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tragen; und diese Verschiedenheit gereicht ihr zum Vortheil, da fie die Einförmigkeit aufhebt. Ueberall offen hat sie weder Mauern noch Thore. Man sagt, Lissabon liege auf sieben Hügeln, was man den Portugiesen nachspricht, welche die Stadt gern mit Rom vergleichen, wiewohl die Lage dieser mit jener gar keine Aehnlichkeit hat, und man eben so leicht deren mehr wie weniger aufzählen kann. Rom liegt auf einer ebenen hier und da zu niedrigen Hügeln aufschwellenden Fläche, aber Lissabon steigt hoch vom Berge zu einem Flusse hernieder, der einem Meer oder Landsee gleicht, und was ist die Tiber dagegen? Schau einmal hin, du siehst auf dem Boden Lissabons nicht eigentliche Berge, sondern den steilen Abhang oder Abfall der von der Serra de Cintra sich zu dem Strome herabsenkenden Hochebene; und jener hat sich, da er hier und da eingesunken ist, in einzelne Höhen zertheilt, die mehr oder weniger scharf hervortreten. Wenn man von der Seeseite her sich der Stadt nähert, so gelangt man zuerst an die Vorstädte Belem, Junqueira *) und Alcántara, welche sich über die erste bedeutende Höhe erstrecken, und diese reicht bis zu dem breiten tiefen Thale, das ungefähr die Mitte der ganzen Stadt einnimmt. Darauf folgt weiter östlich der Festungsberg mit dem Fort St. Georgio, und nach diesem eine dritte große Anhöhe, welche den östlichen Theil der Stadt trägt. So erhalten wir drei Höhen, von welchen der Festungsberg am schroffsten auftritt, und in der Mitte ein ansehnliches Thal. Dies ist im Allgemeinen die Physiognomie der Stadt.

Der Platz, an welchem wir bei unserer Landung zuerst den portugiesischen Boden betraten, und der die Praça do Commercio d. i. Handelsplatz, genannt wird, erstreckt sich vom

*) Junqueira spr. Dschunkë-t-ra.

Tejo in das mittlere Thal hinein; er liegt also niedrig und ist mit seiner weiten ebenen schönen Fläche gewiß einer der größten Plätze, die man in Städten sieht, und möchte an Größe nur von dem Petersplatze in Rom übertroffen werden; denn er ist größer, als der ansehnliche Friedrichsplatz in Kassel. Und da an zwei Seiten besondere Straßen mit demselben verbunden sind, die sich durch das Pflaster als solche kenntlich machen, indem jener mit festem Kies belegt ist, so wächst, wenn man diese dazunimmt, die Größe des Platzes um ein Bedeutendes. Die Seite am Strome ist offen, die drei übrigen werden von öffentlichen Gebäuden umgeben, die von gefälliger Form und gelblicher Farbe, in der Nähe des Flusses mit einer Art Pavillons enden. In der Mitte dieses weiten Platzes erhebt sich die kolossale Reiterstatue Josephs I. von Erz auf hohem Marmor Fundament, dessen Seiten mit hervortretenden die Unterdrückung der Knechtschaft darstellenden Figuren geziert find, das Denkmal des Königs, unter welchem der kluge und thätige, aber meistens zu rasch zugreifende Minister Pombal die Portugiesen aus ihrem Schlummer zu wecken strebte.

Von der Praça do Commercio laufen drei Straßen aus, drei prachtvolle Straßen, die schönsten in ganz Lissabon, und ziehen, die eine durch einen stattlichen Triumpfbogen, in grader Linie in das mittlere Thal hinein, also auf ebenem Boden; fie heißen Rua de prata Silberstraße, Rua augusta Prachtstraße, und Rua aurea Goldstraße. In anderen Städten giebt es zwar viele breitere, aber gewiß wenige prächtigere als diese; und daß sie nicht übermäßig breit sind, vermehrt eben ihre Schönheit, weil nun die eine Seite der andern ihre Glanzstrahlen mittheilt, und der sie Durchwandernde den Schmuck beider Seiten zugleich überschauen kann. Längs der Gebäude laufen breite Plattenwege hin, und die großen, hohen, hellen

Häuser, theils von einer Art Marmor erbaut, theils an den Wänden mit weißen porzellanartigen Fließen belegt, die mit mancherlei Bildern von blauer Farbe gezeichnet sind, haben oben schmale grüne Gallerien, was sich hübsch außnimmt. Ihre Pracht erhalten sie aber hauptsächlich durch die glänzenden Stoffe und die vielen Gold- und Silbersachen, welche in den Kaufläden und an den Fenstern in solcher Menge zur Schau ausstehen, daß sie den ähnlichen Vorrath am Sankt Markus-Platze in Venedig weit überbieten; denn die Portugiesinnen lieben solchen Schmuck außerordentlich, und Mägde und Kinder der geringsten Klasse müssen-damit behangen und ausgeputzt seyn.

Verfolgen wir nun diese Prachtstraßen bis an ihr Ende, so gelangen wir alsbald an einen zweiten großen Platz, welcher Praça do Rocio *) heißt. Er ist fast eben so lang wie der vorher genannte, aber nur 90 Schritt breit, so daß er ein längliches Viereck bildet; und der Boden ist mosaikartig aus schwarzen und weißen Steinchen zu Wellenbändern zusammengesetzt, welche sich durch die Breite des Platzes schlängeln, indem immer ein schwarzes mit einem weißen Felde nicht nur der Breite, sondern auch der Länge nach wechselt, so daß ein recht buntes und munteres Wellenspiel daselbst zu Tage gefördert ist. Ferner sind diese schwarzen und weißen Felder an den beiden schmalen Seiten des Platzes mit fortlaufenden Zahlen numerirt. Zu welchem Zwecke eigentlich? kann ich nicht fagen, vielleicht um bei nothwendig werdenden Ausbesserungen die schadhafte Stelle um so leichter bezeichnen zu können; allein die erfindungsreichen Lustwandeler benutzen diese Einrichtung gar sinnreich, um sich dort ohne Mühe zu treffen; denn

*) In Rocio ist das i lang zu sprechen.

es spricht der eine zu dem andern: ich gehe diesen Abend nach Rocio und werde auf Nr. 5 spatzieren, und der andere findet nach dieser Zahl sogleich Freund oder Freundin. Von den diesen Platz umgebenden Häusern, die alle von gleicher Höhe sind, ist das bedeutendste das Theatergebäude, welches an der nach dem Innern der Stadt hin gelegenen kürzeren Seite steht, von weißem Marmor, mit einem Portal von sechs jonischen Säulen.

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Wenn wir von dem Rocio Platze noch weiter in dem Thale fortgehen, so kommen wir nach dem Passeio publico *) oder der öffentlichen Promenade. Wir treten hier in einen schönen großen grünenden und blühenden Garten oder in ein Bosket, das in Gestalt eines länglichen Vierecks, von einem eisernen Gitter eingefaßt, so groß wie die beiden vorhin genannten Plätze zusammen genommen seyn mag. Es ist keine Promenade gleich den elhseischen Feldern in Paris, auch nicht wie das Boulogner Hölzchen daselbst, noch auch wie der Hyde oder Regents-Park in London und auch nicht wie der Prater in Wien und nicht wie der Thiergarten in Berlin, und nicht wie die Gärten zu Wörlitz und Schwetzingen und Muskau, sondern ein Lustgarten im eigentlichen Sinne des Wortes, der so anmuthig und lieblich da liegt und so höchst geschmackvoll eingerichtet ist, daß er den Augen eine wahre Lust bereitet, und daß die Füße darin wandeln, als würden sie von den Flügelschuhen des Götterboten Hermes fortbewegt. Sehen wir nur die Wege an, wie gefällig und mannichfach gestaltet ziehen sie dahin, bald grade, bald schön gebogen, wel lenförmig, schlangenartig, immer wechselnd, immer neu! Hier gießt eine Fontäne ihr klares Waffer in ein Baffin, es ist

*) Passeio spr. Passé-i-o.

Trinkwasser, siehe da stehen die Schalen bereit; und dort die vollen Rosen und hier die vielfarbigen Nelken, und da der schön gerundete Rasenplatz mit der anlockenden Baumgruppe, und hier die lange Wand der weit duftenden Rosmaringehänge, und dann die prächtig blühenden Oleander und die wie Gardisten in Reihe und Glied paradierenden Stockrosen, Alles so reizend hingestellt und geordnet, und nun die Drangenund Citronenbäume, mit Blumenbeeten und Gebüsche wechselnd, und die Hängeweide, eine andere als die unsrige, die einzeln oder in Reihen oder gruppenweise ihre Zweige mit den eigenthümlichen gefiederten Blättern und gelblichen Blüthen so höflich zu Boden senkt. Es giebt großartigere, kunstreicher angelegte, mit seltenern Blumen, Sträuchern und Bäumen prangende Gärten; aber ich habe weder in Deutschland noch England, noch Italien, noch Frankreich einen so geschmackvoll angelegten Promenadengarten gesehn, wie den Passeio publico. Hier sehen wir das rechte Maaß, Einheit mit Mannichfaltigkeit gepaart, eine wahre Schönheit, die uns wie ein Apoll von Belvedere, wie die Madonna von Rafael mit unendlichem Wohlgefallen erfüllt.

Noch ein Platz ist in dortiger Gegend, aber von ganz anderem Angesicht. Wir erkennen sogleich, daß wir den Gemüsemarkt vor uns haben. Er trägt den sonderbaren Namen Figueira, d. h. Feigenbaum, vermuthlich weil früher, ehe der Markt dort gehalten wurde, ein solcher daselbst stand und merkwürdig genug war, um ihn als Orientirungspunkt zu bes nutzen, wie ähnlicher Weise einst eine Vorstadt von Konstantinopel "Feigenbaum“ hieß, und wie es auch eine Stadt Figueira in Portugal an der Mündung des Mondego, eine Stadt Birnbaum im Regierungsbezirk von Posen, die berühmten Wallfahrtsörter Nußbaum bei Wien und hei

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