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Aufgußthierchen

Aufklärung

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Gemeindehauses. Aber auch die griech. Kirche kennt das Aufgebot nicht, sondern vollzieht nur ihre Verlobungen vor dem Priester und meist öffentlich in der Kirche.

Aufgußthierchen, f. Infusorien.

Auflauf heißt die massenhafte käufliche Erwerbung einer Waare in großen Kreisen der fie erzeugenden Gegenden seitens einzelner Speculanten. Ein solches Vereinigen des Besizes in wenigen Händen macht zunächst die regelmäßige Mitbewerbung der Verkäufer aufhören, und bewirkt eine Steigerung der Preise in Folge der bleibenden oder vermehrten Nachfrage. Um dieses willkürliche Heraufschrauben der Preise fern zu halten, war früher in vielen Staaten und Orten der Auflauf folcher Artikel, welche zu den unentbehrlichen Lebensbedürfnissen gehören, namentlich des Getreides, streng verboten. Man ging dabei von dem Gesichtspunkte aus, der Preis dieser Bare verfalle mit dem Aufkaufder vollen Willkür der Speculanten und müsse ein wucherhafter werden. Noch heute hört man von Manchem diese Ansicht äußern, daß die Aufkäufer die wah. ten und einzigen Ursachen aller Theuerungen seien, die sich auf Kosten des ganzen Volks, und besonders der årmern Classen, bereichern. Eine besonnene Beobachtung der Thatsachen und eine flare nationalökonomische Erkenntniß haben indessen solche Schreckbilder im Ganzen verscheucht, und zur Einsicht geführt, daß der Aufkauf der wichtigern Lebensbedürfnisse nie in einem wirklich Besorgniß erregenden Grade stattfinden kann, indem gesteigerte Preise die Concurrenz entfernter Gegenden herbeirufen, besonders bei den jezt so sehr beschleunigten Verbindungen. Man machte andererseits die Erfahrung, daß man mit jenen Verboten den wichtigsten Nerv des Berlehre, das Capital, unterband, und gerade den Verkehr, den man frei erhalten wollte, systematisch lähmte. Die Speculanten vermögen durchaus nicht auf einen enormen Preis zu warten. Es sind ihrer zu viele, als daß sie sich zu einer Coalition einigen könnten, und diese müßte auch sogleich unhaltbar werden, wenn bei dem Einzelnen die Geldverlegenheit eintritt. Ebenso macht der Umstand, daß zum Aufkauf großer Getreidemengen beträchtliches Capital erfoderlich, und bei einem Rückschlage des Preises großer Verlust unvermeidlich ist, die Händler stets geneigt, mit mäßigem Gewinn zu verkaufen. Dagegen zieht, wie bemerkt, die Aufkaufsspeculation die erfoderliche Waare gerade in Menge dorthin, wo sie gesucht ist, und steuert demnach dem Mangel, wie es manche Hungerjahre gezeigt haben. Die Absicht der Aufkäufer ist freilich in den meisten Fällen eine hiervon ganz unabhängige; denn der Aufkäufer will bloß den eigenen Gewinn, und wünscht we möglich dessen äußerstes Maß, sei es auch unter dem Nuin der Volksmassen. Wie nachtheilig indeffen der Mangel an Capital, welcher nach der Meinung Vieler ein Glück sein müßte, oder Auflaufsverbote dort wirken, wo die vergleichsweise unbemittelte ackerbauende Bevölkerung genöthigt ist, ihre wirklich reichen Ernten gleich nach der Einsammlung zu jedem Preise loszu schlagen, zeigt die dann folgende Preiserniedrigung und die Noth der Producenten. Anders verhält es sich mit dem im Begriffe verwandten Borkaufe (f. d.) der Lebensmittel.

Aufklärung ist im Allgemeinen derjenige Bildungszustand, in welchem Klarheit, Sicher heit und Unbefangenheit der Überzeugungen, den Aberglauben und die Verwirrung der Begriffe, dem Culturskande einer jedesmaligen Zeit entsprechend, fern halten. Der Ausdruck bezieht sich je doch vorzugsweise auf religiöse Bildung, da sich auf dem Gebiete der Religion bisher Aberglauben und Verwirrung theils vornehmlich geltend machten, theils besonders empfunden wurden. Insofern die Freiheit von Vorurtheilen und die Klarheit der Begriffserfassung an sich etwas unleugbar Gutes ift, muß auch Aufklärung sowol für den Einzelnen als für die Gesammtheit eines Volks wünschenswerth, ja selbst nothwendig erscheinen. Absichtliche Verdummung des Velke, wie sie oft von der Hierarchie, von dem Staate und zwischen politischen Parteien angeftrebt worden, ift Verrath an dem Wohle des Volks. Es folgt hieraus nothwendig frankhafte Verbildung in staatlicher und religiöser Hinsicht, und somit früher oder später hindurchbringender Antrieb zur gewaltsamen Erhebung des Selbständigkeit suchenden Volksbewußteins, das immer nur bis auf einen gewissen Grad und auf eine gewisse Zeit unterdrückt werden fann, aber dann desto roher, zerstörender wirkt, je frecher die Willkürgewalt die Rechte des allgemeinen Bewußtseins mit Füßen trat. Deshalb, und weil zugleich die Wissenschaft in keinem Augenblicke stillsteht, vielmehr nach einer gewissen Frist und Reife ihrer im engern Kreise zusam mengehaltenen Thätigkeit die Resultate und wesentlichen Ideen, selbst unwillkürlich, in das Volksleben übergehen läßt, gibt es im ftrengsten Sinne des Worts keine höhere Aufgabe für Staat und Kirche, als durch Aufwenden aller Mittel, durch Herbeiziehen der Männer der Wisfenschaft und der aufgeklärten Prarie an Universitäten, Schulen und verwandten Institutionen, für die Hebung der Volksbildung und Aufklärung zu sorgen. Dennoch ist nicht zu leugnen, daß hier mit großer Vorsicht zu Werke gegangen werden muß. Schon die öffentliche Meinung war

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Aufkündigung

Aufliegen

gegen diejenige Aufklärung mit großer Bestimmtheit eingenommen, welche als sogenannter Bulgärrationalismus besonders seit der Mitte des 18. bis in das erste Viertel des 19. Jahrh. das Volksbewußtsein zu beherrschen suchte. Der Grund davon lag in dem Charakter diefes Ratio. nalismus oder der Aufklärungspartei selbst, wonach Alles, auch die tiefsten göttlichen Wahrheiten und geheimsten Gemüthsbewegungen, für den trockenen, kalten Verstandesbegriff zerlegt, definirt, bewiesen, d. h. verflacht und vereinseitigt, und die speculativen Grundwahrheiten der positiven Religion namentlich in der populären Kant'schen Schule auf die unbegriffenen Worte,,Gott, Freiheit und Unsterblichkeit“ und auf geist- und leblose,,Moral" zurückgeführt werden sollten. Die Philosophie hat sich ebenso wie eine kirchlich repristinirende Reactionspartei gegen diese Aufklärerei ohne Gehalt und Lebenskern erklärt, obgleich die Philosophie die vollste Freiheit der Überzeugung principiell für sich in Anspruch nehmen muß. Nur hat sich andererseits auch in den Besten und Verständigsten gleichzeitig die Überzeugung geltend gemacht, daß, so verderblich ge= müthlose Verstandeskrämerei und bloßes Begriffsspalten ist, ebenso auch blinde Hingabe an ungeprüfte und unerlebte Autorität, mystische Verworrenheit und hochmüthig-exclusive Glaubenstyrannei zum Verderben gereicht. Die Aufgabe unserer Zeit bleibt es vielmehr, den ganzen Umfang menschlicher Geisteskraft, also nicht blos den Verstand oder einseitig das zur Schwärmerei und zur Willkür genelgte Gemüth, auszubilden. Bei dieser Rücksicht auf den ganzen Menschen nur kann wahre Aufklärung erreicht und segensreich werden.

Aufkündigung, die Erklärung eines der Contrahenten bei einem auf dauernde gegenseitige Leistungen bezüglichen Vertrag, insbesondere einem Miethcontract, daß derselbe von einem gewisfen Zeitpunkte an erloschen sein solle. Die Aufkündigung muß zu der durch Gesez oder Vertrag bestimmten Zeit erfolgen, und der Beweis derselben liegt Dem ob, von welchem sie ausgeht.

Auflage nennt man die Gesammtzahl der von einer Druckschrift gemachten Abdrücke. Die Stärke der Auflage wird in der Regel durch den Contract bestimmt, welchen der Verfasser mit dem Verleger abzuschließen pflegt. Von der richtigen Beurtheilung der Auflage nach dem Ber darf des Publicums hängt zum Theil das Gelingen einer buchhändlerischen Unternehmung, auch der zu stellende Preis für die Schrift ab. In juristischer Hinsicht ist die Frage besonders wichtig, inwieweit dem Verleger das Recht zustehe, eine neue Auflage des von ihm verlegten Buches zu machen. Die Lehrer des gemeinen Rechts machen zum größern Theil dieses Recht von der Einwilligung des Verfassers abhängig, wogegen sie wiederum den Verfasser für verpflichtet halten, bevor die erste Auflage nicht vergriffen sei, keine neue Auflage bei einem andern Verleger zu veranstalten. In gleichem Sinne sprechen sich theils ausdrücklich, theils mittelbar die bedeutendsten neuern deutschen Geseze (das preußische von 1837, das sächsische von 1844 u. a.) dahin aus, daß, wenn keine andere übereinkunft zwischen Autor und Verleger erfolgt ist, die Veranstaltung einer neuen Auflage von der Bewilligung des Erstern abhängt. Zwischen Auflage und Ausgabe stellen Schriftsteller und Geseze verschiedene, jedoch immer mehr oder we niger willkürliche Unterscheidungen auf. (S. Literarisches Eigenthum.)

Auflegung der Hände, bei den spätern Juden Semicha genannt, eine alte, weit verbreitete religiöse Sitte, als Symbol göttlicher Weihe, da die Hand das dem Menschen gewöhnlichste Organ der Mittheilung, und ihre gewöhnliche Bewegung von oben nach unten, vom Himmel zur Erde herab auf den zu Segnenden, eine sehr natürliche und bezeichnende für den Segenspre chenden ist. Durch Auflegen der Hände bestellten die Griechen ihre Beamten, erklärten die Rö mer ihre Sklaven für frei, ertheilten die Patriarchen der Ifraeliten, und überhaupt die Vä ter ihren Kindern den Segen, weihte Moses den Jofua zu seinem Nachfolger und die spätere jüdische Sitte die öffentlich bestellten Lehrer des Volks. Auch die Opferthiere pflegten sowol bei den Juden wie bei den Heiden, durch Handauflegung unter Gebet und andern Formeln der An wünschung, je nach der Absicht des Opfers, geweiht zu werden. Nach diesen Vorangängen ist die Handauflegung auch im Christenthum zur Anwendung gekommen. Christus segnete (z. B. die Kinder) und heilte unter Auflegung der Hand, und die Apostel bedienten sich zur Weihe und Heilung derselben Form. So wird die Auflegung der Hand auch in der protest. Kirche bei der Sprechung des Segens nach der Predigt, bei der Absolution, bei der Confirmation der Kinder, bei der Ordination der Geistlichen und bei Einsegnung der Sterbenden zur Anwendung gebracht. Namentlich hat sie in der kath. Kirche im Sacramente der Firmelung (f. d.) unter dem Namen der impositio manuum (d. h. Auflegung der Hände) eine besondere höhere Bedeutung. Aufliegen (decubitus), nennnt man das Entzündet, Wund- und Geschwürigwer den solcher Hautstellen, welche bei anhaltender Bettlägerigkeit fortwährend einem Druck der Matraze oder Unterbetten u. f. w. ausgesezt sind. Diese Stellen sind besonders das Kreuz

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Auflösende Mittel

Auflösung

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terbein, die Hüftknochen, dann die Schulterblätter und einzelne Wirbel. Befördert wird das Aufliegen einestheils durch große Hinfälligkeit, Unbehülflichkeit, auch Betäubung des Kranken, anderntheils durch Verunreinigung seines Lagers (durch Urin, Koth, Schweiß, Jauche u. s. w.), durch im Bettuch sich ansammelnde Krümchen und Körnchen, durch Falten und Näthe deffel. ben u. dgl. m. Man verhütet das Aufliegen, indem man tagtäglich für ein gutes Lager sorgt, die Matrazen und Bettücher fleißig wechselt, unter dem Bettuch ein glattes Wachstuch oder Reh- oder Gemsenfell ausbreitet, fleißig am Rücken und Kreuz des Patienten nachsieht und die bedrohten oder schon gerötheten Stellen mit kaltem Wasser, Essigwaffer oder frischem Citronensaft abwäscht u. s.w. Bei höherem Grade des Übels sorge man dafür, daß die gedrückte Stelle in einem gepolsterten Ringe oder einem durchlöcherten Luftkissen (von Kautschuk) völlig frei liege und wundärztlich verbunden werde. Neuerdings empfiehlt man zur Verhütung dieses Übels die Hooper'schen Wasserkissen (aus Kautschuk), ebenso die Arnott'schen Wasserbetten und die Lukeshen Kautschukringbetten, deren Gurte durch Kautschukringe an den Rahmen befestigt sind. Auflösende Mittel (Resolventia), nennt man in der Medicin solche Heilmittel, welche bewirken, daß krankhaft abgelagerte Stoffe oder auch unbrauchbar gewordene Gewebtheile des Körpers in flüssigen Zustand, und so wieder ins Blut übergehen, um dann den Ausscheidungsorganen zugeführt zu werden. Zu diesem Zweck dienen unter anderm die Wärme (besonders die feuchte) und das Wasser in seinen verschiedenen Gestalten (als kaltes und warmes, als chemischreines, Quell- oder Mineralwasser), von Arzneimitteln die Alkalien, viele Salze derselben, manche Säuren (besonders Effigfäure), einige Metalle (Quecksilber- und Spießglanzmittel), eine große Anzahl Pflanzenmittel u. s. w. Durch schmale Diät und geeignete (gymnastische) Körperbewegungen wird die auflösende Behandlung sehr gefördert.

ઠે.

Auflösung ist ein Vorgang, durch welchen irgend ein Körper, sei er fest, flüffig oder gasförmig, sich mit einer Flüssigkeit in der Art verbindet, daß ein gleichartiges Ganze gebildet wird. Bird ein fester Körper, z. B. Zucker, Kochsalz, Glaubersalz, Alaun u. s. w., in Wasser aufgelöst, fo vermindert sich seine Cohäsion, und er geht in den flüssigen Zustand über. Die Auflösung ist also gewissermaßen ein Schmelzen auf nassem Wege; denn wie bei schmelzenden Körpern Wärme gebunden wird, welche sich dem Gefühl entzieht und keine Wirkung mehr auf das Thermometer äußert, so ist es auch hier der Fall. Löst man ein leichtlösliches Salz in möglichst feiner Form rasch im Wasser auf, so bindet das Salz Wärme, welche es dem Lösungsmittel entzieht und anscheinend verschwinden läßt, während diese Wärme im Grunde doch nur dazu dient, den flüchtigen Aggregatzustand des Salzes zu bedingen. Auf solche Weise kann man eine sehr niedrige Temperatur erzeugen. Löst man dagegen ein Gas in Wasser, so wird es gewissermaßen auch flüssig, und da die Gase mehr Wärme gebunden enthalten als die Flüssigkeiten, so muß bei dem Borgange Wärme frei werden. In der That erhißt sich auch Wasser, welches Salzsäuregas ab-` forbirt, außerordentlich. Die Auflöslichkeit, d. h. die Fähigkeit sich aufzulöser, ist bei verschiedenartigen Körpern sehr verschieden, und ein und derselbe Körper löst sich oft in verschiedenen Flüsfigkeiten in sehr verschiedenen Mengen. Im Allgemeinen löft sich ein Körper um so mehr, je höher die Temperatur des Lösungsmittels ift. So lösen sich in 100 Theile Waffers beim Gefrierpunkte etwa 13 Theile Salpeter, beim Siedepunkte aber über 200 Theile. Hat eine Flüssigkeit so viel von einer Substanz aufgelöst, als sie bei der herrschenden Temperatur überhaupt aufzulösen vermag, so nennt man sie gesättigt, saturirt, oder concentrirt. Erkaltet eine heißgesättigte Flüssigkeit allmälig, so muß sich mit sinkender Temperatur auch eine entsprechende Menge des gelösten Körpers ausscheiden, und dies geschieht, wenn die Substanz überhaupt dazu geneigt ist, unter Bildung von Krystallen. Das Kochsalz löst sich merkwürdigerweise bei allen Temperatu ten in derselben Menge auf. Zu den vorzüglichsten Auflösungsmitteln gehört das Wasser, der Alkohol und der Äther. Das Waffer, als das in der Natur verbreitetste Lösungsmittel, löft die meisten Verwitterungsproducte des Mineralreichs, welche in dieser Lösung den Pflanzen oder den Flüssen und Meeren zugeführt werden. Man unterscheidet eine chemische Auflösung von der mechanischen. Die lestere besteht darin, daß ein Körper ohne weiteres Zuthun in das Löfungsmittel übergeht; die erstere dagegen sest voraus, daß man einen für sich in der Flüssigkeit unauflöslichen Körper burch chemische Agentien in Verbindungen überführt, welche mechanisch löslich find. So löst sich Eisen nicht im Wasser. Durch Zusaß von Schwelfelsäure wird es aber unter Entwickelung von Wasserstoffgas (indem Wasser zersetzt wird) in schwefelsaures Eisenordul (Eisenvitriol, grünen Vitriol) übergeführt, welches sich leicht mechanisch auflöst.

In der Musik heißt Auflösung die durch die Natur eines musikalischen Intervalls gefoderte Fortbewegung der Melodie, und im engern Sinne die nothwendige stufenweise Fortschreitung

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Aufnehmen

einer Dissonanz in ein consonirendes Intervall. Die Dissonanzen treten bei ihrer Auflösung gewöhnlich eine Stufe abwärts, und nur die sogenannten übermäßigen und einige große Intervallen gehen zur Auflösung eine Stufe aufwärts. Der Schritt, welchen dabei die Grundstimme macht, bestimmt das Intervall der Auflösung. Bei den regulär aufgeführten Dissonanzen, d. i. bei den in dem schlechten Takttheile vorbereiteten, fällt die Auflösung immer wieder auf den schlechten Takttheil; die irregulär aufgeführten, d. i. die im Durchgange gebrauchten, Dissonanzen werden auf der guten Taktzeit aufgelöst. Auflösungszeichen nennt man in der Notenschrift das sogenannte Bequadrat:. In der Poesie, besonders im Roman und noch mehr im Drama, nennt man Auflösung die Katastrophe, oder vielmehr den mit der Katastrophe eintretenden leg. ten Theil der Handlung, ihre Entwickelung, zu welcher alles Vorhergegangene nur die nothwendige Vorbereitung gewesen ist. Die Auflösung muß, soll sie ästhetisch und psychologisch gerechtfertigt werden können, nothwendig und naturgemäß sein, ohne sich genau vorhersehen zu lassen; sie muß auf die folgerichtigste Weise aus den frühern Handlungen und Charakteren refultiren, ohne durch peinliche Vorbereitungen zu ermüden. Wo solches nicht der Fall ist, entste hen leicht jene unmotivirten, gegen Psychologie und Ästhetik verstoßenden Effectschläge und Coups de théâtre, welche nur die urtheilslose Menge befriedigen. Die franz. Bezeichnung Dénouement, d. h. Knotenlösung, ist jest auch in der deutschen Theatersprache gebräuchlich. - In der Mathematik heißt Auflösung die gehörige Beantwortung eines mathematischen Problems. Die Auflösung der Gleichung besteht z. B. in der Bestimmung der Werthe, welche die in dieser Gleichung enthaltene veränderliche Größe, dieser Gleichung gemäß, haben kann. — Auflösung, im ärztlichen Sinne, bezeichnet bald einen Zustand von Ohnmacht oder wirklichen Lod, bald die in den Säften des (lebenden oder todten) Körpers eingetretene fäulnißartige Zerseßung.

Aufmarsch heißt die Entwickelung einer in Colonne stehenden oder marschirenden Truppe in die Front- oder Schlachtlinie. Je nachdem die Truppe rechts, links oder aus der Mitte abmar schirt ist, geschieht der Aufmarsch entweder links, rechts oder links und rechts. Es gibt taktische und strategische Aufmärsche. Unter den leßtern wird die Ankunft der verschiedenen Heeresabtheilungen auf denjenigen Punkten verstanden, von wo aus die gemeinschaftlichen Operationen beginnen sollen, und man sagt alsdann, die Armee habe ihren strategischen Aufmarsch vollendet. Als z. B. 1814 die Schlesische Armee unter Blücher bei Kaub, die Große Armee unter Schwarzenberg bei Basel über den Rhein gingen, jeue an der Aisne, diese bei Troyes angekommen waren, war der strategische Aufmarsch der zur Operation gegen Napoleon bestimmten Armeen als vollendet anzusehen. Eine Truppe, klein oder groß, welche während ihres Aufmarsches, derselbe sei strategisch oder taktisch, vom Feinde überrascht und angegriffen wird, befindet sich im entschie denen Nachtheil gegen einen bereits aufmarschirten Feind. Die Linie (Frontlinie), in welche auf marschirt wird, heißt das Alignement; die Punkte, auf welche die Spigen der Colonnen sich dabei dirigiren, heißen die points de vue, Gesichtspunkte, und diejenigen Punkte, von welchen die Entwickelung der einzelnen Colonnen ausgeht, Stüßpunkte; die Bezeichnung der einzuneh menden Linie geschieht durch Alignements- und Hülfspunkte. Früher gab man den Aufmär-schen besondere Namen: z. B. Adjutanten-, Husarenaufmarsch u. s. w., doch ist dies abgeschafft. Gegenwärtig unterscheidet man drei Arten von Aufmärschen: den durch Frontmachen oder Einschwenken, wobei man nach der Flanke aufmarschirt, indem die im Flankenmarsch begriffene Colonne Halt macht und einschwenkt (Front macht), was die kürzeste Art ift; den durch Eventailliren (auch speciell Aufmarsch genannt), wobei die hintern Züge der Colonne sich schräg (fächerartig) in die Front herausziehen (Aufmarsch nach der Front); endlich den Aufmarsch durch Deployiren (Aufmarsch nach der Front durch Flankenmarsch), wobei die Züge der Colonne sich parallel zum Alignement aus der Colonne herausziehen und, in der Höhe ihres demnächsti gen Plaßes angelangt, durch eine Viertelwendung im Marsche in die Linie einrücken. Die beiden ersten Arten erfolgen aus der offenen, die leßtere aus der geschlossenen Colonne (f. d.). Aufnehmen eines Stück Landes, einer Gegend, heißt in der Geodäfie einen Plan, eine graphische Darstellung einer Gegend im verjüngten Maßstabe entwerfen. Dies geschieht im Allgemeinen durch Darstellung eines Nezes oder Systems von zusammenhängenden Dreiecken, deren Endpunkte wirkliche, d. h. auf dem Felde (auf der Erdoberfläche) vorhandene Gegenstände find. Der räumlichen Ausdehnung nach unterscheidet man zwischen geometrischen und trigonometrischen Neßen. Ein geometrisches Nes erstreckt sich über einen kleinen Raum, welcher höch stens eine Quadratmeile umfaßt. Ein trigonometrisches Neh dagegen umfaßt mehre Quadratmeilen, ja wol gar ein ganzes Land. Bei der Aufnahme eines kleinern Stücks der Erdoberfläche ist der Zweck meistens ein ökonomischer, indem man die Gestalt und Größe und mit ihr zugleich,

Aufriß

Aufruhr

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den Werth jenes Stückes bestimmen will. Beim Aufnehmen eines großen Stückes hingegen ist der Zweck selten ein ökonomischer, in der Regel ein topographischer, militärischer oder geographischer. Nach dem Zwecke richtet sich natürlich auch das einzuschlagende Verfahren. Aufriß heißt in der Projectionslehre die Darstellung eines Gegenstandes auf einer vertica len Ebene. In den meisten Fällen herrschen bei darzustellenden Gegenständen drei Richtungen ver: die durch die Richtung der Schwerkraft bestimmte Höhe, und zwei horizontale Nichtungen, die Länge und Breite. Durch diese drei Richtungen legt man bei den geometrischen Zeich nungen, der Einfachheit halber, auch die Bildebenen, und bezeichnet die auf den beiden verticalen Ebenen erhaltenen Bilder als Aufrisse, und zwar das eine als Aufriß im engern Sinne oder Standriß, das andere als Profil oder Seitenansicht, hingegen das auf der horizontalen Ebene erhaltene als Grundriß. Diese durch die Schwerkraft bedingte Lage der Bildebenen wird in den rin geometrischen Darstellungen, selbst bei geneigten Körpern, beibehalten. Es fallen die Bildebenen stets mit den Coordinatenebenen zusammen. In der Perspective bezieht sich die Bezeichnung Aufriß und Grundriß ebenfalls auf die verticale oder horizontale Lage der Bildebene. Ohne nä here Bezeichnung versteht man unter Aufriß stets den geometrischen, welchen man zum Unterschiede von dem perspectivischen auch wol den orthographischen Aufriß nennt, weil sich in ihm alle Höhen- und Breitenverhältnisse in wahrer Größe und nicht, wie in der Perspective, nach der Entfernung verkleinert darstellen.

Aufrollen, in militärischer Beziehung, soll heißen: einen Flügel der feindlichen Aufstellung durch einen überraschenden mit großer übermacht geführten Angriff so in Unordnung bringen, daß die dort aufgestellten Truppen nicht im Stande sind eine neue Vertheidigungsstellung zu nehmen, sondern, nach der Mitte geworfen, alle übrigen Truppen in ihre Auflösung mit fortrei fen. Es ist dieses ein Ausdruck, der, wahrscheinlich von poesiereichen Historiographen erfunden, des Bürgerrechts in der Militärsprache gänzlich entbehrt, da die oben angedeutete Wirkung wol nie in der Kriegsgeschichte vorgekommen ist, selbst nicht während der Kriege, wo die Taktik des 18. Jahrh. galt, d. h. die Schlachtordnung in entwickelten zusammenhängenden Linien. Jeyt wo die Schlachtordnung ein Zurechtstellen der Truppen für den beabsichtigten Gebrauch ist, und diese lehtern sich bis zu dem Augenblicke, wo sie in Wirksamkeit treten, in der Bereitschaftsstel lung befinden, möchte ein solches Manöver zu den Unmöglichkeiten gehören.

Aufruhr oder Tumult heißt das Zusammenlaufen mehrer Personen, um sich irgend einer obrigkeitlichen Anordnung mit Gewalt zu widerseßen, ein Staatsverbrechen, welches zum Hochverrath übergeht, wenn der Zweck des Aufruhrs auf Umsturz der Verfassung selbst gerichtet ist. Echon dieser Begriff unterscheidet den Aufruhr vom Aufstande, indem der erstere wol der Anfang und die Veranlassung zu dem lestern werden kann, aber an sich in einer ungeordneten und gewaltsamen Widerseßlichkeit besteht, welche, wenn sie länger fortgeseßt und der bewaffnete Widerstand immer allgemeiner und heftiger wird, den Namen der Empörung oder Rebellion erhält. Der Aufstand hingegen oder die Insurrection (f. d.) ist die Erhebung eines Volks zum geregelten Widerstande gegen eine für unrechtmäßig gehaltene Herrschaft, oder gegen eine solche Regierung, welche in einer das ganze Volk bedrückenden Weise rechtswidrig handelt, ohne daß fich ein gefeßlicher Weg zur Abhülfe darböte. Demnach kann beim Aufruhr nie die Frage von feiner Rechtmäßigkeit sein: die Aufrührer sind vor dem bürgerlichen Gefeße immer strafbar; der Aufstand aber kann in der Idee wenigstens rechtmäßig sein, insofern er gegen eine unrechtmäßige Herrschaft gerichtet ist. Daher wird auch der Name Rebellen, welchen man nur von den in einem strafbaren Widerstande Begriffenen gebraucht, mit dem der Insurgenten vertauscht, sobald bas Urtheil über die Nechtmäßigkeit wenigstens zweifelhaft zu werden anfängt. Gefangene Rebellen haben keinen Anspruch, als Kriegsgefangene behandelt zu werden, wol aber Insurgenten, welche unter dem Schuße völkerrechtlicher Grundsäße stehen, da die Gerechtigkeit ihrer Sache von dem Gottesurtheil des Ausgangs abhängig gemacht ist. Im rechtlichen Begriffe gehören gewöhnlich zu einem Aufruhr wenigstens zehn Menschen. In England wird, sobald eine Verfammlung einen tumultuarischen Charakter anzunehmen scheint, dieselbe zufolge der Aufruhracte Son 1817 durch eine Proclamation aufgefodert, bei Todesstrafe ruhig auseinander zu gehen, und erst eine Stunde darauf darf mit bewaffneter Macht eingeschritten werden. Die in Eng and geltende Bestimmung, daß die Gemeinden für den bei Aufruhr verursachten Schaden eintehen müssen, veranlaßt indeffen auch zu früherm Einschreiten im Wege der Polizeigewalt nd Nachbarhülfe, wozu sich die ordnungsliebenden Bürger als freiwillige Constabler verpflich en laffen. Einen ftrengern Charakter trugen die Aufruhr- oder Tumultgefeße, welche nach dem Ausbruche der Französischen Revolution in mehren deutschen Staaten erlassen wurden, und die

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