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Australlandern, wo der Ocean die mannichfachsten Inselgruppen vielmehr verknåpst als scheidet, und das naturgemäßeste Moment, das Verirren auf der See, in volle Anwendung kam.

Wir haben oben gezeigt, welch bedeutende Veränderungen die Erdoberfläche erlitten haben muß, seit der Mensch auf ihr gelebt haben kann und wahrscheinlich gelebt hat. Europa - und wir dürfen die Analogie auf alle Festlander übertragen - stellt sich uns im Anfang der sogenannten tertiåren Periode als ein großes Inselmeer dar, ungefähr wie jener südliche Archipelagus, wo heutzutage im Neuholländer, im Neuguineer, in den Bewohnern der Molukken, der Karolinen, Neuseelands, der Freundschafts-, der Gesellschaftsinseln 2c. die merkwürdigen Gegenstücke der geschlossenen Racen der Hauptcontinente leben. Verbreitete sich das Menschengeschlecht bereits, als alles Land noch so zerschlagen und aufgeschlossen war, so wird gleich die Uebersiedlung einzelner Stämme in entlegene Landstriche und über die Wohnsize anderer Völker hinaus, viel begreiflicher, als wenn man sie über die starre, ungeheure Erstreckung der Continente durch Wüsten und Wildnisse und feindliche Völker hindurchführen muß. Um nur Eines anzudeuten: durch in Fahrzeugen verschlagene Individuen konnte der Same der Menschheit fernhin getragen werden, und wenn so in Isolirung aus einfachen Wurzeln aufgewachsene Vilker, bei zusammenrückendem Land, ihren alten Stammgenossen wieder begegneten, so standen sie ihnen fremd, in specifischer Entwickelung gegenüber und hatten etwa nur halb verschollene Erinnerungen mit ihnen gemein, die bald vollends ganz verklangen.

Man sieht, so erklärte sich oft sehr befriedigend ein sehr schwieriges Moment: die auffallende Trennung, die hinsichtlich der Sprache und der Sitten zwischen körperlich sehr nahe vers wandten Völkern besteht, und ebenso das Vorkommen gänzlich versunkener, körperlich und geistig verzerrter Stämme dicht neben weit beweglicheren und entwickelteren. Jene waren in insularischer Isolirung verdumpft, vielleicht nur, weil der Zufall ihre verirrten Stammvåter der in Werkzeugen verkörperten geistigen Errungens schaft ihres Volks beraubt hatte und sie sich dieselben in der neuen Naturumgebung nicht oder nur unvollkommen schaffen konnten. Als ihre Wohnsitze mit andern Landstrichen durch geologische Pros zesse verschmolzen, und sie von rührigeren Stämmen, die den neuen

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Boden füllten, entdeckt wurden, waren sie längst so erstarrt, daß sie von ihren Nachbarn in keine Bewegung hineingerissen, daß sie von ihnen nur decimirt und in ihren Resten verachtet werden konnten. Wir führen ein Beispiel an, das schlagend scheint. Der elende Feuerländer in der Südspike von Amerika ist der unmittelbare Nachbar des riesigen Patagonen, der lediglich nichts mit ihm gemein hat als die allgemeinen Zuge amerikanischer Bildung. Wir haben aber oben, S. 223, gesehen, daß der Patagone sich jekt auf einem Boden bewegt, der vor nicht sehr langer Zeit Meeres grund gewesen seyn muß. Der Pescherah scheint somit in weiter Trennung vom festen Lande, vielleicht mit dem Anwohner der Beringsstraße am andern Pol Amerikas durch dieselbe Katastrophe, versunken zu seyn, während der Patagone mit der Ausbreitung des Landes von Norden her sein Nachbar wurde. Der Gedanke liegt nahe, zwischen Hottentotten und Buschmännern einerseits, und den höher stehenden afrikanischen Völkern anderseits ein ähns liches Verhältniß anzunehmen. Auf diese Weise können eigenthum liche Völkerbildungen mit ihrem Gebiet mitten in Continente ein gebettet worden seyn, wie die Seemuschelbanke im Rhein- und Donauthal. Einer der råthselhaftesten Punkte in der Anthropologie, eben jene unauflöslichen Völkerkrystalle in der bewegten Fluth des Lebens rings umher, würde hiedurch dem Verständniß nåher ges bracht, und überhaupt ein Anhaltspunkt gewonnen, um sich über das Rechenschaft zu geben, was fast überall die roheren Völker so seltsam trennt und verbündet.

In dieser Vorstellungsweise würde übrigens die Trennung der Völkerstamme keineswegs nur vom Moment des Verschlagens zur See abhängig gemacht. Wie wir gesehen haben, entsprachen den raschen, mächtigen Hebungen der Erdoberfläche eben so bedeutende Senkungen und Einstürzungen, und schon hiedurch mußten die Völker vielfältig abgeschnitten und auseinandergedrängt werden, um sich erst später wieder zu begegnen. Wenn die neuere Geos logie die Bildung des Landes als eine successive Hebung und Senkung in vertikaler Richtung begreift, so war nach unserer Annahme die Verbreitung des Menschengeschlechts in horizontaler Richtung ein Auseinanderschieben, so lange das Land noch vom Meer aufgeschlossen war oder sich accidentell wieder aufschloß, und ein Wiederzusammenrücken, als die Länder allmählig verschmolzen.

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Alles dies erklärte nun freilich höchstens die Verbreitung einer und derselben Race, ihre Zerschlagung in verschiedene Stämme und Volkerkreise; für die Racenbildung und die Verbreitung des ganzen Geschlechts von Einem Punkte aus wäre damit eben nicht viel gewonnen. Wir haben aber gesehen, daß das große Rath sel aus mehreren in einander geschachtelten besteht, sofern das Zerfallen Einer Hauptform in körperlich und geistig so verschiedene Völkergebilde am Ende nicht viel erklärlicher erscheint, als die Racen selbst; und es wäre vorläufig genug, wenn man über jenes Moment nach und nach mehr ins Reine käme.

Entsprache das, was wir hier skizzenhaft angedeutet, einigers maßen der Naturwahrheit, so verlangte eine solche Entwickelung des Menschengeschlechts im Raum, verknüpft mit der definitiven "Ausbildung des Landes, nur Ein Zugeständniß: Zeit, unendliche Zeit. Wir haben auch nicht entfernt einen Begriff davon, wie sich geologische Zeit zu historischer verhält, eben so wenig, welchen Bruchtheil vom Lebensalter der Menschheit die viertausend Jahre vorstellen, hinter denen für uns Alles in Nacht und Dunkel vers sinkt. Bei keinem abendländischen Volke reicht die Zeitrechnung über dreitausend Jahre hinauf; wir wissen nicht, ob es wahr ist, daß, um diese Zeit etwa, das gesammte Griechenland wegen eines geraubten Weibes zehn Jahre lang eine Stadt belagert hat. Die allerwenigsten Geschlechter in Europa vermögen ihre Stammbaume tausend Jahre hinaufzuführen, die Schweizer wissen nicht mehr zu sagen, ob vor wenigen Jahrhunderten ein Pfeilschuß ihnen die Freiheit überhaupt, und ob er sie ihnen ehrlich erworben, und wenn wir vom Beginn der christlichen Zeitrechnung sprechen, nennen wir in runder Zahl zweitausend Jahre, den Ausfall, der doch fünf Generationen und dreimal ein Menschenleben umfaßt, für nichts rechnend. Der Mensch hat wieder vergessen, was im Leben der Erde gestern und vorgestern war, und unter diesen Umständen sollte es ihm nicht schwer fallen, jeder Theorie, welche es nicht mit chronologischen, sondern mit geologischen Epochen zu thun hat, so viel Zeit zuzugestehen, als sie nur immer verlangt.

Håtten wir nicht Unrecht, so könnte freilich, außerhalb des Gebiets der eigentlich historischen Völker, die historische und an thropologische Untersuchung keinen Schritt machen, ohne daß der Geolog als Schanzgråber vorausginge und die Pfade ebnete. Man blickte damit in eine unabsehliche Perspektive der Forschung; aber sie durfte nicht entmuthigen. Zwar hat die gesammte Naturwissens schaft auf der bisher zurückgelegten Strecke häufig das Terrain Schritt vor Schritt erobern müssen; aber nicht selten ist auch das Locomotiv des allgemeinen Geistes durch die Expansionskraft des Genies unglaublich beflügelt und weithin über Abgründe geführt • worden.

H. H.

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Die Gesangbuchsreform.

Die in der Ausschrift dieser Zeilen bezeichnete Frage ist auf dem Gebiete des kirchlichen Lebens von vielen Seiten her gerade jekt lebhafter denn jemals angeregt, und wird von der Mehrzahl der jenigen, welche daran Theil nehmen, im Wesentlichen nach derselben Richtung hin besprochen. Darin erweiset sich offenbar nicht bloß ein allgemeines Interesse für den Gegenstand, sondern auch schon ein gleichartiges Bedürfniß in Beziehung auf denselben. Im Nors den nämlich und im Süden, zumal des protestantischen, Deutschlands sind im jüngsten Zeitraume theils neue Liedersammlungen für den kirchlichen Gebrauch hervorgegangen, unter welchen das Rheinlandische (1824), das Berliner (1829), das Lübecker (1832) auf der einen von der andern Seite das neue evangelische Gesangbuch des Großherzogthums Baden (1835), so wie ein israelitisches (1836) und das neue katholische (1837) im Königreich Württem berg Beachtung verdienen; theils werden Verbesserungen vorbereitet oder nachgesucht, wie in Westpreußen mit der neuen Auflage des Danziger Gesangbuches, in den deutschen Provinzen von Rußland, wo auf Anregen des vormaligen Professors Sartorius in Dorpat seit 1834 auf zwei Synoden der lutherischen Geistlichkeit von Liv land die Bearbeitung einer neuen kirchlichen Liedersammlung berathen worden ist; in Sachsen, wo die zunächstliegenden Bedürfnisse und Wünsche vornåmlich von dem Pastor Stier zu Frankleben in mehreren gehaltreichen Schristen vorgetragen sind; in Schwaben, wo sich die Geistlichkeit von Stuttgart im Jahr 1836 an die evangelische Landessynode von Württemberg mit der Bitte um eine

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