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Leiden und die anhaltende Winterstrenge ihm Lunge und Hals derartig angegriffen hatten, dass ihm anhaltendes Sprechen nicht möglich war'). So wird es auch erklärlich, dass er seit seiner Ende Dezember begonnenen ernsteren Kränklichkeit nicht so häufig hatte ins Museum gehen können, wie es sein Pflichteifer von ihm forderte, ebenso, dass noch immer nicht von der geplanten Umarbeitung des Katalogs die Rede sein konnte. Um so mehr bedauerte er nun, dem Louvre nicht mehr so nahe zu sein wie ehedem, als er diesen, sowie auch seinen Assistenten Dubois sozusagen zu Nachbarn gehabt hatte. Sein fleissiger Mitarbeiter vertrat ihn mit der gewohnten Zuverlässigkeit. Wann immer es sich um eine Auskunft im Louvre handelte, standen überdies Francesco Salvolini, der sich gut eingearbeitet hatte und der tägliche Gast seines Lehrers war, oder Salvador Cherubini zur Verfügung, welcher die treue Fürsorge, die er als „Adjutant" dem „General" einst erwiesen hatte, in diesen Tagen der Trauer freiwillig weiter übte.

Auch Nestor L'hôte, auf dessen wechselnde Neigungen die Hieroglyphen einen neuen Ansturm gemacht hatten und der in Mussestunden seine ägyptischen Skizzen ausführte - sein schönes Bild aus dem grossen Tempel von Karnak fand verdienten Beifall, sowie Lenormant nahmen häufig ihren Weg durch die Rue Favart, um dem Meister ihre Dienste anzubieten, wobei der Vorteil stets auf ihrer Seite blieb wegen der mannigfachen Belehrung und Anregung, die sie ungefordert von ihm empfingen.

Zu seiner Freude konnte das Transportschiff,,Louqsor," mit 125 Mann Besatzung und von Verninac de St. Maur befehligt, am 15. April den langen Weg endlich antreten, der es zunächst nach Rosette und nach Überwindung der dortigen Hindernisse) nilaufwärts bis an den Fuss der Anhöhe führen sollte, auf der sich die beiden an Frankreich gegebenen Obelisken von Luksor befanden. Momentan war

1) Lenormant zufolge konnte er am 18. März seine Denkschrift (Siehe Mém. der Inschr.-Ak. XV 1 p. 73 ff.) nicht selber zu Ende lesen.

2) Der Boghaz (die Reihe von Sandbänken, die den Fluss durchquert) ist nur für Schiffe mit weniger als 22 m Tiefgang ohne Gefahr zu passieren.

der heisse Wunsch im ,,Ägypter" aufgewallt, mitzufahren, Theben wiederzusehen und im Fayûm wie in Abydos das durch die Ungunst der Verhältnisse Versäumte nachzuholen. Wie er Lenormant mehrfach klagte, quälte ihn nämlich neuerdings die Idee, dass besonders das Fayûm ihm Wichtiges zu sagen hätte. Nicht zum wenigsten legte sein Arzt, Dr. Robert aus Grenoble, der ihn dorthin zu entführen wünschte, ein strenges Veto gegen die Rückkehr nach Ägypten ein. Aber Champollions Kampf gegen sich selber war ohnehin nur sehr kurz, wenn auch schmerzlich schwer gewesen, denn schnell erlangten der französische Patriot in ihm, der Konservator und der Professor der Ägyptologie wieder die Oberhand. Deshalb fuhr Verninac de St. Maur ohne ihn von Toulon ab, und der treue Mimaut, der ihn ,,wie sein Glück" erwartete und mit ihm graben wollte, musste sich zu trösten suchen.

Dass Figeac einst so manche Bearbeitungen ägyptischer Themata aus der Jünglingszeit seines Bruders, sowie bis zum Jahre 1821 hin, vor dem Untergang gerettet hatte, wusste ihm François nun herzlich Dank, denn er wollte gleichsam eine Revue abhalten über die Entwicklungsphasen seiner eigenen Forschungen. Die Rosettana trat naturgemäss in den Vordergrund hierbei, und das Memoire über das Numeralsystem bildete den vorläufigen Abschluss. Bei dieser systematischen Anordnung seiner Schriften, bei denen auch die von ihm vermerkten Erläuterungen von Autoren alter und neuer Zeit berücksichtigt wurden, half ihm Salvolini unermüdlich, so dass er einen so tiefen Einblick wie niemand sonst in alles erhielt, was der Meister gedacht und geschrieben hatte.

Zu dieser Zeit unterwarf Champollion Horapollos Schriften einer letzten Prüfung, denn er gedachte auf Grund des ersten Teiles der Hieroglyphica das akrologische System das noch immer nicht völlig aus der Luft geschafft war, vor seinem Auditorium anzugreifen und zu vernichten').

1),,Une leçon sur Horapollon. Prendre le 1 livre en entier. Lire chaque article et tracer les signes qui dans les monuments ont exactement la même valeur. Exposer le Goulianof et le Claproth et détruire l'acrologie par le texte même d' Horapollon."

Man wird sich erinnern, dass dieses System seine Entstehung mehr der Malice Klaproths als dem Scharfsinn Gulianoffs dankte.

An Rosellini, dessen Brief vom 6. Oktober 1830 ihn nachhaltig verstimmt hatte, schrieb er am 1. April 1831: „Die politischen Begebnisse und ihre Verwicklung werden Ihnen hinreichend mein Schweigen sowohl wie auch die Verzögerung erklärt haben, welche die Publikation der Resultate unserer wissenschaftlichen Expedition notgedrungen erleidet. Je weiter wir schreiten, desto weniger ruhig wird es. Vor allem haben wir aber Frieden nötig zum Gelingen. unseres Unternehmens, und die Sachlage nimmt noch keine Färbung an, die uns darauf zu rechnen erlaubte. Das ist entmutigend . . . Von den ersten Maitagen an werde ich am Collège de France die ägyptische Sprache zu gleicher Zeit unter ihren zwei Formen lehren, der koptischen, der hieroglyphischen und hieratischen . . . . . Sie müssten, falls es nicht Krieg gibt, Mai, Juni und Juli in Paris zubringen, sich von hieroglyphischen Prinzipien durchdringen lassen und zwischen uns alle Einzelheiten der Publikation . . . für den Fall regeln, dass der Moment der Herausgabe demnächst erschiene, was möglich ist, wenn der Friede sich festigt. Diese Arbeit wäre schon beendet, wenn Sie mir den von mir erbetenen Katalog Ihrer Zeichnungen geschickt hätten. Ich warte noch immer darauf. Es wäre nach jeder Richtung hin besser, ihn mir selber zu bringen. Mündlich verständigt man sich schneller und besser als brieflich. Ich würde zur Bearbeitung folgendes auf mich nehmen:

1. historische Denkmäler im engeren Sinn;

2. das Personal der Götter und Göttinnen unter dem Gesichtspunkt ihrer relativen Anordnung;

3. astronomische und astrologische Basreliefs, über die meine Studien schon sehr weit fortgeschritten sind.

Sie Ihrerseits würden unter Vorbehalt der Ihnen zu leistenden Hilfe -falls Sie allein nicht mit der Arbeit, die sehr gross ist, zustande kämen alles übernehmen, was

Sitten und Gebräuche anbetrifft:

1. Künste und Gewerbe, Landwirtschaft; 2. Gewandung, hergebrachte Gewohnheiten, Spiele usw. Musik usw. 3. Militär

stand. 4. Religiöse Zeremonien. Sehr zahlreiche und sehr wichtige Sammlung (suite), von der nichts unterdrückt werden darf; 5. Einbalsamieren, Begräbnisse; 6. Gerätschaften, Vasen, Möbel usw.

Überlegen Sie, ob Ihnen das behagt. Bedenken Sie, dass es sich hier nur um die Ausarbeitung handelt, da der Text des gesamten Werkes unter gemeinschaftlicher Verantwortlichkeit gemeinschaftlich gedruckt werden wird . . . . Ich finde schliesslich, dass fünf Jahre ein etwas zu langer Zeitraum für den Druck sind. Übrigens wird das von unserer Rührigkeit abhängen, und keine Verbindlichkeit wegen der Dauer ist bis jetzt eingegangen worden. Ich verstehe völlig die Ungeduld des Grossherzogs, aber weder Sie noch ich können die Umstände schaffen. Er muss übrigens herausfühlen, dass es der Mühe lohnt, eine solche Sache mit Sorgfalt zu machen und mit aller Zuverlässigkeit, die sie erfordert. Auch ohne unser Zutun hat man Ägypten schon genug verschmiert. Wer langsam geht, geht sicher (Chi va piano va sano). Es ist nicht meine Schuld, dass ich gezwungen werde, dies Sprichwort zu zitieren . . ."

Dieser Brief kreuzte sich mit einem von Rosellini, dessen ganzer Jammer über die grenzenlose Verzögerung der Publikation und über den Unwillen Leopolds II. hier wieder lebhaft zum Ausdruck kommt. Auf die ständige Frage: Was schreibt Champollion? habe er nur die ständige Antwort:,,Nichts!" zu geben. Und er ergeht sich in bitteren Klagen über die von Frankreich veranlasste Beunruhigung der Völker Europas1).

Dass ihn überdies die politische Lage Italiens zu ängstigen anfing, ist erklärlich. Denn auch dort begann der Aufstand immer stärker um sich zu greifen. Von Tag zu Tag erwartete man auf der Kuppel von Sankt Peter die Trikolore wehen zu sehen, und seit Anfang April bereits fanden in vielen Städten, besonders in Turin, blutige Strassengefechte statt. Die Invasion der Österreicher schien unvermeidlich

1) „Ah Francia, Francia! . . . E la povera Italia, che pur vorrebbe per la sua natura simpatizzar con voi e le se ne toglie il mezzo! Dunque, per quella luce divina delle tre giornate di Luglio, si addenseranno tante tenebre che il mondo non ne vedrá più il lume?"

zu sein. Nur ,,Toscana fortunatissima," wie Champollion Toskana nannte, blieb völlig ruhig. Dies darf nicht vergessen werden angesichts der Tatsache, dass von dort her so kränkende Mahnrufe nach beschleunigter Tätigkeit an Champollion gerichtet werden konnten, der doch im Mittel

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Fig. 15. Ippolito Rosellini. (Nach einem Ölbild von Giuseppe Angelelli.)

punkt der erneuten Explosionen der Pariser Revolution stand.

Denn unter Périers wuchtigen Schlägen, im Namen der Gesetzlichkeit, bäumte sich die Hydra der Anarchie zunächst zu ihrer ganzen Stärke empor, aber der gewaltige Mann scheute vor nichts zurück, um dem betörten Volke,,die ihm verloren gegangenen Güter: Einsicht, Disziplin und Vertrauen" zurückzugeben. Er fand den Mut, die Barrikaden niederzureissen, die der bis zum Wahnwitz gesteigerte Drang nach

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