häuser, neben andern nüglichen Veranstaltungen, auch einen angenehmen Anblick verschaffen, und daher diese Häuser im Mittelpunkte eines großen ovalen Grasplages anlegen, überhaupt aber jede Gelegenheit benußen, eine möglichst freundliche Stimmung in den quarantainepflichtigen Personen hervor zu rufen. Rücksichtlich der Unsteckungskraft der Pest sprach er die Ueberzeugung aus, daß Gesch. d. Erfind. Bd. 3.

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die Pest nicht allgemein durch Berührung mitgetheilt werde, so wenig wie das Kerker-Fieber oder die Pocken, sondern daß das Einathmen der faulen Ausdünstung, die um den inficirten Gegenstand schwebe, und wodurch leicht den die ganze Blutmasse in Gährung versezt werde Haupt-Grund der Pest-Ansteckung enthalte. Er berief sich auf seine darüber angestellten Beobachtungen, um es an= schaulich zu machen, daß es vorzüglich das Einathmen diefer faulen Ausdünstung sey, wodurch bei ihrer schnellen Fortpflanzung durch jede Materie, welche einen starken Geruch weiter verbreitet, so oft sie von Ort zu Ort transpor= tirt wird, wie Wolle, Baumwolle, Tabak u. f. w. der Grundstoff zur Blutfäulniß mitunter so schnell eingesogen werde, daß Fäulniß, Auflösung und Tod binnen acht und vierzig Stunden erfolge. Auch wies er darauf hin, daß der Ansteckungsstoff sich nicht weit abwärts von dem inficirten Gegenstande in der Luft ausbreite, sondern diesen lehtern vielmehr hauptsächlich der Windseite gegenüber umschwebe; und eben deshalb trat er in offener Luft ohne Bedenken nach dem Windstrich zu einem Pestkranken nahe, und befühlte dessen Puls. Ueberdieß machte er die Beobachtung, daß, wenn der Leichnam eines an der Pest Gestorbenen erkaltet sey, alle schädlichen Ausdünstungen davon aufhörten; was wohl am natürlichsten aus der mit der Erkaltung verbundenen Blutstockung zu erklären ist. Als die sichersten Vorkehrungsmittel gegen die Pest hatte Howard gute Nahrungsmittel und geräumige Wohnungen erkannt, und knüpfte daran die Bemerkung, daß eben deshalb in der Levante die Europäer weit weniger angesteckt würden, als die Türken, Griechen und Juden, und daß anderwärts sogar die Protestanten weniger in Gefahr wären, als die Katholiken, weil lettere aus ihren vielen Fastenspeisen, und namentlich aus dem

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