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men regelmäßig gewechselt, so entbehrte die neue Poesie des Kunstcharakters, nach dem sie strebte und der in ihrem Begriffe lag: es kam auf eine sinnige dem musicalischen Gefühl entsprechende Vertheilung der Reime an. Die einfachste Structur war die, daß man, wenn man drei bis vier Reime, d. H. Reimformen, auf die Strophe anwenden wollte, den vier ersten Zeilen zwei derselben zugestand, welches, da man das allzu volksmäßige aabb nicht brauchen konnte, die Formeln abab (prov. rims encadenatz) oder mit zugekehrtem (eingeschlossenem) zweiten Reime abba (rims crozatz) ergab. Die so verschränkten vier Verse entsprechen augenscheinlich den Stollen unsrer Meistersänger, den piedi der Italiäner. Mehr als vier Verse aber wurden in Portugal den beiden Stollen nicht eingeräumt. Selbst im Altfranzösischen, worin man gewöhnlich längere in seiner Schrift über den deutschen Meistergesang (1811) . 143 davon gesprochen. Er fand die dreigliederige Structur nur in einem Drittel der Lieder, die ihm damals zu Gebote standen, die Regel schien also nicht zu allgemeiner Anerkennung gelangt. Ich habe in meinem Buch über die Poesie der Troubadours (1826) diesen Punct der Metrik unberührt gelassen, weil ich darüber nicht ins Reine gekommen war. Nach Galvani, Osservazioni sulla poesia de' trovatori (1829) p. 30, ist die Dreitheiligkeit nur in einzelnen Liedern anzunehmen. Er hatte längere Stanzen vor Augen. Die Italiäner, behauptet von der Hagen, Minnesänger (1838) I. XXXIII, haben ihre dreitheilige Strophe aus der provenzalischen Poesie genommen, wo sie, wie in der nordfranzösischen, durchgängig in derselben Gestalt erscheint. Vorsichtiger urtheilt W. Wackernagel, Altfranzösische Lieder (1846) S. 174: eine Richtung zur Dreitheiligkeit ist bei den Provenzalen vorhanden; im Altfranzösi schen erhebt sie sich zum festen Gebrauch. Endlich findet Bartsch, Herrigs Archiv XVI (1854) S. 138, die Dreitheilung bei den altfranzösischen Lyrikern, nicht minder bei den Provenzalen.

Strophen baute, kommen Stollen von mehr als vier Versen, zwei auf jeden, nur selten vor, z. B. bei Thibaut von Navarra (ed. Tarbé) nur einmal (aba, aba num. 41), unter 90 Liedern andrer Dichter etwa siebenmal. Auf die Stollen folgt der dritte Sag der Strophe, der ihr erst ihre Vollendung gibt, der Abgesang in der Sprache der Meistersänger, it. sirima. Er begreift auch den Refrän, den die meisten portugiesischen Lieder besißen. Die Musiknoten fehlen zwar in beiden Handschriften: man darf aber voraussetzen, daß sich die Tonweise der Strophe verhalten habe wie im Altfranzösischen, wo die beiden Stollen gleiche Musik, der Abgesang seine besondere hatte, wie sich aus den hier erhaltenen Noten ergibt. Im Abgesange ist die Verszahl willkürlich: ein Vers, wenn er als Refrän diente, genügte schon (D. 41. 42. T. 24. 104); drüber hinaus finden sich zwei bis acht Verse. Dieser lette Strophentheil hat seine eignen Reime, deren Ordnung vom Dichter abhieng. Beispiele der Reimformen durch die ganze Strophe sind: ab, ab, cc; ab, ab, ccd; ab, ab, cdc; ab, ab, cdcd; ab, ab, cdcdcd; ab, ba, cd; ab, ba, ccd; ab, ba, cdc; ab, ba, cdcd. Oft aber auch nahm man die Reime aus den Stollen in den Abgesang, ordnete sie jedoch anders, z. B. ab, ab, ba oder ab, ba, aa oder ab, ba, bab, selten ab, ba, ba, so daß der Abgefang einen Stollen wiederholt. Oder man nahm sie nur zum Theil aus den Stollen, wie in ab, ab, cb; ab, ab, cca; ab, ab, cac; ab, ba, bbcc u. s. m. Besonders häufig ist die unmittelbare Anreimung des Abge= fanges an den zweiten Stollen in folgender Art: ab, ba, acc; ab, ba, aac; ab, ba, accdd; ab, ba, abccdd.

Hier fragt es sich nun, ob unsre Dichter dasselbe Reimsystem auf ein bestimmtes Lied beschränkten oder ob sie es auf mehrere anwandten? Entschieden das lettere, was bei der Kürze der Strophen und der beträchtlichen Zahl der Lieder kaum anders sein konnte. Für gewisse Systeme zeigten sie Vorliebe. Ungemein häufig finden sich sowohl bei Dionys wie in den Trovas ab, ba, ce und ab, ba, cca; in den lettern überdies ab, ab, cc; ab, ab, cca; ab, ab, ccb. Mehrfach angewandt sieht man auch ab, ba, ccb, oder mit der oben bemerkten Anreimung ab, ab, ba; ab, ba, acc. Treffen nun viele Lieder in der Reimstellung zusammen, so geschieht es ferner nicht felten, daß sie auch in dem Reimgeschlechte und der Versart zusammentreffen, also metrisch völlig gleich sind, doch konnte die Melodie eine andre sein. Diese völlige Gleichheit zeigen z. B. bei Dionys 19. 28. 35. 61 u. a., welche aus achtsylbigen jambischen Versen, 16. 20. 22. 46 f. a., die aus zehnsylbigen bestehen. Auch die Troubadours wiederholen sich in dieser Weise, z. B. Peire Vidal num. 23. 24. 25. 27 in achtsylbigen jambischen, 35 bis 39 in zehnsylbigen, alle nach dem Schema ab, ba, ccdd. Andre Provenzalen meiden diese Wiederholungen: so G. Riquier, in dessen Sammlung nur num. 21 und 22 völlig gleich sind, zwei andre, 45 und 56, scheidet der Refrän von einander. Auch Thibaut sucht für jedes Lied eine andere Strophenform; zusammen stimmen nur 16 und 50, desgleichen 9. 12. 20.

Die auf die Stollen ab, ab und ab, ba gegründeten Strophenformen sind indessen keineswegs die einzigen unsrer portugiesischen Sänger, wenn auch die bei weitem

überwiegenden. Ziehen wir von Dionysens 127 Liedern 10 volksmäßige ab, die nur Strophen haben von wenigen Zeilen, so bleiben 117, und von diesen weichen nur etwa 20, also nicht gar viel über ein Sechstel von der üblichen Structur ab. In dem lissaboner Coder beträgt die Zahl der abweichenden ein schwaches Fünftel. Dieses Verhältnis ist nicht ungünstig gegen das bei einigen Troubadours vorliegende. Bei Bernart von Ventadour z. B. betragen die unregelmäßigen Strophen etwa ein Viertel, bei Guiraut Riquier kaum ein Sechstel. Der König von Navarra aber hat in seinen 76 Liedern nur 5 mit unregelmäßigen Strophenformen. Unregelmäßig aber sind, scharf genommen, alle diejenigen, welche in Beziehung auf Reim und Versbau die Symmetrie der Stollen nicht beobachten, oder, wenn sie dies auch thun, des dritten Saßes entbehren, wie in aabb, aabb D. 171 oder abba, abba T. p. 310 (m), wenn hier nicht, da diese Dichter keine vierzeiligen Stollen anzuerkennen scheinen, anders getheilt werden muß. Zweitheilig ist offenbar aaa, bbb D. 171. T. 119. 146. Regelmäßigen Reimwechsel erblicken wir in ababab D. 56, und mit einem Verse mehr abababc T. 114. Hätte der Dichter des letzten ganz in Decasyllaben abgefaßten Liedes noch ein e zugefügt und den zwischen die dritte und vierte Zeile geschobenen Ausruf ay eu weggelassen, so wäre die italiänische Ottava fertig gewesen. *

*) Sie hat sich aber auch weder im Provenzalischen noch im Französischen eingefunden, während von der sicilianischen Ottava (abababab), wenigstens in letzterer Sprache, mehrere Beispiele vorhanden sind, s. Thib. n. 31, Romvart S. 278 (durchgereimt), De la Borde II. 154.

Solche der herrschenden Bauart widersprechende Strophenformen sind aber nur in einzelnen Liedern versucht worden. Eine Ausnahme macht aaabab, welches öfters vorfommt: D. 24. 95. 113. 152. 188. 191. 195. T. 116. 121. 182, eine gefällige Form, fast immer mit Refrän ; ferner aabab D. 168. 182. 189. 194. T. 169. 250; abbcac T. 25. 27. 28. 31. 33. 96. 97; abbccdd T. 63. 128. 200. 216. Daß nicht wenige Strophenformen mit provenzalischen und französischen in jeder Rücksicht zusammentreffen, ist leicht nachzuweisen; daß sie diesen aber überall oder auch nur zum größten Theile nachgeformt sein müssen, ist, wiewohl man auch hier den Einfluß der fremden Technik nicht verkennen wird, nicht anzunehmen: es war ja leichter solche Variationen der Form zu erfinden als sie aufzusuchen.

Von der größeren Einfachheit und Kunstlosigkeit dieser Kunstpoesie zeugt, daß die Versarten, im Gegensatz zur provenzalischen, sich minder häufig mischen, längere mit kürzeren, jambische mit trochäischen. Unter diesen gemischten machen bei Dionys p. 76 die mit Halbversen gemischten Redondilien (redondillas de pié quebrado), welche bei den Späteren so ungemein üblich geworden, einen fast überraschenden Eindruck. Die erste Strophe des Gedichtes ist:

Senhor, poys me non queredes
Fazer ben, nen o teedes

Per guysado,

Deos seja poren loado.

Mays poys vos mui ben sabedes

O torto que mi fazedes,

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