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Eine ihm recht angenehme Arbeit war bald nach seiner Ankunft in Grenoble erledigt worden: die Besprechung der Broschüre von Henry Salt'). Er hebt darin hervor, dass dieser mehrfach dieselben Mittel wie er selber zur Erreichung derselben Zwecke verwandt habe, so z. B. das Studium der phonetisch geschriebenen Götternamen zur besseren Erschliessung der Menschen- und besonders der Königsnamen. In der grossen Streitfrage wegen des pharaonischen Titels ,,Sohn der Sonne" hatte er, gegen Young, Champollions Idee (siehe p. 434) erfasst und an einer Menge ägyptischer Denkmäler bestätigt gefunden. Immer auf Grund des Briefes an Dacier arbeitend, hatte Salt 25 neue Lautwerte erkannt, von denen 15 inzwischen im „Précis" ebenfalls erschienen waren, während 7 andere vom Meister nicht als phonetisch anerkannt, 3 dagegen als wirklich neu hingestellt wurden.

Um seine Dankbarkeit gegen Salt noch allgemeiner zur Kenntnis zu bringen, hatte Champollion seinerzeit Gazzera bewogen, in mehreren italienischen Blättern eine Würdigung der verdienstlichen Arbeit zu bringen, was im Dezember 1825 und Januar 1826 u. a. auch im Journal de la Savoie (Turin) geschah. Der Artikel wurde durch die Brüder in Paris verbreitet, wo inzwischen auch Sacys Stimme zu Gunsten Salts laut geworden war, so dass man allgemein den Eindruck gewann, dass in dem Generalkonsul dem ägyptischen Studium ein hervorragender Mitarbeiter erwachsen sei.

Aber auch eine Apologie seines Systems musste der Entzifferer trotz seines Widerwillens gegen dergleichen Hilfsmittel zu dieser Zeit verfassen. Sie betraf die schon erwähnte, im Juli 1824 herausgegebene Streitschrift Gulianoffs: Opuscules archéologiques, auf die er nichts hatte erwidern wollen; nun musste er es dennoch tun), da neuerdings ein Pamphlet ehrenrührigster Art3) ihn sein Schweigen

etc.

1) Essay on Dr. Young and Champollions System of Hieroglyphics Siehe die Rezension, B. Fér., Vol. 5, Nr. 5. Januar 1826. 2) Vgl. Band I, p. 468, über den mit A. M. unterzeichneten Artikel. 3) Der Baron Merian aus Basel, Klaproths Freund, unterschrieb dieses Machwerk, das er aber wohl schwerlich verfasst hatte.

grausam entgelten liess. „Ich bin keineswegs verpflichtet," bemerkt er dazu, „meine Sache gegen den ersten besten Dummkopf zu verteidigen, dem es beliebt, sie anzugreifen, und lediglich wegen des hinterlistigen Artikels dieses Russen Mairian habe ich mich entschlossen, Herrn Ausonioli') durch Herrn X. antworten zu lassen. [Es wäre geschmacklos, persönlich zu werden]."

Inzwischen war Figeac nicht müssig gewesen, und am 4. Januar vermochte François aus einem,,erzdemotischen“ Briefe von ihm so viel zu ,,entziffern", dass es mit der Livorner Angelegenheit gut stand. ,,Lass meine Reisekosten regeln, . . . sende die Papiere, [eile Dich, - damit ich die schönen Tage benutze; der Mont-Cenis ist prächtig und ich wäre glücklich, von seiner Huld profitieren zu können]." Selbst in dieser eiligen Erwiderung vergisst er nicht, nach Blacas' Anteil an dem endlichen Erfolg zu fragen, damit er ihm danken könne. Denn auch Russland hatte letzthin Schritte zum Ankauf der Sammlung unternommen, doch durch den Tod Alexanders I. war diese Gefahr beseitigt:

,,falls nicht gewisse Leute in Paris nun die Begräbniskosten des Autokrators zum Vorwand für neues Verschleppen der Angelegenheit gebrauchen möchten,“ scherzt Champollion im Hinblick auf die zwei Millionen für die Königskrönung, die man fortgesetzt den Bewerbern um die Saltsche Sammlung als Schreckgespenst entgegenhielt. Nun dennoch der Sieg gesichert schien, galt es, in grosser Eile eine Menge Instruktionen und Vollmachten ausfertigen zu lassen, und nachdrücklichst auf die bereits für das Budget 1826 zu berücksichtigende Anstellung des neuen Konservators hinzuwirken; denn erklärlich genug wünschte Champollion schon in Livorno vor die schöne Sammlung,,wie ein Oberst vor die Spitze seines Regiments zu treten." Aber bereits weit über Italien hinaus, ,,nach dem grossen Mittelpunkt, dem reichen Quell," nämlich nach Ägypten hin, richtet sich nun wieder seine ,,durstige Seele." „Alle Reisenden der Welt könnten das nicht ersetzen, was ich selber in sechs Monaten an Ort und Stelle zu tun vermöchte. Es ist, ohne

1) Pseudonym Gulianoffs; vergl. Band I, Seite 462.

eitel zu sein, die Geschichte unseres guten Lafontaine vom Auge des Meisters."

Mit den Vorbereitungen in Paris ging es nur sehr langsam weiter, doch er tröstete sich zwei Wochen später damit, dass der Mont-Cenis, der plötzlich ein anderes Gesicht zeigte, nun Zeit gewinne,,,ein wenig Toilette zu machen.“ ,,Ich verlasse jedenfalls meine Kaminecke nicht ohne verbürgte Sicherheit." Es war nämlich als der Übel kleinstes ein Aufenthalt im Hospiz zu befürchten, wo man eine Portion Kartoffeln mit vier Franken bezahlte! Er setzte sich daher mit dem Kommissar von Maurienne in Verbindung, um fortgesetzt über dessen .,,weisshäuptigen Untergebenen" Nachricht zu erhalten.

Während er siegesgewiss Tag und Stunde bis zur Abreise zählte, sah Figeac infolge neuer Denunziationen des Bruders Interessen plötzlich so sehr gefährdet, dass er alle Hoffnung verlor, denn Blacas weilte wieder in Neapel und Doudeauville vermochte anscheinend dem Ansturm nicht zu widerstehen. Es war das Gerücht, der Entzifferer selber solle Konservator der ägyptischen Altertümer werden, das wie der Funke im Pulverfass wirkte! Nicht nur Jomard empörte sich gegen diese „Ungerechtigkeit“, sondern auch Graf Forbin, Generaldirektor der Museen, sah sich bereits bedroht und der Graf Clarac, Konservator der Altertümer des Louvre, glaubte sich vollends schon verloren. Da nun Forbin dank seiner Vielseitigkeit und seines glatten Wesens der unentbehrliche Liebling des Hofes war, so kann man sich Doudeauvilles und seines Sohnes') Verlegenheiten gegenüber diesem gewandten Gegner ihrer loyalen Absichten leicht vorstellen.

Am 7. Februar kam die Hiobspost nach Grenoble: ,,Dein Brief vom zweiten hat mir Entsetzen in alle Fibern gejagt. So kann man sich also niemals auf das Wort gewisser Leute verlassen, ohne zu riskieren, [für einen Knaben] von denen gehalten zu werden, welche nicht alle Schleichwege der Höhle des Gil Blas kennen. Wenn die Intrigue siegt, gerate ich [den beiden Santoni gegenüber in eine schöne

1) Vte Sosthène, damals Direct. du Département des Beaux-Arts.

Lage!] Doch wenn der gesunde Verstand siegt, so kann ich mich allenfalls darüber trösten, auf Kosten aller meiner Arbeiten fünf Monate mit dem Warten auf dies Ergebnis verloren zu haben! . . . Wenn die Sache scheitert, darf ich nicht mehr wagen, den Fuss nach Italien zu setzen, [da Durand überall öffentlich von diesem Ankauf gesprochen hat!]." Nachdem er noch flehentlich um eine Entscheidung, ,,als Wohltat des Himmels" gebeten, damit er nicht wie Homers Bellerophon sein Herz verzehren müsse, meinte er: ,,Ich merke an dem Interesse, das ich am Ordnen und an der Entwicklung einer Sammlung nehmen würde, dass ich nicht aus dem Holz bin, aus dem man heutzutage einen Konservator schnitzt. Da muss man den Konservatoren Roms gleichen ..1).“

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,,Nichts wird mich schützen vor den giftigen Zungen," ruft er verzweifelnd aus, und dann wieder: ,,Ich bin wie eine lebende Forelle mitten in der Bratpfanne!" Aber trotz der schmerzlichen Aufregung gedenkt er der italienischen Freunde und dringt darauf, dass Inghirami in Florenz zum Dank für die von ihm nach Paris gesandten etruskischen Bücher ein passendes Gegengeschenk erhalte: „die Gerechtigkeit will es so!" Ferner sollte Figeac dafür sorgen, dass irgend ein ,,Phönizier," etwa Garcin de Tassy,,,dem armen Mai" in Rom in seinem Kampf gegen Lanci zu Hilfe käme. Den Blick nach Paris wendend, riet er bereits Ende Januar, bei der Nachricht von Denons) Erkrankung dazu, dessen kostbare demotische Papyri bei Zeiten anzukaufen3). So konnte ihm selbst die starke Erregung während dieser Prüfungszeit den freien Blick nicht trüben, mit dem er gewohnt war, alles zu

umfassen.

1) „Qui, succédant aux droits du Sénat, et chargés ordinairement de défendre les libertés publiques, se contentent de veiller à ce que la mule du St Père ne fasse point de faux pas dans les grandes cérémonies de l'Eglise."

2) Denon war als Direktor des Musée Napoléon dem Studenten einst sehr förderlich gewesen und hatte ihn alle seine äg. Privatpapiere nach Belieben durcharbeiten lassen. Er starb, 78jährig, am 27. März 1826.

3) Er empfahl besonders dringend den Papyrus datiert: zur Zeit Alexanders, des Sohnes Alexanders.

Am 20. Februar endlich erfuhr er, dass ihm der König 5000 Franken bewilligt habe, um die Livorner Sammlung zu bearbeiten und den Kaufpreis endgültig abzuschätzen. Aber er traute dem Frieden noch nicht recht: erst als am 25. seine Kassette und alle nötigen Papiere ankommen, atmet er auf von schwerem Druck und trifft in Eile seine Vorbereitungen, um sobald als möglich die „balsamische Luft Ausoniens" wieder zu atmen.

,,Die Besuche gewisser Prinzessinen beim Signor Passalacqua werden also die Mumien von Livorno keineswegs hindern, nächstens zu Wasser oder zu Lande nach Paris zu wandern," schreibt er sogleich hocherfreut an Gazzera, bittet ihn aber, die Verschwiegenheit der Turiner Presse zu veranlassen, da die Nachricht von seiner Ankunft in Livorno und von der ,,Besitznahme des Museums Santoni" erst durch eine offizielle Notiz im Moniteur den Pariser Intriganten aufs Haupt fallen solle.

Nachdem er noch eine vergleichende Tabelle der drei koptischen Hauptdialekte beendet hatte, reiste er am 1. März frühmorgens nach Chambéry ab, etwas zu spät oder viel zu früh, für eine einwandfreie Fahrt, da die Poststrasse1) über eine sieben bis zehn Meter hohe Schneedecke führte, die langsam zu schmelzen begann. Zwei Lawinen waren bereits niedergegangen, viele andere drohten, und stündlich wuchs die Gefahr. Da sie jedoch mindestens bis Ende Mai anhielt und der Col di Tenda-Pass noch gefährlicher erschien, so musste die Fahrt gewagt werden. Der letzte Gruss galt wie immer dem Bruder, dessen unermessliche Mühsale in der jüngsten heissen Fehde François zu Herzen gingen:,,Ruhe dich aus, nun alles im Gange ist und lass uns hoffen, dass dies unser letztes kritisches Jahr sein möge. Es wäre wirklich Zeit, ein wenig Ruhe kosten zu dürfen."

In Chambéry wartete seiner eine grosse Überraschung. Sein einstiger Schulkamerad Avet hatte ihm zu Ehren alle Notabilitäten der Stadt, unter ihnen auch andere Mitschüler

1) Bekanntlich ist der Mont-Cenis ein 2091 m hoher Alpenpass über die Hauptwasserscheide der Alpen und nicht eigentlich ein Berg.

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